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Dieser Band der Reihe Raub und Rückgabe - Österreich von 1938 bis heute illustriert anhand ausgewählter Beispiele jene diskriminierende Politik, welche der Vertreibung und Ermordung der aus der 'Großdeutschen Volksgemeinschaft' ausgeschlossenen Gruppierungen voran ging. Neben der Auseinandersetzung mit antijüdische Maßnahmen, wie die Verhängung von Berufsverboten, der Entzug von Mobilien und Immobilien sowie der Entzug der Staatsbürgerschaft, versammelt der Band darüber hinaus Beiträge, die sich mit anderen vom NS-System marginalisierten Gruppen (Roma und Sinti, politisch Verfolgte, Homosexuelle) beschäftigen.…mehr

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Produktbeschreibung
Dieser Band der Reihe Raub und Rückgabe - Österreich von 1938 bis heute illustriert anhand ausgewählter Beispiele jene diskriminierende Politik, welche der Vertreibung und Ermordung der aus der 'Großdeutschen Volksgemeinschaft' ausgeschlossenen Gruppierungen voran ging. Neben der Auseinandersetzung mit antijüdische Maßnahmen, wie die Verhängung von Berufsverboten, der Entzug von Mobilien und Immobilien sowie der Entzug der Staatsbürgerschaft, versammelt der Band darüber hinaus Beiträge, die sich mit anderen vom NS-System marginalisierten Gruppen (Roma und Sinti, politisch Verfolgte, Homosexuelle) beschäftigen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.10.2007

