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Singer ist vierunddreißig und hat gerade die Ausbildung zum Bibliothekar abgeschlossen, als er mit dem Zug in der Kleinstadt Notodden ankommt, um ein neues Leben zu be- ginnen. Er verliebt sich in Merete, eine Töpferin, und zieht mit ihr und ihrer kleinen Tochter zusammen. Im Lauf der Jahre beginnt die Beziehung zu bröckeln. Und gerade als sich das Paar scheiden lassen will, nimmt Singers Schicksal durch einen Autounfall eine unerwartete Wendung.

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Produktbeschreibung
Singer ist vierunddreißig und hat gerade die Ausbildung zum Bibliothekar abgeschlossen, als er mit dem Zug in der Kleinstadt Notodden ankommt, um ein neues Leben zu be- ginnen. Er verliebt sich in Merete, eine Töpferin, und zieht mit ihr und ihrer kleinen Tochter zusammen. Im Lauf der Jahre beginnt die Beziehung zu bröckeln. Und gerade als sich das Paar scheiden lassen will, nimmt Singers Schicksal durch einen Autounfall eine unerwartete Wendung.

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Autorenporträt
DAG SOLSTAD, geboren am 16. Juli 1941 in Sandefjord, gehört zur ersten Garde der norwegischen Schriftsteller. Er hat zahlreiche Roma- ne, Artikel, Theaterstücke und Essays verfasst. Seine Werke wur- den vielfach ausgezeichnet und in zahlreiche Sprachen übersetzt. 2017 wurde ihm der Nordische Preis der Schwedischen Akademie verliehen, der auch als "Kleiner Nobelpreis" gilt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.07.2019

Wie wird ein Bibliothekar Romanheld?
Norwegischer Sonderling: Dag Solstads Roman "T. Singer", endlich auf Deutsch

So ganz allmählich, wenn auch mit großem Abstand zur Erstveröffentlichung, werden die Werke Dag Solstads bei uns zum Begriff. Fünf seiner aktuell achtzehn Romane gibt es auf Deutsch - darunter jetzt auch "T. Singer", ein in Norwegen 1999 erschienenes Buch, das von den lähmenden Gedankenschleifen eines Bibliothekars in Notodden und später Oslo erzählt. Klingt gähnend langweilig. Ist aber genau das Richtige für die gezielte Depression zwischendurch.

Singer ist der Protagonist der Geschichte. Der Verzicht auf den Vornamen deutet auf einen Menschen, der Distanz sucht und erwartet, und tatsächlich ist der Mann der Inbegriff der Schamhaftigkeit: Bereits die Erinnerung an Jahre zurückliegende Missgeschicke wie ein "forciertes, aufgesetztes Lachen", das ihm beim Besuch eines Spielzeugladens als Kind entfleuchte und hochnotpeinlich war, weil das Ganze von seinem Onkel beobachtet wurde, lässt Singer erstarren und "nein, nein" murmelnd im Boden versinken.

Für Außenstehende ist das nicht zu bemerken: Singer gilt als umgänglich. Trotzdem lebt er ständig in Furcht vor der nächsten Entlarvung eines Fehltritts - was heutige Leser (aber wer gibt das zu, während er sich in den sozialen Medien selbstinszeniert wie verlangt?) eigentlich noch viel besser verstehen müssten als Leser kurz vor der Jahrtausendwende.

Damals war vom politischen Autor Solstad kaum mehr übrig als Kulturpessimismus und Resignation. Dag Solstad schrieb existentialistische Bücher über einen Stadtkämmerer, der sich in einen Rollstuhl setzt, ohne gelähmt zu sein ("Elfter Roman, achtzehntes Buch"), einen frustrierten Lehrer ("Scham und Würde"), einen Intellektuellen in der Krise ("Professor Andersens Nacht"). Männer am Rande des Sinnzusammenbruchs.

Und eben über Singer, auch der "eine Art Intellektueller, aus Veranlagung". Als wir Singer kennenlernen, im Jahr 1983, ist der Vierunddreißigjährige gerade guter Hoffnung, die adäquate Lebensform für sich gefunden zu haben. Die Anstellung als Bibliothekar in einer Kleinstadt soll "die vollständige Anonymität" bringen und das "Taugenichts"-Dasein beenden, in dem sich der ewige Student noch für einen geborenen Schriftsteller hielt, obwohl sein Werk nicht über einen jahrelang gekauten Eröffnungssatz hinauskam. Verflucht ist, wer jedes Wort hin- und herdreht.

