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In einem kleinen Provinznest in Norwegen kommt im Winter 1912 ein Mädchen zur Welt, das über und über behaart ist. Eine seltene Krankheit, ein Gendefekt und ein interessanter Fall für die Wissenschaft. Die Mutter stirbt bei der Geburt, und der Vater will von dem »Katzenbaby« zunächst nichts wissen. Doch Eva wächst heran. Abgeschottet und versteckt vor der Neugier der Dorfbewohner, erschafft sie sich eine eigene Welt, bis sie den Mut findet, der Enge ihres Zimmers zu entfliehen. »Opulent, weil Hansen ein leidenschaftlicher Geschichtenerzähler ist.« Rheinischer Merkur »Feinfühlig und…mehr

Produktbeschreibung
In einem kleinen Provinznest in Norwegen kommt im Winter 1912 ein Mädchen zur Welt, das über und über behaart ist. Eine seltene Krankheit, ein Gendefekt und ein interessanter Fall für die Wissenschaft. Die Mutter stirbt bei der Geburt, und der Vater will von dem »Katzenbaby« zunächst nichts wissen. Doch Eva wächst heran. Abgeschottet und versteckt vor der Neugier der Dorfbewohner, erschafft sie sich eine eigene Welt, bis sie den Mut findet, der Enge ihres Zimmers zu entfliehen.
»Opulent, weil Hansen ein leidenschaftlicher Geschichtenerzähler ist.«
Rheinischer Merkur
»Feinfühlig und unterhaltsam, humorvoll und zugleich ernst...« Margarete von Schwarzkopf, NDR 1
Button an Buch: Spiegel-Bestseller
Autorenporträt
Erik Fosnes Hansen wurde 1965 in New York geboren und verbrachte die Schulzeit in Oslo. Sein zweiter Roman >Choral am Ende der Reise<, in 30 Sprachen übersetzt und mit vielen Preisen ausgezeichnet, wurde zu einem internationalen Bestseller. Erik Fosnes Hansen lebt in Oslo. Hinrich Schmidt-Henkel übersetzt seit 1987 Belletristik und Theaterstücke aus dem Französischen, Italienischen und Norwegischen, darunter Werke von Jon Fosse, Henrik Ibsen, Jean Echenoz, Louis-Ferdinand Céline, Stefano Benni und Massimo Carlotto. Er ist u.a. Träger des Jane-Scatcherd-Preises der Ledig-Rowohlt-Stiftung, des Paul-Celan-Preises und des Deutschen Jugendliteraturpreises.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.07.2008

Nur wer in Sehnsucht lebt, lebt intensiv

Großkatzenjammer: Der norwegische Autor Erik Fosnes Hansen erzählt mit "Das Löwenmädchen" ein traurig-romantisches Märchen von Ausgrenzung und Einsamkeit.

Zu den Jahrmarktsattraktionen früherer Zeiten zählte die hemmungslose Zurschaustellung von Menschen mit Fehlbildungen, von Riesen und Zwergen, von Buschleuten und Krüppeln, von Männern mit Wasserkopf und Damen mit Bart. Und sind die Märkte mit ihren Rollwagen und Fackeln und Drehorgeln auch längst verschwunden, so vermag sich die Literatur, fasziniert von der düster-melancholischen Atmosphäre, doch hier und da aufs Neue aus ihrem Fundus zu bedienen wie auf der Suche nach etwas Zeitkolorit. Insofern steht der Einfall des norwegischen Schriftstellers Erik Fosnes Hansen, seinen Roman "Das Löwenmädchen" um die Biographie eines schlussendlich bei einer solchen Wandertruppe Zuflucht suchenden Menschen herum zu konstruieren, in einer guten Tradition.

Indem Fosnes Hansen den Leser gleich auf den ersten Textbögen hinter den Vorhang einer Jahrmarktsbühne plaziert und mit dem Reklamegepolter eines Ansagers alleinlässt, erscheint dieser Einfall allerdings auch als Wagnis: allzu nah dran am Klischee, allzu überfrachtet mit falscher Nostalgie. Mit einem ähnlichen Kunstgriff indes hat es Erik Fosnes Hansen vor anderthalb Jahrzehnten zu Ruhm gebracht, mit der Geschichte von den Musikern an Bord der "Titanic". Schon der Titel dieses anspruchsvoll konstruierten und elegant erzählten Schmökers zeugte von der mondlichternen, religiös angehauchten Romantik, dank deren sich das Buch eine Million Mal verkaufte: der "Choral am Ende der Reise".

