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»Altern, dachte ich, sei etwas, das älteren Leuten zustößt«, sagt Lily Brett, eine Frau in den besten Jahren, und räumt wehmütig ein: »Wir sind nicht mehr die, die wir einmal waren.« Trost kommt von der Tochter: »Heute bist du viel freier. Und tanzen kannst du jetzt auch.«
»Dein Körper muß dir jetzt fremd vorkommen«, sagt Lily Bretts Mann eines Nachts. Aber sie hatte sich inzwischen gewöhnt an Bizeps, Trizeps, Quadrizeps und Deltamuskel, Ergebnis konsequenten Körpertrainings.
»Sex«, »Essen«, »Liebe«, »Altern«, das sind die Themen dieses Buches, das noch mehr von ihrem Leben preisgibt als
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Produktbeschreibung
»Altern, dachte ich, sei etwas, das älteren Leuten zustößt«, sagt Lily Brett, eine Frau in den besten Jahren, und räumt wehmütig ein: »Wir sind nicht mehr die, die wir einmal waren.« Trost kommt von der Tochter: »Heute bist du viel freier. Und tanzen kannst du jetzt auch.«

»Dein Körper muß dir jetzt fremd vorkommen«, sagt Lily Bretts Mann eines Nachts. Aber sie hatte sich inzwischen gewöhnt an Bizeps, Trizeps, Quadrizeps und Deltamuskel, Ergebnis konsequenten Körpertrainings.

»Sex«, »Essen«, »Liebe«, »Altern«, das sind die Themen dieses Buches, das noch mehr von ihrem Leben preisgibt als Einfach so (st 3033), ihr autobiographischer Roman, der zum Bestseller wurde. »Intimität ist meine Spezialität«, sagt Lily Brett, und sie verbirgt nichts. Als Tochter zweier Holocaust-überlebender war es für sie ein langer Weg, zu sich selbst und damit auch zu dieser Offenheit zu finden, die Welt »zu sehen«, wie sie ist - mit dem Humor, den ihre Fans so lieben.
Autorenporträt
Brett, LilyLily Brett wurde 1946 in Deutschland geboren. Ihre Eltern heirateten im Ghetto von Lodz, wurden im KZ Auschwitz getrennt und fanden einander erst nach zwölf Monaten wieder. 1948 wanderte die Familie nach Brunswick in Australien aus. Mit neunzehn Jahren begann Lily Brett für eine australische Rockmusik-Zeitschrift zu schreiben. Sie interviewte und porträtierte zahlreiche Stars wie Jimi Hendrix oder Mick Jagger.Heute lebt die Autorin in New York. In regelmäßigen Kolumnen der Wochenzeitung DIE ZEIT hat Lily Brett diese Stadt porträtiert. Sie ist mit dem Maler David Rankin verheiratet und hat drei Kinder.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.05.1999

Eingemachte Erinnerungen
Lily Brett kocht sich das Leben ihrer Eltern vom Leibe

Auf den ersten Blick ließe sich Lily Bretts Buch "Zu sehen" mit einer der Selbsterfahrungspublikationen verwechseln, die den Markt überschwemmen. Der forsche Ton, die hingebungsvolle Einlassung auf das eigene Ich und der Neuigkeitswert, den die Autorin ihrem Glücklichsein zumißt, erzeugen zunächst den Eindruck von mühsam kontrollierter Hysterie. Doch mit einem solchen Urteil täte man Lily Brett großes Unrecht. Niemand ist von Haus aus so skeptisch gegenüber exzessiver Selbstbespiegelung wie sie. Es bedurfte anhaltender Leidenssymptome, um die Aufmerksamkeit der australischen Journalistin auf die eigene Person zu lenken. Mit Hilfe einer sechsjährigen Psychoanalyse, die sie nach New York, an ihren neuen Wohnort, begleitete, begann Brett zu begreifen, in welch einschneidender Weise die Jahre, die ihre Eltern im Ghetto von Lodz und in Auschwitz verbracht hatten, ihr eigenes Leben bestimmten. "Zu sehen" zieht eine Summe, es schließt die Analyse ab, die Patientin erklärt sich für geheilt.

