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In einer kleinen Stadt im hohen Norden von Schweden tritt Lennart eine Stelle als Lehrer an. Er heiratet die Bibliothekarin Elisabeth, die kurz darauf bei einem Unfall ums Leben kommt. Danach wird Lennart vollends zum Einzelgänger, der seine Tage auf einem prähistorischen Grabhügel verbringt und irgendwann seine Arbeit aufgibt. Nur manchmal kehrt er noch nachts in das Schulhaus zurück, wo er umgeht wie ein sanftes Gespenst, das sein Leben sucht.
Klaus Böldl schreibt mit absoluter Souveränität über Sehnsucht, Erinnerung und den Lauf der Zeit - voller Lakonie, Humor und höchster Spannung. Es
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Produktbeschreibung
In einer kleinen Stadt im hohen Norden von Schweden tritt Lennart eine Stelle als Lehrer an. Er heiratet die Bibliothekarin Elisabeth, die kurz darauf bei einem Unfall ums Leben kommt. Danach wird Lennart vollends zum Einzelgänger, der seine Tage auf einem prähistorischen Grabhügel verbringt und irgendwann seine Arbeit aufgibt. Nur manchmal kehrt er noch nachts in das Schulhaus zurück, wo er umgeht wie ein sanftes Gespenst, das sein Leben sucht.

Klaus Böldl schreibt mit absoluter Souveränität über Sehnsucht, Erinnerung und den Lauf der Zeit - voller Lakonie, Humor und höchster Spannung. Es ist eine Prosa, die den Schleier der Wirklichkeit zerreißt, um das verborgene Geheimnis des Lebens aufzudecken.
Autorenporträt
Böldl, KlausKlaus Böldl, geboren 1964 in Passau, debütierte 1997 mit dem Roman 'Studie in Kristallbildung'. Seither erschienen die Erzählung 'Südlich von Abisko', das poetische Reisebuch 'Die fernen Inseln', sein Buch über Passau 'Drei Flüsse' und die Romane 'Der nächtliche Lehrer' und 'Der Atem der Vögel'. Für sein literarisches Werk wurde Klaus Böldl mit dem Tukan-Preis, dem Brüder-Grimm-Preis, dem Hermann-Hesse-Literaturpreis sowie dem Friedrich-Hebbel-Preis ausgezeichnet. Er lehrt mittelalterliche skandinavische Literatur an der Universität Kiel.Literaturpreise:Friedrich-Hebbel-Preis 2013
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.09.2010

Die gefährliche Lautlosigkeit des Umbruchs

Vertrackte Einfachheit: Klaus Böldl erweist sich in seinem Roman "Der nächtliche Lehrer" als einer der besten deutschen Erzähler.

Von Heinrich Detering

Eigentlich war schon in Klaus Böldls erster Erzählung "Studie in Kristallbildung" 1997 alles vorhanden, was seither die Bücher dieses großen Einzelgängers bestimmt hat: die meditative Klarheit und Genauigkeit, mit der die erlebte Welt zerlegt wird in sinnliche Eindrücke, das Zurücktreten der Handlung gegenüber diesen Wahrnehmungen, der Verzicht auf Psychologisierung, das Netz der Leitmotive, das sich unmerklich zusammenzieht. Und der ruhige Fluss einer Sprache, die man am liebsten langsam und laut lesen möchte.

Schon im Debüt war auch bemerkbar, wie sicher Böldls sanfte und strenge Kunst sich an Meistern wie Stifter und Cézanne orientiert. Die Vorliebe für abgelegene Schauplätze im fernen Norden hat er in den vier seither erschienenen Büchern nur einmal aufgegeben: als er in dem letzten Prosaband "Drei Flüsse" die dort gewonnenen Beobachtungsformen und Schreibverfahren auf seine Heimatstadt Passau zu übertragen versuchte. Sein jetzt erschienener Roman, die Geschichte vom stillen Lennart, den es als Lehrer aus Stockholm in die weltferne Provinz verschlägt, kehrt gereift an die vertrauten nordischen Orte zurück.