Singer zieht also um. Er gelangt in einen Ort, der nie in der prächtigen Zukunft ankam, die ihm beim Einstieg ins Industriezeitalter vorhergesagt wurde, legt sich Alltagsroutinen zu, die ihn schützen, versteckt sich möglichst oft im Keller der Bibliothek und gibt sich bei den Kollegen als Sozialdemokrat aus: "Ja, Singer tat so, als wäre er Sozialdemokrat, das lohnte sich, dann hatte er seine Ruhe und konnte sich in sich selbst zurückziehen, wenn die anderen über Politik diskutierten."

Aber dann ist da eine Frau, die alleinerziehende Merete. Die beiden heiraten und führen ein Reihenhausleben, das Singers Bedürfnis, "spurlos vor allen und allem verschwunden" zu sein, "vor denen oder dem er verschwinden wollte", zunächst durchaus entspricht.

Erst als die Töpferin Merete bei einem Autounfall stirbt, setzt sich Singers Gedankenkarussell durch seine "spezielle Form von Schamgefühl" wieder schlimm in Bewegung: Er trauert, wie es Freunde und Familie erwarten, besteht aus Imagegründen darauf, dass Meretes sechsjährige Tochter bei ihm bleibt - und unterschlägt, dass die Ehe durch seine unentwegte Geistesabwesenheit und Passivität längst angezählt war.

Wie peinlich! Meint jedenfalls Singer und steigert sich in die Vorstellung hinein, irgendwer könne vom Zustand der Ehe gewusst haben und ihn entlarven: "Wovor er sich fürchtete, war das Gerede, dass sie über ihn sprachen, über ihn und sein Verhältnis zu seiner verstorbenen Frau und seiner Stieftochter, an vielen Orten, an denen Singer selbst nicht war und von denen er nichts wusste." Der einzige Ausweg scheint ihm ein neuer Ortswechsel zu sein: Singer flieht mit Meretes Tochter in die "Anonymität der Großstadt" Oslo. Was aber natürlich auch nur eine Weile gutgeht.

Soweit zur Handlung. Sie läuft auf keinen wirklichen Höhepunkt zu, selbst die Liebe zu Merete, ihr Autounfall und die Verprellung seines einzigen Freundes ereignen sich wie nebenher. "Wir müssen zugeben", schreibt Solstad, "dass es zu diesem Zeitpunkt in der Erzählung rätselhaft anmuten kann, dass Singer in irgendeinem Roman eine Hauptfigur sein könnte, unabhängig vom Niveau, wir können aber darüber informieren, dass eben dieses Rätselhafte das Thema des zu realisierenden Romans ist."

Doch genau so muss es sein: Dag Solstad untersucht das Innenleben eines Mannes, der allenfalls Beobachter des eigenes Daseins sein will und die Gesellschaft um ihn herum so wenig begreift wie sich selbst. Er kann nichts mit dem Kapitalisten Adam Eyde anfangen, einem märchenhaft auftretenden "Norsk-Hydro"-Direktor ohne Selbstzweifel, der eine Aktentasche voller Champagner herumträgt, das Leben feiert und fette Spuren zu hinterlassen versucht. Oder mit den Warenhäusern in Oslo. Oder mit den Fernsehshows, in die sein einziger Freund und seine Stieftochter vernarrt sind.

Es ist eine Gesellschaft, die ihm innerlich leer scheint und gleichgültig ist - und in der er sich trotz der ersehnten Abkapselung bewegen und seine Rollen spielen muss. Das macht Singer, diesen Sonderling, der keiner ist, zu einer tragischen Figur. "T. Singer" ist ein Roman über Rollen und Identität, geschrieben in einem eigenwilligen, ironisch-distanzierten Stil und mit der Grandezza eines Autors, der als Autor bei Erscheinen 1999 bereits seit Jahrzehnten etabliert war. Er heimste für das Buch zum dritten Mal seit seinem Debüt 1969 den "Kritikerprisen" ein.

