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Panorama menschlicher Schicksale
Die Liebesgeschichte zwischen einer Bäuerin und einem Zigeuner
Als Joseph zum erstenmal auf Lucies Gestüt kommt, ist sofort klar, daß die beiden füreinander bestimmt sind. Der Rom-Zigeuner und die Bäuerin heiraten, bekommen Kinder und führen sechzehn Jahre lang eine Ehe, an der nur eines merkwürdig ist: Sie wird jeden Sommer auf Eis gelegt.
Sechzehnmal setzt sich Joseph ins Auto und macht sich auf den Weg zu seiner Verwandtschaft, irgendwo in Europa, in eine Welt, die von anderen Gesetzen und Leidenschaften regiert wird als die der Bürger. Wenn er dann
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Produktbeschreibung
Panorama menschlicher Schicksale

Die Liebesgeschichte zwischen einer Bäuerin und einem Zigeuner

Als Joseph zum erstenmal auf Lucies Gestüt kommt, ist sofort klar, daß die beiden füreinander bestimmt sind. Der Rom-Zigeuner und die Bäuerin heiraten, bekommen Kinder und führen sechzehn Jahre lang eine Ehe, an der nur eines merkwürdig ist: Sie wird jeden Sommer auf Eis gelegt.

Sechzehnmal setzt sich Joseph ins Auto und macht sich auf den Weg zu seiner Verwandtschaft, irgendwo in Europa, in eine Welt, die von anderen Gesetzen und Leidenschaften regiert wird als die der Bürger. Wenn er dann im Herbst zurückkehrt, nimmt ihn Lucie wieder auf - und Joseph erzählt von seinen Erlebnissen und der Geschichte der europäischen Zigeuner, die oft zutiefst verstörend ist.

Autorenporträt
Margriet de Moor, geboren 1941, studierte in Den Haag Gesang und Klavier. Nach einer Karriere als Sängerin, vor allem mit Liedern des 20. Jahrhunderts, studierte sie in Amsterdam Kunstgeschichte und Architektur. Sie veröffentlichte zunächst die Erzählungsbände "Rückenansicht" (dtv 11743) und "Doppelportrait" (dtv 11922). Schon ihr erster Roman "Erst grau, dann weiß, dann blau" (dtv 12073) wurde ein sensationeller Erfolg und in alle Weltsprachen übersetzt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.10.1997

Komm auf meine graue Pferdedecke
Von der Empfänglichkeit der Einfaltspinsel: Margriet de Moors neue Liebesgeschichte / Von Wolfgang Schneider

Margriet de Moor hat wieder eine Liebesgeschichte geschrieben. Die Aristokratin und der Kastrat - das war die Konstellation des "Virtuosen". In dem Erfolgsroman von 1993 verfiel die Contessa Carlotta einem gefeierten Belcanto-Star; Schauplatz war ein kulissenhaftes Neapel zur Rokoko-Zeit. Die Rahmenhandlung des neuen Romans "Herzog von Ägypten" spielt nun keineswegs in zeitenferner ägyptischer Exotik, sondern in den Niederlanden der sechziger und siebziger Jahre. Und auch das Paar, um das es hier geht, kommt mit sehr viel weniger Pracht daher.

Die rothaarige Lucie ist eine, "die in der Schule nicht richtig mitkam", zwar ein "empfängliches Geschöpf, aber auch ein Einfaltspinsel". Sie lebt auf dem Land und bewirtschaftet einen Pferdezuchtbetrieb, gemeinsam mit ihrem Vater, der seiner Vergangenheit im Widerstand nachhängt; manche meinen, er habe "nicht mehr alle beisammen". 1963 kommt der Zigeuner Joseph in diese Einöde und mit ihm die Liebe. Lucie und Joseph gehören zu jenen Glücklichen, "die von der allerersten Sekunde an aufeinander fliegen". Ihr erstes Gespräch dreht sich, ganz prosaisch, um ein krankes Pferd, doch sogleich verwandelt sich ihnen der Pferdestall in eine "sinnbetörende Welt". "Wir wollen was voneinander", denkt Joseph, "wie wär's, wenn wir uns zu diesem Stapel weicher, grauer Pferdedecken begäben?" (Leser, die sich für Pferde nicht begeistern, könnten sich daran stören, daß in diesem Buch viel, allzuviel von "Prämienstuten", "Superspringpferden" und "Vollbluthengsten" die Rede ist.)

Der Vagabund und das Bauernmädchen heiraten; der Roman ist über weite Strecken die Schilderung dieser Ehe zweier Außenseiter, in der fremde Welten aufeinanderstoßen. Joseph steckt die Reiselust tief im Blut, und jedes Frühjahr verläßt er das Gestüt, um auf den Spuren seiner Vorfahren durch Europa zu ziehen. Was in der dörflichen Umgebung für Unverständnis sorgt, kann Lucie jedoch nicht beirren, zumal der geliebte Mann im Herbst jedesmal mit einem Sack voller Geschichten heimkehrt.