Und nachdrücklicher als je zuvor ergibt sich das Irritierende, tief Beunruhigende dieses Erzählens aus seiner vertrackten Einfachheit. Bei flüchtiger Lektüre von "Der nächtliche Lehrer" könnte man meinen, es geschähe fast gar nichts, außer dass manchmal "der Nachtwind die Pfützen im Lichtschein mit einer vibrierenden Maserung überzieht". Wenn sich doch einmal eine unerhörte Begebenheit ereignet, dann nimmt Lennart sie so lakonisch zur Kenntnis wie alles andere auch. Unvermittelt erinnert er sich an Szenen wie diese, bei einem abendlichen Spaziergang in Stockholm: "An einem kalten nebligen Märzabend sah Lennart am Sveavägen einen Mann aus dem Bus steigen und auf die Fahrbahn laufen, wo er im selben Augenblick von einem Auto erfasst wurde. Er flog etwa fünf oder sechs Meter durch die Luft, wie eine Figur im Zeichentrickfilm. Nach dem Aufprall mitten auf der Fahrbahn stand der Mann gleich wieder auf, strich sich verlegen durchs Haar und machte noch zwei oder drei entschlossene Schritte auf dem Asphalt, bevor er leblos zusammenbrach."

Die schaurige Szene weist auf die Tragödie voraus, die im Zentrum des Buches stehen wird. Denn der junge Lehrer Lennart wird in der skandinavischen Einsamkeit nicht nur eine Liebesgeschichte erleben, sondern auch deren grausames Ende. Kurz nach der Hochzeit fällt seine Frau einem Unfall zum Opfer. Lennart zieht sich noch weiter aus allen menschlichen Beziehungen zurück; am Ende führt er ein Leben als etwas gespenstischer Sonderling, dessen Schatten man noch manchmal hinter den Fenstern des nächtlichen Schulhauses erblickt. Dass er zwischendurch ganz unverhofft als Schriftsteller Erfolg hat, unterbricht nur seinen restlosen Rückzug ins Schweigen.

Diese Figur und diese Handlung haben nicht nur Stiftersche, sondern durchaus auch Highsmithsche Qualitäten, und mit derselben gefährlichen Lautlosigkeit wie in deren Romanen vollziehen sich hier die ungeheuerlichsten Umbrüche. Aber weil sie für diesen Helden in derselben Weise einfach da sind wie die Steine auf der Wiese und das Abfallpapier im Brunnen, deshalb - und in dieser Leerstelle verbirgt sich hier das Ungeheure - bedeuten sie ihm nicht mehr oder weniger als diese. Weil sie sind, bedeuten sie nichts. Wer will, mag das deuten, als psychisches Symptom vielleicht; der Text tut es nicht. Denn so enigmatisch auch hier wieder das Geschehen bleibt, eben weil es auf die einfachen Mitteilungen reduziert ist, so leicht wäre es doch verständlich zu machen. Ein geringerer Autor als Böldl hätte sich die seelischen und sozialen Motive gewiss nicht entgehen lassen, die seinen Protagonisten zu einem tragischen Helden unserer Zeit hätten machen können. Dass Böldl dieser Versuchung des Genres nicht nachgibt, trägt zur suggestiven Kraft dieses Buches maßgeblich bei. Der Selbstverlust des Helden (aber er selbst mag es als das genaue Gegenteil erleben) zeigt sich hier als ein unaufhaltsames Eindringen der Außenwelt ins Ich, als ein fast beiläufiges Verschwinden der Grenzen zwischen Innen und Außen.

So erweist sich die Handlung in Böldls Erzählung als eine gleichsam auf die Zeitachse übertragene Haltung, die in ihrem Wesen zeitlos ist. Weil sein Held in Wahrheit immer schon ganz im Hier und Jetzt zu Hause ist, weil er sich zwischen Erinnerungen und Vorausdeutungen bewegt wie ein Spaziergänger im Raum, deshalb entgleitet er der vergehenden Zeit und wird zum Gespenst, zum - wie es einmal ausdrücklich und nebenbei heißt - Wiedergänger seiner selbst. Weil er durchlässig ist für jedes Detail der ihn umgebenden Welt, für "die durchsichtige waldhafte Stille, die durch alle Straßen und Häuser hindurchzugehen schien": deshalb werden die gleichmäßig wechselnden Lichtverhältnisse, die Rhythmen und Farben der Alltagswelt eins mit ihm. So lebt es in ihm, so lebt er hin.

Gerade aus der gelassenen Unaufdringlichkeit dieser Prosa entsteht ihr poetischer Sog. Dazu trägt nicht zuletzt der leise Humor bei, der aus dem verfremdenden Blick entsteht. Wer noch die trivialen Details so wahrnimmt, als begegnete er ihnen zum ersten Mal, der gewinnt auch einen Blick zum Beispiel für den unbeirrbaren Rhythmus, in dem die Bahnschranken der Kleinstadt sich öffnen und schließen, auch wenn es da gar keinen Autoverkehr gibt, oder für die Tatsache, dass der Wetterbericht im Radio "die längste Fortsetzungsgeschichte ist, die jemals erzählt wurde". In dieser Schwebe zwischen Komik und Katastrophe lebt Klaus Böldls wundersame Poesie.

