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Paula Fox hat zehn Jahre nach ihrem letzten Roman ein Buch der Erinnerungen an ihre Kindheit und Jugend vorgelegt, ein bewegendes und erschütterndes Werk. Es erzählt von dem Kind, das von den Bohemien-Eltern nach der Geburt in ein Waisenhaus in New York gebracht, aber dann von einem armen kultivierten Pastor zu sich geholt wird. Sporadisch tauchen die Eltern auf, der charmante, dem Alkohol zugetane Vater, der Drehbücher schreibt, und die Mutter, eine Schauspielerin, deren Kälte und Gleichgültigkeit so groß sind, dass Paula Fox sich fragt, wie sie überhaupt ein Kind bekommen konnte. Lebendig,…mehr

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Produktbeschreibung
Paula Fox hat zehn Jahre nach ihrem letzten Roman ein Buch der Erinnerungen an ihre Kindheit und Jugend vorgelegt, ein bewegendes und erschütterndes Werk. Es erzählt von dem Kind, das von den Bohemien-Eltern nach der Geburt in ein Waisenhaus in New York gebracht, aber dann von einem armen kultivierten Pastor zu sich geholt wird. Sporadisch tauchen die Eltern auf, der charmante, dem Alkohol zugetane Vater, der Drehbücher schreibt, und die Mutter, eine Schauspielerin, deren Kälte und Gleichgültigkeit so groß sind, dass Paula Fox sich fragt, wie sie überhaupt ein Kind bekommen konnte.
Lebendig, poetisch und mit einer luziden Transparenz geschrieben, ist dieses Buch als Erinnerungsbuch ergreifend und ein reiches Beispiel für die Übertragung von Leben in Kunst.
Autorenporträt
Susanne Röckel, geb. 1953 in Darmstadt, lebt in München. Sie hat Erzählungen und Romane veröffentlicht und wurde mit zahlreichen Literaturpreisen, darunter em Tukan-Preis der Stadt München, ausgezeichnet.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.03.2003