Den beiden wird das Leben allerdings nicht leichtgemacht. Da gibt es etwa eine ausgesprochen bösartige Nachbarin, ihres Zeichens "eingefleischte Hindernisreiterin", die kein größeres Vergnügen kennt, als die dumme Lucie zu quälen und, beispielsweise, telefonisch zu belästigen. Glücklicherweise hat Lucie schon bald von ihrem Mann die Kunst des derb-phantastischen Fluchens erlernt: "Mögen die Maden dich fressen, möge dein häßliches Fleisch dir vom Leibe faulen, wenn du mich noch ein einziges Mal anrufst."

Der mit "orientalischen Augen" und "Balkanschnäuzer" ausgestattete Joseph hat andere Sorgen: Überall ist er dem Mißtrauen und der Schikanierlust der Ordnungshüter ausgesetzt. Nach abgegriffenem Muster stellt Margriet de Moor der bürgerlichen Welt das ungebundene Leben der Zigeuner gegenüber. Hier wird manches folkloristische Klischee bedient. Man sitzt ums Feuer - der Himmel ist "sternenübersät" - und geigt und tanzt und erzählt: "Ein Kissen aus lauter Geschichten wird aufgeschüttelt." Diese Geschichten seien denn auch, so die Verlagswerbung, das "geheime Kapital" des Romans. Die Reserven sind jedoch eher bescheiden. Einmal wird von einem wahnsinnigen Mädchen und ihrer Liebe zu einem Tanzbären berichtet, ein andermal von einem Onkel, der sich die Beleidigung "Hosenscheißer" gefallen lassen muß. Prompt kommt es zu einer Sippenfehde mit raufenden Großmüttern. Bei aller Abstrusität: Wer hier einen magischen Bilderbogen in der Manier Emir Kusturicas erwartet, sieht sich enttäuscht.

Die meisten der eingestreuten Geschichten handeln allerdings - mit ungleich größerem Ehrgeiz - von den Leidenswegen der europäischen Zigeuner in der Zeit des Nationalsozialismus, sie handeln von Verfolgung und Deportation in die KZs, von Massakern und Widerstandsversuchen. Diese Thematik ist - wenn auch selten unter Berücksichtigung der Zigeuner - mittlerweile in einer Vielzahl von Romanen und Erzählungen dargestellt worden, zum Teil mit beklemmender Intensität, so daß gerade bei einem Gegenstand, der ästhetische Maßstäbe lange unangebracht erscheinen ließ, künstlerische Rangunterschiede besonders deutlich werden. Wenn die Autorin zum Beispiel den kroatischen Ustascha-Terror und die Anständigkeit der Tito-Partisanen beschreibt, entsteht im naheliegenden Vergleich mit den Werken Aleksandar Tismas zwangsläufig der Eindruck, daß die Autorin sich an einem Stoff abmüht, der ihrem Erzähltalent nicht entspricht.

Diese Überanstrengung mag ein Grund dafür sein, daß für die sprachliche Gestaltung schließlich keine Kraft mehr blieb. Höflichkeiten werden "in keinster Weise" beantwortet, man "kringelt sich vor Vergnügen" oder säuft sich "die Hucke voll", man geht Konflikten mit der Polizei "so geschmeidig wie sonstwas" aus dem Weg und bringt sich trotzdem "in die Bredouille" und hat "Zoff". Unwahrscheinlich, daß hier nur die Übersetzung ein glänzend geschriebenes Buch verdorben haben sollte. Joseph und Lucie bewegen sich mit einem Schritt, "der viel von einer absoluten Einsicht in die Welt verrät". So möchte man auch gerne gehen können.

Der "Herzog von Ägypten" verlangt vom Leser höchste Konzentration und Geduld. Die zusammenhanglose, vor und zurück springende Erzählweise, die um eine zweite Lektüre bittet, da für das Verständnis einer Szene meist erst fünfzig Seiten später gelieferte Informationen vorausgesetzt werden, ist angesichts der Mängel des Buches eine Zumutung. Zusätzliche Verwirrung schafft die Erzählperspektive. Fortwährend mischt sich ein geheimnisvoller Ich-Erzähler ein, der bis zum Schluß keine Konturen annehmen will.

Am Ende stirbt Joseph an Lungenkrebs, Lucie verkraftet es nicht, verliert sich vollends im Wahn und plaudert mit dem Verstorbenen. Dieser hat einen Rat für sie: "Wie wär's, wenn du dich mal wieder waschen würdest?"

Margriet de Moor: "Herzog von Ägypten". Roman. Aus dem Niederländischen übersetzt von Helga van Beuningen. Hanser Verlag, München 1997. 264 S., geb., 38,- DM.

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