Klaus Böldl: "Der nächtliche Lehrer". Roman. Verlag S. Fischer, Frankfurt am Main 2010. 129 S., geb., 16,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.01.2011

Schön ist es, wenn nichts passiert
Aber wie wird aus dem Nichts ein Roman? Klaus Böldl betrachtet die schwedische Landschaft und setzt einen sehr stillen Helden hinein
Mit einer raumgreifenden Umschließungsgeste, die den Anfang sofort ins Gleichmaß einer bereits vollendeten Zukunft überführt, beginnt der neue Roman des 1964 in Passau geborenen Klaus Böldl: „Wer erinnerte sich nicht an jenen heißen Juni vor mehr als einem Vierteljahrhundert? Von Dublin bis Moskau, vom Mittelmeerraum bis in den hohen Norden Skandinaviens hinauf war nirgendwo eine Wolke am Himmel zu sehen ... An einem dieser Tage fuhr Lennart nach Sandvika, um sich dem Leiter des Gymnasiums vorzustellen, an dem er vom folgenden Schuljahr an als Lehrer für Kunst und Religion arbeiten sollte. Es würde Lennarts erste Stelle sein, denn gerade erst hatte er sein Studium mit dem Referat abgeschlossen. Es sollte auch seine einzige bleiben.“
Diesem Helden kann von Anfang an nichts geschehen. Eine Atmosphäre feierlicher Gleichgültigkeit schwebt über dem Roman, der sich den episch verhaltenen Ton des Wetterberichts zum Vorbild genommen hat. Das hat durchaus seinen Reiz. Und doch wird der Leser, der sich im Melancholischen nicht ganz so komfortabel einzurichten versteht wie der schon in jungen Jahren ältlich wirkende Held, irgendwann von einer Unruhe ergriffen, die gegen den Geist der Erzählung aufbegehrt.    
Lennart, in Stockholm aufgewachsen, ist völlig einverstanden mit der Entscheidung der Schulbehörde, ihn in das Provinznest im Norden des Landes zu empfehlen. Gerade die vollkommene Austauschbarkeit der Provinzlebens, die Unmöglichkeit, etwas darüber zu erzählen, empfindet er schon am Tag seines Vorstellungsgesprächs als Befreiung. Das ist für einen Roman ein gewagtes Programm. Denn es sagt dem Leser in aller Deutlichkeit, dass die Ereignisse, von denen er erfahren wird, des Erzählens eigentlich nicht wert sind. Lennart bezieht eine Wohnung in der Nähe des Gymnasiums. Ein begeisterter Lehrer ist er nicht, vielleicht weil er selbst kein guter Schüler war. Doch er mag seine Schützlinge, vor allem dann, wenn sie mit gebeugten Häuptern still vor sich hin malen.
Bald verliebt er sich in Elisabeth, die Bibliothekarin das Ortes, genauer: in das Bild, das sie abgibt, in ihre „fast unbegreifliche, madonnenhafte Reglosigkeit“. Rasch lernt man sich kennen. Von der ersten Liebesnacht erfahren wir nichts, wohl aber von der Erleichterung des Helden, als die Wohnungstür hinter der Geliebten ins Schloss fällt: „Lennart hätte Elisabeth jetzt nicht mehr um sich haben wollen: Er wollte sich erinnern, sich alle Einzelheiten zusammensuchen.“ Bald wird Elisabeth schwanger. Nicht gerade glücklich, „mit seinem Zeugungsakt an der Zukunft gedreht zu haben“, heiratet Lennart sie. Und schon in der nächsten Szene erfahren wir, dass die junge Frau nebst ihrer Leibesfrucht bei einem Autounfall ums Leben kommt. Dass zwischen der Hochzeit und ihrem Tod ein halbes Jahr liegt, begreift der Leser erst später. Irritiert fragt er sich, warum der Autor so gar nichts erzählen wollte von dieser Ehe.