Bis heute gilt jeder neue Solstad als Großereignis. Das wird auch im Herbst so sein, wenn der dann 78 Jahre alte Schriftsteller, der einmal spitz als "Norwegens größter Nationalpark" bezeichnet worden ist, als geschütztes Gelände also, seinen 19. Roman vorlegen wird. Bis wir den in deutscher Übersetzung zu Gesicht bekommen - der jüngste Solstad, der auf Deutsch vorliegt, ist der nur aus Fußnoten bestehende Titel "Armand V" aus dem Jahr 2006 -, wird es noch etwas dauern. Aber eins nach dem anderen.

MATTHIAS HANNEMANN

Dag Solstad:

"T. Singer".

Roman.

Aus dem Norwegischen von Ina Kronenberger. Dörlemann Verlag, Zürich 2019. 288 S., geb., 22,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Mit Bewunderung liest Rezensent Wolfgang Hottner Dag Solstads großen Roman "T. Singer", den der Dörlemann Verlag zwanzig Jahre nach seinem Erscheinen endlich auf Deutsch herausbringt. Hottner hält "T. Singer" für Solstads wichtigsten Roman, er erzählt von einem verstockten Langeweiler, der sein Leben in alltäglicher Routine in Bibliotheken fristet: identitätslos, wunschlos, fantasielos. Weder Glück noch Unglück, weder Liebe noch Tod können diesen Mann aus seiner inneren Anspruchslosigkeit ziehen. Dass Solstad überhaupt ein solches Leben erzählen kann, grenzt für den Rezensenten an ein Wunder, doch hält ihn nicht nur Solstads präzise, flie?ende Prosa bei der Stange, sondern auch die sanfte Ironie, die trotz Singers Weltlosigkeit auf dem Erzählenwollen beharrt. Der Rezensent kann nur bewundern, wie elegant Solstad dem Norwegen der neunziger Jahre vorhielt, dass ein solch unpolitisches, aufs Private zurückgezogene Leben einfach nicht reicht.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.08.2019