Im Dickicht der Entschädigungen
Die späte Fleißarbeit der österreichischen Historikerkommission und ihre anhaltenden Folgen
Weltweit wurden seit Ende des Kalten Krieges Historikerkommissionen eingerichtet. Es ging um Zwangsarbeit, Kunstraub, Vermögensentzug und die erfolgten oder ausgebliebenen Restitutionen nach 1945. Auch in Österreich setzten Regierung und Parlament 1998 eine Historikerkommission ein. Das Ergebnis war umfangreich: 49 Bände mit mehr als 17 000 Seiten, eine gewaltige Suche nach Gerechtigkeit.
Die Einrichtung der Schweizer Bergier-Kommission, der Druck amerikanischer Sammelklagen und die Fälle von Kunstraub ließen in der Öffentlichkeit das Bild von einer „Bringschuld” gegenüber den Opfern und ihren Nachkommen entstehen. Bereits Mitte der achtziger Jahre kam es – im Umfeld der Diskussionen um die Kriegsvergangenheit des Bundespräsidenten Kurt Waldheim – zum späten Abrücken von der „Opferthese”, die nach 1945 dazu gedient hatte, Österreich von der Verantwortung für die Verbrechen des Nationalsozialismus freizusprechen. Es folgte die Erklärung einer „moralischen Mitverantwortung” durch Bundeskanzler Franz Vranitzky vor dem Nationalrat 1991 und von Bundespräsident Thomas Klestil 1994 in Israel. 1995 wurde der „Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus” eingerichtet für unbürokratische pauschale Ausgleichszahlungen in Höhe von jeweils 70 000 Schilling.
Traumatische Erinnerungen
Drei Jahre später begann die systematische Suche der Historikerkommission danach, was nicht entschädigt wurde. Der Schlussbericht über die Spurensuche in Kellern, Depots, auf Dachböden und Speichern liest sich wie ein Krimi. Der Umfang sprengt jedoch jede Form der Aufnahmefähigkeit und machte einen Schlussbericht – 2003 belohnt mit dem Bruno-Kreisky-Preis – mehr als nötig. Weil der sperrige Themenkomplex Öffentlichkeit braucht, um einem politischen Bildungsauftrag nachzukommen, gab es auf medialer und pädagogisch-didaktischer Ebene ein großes Echo.
In diesem Zusammenhang erschien der Sammelband „Ausgeschlossen und entrechtet”, mit dem eine vierbändige Reihe abgeschlossen ist, die versucht, die Ergebnisse der Historikerkommission in Essayform zusammenzufassen. Der Band ist an Einzelfällen aufgerollt und zeigt Geschehnisse in der NS-Zeit, wie Verlust von Staatsbürgerschaft, Berufsverbot oder Entzug von Wohnungen: Allein in Wien wurden 59 000 Wohnungen samt Einrichtung und allen privaten Erinnerungen „arisiert”. Das schildert Eva Blimlinger als eine der „traumatischsten und unmittelbarsten Erinnerungen”, die Emigranten heute noch an diese Zeit haben. Dirk Rupnow beschreibt die ambivalente Rolle der „Zentralstelle für jüdische Auswanderung” durch die „Einbindung der Opfer in ihre Beraubung und Vernichtung” und bezeichnet dies als das „perfideste Moment der ganzen antijüdischen Politik”.
Neben den Fallbeispielen zeigt der Band aber auch die Haltung der Zweiten Republik zu den Opfern und ihren Ansprüchen und schildert die Schwierigkeiten diverser Gruppen nach 1945, als Opfer anerkannt zu werden: Bis in die sechziger Jahre wurde etwa die Lagerhaft von Roma und Sinti nicht als Freiheitsentzug angerechnet. Auch Euthanasieopfer, Zeugen Jehovas, Kärntner Slowenen, Homosexuelle, Deserteure aus der Wehrmacht oder Wehrdienstverweigerer mussten lange warten, um als Opfer anerkannt zu werden. Mitarbeiter des „Nationalfonds” schildern dazu Erfahrungen aus ihrer täglichen Arbeit und berichten von den Kämpfen der Antragsteller um Restitution. Viele hatten bereits in den Nachkriegsjahren versucht, ihr Eigentum zurückzubekommen, scheiterten aber zumeist an den restriktiven Gesetzen oder ihrer zögerlichen und unsystematischen Handhabung. Zwar hatte der Staatsvertrag 1955 bereits Ansprüche geregelt, mit der Einrichtung von Sammelstellen für „erbloses Vermögen” und einem Hilfsfonds, dennoch waren die Restitutionen durch zahllose Lücken und administratives Dickicht erschwert. Immerhin wurde jetzt die Antragsfrist für die „Naturalrestitution”, also für die Rückgabe von Immobilien, auf Ende des Jahres 2007 verlängert.
Grenzen der Wiedergutmachung
Die Historikerkommission hatte nicht nur die Aufgabe, systematisch Wissen aufzuhäufen, sondern auch Fakten und Zahlen als Basis für politisches Handeln zu liefern: Ergebnisse waren der „Versöhnungsfonds” (für ehemalige Zwangsarbeiter im Jahr 2000), dessen Gelder bereits großteils verteilt wurden, wie auch 2001 der mit 210 Millionen Dollar dotierte „Allgemeine Entschädigungsfonds”. Hier begannen die ersten Vorauszahlungen im Dezember 2005. Die Gesamtabwicklung wird jedoch noch einige Zeit dauern, denn es wird versucht, die
Verluste für alle Betroffenen individuell zu errechnen und dann den gesamten
Betrag entsprechend aufzuteilen. Ein aufwendiges und kompliziertes Verfahren mit dem Ziel größtmöglicher Gerechtigkeit.
Doch in der Entschädigungspraxis wie in den betreffenden Publikationen wird immer wieder sichtbar, dass einer „Wiedergutmachung” viele Grenzen gesetzt sind. Ob verlorene Familien und Karrieren, die demographischen Verschiebungen einzelner Bevölkerungsgruppen oder die massiven Umverteilungen in den Eigentumsverhältnissen, das sind Auswirkungen, die Österreich und die Betroffenen nach wie vor spüren. Die vierbändige Reihe der beiden Autoren – mit den Titeln „Die Republik und das NS-Erbe”, „Arisierte Wirtschaft”, „Enteignete Kunst” und „Ausgeschlossen und entrechtet” – bietet einen fundierten doch gut lesbaren, anschaulichen und ausgewogenen Überblick über das komplexe Thema Raub und Rückgabe in Österreich. NICOLE L. IMMLER
VERENA PAWLOWSKY / HARALD WENDELIN (Hg.): Ausgeschlossen und entrechtet (Band 4 der Reihe: Raub und Rückgabe – Österreich von 1938 bis heute). Mandelbaum Verlag, Wien. 300 Seiten, 17,80 Euro.
Bundespräsident Thomas Klestil (1932-2004), hier mit dem israelischen Chefrabbi Yona Metzger, bekannte die Mitverantwortung Österreichs am Holocaust. AP
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensentin Nicole L. Immler begrüßt diesen letzten Band "Ausgeschlossen und entrechtet" aus der vierbändigen Reihe "Raub und Rückgabe - Österreich von 1938 bis heute", die im Rahmen der Arbeit der österreichischen Historikerkommission erschienen ist und deren Ergebnisse der Band in Essayform zusammenzufassen versucht. Neben einer Reihe von an Einzelfällen aufgerollten Beiträgen über Themen wie Verlust von Staatsbürgerschaft, Berufsverbot oder Entzug von Wohnungen in der NS-Zeit findet Immler in dem Band auch einiges über die Haltung der Zweiten Republik zu den Opfern und ihren Ansprüchen sowie über die Schwierigkeiten verschiedener Gruppen nach 1945, als Opfer anerkannt zu werden. Sie unterstreicht, dass die Historikerkommission nicht nur systematisch Wissen anhäufen, sondern auch Fakten und Zahlen liefern sollte, die als Grundlage für politische Entscheidungen dienen konnten, etwa der Einrichtung des "Versöhnungsfonds" und des "Allgemeinen Entschädigungsfonds". Der Band scheint Immler sehr gelungen, sie lobt ihn als "fundierten doch gut lesbaren, anschaulichen und ausgewogenen Überblick über das komplexe Thema Raub und Rückgabe in Österreich."

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