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Sergej taugt nicht zum ordentlichen Kommunisten. Als er endlich die Ausreisegenehmigung bekommt, darf er nur einen Koffer mitnehmen. Einen Koffer für ein ganzes Leben. In New York angekommen, schiebt er ihn schnell unter sein Bett. Dort entdeckt er ihn Jahre später wieder. Er öffnet den Koffer - und die Vergangenheit springt ihn an. Da sind zum Beispiel die hellgrünen finnischen Acrylsocken, mit denen er auf dem Schwarzmarkt nicht reich wurde. Oder die Schuhe, die er dem Parteisekretär geklaut hat ...Die Geschichten um die schäbigen Habseligkeiten im Koffer umreißen Sergejs erstes Leben und…mehr

Produktbeschreibung
Sergej taugt nicht zum ordentlichen Kommunisten. Als er endlich die Ausreisegenehmigung bekommt, darf er nur einen Koffer mitnehmen. Einen Koffer für ein ganzes Leben. In New York angekommen, schiebt er ihn schnell unter sein Bett. Dort entdeckt er ihn Jahre später wieder. Er öffnet den Koffer - und die Vergangenheit springt ihn an. Da sind zum Beispiel die hellgrünen finnischen Acrylsocken, mit denen er auf dem Schwarzmarkt nicht reich wurde. Oder die Schuhe, die er dem Parteisekretär geklaut hat ...Die Geschichten um die schäbigen Habseligkeiten im Koffer umreißen Sergejs erstes Leben und zeichnen das versunkene System des Sozialismus in seiner ganzen Absurdität nach. Zärtlich erzählt Dowlatow von den Außenseitern, Schelmen und Schlitzohren, zu denen er zweifelsohne auch gehört.
Autorenporträt
Sergej Donatowitsch Dowlatow, geboren 1941 in Ufa, arbeitete nach einer anarchisch-wilden Jugend lange glücklos als Journalist. Zahlreiche Versuche, seine Prosa zu publizieren, blieben vergebens. So wurden die Druckstöcke seines ersten Buches auf Befehl des KGB vernichtet. Nach Veröffentlichungen in westlichen Zeitschriften wurde er aus dem Journalistenverband der UdSSR ausgeschlossen. 1978 emigrierte Dowlatow in die USA, wo er endlich Anerkennung als Autor fand und sein Werk in zahlreiche Sprachen übersetzt wurde. Mittlerweile gilt er als einer der wichtigsten russischen Autoren des 20. Jahrhunderts. Dowlatow starb 1990 in New York. Dorothea Trottenberg studierte Slavistik in Köln und St Petersburg und arbeitet als Bibliothekarin an der Universitätsbibliothek Basel sowie als freie Übersetzerin russischer Literatur. Für ihre Arbeit erhielt sie Auszeichungen wie den Christoph-Martin-Wieland-Übersetzerpreis 2007 sowie den Paul-Celan-Preis 2012. Zu den von ihr ins Deutsche übertragenen Autoren gehören Mikhail Bulgakov, Nikolai Gogol, Vladimir Sorokin und Leo Tolstoi.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.12.2008

Finnische Strümpfe
Was Sergej Dowlatow so alles in seinem Koffer findet

Als der Held dieses Romans - er trägt denselben Namen wie der Autor - die Sowjetunion verlässt, darf er genau drei Koffer mitnehmen. Erst echauffiert sich Sergej Dowlatow darüber, dann packt er seine Sachen und stellt fest, dass ihm auch ein einziger Koffer reicht. Der landet nach seiner Ankunft in New York umgehend in einer Ecke der Wohnung und schließlich im Schrank, wo er vier Jahre lang liegenbleibt - unberührt.

Als Dowlatow das alte Gepäckstück wieder aus der Versenkung hervorzieht und öffnet, kommt ihm mit jedem Kleidungsstück ein Kapitel seiner Vergangenheit entgegen. Von ihr erzählt er in seinem Roman "Der Koffer", der schon 1986 in Amerika erschienen ist und nun in der Übersetzung von Dorothea Trottenberg erstmals auf Deutsch vorliegt. Dowlatow selbst ist 1990 im Alter von neunundvierzig Jahren in New York gestorben, in seiner Heimat blieb ihm die Anerkennung als Schriftsteller zeit seines Lebens verwehrt. In Amerika aber, wohin er 1978 emigrierte, fand er Verleger und Anhänger. Warum, das lässt sich in seinem Roman sehr schön nachlesen.