Der Roman ist durchwirkt mit Vanitas- und Todesmotiven, die jede Form von Teilhabe abwehren. Ist Elisabeth, die nach der Hingabe nur noch Mitleid und Widerwillen in Lennart erregt, erst wieder aus dem Weg geräumt, kann er sich ganz den beiden Männern widmen, die seiner Neigung zu kunsthistorischen und religiösen Betrachtungen entgegenkommen: mit Lukas, dem Pfarrer, trifft er sich einmal pro Woche in der Sakristei, wo sie gemeinsam Bildbände über mittelalterliche Kunst betrachten; mit seinem Kollegen Grasberg und dessen Hund Cato unternimmt er Spaziergänge zu einem nahegelegenen prähistorischen Grabhügel und philosophiert über das Leben der Antike sowie über Ur- und Frühgeschichte. Wenn er am Grab der verstorbenen Gattin und des nie geborenen Kindes vorbeikommt, grüßt er freundlich, manchmal nimmt er sich sogar einen Stuhl und sinniert ein wenig vor sich hin.
Trotz seiner unterschwelligen Misogynie bleibt der Roman lange Zeit ein schlüssiges Kunstwerk, auch wenn er eher ein Bild als eine Erzählung sein will. Cézanne ist wie immer das große Vorbild des Autors, der mittelalterliche skandinavische Literatur an der Universität Kiel lehrt, und dieses Mal auch der dänische Symbolist Vilhelm Hammershøj. Doch im letzten Viertel muss ihn der Teufel geritten haben. Vielleicht fand er es nun genug mit den Landschaftsschilderungen, vielleicht wollte er aber auch möglichen Einwänden zuvorkommen. Denn plötzlich bricht er den melancholischen Duktus seines Erzählens auf und lässt seinen selbstgenügsamen Helden mit philosophischen „Waldgedanken“ zum Erfolgsschriftsteller werden. Kulturkritische Plattitüden und Eindrücke von Lesereisen durchlöchern den Firnis des bis dahin weltabgewandten Romans. Die Namen „naturferner Metropolen“ prasseln wie saurer Regen hernieder und bringen die Erzählung völlig aus dem Tritt. Dass Klaus Böldl die Rezeptionsgeschichte seines eigenen Werks, an dem sich seit seinem 1997 erschienenen Debütroman „Studie in Kristallbildung“ die Geister scheiden, als Posse einbaut, dürfte einem formbewussten Autor nicht passieren.
„Der nächtliche Lehrer“ zeichnet die Figuren nicht als wandlungsfähige Charaktere. Sie sind Spielsteine, die der Autor hin und her schiebt, damit er tun kann, was er eigentlich will: Bilder und Landschaften beschreiben. Nicht umsonst ist die Reiseerzählung „Die fernen Inseln“ sein bisher überzeugendstes Buch. Am Ende, Lennart hat den Schuldienst zugunsten der Schriftstellerei schon lange quittiert, schleicht er nachts durchs Schulgebäude. Für Grasberg, den befreundeten Kollegen, sieht er aus wie ein Gespenst. Auch die Sprache dieses Romans hat etwas Gespensterhaftes. Sie wirkt wie der matte Widerschein früherer Werke. MEIKE FESSMANN
KLAUS BÖLDL: Der nächtliche Lehrer. Roman. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2010. 126 Seiten, 16,95 Euro.
Angenehm ist es, meint
der Lehrer, wenn die Schüler
gar nichts sagen
Doch plötzlich wird auch
dieses Buch redselig. Was ist nur
hineingefahren?
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

In höchsten Tönen lobt Christoph Schröder das neue Buch von Klaus Böldl, der aus seiner Sicht "vielleicht der meistunterschätzte deutschsprachige Autor der Gegenwart" ist. Denn Böldl komprimiere in seinen Büchern auf wundersame Weise "Prozesse von lebenswichtiger Tragweite" in lakonischen Sätzen von enormer Feinjustierung. Die Geschichte des Lehrers Lennart hat Schröder nun als großes Manifest der Vereinzelung gelesen, als Bekenntnis zum Beharren auf das Recht auf Introspektive. Es ist die Geschichte eines Mannes, der durch einen Unfall eine geliebte Frau verliert, und sich daraufhin von der Welt in die Einsamkeit der Natur (und des Schreibens) zurückzieht. Beeindruckt beschreibt der Kritiker speziell Böldls Schilderungen von Klängen, Gerüchen und Landschaften, vom Befund dieses Buchs (mehr eine Novelle denn ein Roman, wie Schröder meint), dass Erkenntnis nur jenseits dessen zu haben sei, was man Wirklichkeit nenne.

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