Etwas Besseres als Deine Mutter findest Du überall
Autobiographie einer Verlassenen: Paula Fox’ bewegendes Buch „In fremden Kleidern”
Der Schluss ist zu demonstrativ. Die Ich-Erzählerin in Paula Fox’ Autobiographie führt plötzlich vor, dass sie, ganz anders als ihre Mutter, die eigene Tochter gut behandle. Ihr Verhältnis sei gut, obwohl sie sich zwei Jahrzehnte lang nicht gesehen hätten. „Ich lasse uns dort am Rinnstein sitzen, dicht nebeneinander. Ab und zu kam jemand vorbei, ohne uns Beachtung zu schenken, während wir uns Geschichten aus unser beider Leben erzählten und von Zeit zu Zeit in Schweigen verfielen.”
Doch beglaubigen vielleicht gerade diese etwas dick aufgetragenen, ungelenken letzten Zeilen die Wahrhaftigkeit dieser Autobiographie. Das ist hier nicht unwichtig. Wäre Fox’ Geschichte einer Jugend nicht „wahr”, man könnte das Elend, das die 1923 geborene, von Jonathan Franzen vor einigen Jahren wieder entdeckte, inzwischen berühmte amerikanische Schriftstellerin ausbreitet, kaum glauben. „Urplötzlich schleuderte sie das Glas samt seinem Inhalt in meine Richtung. Wasser und Eisstückchen glitten an meinen Armen entlang und über mein Kleid. Der Hund zu meinen Füßen duckte sich. Mein Vater war an der Tür und hielt meine Mutter fest in den Armen. Dann führte er mich aus der Wohnung heraus.” Paula ist zu diesem Zeitpunkt keine sieben Jahre alt, im Rückblick schreibt sie: „Jahrelang fühlte ich mich für alles, was in meinem Leben geschah verantwortlich (...) Ich tat das nicht aus geistiger oder seelischer Großmut. Es war der hoffnungslose Wunsch zu entdecken, warum meine Geburt und meine Existenz für meine Mutter ein solches Verhängnis waren. ”
Wenige Tage nach ihrer Geburt wird Paula von den Eltern in einem New Yorker Findelhaus abgegeben. Von ihrer kubanischen Großmutter einige Wochen später dort wieder abgeholt, gelangt sie über Umwege zum einzigen guten Onkel des Buches, Pfarrer Elwood in Balmville, New York. Hier verbringt sie ihre ersten Jahre. Sie kann noch kaum lesen, da besucht ihr Vater sie zum erstenmal, einen Abend lang. Er bringt ihr ein paar Bücher mit und verabschiedet sich wieder. Als Paula sieben Jahre alt ist, fahren die Eltern nach Europa. Als sie elf ist, kommen sie zurück. Paula und die Großmutter stehen am Pier. Die Eltern beachten sie kaum.
Nein, die Vorfälle klingen nicht immer dramatisch, nach klirrenden Gläsern. Manchmal reicht es, dass das Kind ein paar Tage bei den Eltern verbringen soll und diese am Abend seiner Ankunft auf eine Party gehen. Dann kauft die Mutter dem Mädchen plötzlich ein paar Schuhe aus schwarzem Ziegenleder, ohne sich darum zu kümmern, dass Paulas schäbige Kleider nicht dazu passen. Jahre später erzählt der Vater der Tochter, die Mutter habe ihn einmal vor die Wahl gestellt: „Entweder sie geht, oder ich gehe.” Und er fügt hinzu: „Ich hatte keine Wahl.”
Auf einer Plantage in Kuba
Wer waren diese Eltern? Die hemmungslos narzisstische Mutter stammt aus Kuba und gibt sich wie eine Schauspielerin; der Vater, in Hollywoods dreißiger Jahren ein selbstgefälliger Drehbuchautor dritter Klasse, ist unzuverlässig und gedankenlos brutal. Als Paula ihm später aus ihrem Leben erzählt, sagt er: „Ach, ja ... Leute, die viel herumgestoßen worden sind, kehren in die Vergangenheit zurück, sie suchen ihre eigenen Spuren.” Er sagt das wie ein melancholischer Soziologe. Doch der Skandal in Paulas Leben ist die Mutter. Der Vater hat wenigstens Charme, taucht ab und zu unverhofft auf und bleibt ein gelegentlich sympathischer Säufer, den die Tochter mit einer anderen Frau im Bett überrascht, der nach einer durchzechten Nacht auf einer Parkbank einschläft, die, von einer Überschwemmung mitgerissen, am nächsten Morgen mit ihrem schlafenden Reisenden vor einer Bar zur Ruhe gekommen ist.
Paula wächst, immer wieder weggegeben, auf Long Island, in Florida, New York, Hollywood, Montreal und New Hampshire auf. Eine relativ glückliche Zeit verbringt sie im Kuba der Dreißiger Jahre. Die Großmutter, mit der sie sich immer schlechter versteht, ist dort Gouvernante einer Plantagenbesitzerin, das Kind wird ein Jahr lang sich selbst überlassen und freundet sich mit den Kindern der Arbeiter an.