Man mag es Fosnes Hansen also nachsehen, dass er abermals den Balanceakt versucht über den Abgründen des Kitsches. Man mag es sogar begrüßen. Denn was wären Literatur und Film ohne die großen Traumpanoramen, ohne die Poesie, ohne jene Klassiker, die den Leser mitnehmen in ferne, abseits der Fiktion längst verblasste Zeiten. Aber es ist und bleibt eben nicht ohne Risiko, derart bewusst der Poesie nachzustreben. Und das weiß auch Erik Fosnes Hansen. Er weiß es spätestens, seit sein geplanter Mehrteiler "Momente der Geborgenheit" in einer Schreibblockade endete und Fragment blieb.

Im "Löwenmädchen" ist von einem Journalisten die Rede, einem Mann, der Hansen heißt, so wie sein Autor. Er habe von der "Titanic" berichtet, heißt es, als "befinde man sich selbst an Bord". Er verfügt "über eine sehr ordentliche Begabung als Zeichner, vielleicht überstieg sie seine journalistischen Fähigkeiten", und er hat ein deutliches Gespür für die Poesie: "Die Sterne. Die Nacht. Der Eisberg." Er sucht nach etwas Vergleichbarem, einem ähnlich packenden, ähnlich mitreißenden Sujet. Diese Geschichte könnte es sein. Sie beginnt noch im Jahr der Titanic-Katastrophe, mit einer schwierigen Geburt, mit dampfenden Eisenbahnen, mit leisen Choralgesängen und blauwabernden Nordlichtern am Himmel.

Ist Eva Mensch, ist Eva Tier? Das Kind jedenfalls, das die Frau des Stationswärters Arctander in jener Dezembernacht zur Welt bringt, auf dem Rückweg vom Kirchenchor und mit letzter Kraft, als habe der Lärm der Moderne sie im Innersten zerrissen, ist über und über mit blonden Haaren bedeckt, und das selbst im Gesicht. Nicht anders als im 16. Jahrhundert Pedro Konsalez, der keineswegs "wilde Mann von Teneriffa", dessen Schicksal der Kunsthistoriker Roberto Zapperi beschrieben hat, leidet das Kind an Hypotrichose: "Das Haar bedeckte seinen gesamtem Körper, langes, goldweißes, seidenweiches Haar, fast wie bei einer Langhaarkatze, nur noch weicher und feiner."

Auch der kleinen Eva wird ein Dasein als ewige Außenseiterin nicht erspart bleiben. Der Vater, als Stationswärter gewissermaßen von Amts wegen her die Ordnung der Dinge gewohnt, ein penibler, am seelischen Innenleben seiner Tochter zunächst eher desinteressierter Homo Faber, weiß sich in seinem Schock nicht anders zu helfen, als das "Löwenmädchen" vor der Öffentlichkeit zu verstecken. Und Eva wiederum, klug, freundlich, wissbegierig, entflieht in die einzige Richtung, die ihr zur Entfaltung und Verarbeitung geblieben ist: in ihr Innerstes. Als schließlich das beengte Leben in der norwegischen Provinz unerträglich wird, sie selbst Opfer einer Misshandlung, flieht Eva in die Ferne, zur Jahrmarkttruppe. Nicht viel anders scheint es einst Stephan Bibrowsky ergangen zu sein, der Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts unter dem Namen "Lionel, der Löwenmensch" durch Europa und Amerika tourte und sich dabei, Fosnes Hansen schlägt die Brücke in der ersten Szene des Romans, eine Biographie zulegte, die ganz den Erwartungen der verschiedenen Voyeure entsprach, den Gaffern ebenso wie den Wissenschaftlern.

