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2 Kundenbewertungen

Ein junger New Yorker mit nigerianischen Wurzeln kehrt nach Nigeria zurück. Er wohnt in Lagos bei Verwandten, trifft alte Freunde, durchstreift die Straßen der Stadt seiner Kindheit. Doch die ist ein Moloch: jeder Beamte korrupt, jede Begegnung ein Wagnis, jede Nacht ein vergeblicher Versuch, Ruhe zu finden. Und jeder Tag ein Spiegel, in dem er sich selbst immer klarer sieht. Er erlebt die Stadt wie eine große, schrecklich enttäuschende Liebe. Soll er bleiben oder fliehen?
»Ein phantastisches Buch ... Memoir, Reportage, Selbstbetrachtung, Literaturgeschichte. Ein Bericht auch über die
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Produktbeschreibung
Ein junger New Yorker mit nigerianischen Wurzeln kehrt nach Nigeria zurück. Er wohnt in Lagos bei Verwandten, trifft alte Freunde, durchstreift die Straßen der Stadt seiner Kindheit. Doch die ist ein Moloch: jeder Beamte korrupt, jede Begegnung ein Wagnis, jede Nacht ein vergeblicher Versuch, Ruhe zu finden. Und jeder Tag ein Spiegel, in dem er sich selbst immer klarer sieht. Er erlebt die Stadt wie eine große, schrecklich enttäuschende Liebe. Soll er bleiben oder fliehen?

»Ein phantastisches Buch ... Memoir, Reportage, Selbstbetrachtung, Literaturgeschichte. Ein Bericht auch über die Schule der Gewalt, über die Ursprünge der Massenmorde von Boko Haram im Norden Nigerias.« Volker Weidermann, FAS

»Ein lebenspralles Buch von der Verzweiflung eines Nigerianers über seine Heimat, die ihn zugleich anzieht und abstösst.« Regula Freuler, NZZ

»Mühelos erzählt und voll sinnlicher, bisweilen magischer und aufwühlender Bilder ... große Literatur.« Jan Wilm, FAZ
Autorenporträt
Teju Cole, geboren 1975, wuchs in Nigeria auf und kam als Jugendlicher in die USA. Er ist als Kunsthistoriker, Schriftsteller und Fotograf tätig und hat eine Stelle als Distinguished Writer in Residence am Bard College inne. Teju Cole lebt in Brooklyn, New York.
Rezensionen
»Ein phantastisches Buch ... Memoir, Reportage, Selbstbetrachtung, Literaturgeschichte. Ein Bericht auch über die Schule der Gewalt, über die Ursprünge der Massenmorde von Boko Haram im Norden Nigerias.« Volker Weidermann Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung 20151217