Singers Grübeleien
Kein Autor wird in Norwegen verehrt wie Dag Solstad.
Endlich gibt es seinen wichtigsten Roman auch auf Deutsch
VON WOLFGANG HOTTNER
In der Literatur geht es auch nicht gerechter zu als in der Wirklichkeit, deshalb wimmelt es auch dort von Enttäuschten. Effie Briest und Emma Bovary waren von ihren Ehemännern grandios enttäuscht, Balzacs Lucien Chardon von der Pariser Medienwelt. Und doch schreibt über Enttäuschung niemand wie der Norweger Dag Solstad. Die meisten seiner (überwiegend männlichen) Figuren sind Desillusionierte. Der Studienrat Elias Rukla aus „Scham und Würde“ beispielsweise, der sein verpfuschtes Leben irgendwann nicht mehr erträgt, oder der fünfzigjährige Bjørn Hansen aus „Elfter Roman, achtzehntes Buch“, der der Illusion eines gestohlenen Glücks nachhängt.
Solstad selbst ist ein von den politischen Utopien seiner Jugend Enttäuschter: In den Siebzigern war er prominentes Mitglied der maoistischen Arbeiterpartei AKP, einer radikalen Gruppierung mit dem Ziel, den norwegischen Staat zur Not mit Waffengewalt zu stürzen. Er schreibt mehrere Romane über die Arbeiterklasse im Stil des Sozialrealismus, wird einflussreicher Redakteur der (zu dieser Zeit sehr) linken Tageszeitung Klassekampen.
Nachdem er diese politischen Hoffnungen begraben musste, avancierte er in den Neunzigern zum Chronisten norwegischer Wirklichkeiten, den Idealen und Abgründen einer durch die Erdölvorkommen reichen Gesellschaft. Solstad wird in seiner Heimat wie kaum ein anderer Autor verehrt, jedes neue Buch ist ein Großereignis, schon jetzt spekulieren norwegische Zeitungen über Solstads neuen Roman, der im Herbst erscheinen wird.
Nun ist auch „T. Singer“ auf Deutsch erschienen, der Roman, den Solstad selbst einmal als den krönenden Abschluss seines Werks bezeichnet hat. Seit „T. Singer“ vor 20 Jahren erschienen ist, hat Solstad freilich weitergeschrieben – eine Autobiografie, einen ellenlangen Roman über seine Vorfahren in der Provinz Telemark, mithilfe dessen die amerikanische Autorin Lydia Davis, so geht die Legende, Norwegisch gelernt haben soll. Solstads Prosa verfügt über einen ganz eigenen Ton: oft im Gestus der Mündlichkeit erzählt, aus- und abschweifend und dennoch präzise, fließen lange Satzketten dahin, getragen von allgegenwärtigen und zugleich unaufdringlichen Erzählerstimmen.
Singer ist Anfang dreißig, ein verstockter und schamhafter Langweiler, das Gegenteil eines Helden. Eine Figur, die sich eigentlich nicht erzählen lässt und die auch selbst nichts zu erzählen hat. Der lang gehegte Wunsch, Schriftsteller zu werden, erfüllt sich nicht, nie kommt er über ein paar klischeehafte Sätze hinaus. Singer war bis dahin schon alles Mögliche: unter anderem Übersetzer von Wildwest-Romanen, Nachtportier und Verkäufer in einem Spirituosenladen: „Er hatte sein Leben als Betrachter vergeudet, und währenddessen verrann die Zeit, und die Jugend gleich mit, ohne dass Singer einen Finger gerührt hätte, um sie festzuhalten und den beneidenswerten Zustand der Jugend zu genießen. Er war ein rückgratloser Grübler, ein identitätsloser Lebensverleugner, ein ganz und gar negativer Geist, der das Ganze auf nahezu selbstaufopfernde Weise betrachtete.“ Singer beschließt, sein Leben zu ändern, er wird Bibliothekar, zieht in die Provinz nach Notoden eine Stunde südwestlich von Oslo. Er legt sich neue alltägliche Routinen zu, lebt so dahin. Einen „Hüter der Bücher“ nennt der Erzähler ihn nach gut hundert Seiten und eigentlich gibt es auch nicht mehr zu sagen.
Doch der Erzähler dieses Romans möchte seine Figur nicht in Frieden lassen. Zufälle müssen her, Singer wird ins Leben versetzt und Singer, der bislang in seinem eigenen Leben nur die Nebenfigur war, zur Hauptfigur. In diesem Versuchszusammenhang verliebt sich Singer in die junge Töpferin Merethe Saethe.
Er zieht mit ihr und ihrer kleinen Tochter Isabella zusammen, lernt kochen, macht einen Führerschein. Doch bereits nach zwei Jahren Verliebtheit beginnt die Beziehung zu bröckeln. Singer ist zunehmend abwesend, verliert sich in Grübeleien, weiß nicht, was dieses, sein Leben zu bedeuten hat.
Der Erzähler greift nun zu einer drastischen Maßnahme. Kurz vor der Scheidung verunglückt Merethe bei einem Autounfall, wahrscheinlich auf dem Weg zu ihrem Liebhaber. Und was macht Singer? Er strauchelt kurz, geht dann in sich und beschließt, Isabella zu sich zu nehmen. Er zieht mit ihr nach Oslo, findet eine Anstellung in der Stadtbibliothek. Noch einmal beginnt er ein neues Leben, noch einmal richtet er sich in grauer Alltäglichkeit ein.