Die Sprache dieses geradlinigen, grausamen Buches ist, wie meist bei Paula Fox, ebenso direkt wie genau, doch nicht durch den lapidaren Gestus allein gewinnt „In fremden Kleidern” seine literarische Spannung, sondern zugleich durch eine kluge Dramaturgie. Vierzig Seiten lang taucht die Mutter im Text nicht auf. Als der Leser sich schon länger für sie interessiert, wird die Frage nach dem Ursprung ihrer Wut gestellt. Der Rest des Buches ist von der Suche nach der Antwort bestimmt. Dass das Buch sie schuldig bleibt, ist gut so, weil das Verweigern der „Lösung” der Perspektive der kleinen Tochter entspricht. Das Verhalten der Eltern ist in Paulas Augen „verrückt”, vor ihren Augen spielt sich ein Schauspiel ab, das sie nicht versteht.
Als man sich an die harten Details und die kühle Sprache, die die Mutter ohne emotionalen Aufwand bloßstellt, gewöhnt hat, wird die Erzählerin auf einmal etwas milder. Es ist nicht viel. Es sind nur ein paar Beobachtungen wie die, dass es der Mutter unmöglich war, nicht graziös auszusehen. Und etwas weiter verspürt die Erzählerin auf einmal „Sehnsucht” nach Elsie, der Mutter.
Passiert ist, dass die Eltern sich getrennt haben, dass die Mutter ganz verschwunden ist und den Weg zum Vater nicht mehr versperrt. Die zunehmende Kompromissbereitschaft des Tons verändert die Erzählsituation, doch tut sie dem Buch nicht richtig gut. Das Schreckliche, Düstere lässt sich auch hier einfacher erzählen als das Hellerwerden, die langsame Heilung während des Heranwachsens, am Ausgang der Jugend.
Statt immer wieder neue Highlights elterlichen Fehlverhaltens, erfährt der Leser jetzt unscheinbare Details eines tristen Lebens ohne Zusammenhang. Ein nächtlicher Anhalter etwa wird zum Ereignis, weil er, dem exzessiven Sternchen-Alltag der Eltern entgegengesetzt, nicht launisch und unberechenbar ist, nicht gleich Sex auf dem Klo will, sondern mitgenommen werden möchte.
Nach dieser versehrten Jugend stolpert Paula, im Alter von zwanzig Jahren, in die erste Ehe ausgerechnet mit einem Schauspieler, der sein Geld vor allem als Matrose verdient und sich auch gleich wieder verabschiedet. Paula arbeitet als unbezahltes Mannequin, als Verkäuferin, malt echte mexikanische Vasen oder zählt mit anderen Frauen zusammen Nieten.
Trostlose Höhepunkte sind kurze Berührungen mit Stars, die sich in Los Angeles wohl kaum vermeiden lassen. Einmal muss Paula Orson Welles etwas bringen, ein andermal tanzt sie mit John Wayne, der auf dem Weg zur Berühmtheit ist. Das wird hier nicht im Stil von angeberischen Memoiren ausgemalt, sondern, der Nichtigkeit der Ereignisse angemessen, knapp berichtet.
Das Foto unter der Bettdecke
Der zeitliche Sprung zum Schluss ist groß. 92 Jahre alt ist Elsie und kurz vor dem Sterben, da bittet eine der drei eigenen Töchter Paula, die Großmutter zu besuchen. Paula tut es. Die Geschichte scheint friedlich vor sich zu gehen. Elsie gibt Paula ein Foto von ihrem kubanischen Großvater auf seinem Pferd. „Ich will, dass du dieses Foto bekommst.” Doch als Paula das Zimmer verlässt, spielt die Mutter ihr einen ihrer alten, demütigenden Streiche. Die 92jährige versteckt das Foto unter der Bettdecke. Sie möchte, dass die Tochter es dort sucht. Paula erträgt die Situation nicht mehr. Sie lässt das Foto. Sie kann hier vor lauter Ekel nicht einmal mehr aufs Klo gehen und macht in den Garten.
Diese Passage wäre der dramaturgisch „richtige” Schluss gewesen. Doch eben: das Buch geht noch ein paar Seiten weiter. Paula Fox erzählt von der Wiederbegegnung mit ihrer ersten Tochter, die sie vor Jahrzehnten zur Adoption frei gegeben hat, und tatsächlich: Linda und ihre Mutter verstehen sich. „Ich”, will die heute achtzigjährige Paula sagen, „ich habe es am Ende anders gemacht.” Oft wird von Büchern gesagt, sie seien „berührend”. Bei „In fremden Kleidern” ist das der Fall.
HANS-PETER KUNISCH
PAULA FOX: In fremden Kleidern. Geschichte einer Jugend. Aus dem Amerikanischen von Susanne Röckel. C.H.Beck Verlag, München 2003. 287 Seiten, 19,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.04.2003