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 31.01.2015

Im Café der
Yahoo-Boys
In seinem Buch „Jeder Tag gehört dem Dieb“
erzählt Teju Cole von einer Rückkehr
aus New York in die fremde Heimat Nigeria
VON CHRISTOPHER SCHMIDT
Nigeria liegt mitten in New York – Nigeria nicht als Land, sondern als Geisteshaltung. Als der in den USA lebende IchErzähler von Teju Coles „Jeder Tag gehört dem Dieb“ das Konsulat seiner Heimat aufsucht, weil er einen neuen Pass braucht, erfährt er, dass das normalerweise vier Wochen dauert, es sei denn, er zahlt eine „Expressgebühr“. Am Ausgang hängt ein Blatt, auf dem steht, wer von Beamten zur Zahlung von Schmiergeld aufgefordert werde, solle sich diskret an den Generalkonsul wenden. Doch der verdient hier höchstwahrscheinlich mit.
  Und so geht es weiter nach der Ankunft in Lagos. Überall hält jemand die Hand auf, verlangt eine milde Gabe oder einen Wegzoll, und die meisten von ihnen tragen die Uniform eines Staatsdieners. Denn selbst diejenigen, deren Aufgabe es ist, die Bürger zu schützen, verdienen zu wenig, um davon leben zu können, und sind daher Teil der „informellen Ökonomie“, wie das Teju Cole nennt. Nach Studienjahren in Europa und den USA kehrt dessen Alter Ego zum ersten Mal zurück nach Lagos. Gewöhnt an den Rechtsstaat, findet er sich nur schwer wieder zurecht. Unheimlich ist es ihm geworden, dieses Land, in dem nachts der Strom abgestellt wird und Flugzeuge abstürzen, weil sie längst hätten ausgemustert werden müssen.
  Als die Katastrophe einmal direkt über der Landebahn passiert, rückt die Feuerwehr gar nicht erst aus, da sie kein Wasser hat. Befremdet sucht er die Orte seiner Jugend auf, trifft alte Freunde wieder, seine erste Liebe, stets wachsam, wenn er das Haus verlässt, denn auf den Straßen warten schon die „Area Boys“, um einem das Geld abzunehmen. Ab und zu wird eine größere Anzahl von ihnen von der Polizei getötet, es ist eine Art zynischer Flurbereinigung, ein symbolischer Blutzoll.
  All das, die Günstlings- und Mangelwirtschaft schildert Teju Cole jedoch nicht anklagend oder gar larmoyant, sondern mit kalter Wut und dem sezierenden Blick eines Moralisten aus dem 18. Jahrhundert, der ein Land besucht, das nur parasitär an der Globalisierung teilhat. „Während Indien die Software-Branche erobert hat und Länder wie China, Indonesien und Thailand erfolgreich in die Fertigungsindustrie vorgestoßen sind, ist Nigerias Beitrag eher bescheiden“, schreibt Cole. „Genau genommen beschränkt er sich derzeit auf den kreativen Missbrauch des Internets, der da heißt: Vorkassebetrug.“ Im Internet-Café schaut er ihnen über die Schulter, den jungen Männern, die den Empfängern ihrer E-Mails große Anteile irgendwelcher Fonds in Aussicht stellen. Er beobachtet, wie der „Vorsitzende des staatlichen Ölministeriums“ einen förmlichen Brief aufsetzt. „Der Autor ist ein ungepflegt aussehender Mann, der ganz augenfällig Vorsitzender von gar nichts ist.“ Lagos sei voller Märchenerzähler, „eine Stadt der Scheherazaden“, heißt es im Buch. Und: „Wäre John Updike Afrikaner gewesen, hätte er vor zwanzig Jahren den Nobelpreis bekommen.“ Angesichts der Geschichten, die hier auf der Straße liegen, beschleicht ihn „Mitgefühl mit all jenen Schriftstellern, die ihren Stoff verschlafenen amerikanischen Vorstädten abgewinnen und Scheidungsszenen schreiben müssen, in denen lethargisches Geschirrspülen eheliche Kälte symbolisiert“.
  „Yahoo-Yahoos“ nennt man die jungen Männer, die mit dem Vorkassebetrug ihr Geld verdienen, was Cole an das Phantasievolk der Yahoos aus Swifts „Gullivers Reisen“ erinnert und zu dem Schluss führt, dass Marx sich zumindest in Bezug auf Nigeria geirrt haben müsse: Hier wiederholt sich Geschichte nicht als Farce, sie beginnt als solche und endet in der Tragödie. Dass der Erzähler auf seinen Wegen durch den Moloch immer wieder literarische Zitate in den Sinn kommen, von William Faulkner etwa oder dem schwedischen Lyriker Tomas Tranströmer, dieser Widerspruch zwischen innerer und äußerer Welt, die doppelte Staatsbürgerschaft seiner kulturellen Identität, verleiht der Exotik abgründige Ambivalenz. „Jeder Tag gehört dem Dieb“ liest sich wie ein Gegenstück zu Teju Coles Debüt-Roman „Open City“, der ihn 2012 über Nacht berühmt machte. Ging es damals um einen Afrikaner in den Straßen von New York, so ist nun derselbe Flaneur in seiner Heimat genauso fremd.
  Vom Hunger nach Kultur getrieben, entdeckt er endlich einen gut sortierten Plattenladen, der sich auf Jazz spezialisiert hat. Als er voller Glück eine CD erwerben will, teilt ihm der Ladenbesitzer jedoch mit, dass es sich bei den ausgestellten CDs ausschließlich um Ansichtsexemplare handle. Man könne ihm vom Gewünschten jedoch eine Kopie brennen. Noch ernüchternder ist der Besuch im Nationalmuseum, das in so schlechtem Zustand ist, als wäre es gerade ausgeplündert worden. Eines der kostbarsten Kunstwerke, eine Büste aus dem 17. Jahrhundert, wurde bei einem Staatsbesuch in England der Queen zum Geschenk gemacht. Es ist dieselbe Büste, die dem Staat Nigeria zuvor als Raubgut zurückerstattet worden war. „Doch diesmal dachten die Briten gar nicht daran, sie zurückzugeben.“
  Das mangelnde historische und kulturelle Bewusstsein ist das, was ihn am meisten erbost, denn dass Kunst universell ist, davon ist er zutiefst überzeugt. „Idea l’a need“, so heißt die gängige Formel in Nigeria, die bedeutet, sich bloß nicht in Details zu verlieren, es reiche eine grobe Idee. Oder die Idee einer groben Idee.
  Hervorgegangen ist Coles Buch aus einer Serie von Blog-Einträgen. Eine Auswahl erschien bereits 2007 in Buchform in Nigeria, 2014 hat es Cole noch einmal durchgesehen und in den USA herausgebracht. Die amerikanische Ausgabe trägt die Gattungsbezeichnung „Novella“, also etwa Novelle oder Erzählung. Bei uns läuft Coles ebenso kluge wie schneidend komische Reflexionsprosa unter dem besser vermarktbaren Label Roman. Dieser Anspruch hätte allerdings eine sorgfältigere Übersetzung gerechtfertigt, in der man ein Wort wie „vorprogrammiert“ nicht lesen muss. Einmal trifft Teju Coles Erzähler einen Studenten, der ihn um seine Mail-Adresse bittet. Doch er wimmelt ihn mit einer faulen Ausrede ab. Das wirkt dann selbst ein wenig wie das Prinzip „idea l’a need“. Ein Warnsignal, dass es höchste Zeit ist, Nigeria zu verlassen.
Teju Cole: Jeder Tag gehört dem Dieb. Roman. Aus dem Englischen von Christine Richter-Nilsson. Verlag Hanser Berlin, München 2015. 176 Seiten, 18,90 Euro. E-Book 14,99 Euro.
Den Postkolonialismus
fasst dieser Autor in ebenso
kluge wie komische Vignetten
Teju Cole, geboren
1975 in Nigeria, lebt in
New York.
Foto: laif 
In Lagos liegen
die Geschichten tatsächlich auf der Straße. Teju Cole erzählt sie in seinem Buch nicht nur mit Worten,
sondern auch mit Bildern.
Foto: Teju Cole
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.02.2015

