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Als Kind schon fühlte sich Wanda Wiericke in der Musik vollkommen aufgehoben. Später, als gefeierte Konzertpianistin, vermisste sie nichts und niemanden, auch nicht ihren Mann. Jetzt, in einem Dorf in den französischen Pyrenäen, spielt sie nur noch für sich. Und doch ist ihr, als fehlte etwas, als habe ihr geliebter Klavierlehrer Max de Leon, der eines Tages für immer verschwand und ihr einen Koffer voller Noten hinterließ, ein Geheimnis mit sich genommen, das alles erklären könnte ...

Produktbeschreibung
Als Kind schon fühlte sich Wanda Wiericke in der Musik vollkommen aufgehoben. Später, als gefeierte Konzertpianistin, vermisste sie nichts und niemanden, auch nicht ihren Mann. Jetzt, in einem Dorf in den französischen Pyrenäen, spielt sie nur noch für sich. Und doch ist ihr, als fehlte etwas, als habe ihr geliebter Klavierlehrer Max de Leon, der eines Tages für immer verschwand und ihr einen Koffer voller Noten hinterließ, ein Geheimnis mit sich genommen, das alles erklären könnte ...
Autorenporträt
Anna Enquist wurde 1945 in Amsterdam geboren, ist ausgebildete Konzertpianistin und arbeitete lange Jahre als Psychoanalytikerin. Seit 1991 veröffentlicht sie Gedichte, Romane und Erzählungen. Ihre Werke wurden mit mehreren Preisen ausgezeichnet und in fünfzehn Sprachen übersetzt. Anna Enquist lebt in Amsterdam.
Rezensionen
"Anna Enquists neuer Roman macht süchtig wie Musik." Badische Zeitung

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.05.1997

Trutzburg aus Notenblättern
Anna Enquist verwaltet die Erbschaft des Herrn de Leon

Mit dem Roman "Das Meisterstück" ist die 1945 geborene, in Amsterdam lebende Schriftstellerin Anna Enquist vor zwei Jahren auch hierzulande bekannt geworden. Das Familiendrama um zwei rivalisierende Brüder - lebenslustiger Künstler der eine, lebensunfähiger Kunstwissenschaftler der andere - erhielt den niederländischen Preis für den besten Erstlingsroman und wurde ein Bestseller. Die offensichtlichen Schwächen des Buches, den beinahe kolportagehaften Zuschnitt von Fabel und Figuren, eine ans Banale grenzende Psychologie, die ihre Konflikt-Knoten schulgerecht in frühen Kindheitstagen schürzte, übersah man gerne angesichts der frischen Darstellung, die sich vor allem in der Schilderung von Alltagssituationen bewährte.

Anna Enquists neuer Roman, dessen niederländisches Original gleichzeitig mit der von der Autorin durchgesehenen deutschen Übersetzung erschienen ist, erzählt die Biographie einer begnadeten Musikerin. Die Pianistin Wanda Wiericke hat eine Art, Bach, Mozart und Chopin zum Klingen zu bringen, die "jeden Musiker mit Ohren am Kopf vor Neid erblassen läßt". Die Lebensgeschichte der Künstlerin wird in chronologisch gereihten Episoden vorgeführt: ihre Kindheit in der Kriegszeit (die besetzten Niederlande bleiben eine flüchtig gemalte Kulisse), der Schock durch die Deportation des jüdischen Klavierlehrers de Leon, der qualvolle Tod des Vaters, eine kurze Ehe, die Scheidung nach einer Fehlgeburt, der Tod der Mutter.

Vage wird Wandas Weg in die beglückende Musik dabei zugleich als Flucht vor vielerlei Bedrängnissen geschildert. Der mürrische Vater (er ahnt, daß Wanda nicht sein Kind, sondern das de Leons ist), der geistig behinderte Bruder, die Nazis, die den Klavierlehrer umbringen, die Mutter, die das Vergangene hinter Operettenkulissen verdrängen will, die zudringlichen Männer - alles hat auf irgendeine Weise mehr oder weniger Anteil an Wandas Flucht zu den Notenstapeln, die Herr de Leon ihr vererbt. Eine psychosomatische Erkrankung fordert schließlich den Ausstieg aus dem Konzertbetrieb.