Zu dem Kind kann er keine Beziehung aufbauen, es bleibt ihm fremd, obwohl es Züge von ihm selbst anzunehmen scheint: „In der Bibliothek ging das Leben seinen gewohnten Gang, Singer war in die Arbeit versunken, und die Stunden flogen in all ihrer Ereignislosigkeit nur so dahin, fast ohne dass er es merkte (…) Hin und wieder verspürte er den Wunsch, stehen zu bleiben und die Hände vor das Gesicht zu führen, als wollte er es verbergen, und ‚Nein, nein‘ zu schreien. Das geschah jedoch nur hin und wieder. Meistens war er nur besorgt, lief ratlos mit seiner Sorge durch die Gegend.“
Singer ist sich, seiner Umgebung und vor allem dem Erzähler ein Rätsel, eine Figur, die nichts werden, die in unerzählbarer Routine verschwinden möchte. An diesem Punkt weiß sich auch der Erzähler sich nicht mehr zu helfen, wendet sich seinerseits enttäuscht ab von seiner Figur, der nichts zukünftiges Mögliches und möglich Gewesenes mehr anzudichten ist: „Warum ist Singer die Hauptperson in diesem Roman? Und nicht nur die Hauptperson, sondern zugleich auch derjenige, um den sich alles dreht? (…) Ich würde mir wünschen, ich könnte etwas sagen, wozu Singers Gedanken nicht imstande sind. Etwas, das ich genau zu diesem Thema beisteuern könnte, aber meine Sprache reicht nicht aus. Meine Sprache endet dort, wo Singers Grübeleien enden. Dennoch sind wir nicht identisch.“
In dieser Differenz zwischen Erzählenwollen und der undurchdringlichen Langeweile, Weltlosigkeit und Resignation Singers gewinnt Solstads Roman seine Anziehungskraft, aus diesem Zwiespalt entspinnt sich die sanfte Ironie dieser Erzählung eines unerzählbaren Lebens. Am Ende entlässt der Erzähler seine Figur in die selbst gewählte Freiheit resignativer Wunschlosigkeit. „Ohne Trauer oder Enttäuschung darüber, dass er der war, der er war, aber auch nicht mit großer Freude darüber, dass er der war, der er war“ lebt Singer nun endlich sein Leben.
In einem Interview mit Alf van der Hagen hat Solstad Henrik Ibsens Dramen als „Referenzmodell“ für sein literarisches Projekt bezeichnet. In der Tat lesen sich Solstads Romane als Variationen des berühmten Aphorismus aus Ibsens „Wildente“: „Wenn Sie einem Durchschnittsmenschen seine Lebenslüge rauben, dann nehmen Sie ihm gleichzeitig sein Glück“. In „T. Singer“ liegt die Tragik darin, dass es dem Erzähler nicht gelingt, dem Protagonisten seine Lebenslüge zu nehmen. Singers private Utopie, die Immunisierung gegen die Welt, ihre Zufälle und Zumutungen, setzt sich durch. Mögliches und möglich Gewesenes, das, woraus Geschichte und Geschichten gemacht sind, widerstehen einem „Automatismus des Lebens“. Eine Zukunft kann Singer sich in seiner Blase für sich und seine Stieftochter beim besten Willen nicht vorstellen. Solstads Roman ist eine Parabel über das Glück und Unglück eines unpolitischen Lebens, das scheinbare Ende aller Utopien in der Idylle der 1990er-Jahre, über radikale Wunsch- und Fantasielosigkeit.
Das Unbehagen des Erzählers angesichts eines solchen Rückzugs ins Private, ins Innere und Beschauliche, lässt sich aber nicht ignorieren. Solstad, der Singer einmal als Schatten seiner selbst bezeichnet hat, scheint dabei zu insistieren: Soll es das gewesen sei? Reicht ein solches Leben? Wie ist es möglich, so leben zu wollen?
Es ist die Frage eines Enttäuschten und dessen geheimer Hoffnung, aus der Verfehlung von Möglichkeiten und dem möglich Gewesenen doch noch eine Direktive für die Zukunft zu gewinnen. Nicht Eigentlichkeit zu wollen, sondern nach dem eigentlich Gewollten zu fragen, darin liegt das Potenzial von Enttäuschungen und der thematische Brennpunkt von Solstads Romanen über das Norwegen der Neunzigerjahre. Als begeisterter Leser bleibt nur zweierlei zu wünschen übrig: dass der kleine Zürcher Dörlemann-Verlag weitere Romane Solstads auf Deutsch zugänglich macht und dass Solstads eigene Quelle der Enttäuschung so schnell nicht versiegt.
Dag Solstad: T. Singer. Roman. Aus dem Norwegischen von Ina Kronenberger. Dörlemann Verlag, Zürich 2019. 280 Seiten, 22 Euro.
Singer ist Anfang dreißig,
ein verstockter und
schamhafter Langweiler
Solstad bezeichnete seinen
Protagonisten Singer
einmal als Schatten seiner selbst
Soll es das gewesen sein? In den Siebzigern war Dag Solstad Maoist, heute schreibt er melancholische Romane über das Ende der Utopien, über Glück und Unglück eines unpolitischen Lebens.
Foto: Stefano Mazzola/mauritius images / Alamy
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