Ich habe mich davongestohlen

Die Schmutzigen, die Hässlichen und die Gemeinen: Teju Cole streift in seinem zweiten Roman "Jeder Tag gehört dem Dieb" durch Lagos, die ihm so fremde und doch vertraute Heimatstadt.

Teju Cole gelingt im ersten Buch nach seinem Welterfolg "Open City" von 2011 mit "Jeder Tag gehört dem Dieb" ein Kunststück. Der Roman folgt einem jungen, namenlosen Erzähler, der sich auf "Heimkehr" begibt, auf eine Reise aus New York in seine Vergangenheit: Lagos, Nigeria. Dabei ist der Text so mühelos erzählt und voll sinnlicher, bisweilen magischer und aufwühlender Bilder und Kleinsterzählungen, dass es leicht entgehen mag, wie der Erzähler dem Erzählen seiner eigenen Geschichte ausweicht.

Nebenbei ist der Roman selbst ein nicht unkluges Ausweichen der Erfolgsgeschichten, die sich der Literaturbetrieb erzählt. Der Betrieb liebt Debüterfolge, tauft die Verfasser Wunderkinder und überwuchert sie mit Preisen, vergisst aber oft, dass der Lorbeerkranz auch zur Dornenkrone werden kann. Den zweiten Roman zu schreiben ist bisweilen schwerer als die Aufgabe, überhaupt ein Debüt vorzulegen. Cole schiebt diesen Druck geschickt auf, indem er gleich mehrfach aus der Vergangenheit schöpft und einen Text vorlegt, der 2007 in einem kleinen nigerianischen Verlag veröffentlicht wurde und davor als Blog bestand. "Jeder Tag gehört dem Dieb" ist ein alter neuer Text, mit träumerischeren, aber auch gespenstischeren Fotografien des Autors angereichert als die Vorversionen. In Struktur und Kern aber ist er ihnen ähnlich, und so mag man ihn betrachten als Inkubationsraum von "Open City", aber auch als Ausschattierung jenes fulminanten Debüts.