Dowlatow findet in dem Gepäckstück zum Beispiel drei Paar von jenen Acrylsocken, die er gemeinsam mit einem Freund heimlich aus dem Ausland importieren ließ, um sie auf dem Schwarzmarkt in Leningrad unter die Leute zu bringen. Die Strümpfe waren "erbsfarben gemustert, ... der einzige Trost war das Etikett Made in Finland". Aus dem satten Gewinn, den sie bei ihrem Geschäft einstreichen wollten, wurde allerdings nichts. Denn just zu jener Zeit hatte auch die sowjetische Industrie ihre Fließbänder angeworfen und sich ganz der Produktion von Acrylsocken verschrieben. "Wer hätte auch damit rechnen können, dass uns ausgerechnet die soziale Wirtschaft einen Strich durch die Rechnung macht?"

Es findet sich in dem Koffer außerdem ein Popeline-Hemd, das Sergej Dowlatow von seiner Frau als Abschiedsgeschenk überreicht bekam, als sie ihn und die Sowjetunion verließ. Es kommen Autohandschuhe zum Vorschein, die er trug, als er in dem Film eines Freundes die Rolle von Peter dem Großen übernahm, der zweihundertfünfzig Jahre nach seinem Ableben nach Leningrad zurückkehrt und entgeistert durch seine alte Stadt stolpert.

Der Leser schmunzelt über dieses Land, in dem die Menschen kollektiv zu Dieben werden und so sinnlose Dinge wie eine Wahlurne oder einen Feuerlöscher stehlen. Man amüsiert sich über den ewigen Suff, den Schwarzmarkt, die Korruption. Und gleichzeitig überkommt einen ständig das Gruseln, denn hinter all der Ironie und dem Sarkasmus verbirgt sich ja eine Wirklichkeit, die vor allem eines war: nicht lustig.

Das Leben, das Sergej Dowlatow beschreibt, ist unfassbar ungerecht, und dennoch ist es eine Wohltat, von diesen Zuständen lesen und dabei lachen zu dürfen. Bemerkenswert ist vor diesem Hintergrund auch, dass Dowlatow nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion zu einem der wichtigsten Nachkriegsautoren in Russland avancierte und seine Werke dort reißenden Absatz fanden. Vermutlich hätte man jede ernste Betrachtung der Vergangenheit damals einfach nicht ertragen.

LENA BOPP

Sergej Dowlatow: "Der Koffer". Aus dem Russischen übersetzt von Dorothea Trottenberg und mit einem Vorwort von Wladimir Kaminer. DuMont Verlag, Köln 2008. 159 S., 17,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Sergej Dowlatow war ein Säufer und Frauenheld, ein sowjetischer Zyniker, ein großartiger Autor." -- FRANKFURTER RUNDSCHAU

"Eine Wohltat, von diesen Zuständen lesen und dabei lachen zu dürfen. (...) Dowlatow avancierte zu einem der wichtigsten Nachkriegsautoren in Russland." -- FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG

"Jetzt weiß man, von wem Kaminer gelernt hat." -- JOURNAL FRANKFURT

Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

In ihrer Hommage an den 1990 im New Yorker Exil gestorbenen russischen Schriftsteller und Journalisten Sergej Dowlatow stellt die Lyrikerin Olga Martynova dessen Erzählungsband "Der Koffer" und seinen Roman "Der Kompromiss" vor. Im vorliegenden Band erzählt ein mit dem Autor den Namen teilender Erzähler die Geschichten zu den Dingen und Kleidungsstücken aus einem Koffer, dem einzigen Gepäckstück, das er aus der Sowjetunion ins amerikanische Exil mitgenommen hat, teilt die Rezensentin mit. Sie erkennt hinter den amüsanten Geschichten beispielsweise um ein Paar Schuhe, das der Erzähler dem Leningrader Bürgermeister geklaut hat, oder dem Anzug, den er zu offiziellen Beerdigungen zu tragen pflegte, einen "bitteren Hintersinn", der die Realität im Sozialismus evoziert. Und hier verankert Martynova auch die "Bedeutung" des zunächst nur in Amerika erfolgreichen, aber nach seinem Tod auch in Russland gefeierten Schriftstellers.

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