Verzweifelte Charaktere
Mit eisernem Willen: Paula Fox erinnert sich an ihre Kindheit

Jedem Anfang mag ein Zauber innewohnen, doch wie oft kann man umziehen, ohne Schaden zu nehmen? Sind zehn Ortswechsel in den ersten zwölf Lebensjahren noch zu verkraften? Paula Fox, diese unbestechliche Beobachterin der Einsamkeit zu zweit, die heute ihren achtzigsten Geburtstag feiert, lebt mit Unterbrechungen seit 1933 in New York, der Stadt ihrer Geburt. Als Kind verbrachte sie jedoch selten mehr als einige Monate an einem Ort, wurde bei der spanischen Großmutter geparkt, bei einem fürsorglichen Pfarrer abgestellt, an Bekannte weitergereicht oder schlicht in der Obhut Fremder vergessen. Gewißheit darüber, daß die Eltern ihre Existenz nicht einfach ignorierten, war für das Kind Paula oft nur die immer wieder kalt aufflackernde, unerklärliche Wut der Mutter.

"In fremden Kleidern" erzählt die Geschichte dieser harten, bewegten Kindheit ohne Selbstmitleid. Aus Erinnerungsfragmenten und aufschlußreichen Episoden setzt Paula Fox das düstere Bild ihrer Jugend erbarmungslos zusammen und findet dafür eine unverbrauchte, reine, die Dinge auf den Punkt bringende Prosa, wie sie dem nüchtern konstatierenden Verständnis eines Kinds angemessen ist. So verbreiten die autobiographischen Ereignisse ihren Schrecken vor allem aus der Sprache und der Perspektive heraus: "Jahrelang fühlte ich mich für alles, was in meinem Leben geschah, verantwortlich, sogar für Ereignisse, über die ich keinerlei Gewalt hatte. Ich tat das nicht aus geistiger oder seelischer Großmut. Es war der hoffnungslose Wunsch, zu entdecken, warum meine Geburt und meine Existenz für meine Mutter ein solches Verhängnis waren."

Das Auftauchen der Eltern bedeutet für Paula meist, daß sie wieder an einen anderen Ort verfrachtet werden soll, nach Kuba, Long Island, Florida, Montreal oder Kalifornien. Von einem gewissen Punkt an scheint es dem Kind fast gleichgültig zu sein. Heimweh hat es doch nur nach Onkel Elwood aus Balmville. Denn dort, im Haus des Reverend Elwood Corning, hat es Geborgenheit und Glück erfahren.

Die Großmutter holt Paula aus dem New Yorker Waisenhaus, in das ihre Eltern sie gleich nach der Geburt gegeben hatten. Auf Umwegen gelangt sie zu dem Pfarrer, der sich fortan nicht nur um seine alte, kranke Mutter, sondern auch um das Mädchen kümmert. Schon in dieser frühen Kindheit, da Zeit stets nur Gegenwart bedeutet, befällt Paula immer wieder die Angst, der gute Onkel könne ihr abhanden kommen, könnte in den Brunnen fallen, aus dem er das Wasser schöpft. Instinktiv fürchtet sie um ihre kleine heile Welt. In Ermangelung von Bilderbüchern blättert sie auf dem Dachboden in alten "National Geographic"-Heften und denkt sich Geschichten zu den Illustrationen aus - eine Vorliebe, die die Schriftstellerin später in zahlreiche Kinderbücher umsetzen sollte. Onkel Elwood ist es auch, der seiner "Pauli" das Lesen beibringt; was sie in den neun verschiedenen Schulen lernt, die das Mädchen bis zum zwölften Lebensjahr besucht, ist ungewiß, bemerkenswert jedoch, daß sie an jeder kurzen Station eine "beste Freundin" findet.