Hauptfiguren, die vom musikalischen Genie gezeichnet sind, erfreuen sich derzeit einiger Beliebtheit. Der anspruchsvolle Gegenstand - was wäre unanschaulicher und damit schwieriger ins Medium sprachlicher Beschreibung zu bannen als die Musik? - verlangt allerdings eine ungewöhnliche Darstellungskunst. In Enquists Roman bleibt es dagegen bei der fortwährenden Versicherung des einzigartigen Könnens der Heldin. Ein Zeitungsartikel über "Höhepunkte der niederländischen Klavierkunst auf CD" weist den Leser gleich zu Beginn diskret auf das Format Wandas hin: "Im Gegensatz zu ihren Kollegen wurde sie in den siebziger Jahren auch international zu den absoluten Topvirtuosen gerechnet." Musikalisches wird dann meist fachsimpelnd oder schwülstig geboten. Wanda Wierickes Interpretation von "Köchel-Verzeichnis 488" läßt bedauern, daß dem Buch keine CD beiliegt: "Vor den verblüfften Ohren der Orchestermitglieder läßt sie eine desolate Kriegslandschaft erstehen, wehrlos, geschunden. Schamlos stellt sie das Skelett der Komposition zur Schau . . . Die Bläser folgen ihr, die Streicher halten die Luft an . . . Erbarmungslos setzt sie die flehentlichen Akzente; unerbittlich führt der Baß in den Untergang." Mit Augen, die "dunkel und sprechend geworden" sind, bekennt der Dirigent seiner Solistin: "Sie haben mir mit ihrer Lesart, mit dieser Traurigkeit das größte Vergnügen bereitet. Das hatte ich nicht erwartet. Sie haben mich tief berührt. Ich danke Ihnen."

Anna Enquists Sprache bewegt sich zwischen solcher Betulichkeit und salopper Nachlässigkeit. Vor allem der Darstellung gefühlsgeladener Situationen meint die Autorin stets durch stichworthafte, abgerissene Sätze und eine Schwundform des inneren Monologs gerecht zu werden. Diese einst gefeierte Technik ist ja längst zu einem Stilmittel des Trivialromans herabgesunken, mit dem sich das Innenleben einer Figur vortäuschen läßt; hier bietet sie zudem die Lizenz für allerlei Banalitäten. Insbesondere Herr de Leon, der dem Buch in der deutschen Übersetzung den Titel gibt, ist eine gänzlich blasse Gestalt. Die meisten Figuren werden so geschildert wie Guido de Bock, der neue Lebenspartner von Wandas Mutter: "Wurstfinger und eine warme Stimme. Sympathisches Lächeln. Ein netter Mann."

Um die gleichförmige Chronologie des Lebensberichts aufzubrechen, schaltet Enquist zwei Nebenhandlungen ein. Zum einen wird von den einsamen Tagen der nunmehr zurückgezogen in den Pyrenäen lebenden Künstlerin erzählt. Sie gönnt sich Thermalbäder gegen das Rheuma, vermeidet zunächst alle Klaviermusik und schafft sich dann doch wieder einen Flügel an, der schon in der Eingangsszene an einem Kran "baumelt" und "sich wie ein verbranntes Kotelett gegen die schneebedeckten Bergspitzen abzeichnet". Zum anderen entschließt sich Wandas Ex-Mann, der Arzt Bouw Kraggenburg, nach dreißig Jahren der Trennung überraschend zu einem Besuch in den Pyrenäen. "Vielleicht irgend etwas von früher klären, oder auch nicht, jedenfalls losfahren, jetzt, aufbrechen und dann weitersehen."

Am Ende steht Bouw vor Wandas Haus, nachdem Etappe um Etappe seiner Annäherung gründlich beschrieben worden ist. Auf einem Grabstein ausruhend (gleich neben dem Haus befindet sich ein pittoresker Friedhof), sieht er im erleuchteten Viereck der geöffneten Balkontür Wanda am Klavier. Bouw lauscht, da wendet Wanda den Blick Richtung Fenster, im selben Moment geht der Mond auf, und "ein silbriges Licht fällt über den Balkon und Friedhof". Die Musik bricht ab, und mit ihr das Buch. Ein offenes Ende? Wohl eher ein erzählerischer Notausgang, durch den die Autorin ihrer schon in allen Fugen knarrenden Romankonstruktion entkommt. WOLFGANG SCHNEIDER

Anna Enquist: "Die Erbschaft des Herrn de Leon". Roman. Aus dem Niederländischen übersetzt von Hanni Ehlers. Luchterhand-Literaturverlag, München 1997. 216 S., geb., 36,- DM.

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"Das Meisterstück" einen Erfolg landete, ist ihr sogleich ein zweites Meisterstück gelungen: so ernst wie das halbe Leben - so beschwingt wie die andere Hälfte." (Christiane Schott im "Deutschen Sonntagsblatt")