Die Wissenschaftler: Womöglich sind sie es und ihr Versuch, Menschen wie Tiere zu klassifizieren, die Evas Ausgrenzung vorbereitet haben, die ihre Diskriminierung mit jedem Kongress vorantreiben - und doch keine Antworten haben auf die Frage nach dem Warum. So gesehen, erzählt Erik Fosnes Hansen abermals vom blinden Fortschrittsglauben, von der technisch-wissenschaftlichen Unterwerfung der Welt und der fortwährenden Macht der Natur. Auch von den Trieben und den Momenten, da das Tier im Menschen obsiegen will und manchmal darf: "Omne animal post coitum triste."

Vor allem aber erzählt er, in wechselnder Perspektive, erneut ein Märchen - mit traurigem Unterton und in einer Sprache, deren Dichte und dunkle Färbung bereits Kennzeichen des "Chorals am Ende der Reise" war; Hinrich Schmidt-Henkel, der derzeit wohl beste Übersetzer aus dem Norwegischen, hat sie umsichtig ins Deutsche übertragen. Das muss man mögen, das unausgesprochen Gleichnishafte ebenso wie die klischeehafte Ausstattung mit Stationsmeister und Redakteuren, Pfarrern und Apothekern, Wissenschaftlern und Telegraphisten, womit der Autor Evas Heranwachsen im norwegischen Abseits illustriert. Aber wenn man es mag: Dann ist "Das Löwenmädchen" ein guter, allenfalls etwas überhastet abgeschlossener Roman. Denn der Balanceakt gelingt, und Erik Fosnes Hansen erzielt gerade dadurch, dass er mit nostalgischen Klischees spielt, jene innere Spannung, ohne die ein Text keine Sogkraft erzielen kann. "Nur wer die Sehnsucht kennt", heißt es bei Goethe, "weiß, was ich leide! Allein und abgetrennt von aller Freude, sehe ich ins Firmament nach jener Seite" - dem Kantor, der für Evas Mutter schwärmte, sind diese Zeilen und das Schicksal Mignons stets geläufig.

MATTHIAS HANNEMANN

Erik Fosnes Hansen: "Das Löwenmädchen". Roman. Aus dem Norwegischen übersetzt von Hinrich Schmidt-Henkel. Kiepenheuer & Witsch Verlag, Köln 2008. 400 Seiten, geb., 19,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 30.05.2008