"Open City" gelang es fabelhaft, eine harmonische, weltkluge, reflektierte Sprache zu finden, die eher im Sinnieren verweilte, als einen Plot voranzupeitschen - bis schließlich die Kulissen einstürzten und der Held, eingeholt von einer folgenschweren Anschuldigung aus seiner Vergangenheit, gemeinsam mit dem Leser ins Straucheln geriet. "Jeder Tag gehört dem Dieb" wiederholt - oder antizipiert - dieses Verfahren, da sein Erzähler dem Leser vorenthält, was ihn bewog, vor fünfzehn Jahren schlagartig Nigeria zu verlassen. Erst im letzten Drittel des Buches gesteht er: "Ich habe mich davongestohlen", und er berichtet lakonisch vom Ende der Beziehung zu seiner Mutter, deren letzten Brief er zerrissen, die er nie mehr wiedergesehen hat und vielleicht nie mehr sehen wird oder will. Das Warum bleibt im Schweigen und macht den Erzähler zu einer komplexeren Figur als anfänglich vermutet.

Der Roman beginnt, als der Erzähler vor seiner Ausreise im nigerianischen Konsulat New Yorks kafkaeske Bürokratiemühen bestehen muss, bevor er seine "Heimreise" antreten darf. Und als wäre die Botschaft eine Außenstelle der Korruption, die Nigeria seit Jahrzehnten in die Knie zwingt, wird er schon auf amerikanischem Boden Zeuge von Bestechlichkeit. Korruption in globalisierten Zeiten. Es mag irritieren, mit welch behäbiger Genauigkeit die erste Szene im Konsulat ausgebreitet wird, doch sie gibt den bleiernen Vorgeschmack auf all das, was dem Erzähler an Nigeria nicht mehr schmecken wird.

Einmal im Land seiner vergangenen Heimat, bezeugt er ein Spektrum an Korruption und Gewalt, von organisierten Verbrecherbanden, die nur loszubekommen sind durch Schmiergeld oder durch die Polizei, die dann selbst geschmiert werden muss, über einen Plattenladen, in dem alle Alben unverkäuflich sind, aber freigiebig kopiert werden können, bis zu einem Moment in einem Internetcafé, in dem der Erzähler den Ursprung findet all der allgegenwärtigen, fingierten E-Mails afrikanischer Geschäftsleute, die gotteshuldigend und gegen Gewinnbeteiligung einige Millionen auf den Bankkonten des Westens zwischenlagern möchten. "Ich fühle mich, als hätte ich die Quelle des Nils oder Nigers entdeckt", reflektiert der Erzähler.

Mit fasziniertem Blick, offen für das Schreckliche wie das Schöne gleichermaßen, zieht er die Metropole Lagos in schillernden Fragmenten in sein Sprachnetz. Er ist ein Suchender der Stadt, und seine Reise ist keine "Heimkehr", sondern ein Selbstversuch. Er hat Ambitionen zu schreiben und wirft sich in den Trubel der Megastadt, um sich herauszufordern, Geschichten zu jagen: "Diese fremde, vertraute Stadt ist durchwebt von Erzählungen, und ich denke an das Leben als eine Summe von Geschichten. Sie fliegen von allen Seiten auf mich zu." Doch er fragt sich auch: "Könnte ich mit der Wut umgehen, die Nigeria in mir auslöst?"

Auf einem lauten, überlaufenen Stadtmarkt imaginiert er eine Szene, die sich in der Vergangenheit dort zugetragen hat und die mit solch ungeheurer Präzision und Grausamkeit geschildert ist, dass klarwird, sie ist das Zentrum des Romans, ihretwegen gehört jeder Tag dem Dieb. Der Inhalt der Szene soll nicht vorweggenommen sein, doch ihre Schmerzhaftigkeit bildet das Kraftzentrum der Vorstellungsfähigkeit dieses Erzählers. Er sinniert, hier habe er gelernt, "die Fragmente zu einer Geschichte zusammenzufügen". Coles Narrativ, sehr gut von Christine Richter-Nilsson übertragen, ist ein Erzählen aus der Perspektive des Schmerzes - nicht tosend, sondern ganz sachte. Hier ist das paradoxe Projekt des Erzählers, vielleicht des Erzählens an sich, und es wirft ethische Fragen auf: aus den schmerzenden Fragmenten des Vergangenen eine Geschichte zu zimmern, deren Schmerz sich wahrhaftig anfühlt und gleichzeitig zu etwas Magischem transformiert wird. Kurz nach der ernüchternden Marktszene räsoniert der Erzähler: "Wunderbar, denke ich. Hier ist das Leben, in all seinen stinkenden Details." Es beschleicht ihn "ein leises Mitgefühl mit all jenen Schriftstellern, die ihren Stoff verschlafenen amerikanischen Vorstädten abgewinnen und Scheidungsszenen schreiben müssen, in denen lethargisches Geschirrspülen eheliche Kälte symbolisiert".