Als Paula fünf ist, enden die Jahre in Balmville abrupt. Sie reist nach Hollywood, wo der Vater sich als Drehbuchschreiber verdingt und die Mutter Elsie ihr seltsames, untätig-dominantes Leben an seiner Seite führt. Aber auch jetzt lebt Paula nicht etwa bei den Eltern, sondern einen Ort weiter, bei einer alten Dame - bis ihre spanische Großmutter sie erneut abholt. Paula, die am Tag vor der Abreise Besuch von Onkel Elwood bekommen hat, ist untröstlich: "Es war viel schlimmer als die Verzauberung in einem Märchen. Mein Abschied von dem Pfarrer war eine Amputation."

Auf einer kubanischen Plantage, wo sich die Großmutter zeitweilig als Gesellschafterin einer reichen Verwandten aufhält, freundet sie sich mit den Dienstboten an. Ein Arbeiteraufstand liegt in der Luft, als eine überstürzte Abreise nach Havanna anberaumt wird; von dort aus geht es nach New York. Es ist das Jahr 1933. Doch sowenig wie in ihren Romanen gilt Paula Fox' Interesse hier den Zeitläuften oder den gesellschaftlichen Hintergründen. Auch Milieus werden höchstens gestreift, durch die Erwähnung eines Kleiderstoffs, eines Swimmingpools oder eines Ein-Zimmer-Apartments. Ihr Blick ist introspektiv, doch anstatt larmoyant die eigene Befindlichkeit zu reflektieren, beleuchten einzelne Ereignisse akut das Innenleben des Kindes. So fragt ein Junge, den sie bewundert, Paula einmal nach der Uhrzeit. "Ich sah auf die Mickymaus-Uhr, die meine Großmutter mir geschenkt hatte, und sagte es ihm. Er sagte: ,Das ist ja nur eine billige Jungenuhr.'"

Wo andere Autoren gern den Ursprung ihres Schreibens in den Vordergrund rücken, bleibt Paula Fox bescheiden. Die Schriftstellerei war Entscheidung, nicht Bestimmung. Das Mädchen entdeckt Bibliotheken als Fluchträume, wo sie sich in der Literatur verlieren kann - eine Begeisterung, die sie auf Spielkameraden zu übertragen sucht, doch als sie nach einem Vorlesemarathon von der "Schatzinsel" aufblickt, muß sie feststellen, daß ihre Zuhörerschaft längst das Weite gesucht hat. Formulierungen faszinieren sie früh, wie sie nicht ohne Schalk berichtet: "Die ältere Schwester sagte: ,Es ist wie das Ende der Welt da draußen!' Diese Worte beeindruckten mich durch ihre Originalität, Tiefe und Eleganz. Ich wünschte, ich hätte sie gesagt."

Mit den Jahren entwickelt Paula gegenüber dem Vater, der inzwischen mit einer anderen Frau zusammenlebt, eine gewisse Zutraulichkeit; oszillierend zwischen Suff und dem hilflosen Charme eines Tunichtgut, wird er zu einer verläßlich unzuverlässigen Konstante in ihrem Leben. "Den einen Teil der Zeit war er ein Verbündeter, den anderen ein Verräter. Ich hatte keine Angst vor ihm, nur davor, was er tun könnte."