Auch ein Fell kann trennen
Parabel der Ausgrenzung: Fosnes Hansens „Das Löwenmädchen”
Am 13. Dezember 1912 wird in Fredheim im inneren Norwegen ein Mädchen mit feinem Haarfell geboren – die 27-jährige Mutter, Ruth Arcander, stirbt bei der Geburt. Beim ersten Blick auf sein Kind befindet der Vater Gustav Arcander, Stationsmeister des Bahnhofs der Kleinstadt: „Das ist ja kein Kind. Das ist – ein Wiesel, verdammt.”
Das Apothekerpaar der Stadt nimmt die Kleine fürs erste auf, Hanna, die Amme, kümmert sich. Kurz vor Ruth Arcanders Beerdigung wird das Mädchen auf den Namen Eva getauft – die Taufe findet in der Stationsmeisterwohnung im Bahnhofsgebäude statt, die Trauerfeier dagegen in der Kirche und dem Festsaal mit viel Musik, sorgfältig ausgewähltem Sarg und ausführlicher Planung der „Schnittchen und Gerichte zum Leichenschmaus”. Stationsmeister Arcander („ein großer Metaphysiker war er nicht”) nimmt ganz sachte und nüchtern das befellte Kind an. Der Spannungsbogen des Romans lebt von der Beschreibung der Adoleszenz des Löwenmädchens und der distanzierten Kontrolle, welche der Vater über diese Adoleszenz ausübt – Mädchen und Vater kommen sich jedoch näher in dem Maße, in welchem Eva sich ihre Welt erobert.
Ein Schlüssel zur Welt
Das Löwenmädchen entdeckt und erfährt für andere unnahbare Gebiete – sie kommt mit der Welt am Rand der sozialen Akzeptanz zurecht. Ihr erster Menschenfreund, abgesehen von der Amme und späteren Vertrauten Hanna, ist ein Telegrafist mit dem Spitznamen „Funken”. Das Morsealphabet wird Evas erster Schlüssel für die Tür in die Welt. Die späte Einschulung bewahrt Eva vor keiner noch so brutalen Erfahrung des Andersseins; die Erzählung ihrer märchenhaften Sicherheit bei aller Verletzlichkeit, mit der die Wärme ihres Fells ihr Ausgeschlossensein in ein Mit-sich-eins-Sein verwandelt, gehört zu den sprachlich zauberhaftesten Passagen des Romans. Evas herausragende Begabung für Musik, Zeichnerei und Zahlen bricht sich Bahn – die Idee des Künstlerromans ist vermutlich ein Subtext des Buches.
Die kluge Sprachvirtuosität von Fosnes Hansen teilt das Buch auch in erste und dritte Person: Als Eva im Wortsinne ihr Geschlecht entdeckt, dankt der bis dahin allwissende Erzähler ab und das erzählende Ich der jungen Frau übernimmt die Erzählung. Dieses Ich übersteht folgerichtig dann auch eine Reise zu einem medizinischen Kongress über menschliche Abnormitäten in Kopenhagen. Gustav Arcander und Fräulein Eva Arcander reisen, speisen, wohnen erster Klasse und trainieren gemeinsam Bürgerlichkeit. Wirklich abnorm und monströs erscheinen aber dort in Kopenhagen die lorgnonbewehrten Ärzte beim Besichtigungs- und Erklärungsgeschäft im anatomischen Zirkus der Universität – die Menschen mit außergewöhnlichen Körpermerkmalen sind es nicht, auch nicht der wortgewandte Schuppenmensch, den Eva beim Kongress trifft und ihm, nun schon emanzipierte junge Frau, in klugem Wortwechsel klarmacht, dass sie jetzt mit ihm sich nicht vereinigen mag.
Märchen gehen gar nicht so selten nicht gut aus – das Löwenmädchen erliegt ein paar Jahre später einer Welt, welche sie in Kopenhagen noch eher erstaunt selbst betrachtete. Ein Kuriositäten- und Abnormitätenkabinett wirbt oder eher buhlt um sie – „Wenn Sie doch nur eine Ahnung hätten, wie viel Geld in diesem Geschäft steckt”, sagt dessen Cónferencier und Inhaber zu Gustav Arcander. In einer virtuosen Kadenz wird als letzte, brutale Außenseiterinnenerfahrung erzählt, wie Eva das Fell geschoren bekommt.
Das Befremdliche, das Abnorme und beider Verhältnis zur Norm sind Grundlagen für zweierlei: für Trauer und für Gewalt. Die Geschichte vom Löwenmädchen (die auf norwegisch Löwenfrau heißt und man weiß nicht, was der bessere Titel ist) ist eine kluge, sprachlich brillante, traurige Parabel darüber. STEPHAN OPITZ
ERIK FOSNES HANSEN: Das Löwenmädchen. Aus dem Norwegischen übersetzt von Hinrich Schmidt-Henkel. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2008. 400 Seiten, 19,95 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Mit Interesse hat Rezensentin Tanya Lieske diesen Roman über die hochbegabte junge Eva gelesen, deren Handicap ein unnatürlicher Haarwuchs am ganzen Körper ist. Die Geschichte beginnt ihren Informationen zufolge mit der Geburt des Mädchen, die seine Mutter das Leben kostet. Das Kind wird von einem humanistisch gesinnten Ehepaar aufgezogen, aber vor der Welt verborgen gehalten. In drei "Momentaufnahmen" könne man das Heranwachsen verfolgen. Eine spezielle Begabung macht das Mädchen, wie wir lesen, zum Modellfall einer Existenz zwischen Aberglaube und Wissenschaft, Emotion und Ratio. Aber auch die Existenz dieses Wesens selbst. Viele interessante Fragen werden hier nach Ansicht der Rezensentin angerissen, die auch über höchst gelungene poetische Miniaturen und "glanzvoll erzählte Passagen" staunt. Insgesamt bleibt sie doch ein bisschen hungrig und mit unerfüllten Erwartungen an einen Autor zurück, der sie mit seinem Titanic-Roman "Choral am Ende" vor dreizehn Jahren sehr begeistert hat.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Feinfühlig und unterhaltsam, humorvoll und zugleich ernst...« Margarete von Schwarzkopf NDR1