Im Abschlusskapitel, wenn der Erzähler zurück ist in New York und im Jetlag die Nacht durchwacht, zeigt Cole, dass er ein Schriftsteller ist, mit dem niemand leises Mitgefühl haben muss. Er findet viele Stimmungen, wie die sanfte Melancholie einer amerikanischen Winterstadt: "Alles ist Schnee. Er nimmt den Straßen ihre Konturen und dämpft ab, was hinter dem Fenster passiert." Oder das verträumte Erinnern einer geisterhaften Vergangenheit, die nur fragmentarisch erinnert werden kann und zu einer Geschichte zusammengefügt werden muss wie im schönsten, weil vielleicht ruhigsten Moment dieses bemerkenswerten, zwischen Roman, Reisebeschreibung und Essay wandelnden Buches: Der Erzähler ist abgekommen von den lauten Vierteln der Stadt in eine Seitenstraße, in der einige Schreiner an einem sonnenweißen Tag Holzsärge zimmern. Er ist berührt von der Schönheit und dem rohen Zauber dieses Moments und will zur Kamera greifen, hält aber inne: "Ich habe Angst, die Schreiner könnten aus ihrem meditativen Tun gerissen werden und zu mir aufblicken; Angst, etwas auf Film zu bannen, was nur für die Erinnerung bestimmt ist oder für einen Seitenblick, dem sogleich das Vergessen folgt." Seitenblicke vor dem Vergessen: große Literatur.

JAN WILM.

Teju Cole: "Jeder Tag gehört dem Dieb".

Aus dem Englischen von Christine Richter-Nilsson. Hanser Berlin, Berlin, 2015. 176 S., geb., 18,90[Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Christopher Schmidt folgt dem Alter Ego des Autors mit nigerianischen Wurzeln zurück in die Heimat seiner Eltern. Teju Cole lässt seine Figur in diesem laut Schmidt etwas großspurig als Roman firmierenden Text nach Studien in den USA und Europa zurückkehren in ein befremdendes Land voller Korruption, mangelndem historischem und kulturellem Bewusstsein und wahnwitziger Geschichten um Betrug und alltägliche Katastrophen. Wie der Autor das Chaos von Lagos schildert, kühl, präzise, nicht anklagend, macht Schmidt Eindruck, auch wenn die Übersetzung zu wünschen übrig lässt, wie er findet.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Tejus Coles Erzähldebüt ist eine Recherche des Staunens, der Verwunderung und auch der Entfremdung - ausgesprochen lesenswert." Meike Fessmann, Literaturen, 01/15

"'Jeder Tag gehört dem Dieb' ist vor allem eins: eine Liebeserklärung an Lagos und an jene Orte der Schönheit und Kreativität, aus denen der Erzähler seine Hoffnung für das ganze Land bezieht." Claudia Kramatschek, SWR2 Forum Buch, 15.02.15

"Mühelos erzählt und voll sinnlicher, bisweilen magischer und aufwühlender Bilder und Kleinsterzählungen. Große Literatur." Jan Wilm, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.02.15

"Teju Cole erweist sich in diesem frühen Buch als ein wunderbarer Dieb von Geschichten, deren offene Blende auch unsere Augen weitet." Claudia Kramatschek, Deutschlandradio, 04.02.15

"'Jeder Tag gehört dem Dieb' ist mehr als ein Reisebericht. Es ist ein glänzendes Stück Literatur, in der der Clash der Kulturen nicht in den Suburbs der Metropolen Westeuropas oder Nordamerikas stattfindet." Thomas Andre, Der Spiegel, 02.02.15

"Ein neues, phantastisches Buch ... Memoir, Reportage, Selbstbetrachtung, Literaturgeschichte. Ein Bericht auch über die Schule der Gewalt, über die Ursprünge der Massenmorde von Boko Haram im Norden Nigerias." Volker Weidermann, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 01.02.15

"Der Widerspruch zwischen innerer und äußerer Welt, die doppelte Staatsbürgerschaft der kulturellen Identität, verleiht dem Buch eine Exotik von abgründiger Ambivalenz. ... schneidend intelligent wie bitter-komisch." Christopher Schmidt, Süddeutsche Zeitung, 01.02.15

"Ein lebenspralles Buch von der Verzweiflung eines Nigerianers über seine Heimat, die ihn zugleich anzieht und abstösst." Regula Freuler, Neue Zürcher Zeitung, 25.01.15
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