Die in dem Buch festgehaltenen Beobachtungen und Erinnerungen haben die Genauigkeit eines Krankenberichts und die animierte Wärme eines langen Briefes. Erschütternd sind die Freiheitseinschränkungen, denen die Überlebenden noch über Generationen ausgesetzt sind. Die Autorin berichtet ausführlich von ihrem Übergewichtsproblem und baut aus vergangenen Szenen ein Puzzle zusammen. "Ich packe nicht mehr für jeden Ausflug, der zwanzig Minuten dauert, Proviant ein", lautet ein beiläufiger Punkt auf der Liste ihrer Genesungszeichen. Der Leser verbindet ihn von selbst mit der Geschichte über ihren Vater, der im Lager als erster in der Reihe der Wassersuppenempfänger stand und sich vor Aufregung den Mund auf Tage verbrannte. Wie ihre Mutter kocht Brett "immer zuviel": "hundert Portionen Spaghettisauce" für eine Kleinfamilie.

Die Autorin schildert den Alltag mit seinen kleinen Obsessionen, Gewohnheiten und Ticks, in dem ohne Vorwarnung der Boden einbrechen kann, um den Blick auf eine entsetzliche Vergangenheit freizugeben. Die Selbsterforschung hat Lily Brett das Werkzeug an die Hand gegeben, mit dem sie unerschrocken Zusammenhänge herstellt. "Zu sehen" ist ein einziger großer Monolog, in den vom Belanglosen bis zum Folgenreichen alles einfließt und zusammengehört. Daß ihr Vater pausenlos Kriminalromane las, begreift sie als Maßnahme, um das im Gedächtnis lauernde Grauen in die Grenzen eines Buches einzuschließen. Auch daß er sich für todkrank hielt, sobald er israelischen Boden betrat, kann sie nicht überraschen: Die Erfahrung hatte ihn gelehrt, daß er nicht mehr sicher war, wo zu viele Juden zusammenkamen.

Dem Tod ist ein eigenes Kapitel gewidmet. In ihm wird das Gefallen erörtert, das Bretts Familie an Beerdigungen fand. Für ihre Mutter "konnte es nicht genug Beerdigungen geben. Sie ging zu denen von guten Freunden und zu denen von entfernten Bekannten. Es war ihr Versuch, einen Ausgleich zu schaffen für all die Toten, die sie nicht hatte begraben können." Die Gelegenheit, Trauer mit anderen zu teilen, sucht die Autorin auch im Schreiben. Das Wecken von Emotionen arbeitet der Verdrängung entgegen, die dem Leid der Überlebenden häufig begegnet ist: "Ich möchte die Worte neu anordnen, damit die Menschen weinen können." Wie ihr Vater Krimis, kauft sie unermüdlich Holocaust-Literatur, um auf diesem Wege dem Tod ein Gesicht zu verschaffen. Ihre Neigung zur Literatur verwurzelt Brett in der Kindheit. Von früh an reagierten Katastrophen- und Rettungsphantasien auf das Trauma der Hilflosigkeit, das die Eltern quälte.

Das Schreiben vergleicht Brett mit dem Kochen. Eine bezeichnende Episode ist die jährliche Einmachorgie: Der Verstand rät ab von der Plackerei, doch die Seele verlangt es nach dem wiederkehrenden Ritual, das die New Yorkerin mit der versunkenen Kultur von Lodz verbindet: "In manchen Jahren ist es mir gelungen, es bis zur letzten Minute auszuhalten. Dann aber wurde ich von einer fast verzweifelten Hektik gepackt, rannte, um die Zutaten zu besorgen, holte die Einkochkessel hervor, die Schöpfkellen, die Einmachgläser, die Deckel und die Etiketten. Und bevor ich es richtig bemerkt habe, stehe ich wieder vor den dampfenden Bottichen und bin glücklich." Ihr Buch "Zu sehen" versiegelt nun andere Früchte. Es ist die Ernte einer Respekt gebietenden Lebensbefragung, einer feinfühligen Beobachtung und sprachlichen Virtuosität. Die liebevollen Porträts, die Brett von ihren Eltern anfertigt, bewahren die komplizierte Einfachheit zweier Menschen auf, doch als Anatomie des Überlebens retten sie auch ein dunkles Stück Geschichte. INGEBORG HARMS

Lily Brett: "Zu sehen". Aus dem Englischen übersetzt von Anne Lösch. Deuticke Verlag, Wien 1999. 349 S., geb., 44,- DM.

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