Vieles in diesem Memoire ist aus den Romanen von Paula Fox vertraut - das stete gedankliche Umkreisen der unsichtbaren, grausamen Macht der Mutter erinnert an "Lauras Schweigen", in "Kalifornische Jahre" sind ihre Erfahrungen der Westküste eingeflossen ebenso wie das wiederkehrende Motiv der geborgten Identität, die sie beim Tragen gebrauchter Kleider empfindet. Und schließlich "Desperate Characters" (Was am Ende bleibt), ihr wichtigster, erschreckendster Roman, zu dessen amerikanischer Wiederveröffentlichung Jonathan Franzen ein Vorwort geschrieben hat. Die von ihm angestoßene Wiederentdeckung dieser über Jahre selbst in ihrer Heimat vergessenen Schriftstellerin mag ihren Teil dazu beigetragen haben, daß Paula Fox' Werke, Klassiker der amerikanischen Literatur, nun Jahr für Jahr, inzwischen zum drittenmal in Folge in der präzisen, schneidigen Übersetzung von Susanne Röckel, beim C. H. Beck Verlag erscheinen.

Kein Buch hat Paula Fox sich so hart erkämpfen müssen wie dieses. Bei einem Überfall in Jerusalem erlitt sie Kopfverletzungen, mußte nach einer Gehirnblutung neu lesen und schreiben lernen. Dem Buch merkt man diese Anstrengung nicht an, den eisernen Willen aber besitzt schon das Kind Paula, er trägt sie über die Fährnisse der Pubertät und der ersten Ehe hinweg bis zur Begegnung mit der eigenen Tochter.

Auf die Frage nach dem Geheimnis seines virtuosen Klavierspiels soll Johannes Brahms einmal geantwortet haben: "Es ist ganz einfach. Man muß nur zur richtigen Zeit in der richtigen Art und Weise den richtigen Ton anschlagen, alles Übrige macht das Klavier." Von solch intuitiver Musikalität ist auch die Sprache der Paula Fox - scheinbar mühelos aneinandergereihte Sätze, die die alltägliche Kompliziertheit des Lebens und der Verhältnisse ergreifend schlicht benennen. So gelingen der Autorin immer wieder Wunder an Verdichtung aus unverfälschter, reiner Prosa, gepaart mit einer unerschrockenen, warmherzigen Intelligenz.

FELICITAS VON LOVENBERG

Paula Fox: "In fremden Kleidern". Geschichte einer Jugend. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Susanne Röckel. Verlag C. H. Beck, München 2003. 287 S., geb., 19,90 [Euro].

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"In fremden Kleidern ist ein eloquentes, aufwühlendes Buch der Erinnerungen, pointillistisch im Detail, lapidar in der Methode und brutal in der Wirkung." (The New York Times)

"Wunderbar erzählte Geschichte einer nicht sehr wunderbaren Kindheit und Jugend." (Die Zeit, 3. April 2003)

"Die Sprache dieses geradlinigen, grausamen Buches ist, wie meist bei Paula Fox, ebenso direkt wie genau, doch nicht durch den lapidaren Gestus allein gewinnt In fremden Kleidern seine literarische Spannung, sondern zugleich durch eine kluge Dramaturgie." (Hans-Peter Kunisch, Süddeutsche Zeitung, 28. März 2003)

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Angela Schader beschreibt mit spürbarer Betroffenheit die Kinder- und Jugendjahre der amerikanischen Autorin, die mit 75 Jahren ihre Autobiografie geschrieben hat. Die ganze Trostlosigkeit einer Kindheit wird von der Rezensentin in der Rekapitulation der trüben Jahre, die durch ständiges Abschieben des Kindes Paula zu irgendwelchen Bekannten oder in Heime und Internate Jahre geprägt waren, eindringlich beschrieben. Dabei sieht sie den Grund für das Vorherrschen kurzer Passagen in "Rückblenden" und "Schlaglichtern" auf Berühmtheiten in der "Zerrissenheit" von Fox' Jugend. Schader entdeckt in der Autobiographie einen "Steinbruch" für die Romane der Autorin, denn sie hat Erlebnisse aus ihrem Leben insbesondere in "Kalifornische Jahre" und "Lauras Schweigen" verarbeitet, führt die Rezensentin aus. Sie wirkt sehr angetan und berührt von dem Buch und lobt auch die Übersetzung ins Deutsche als "versiert".

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