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Die Reisejournalistin B. führt ein unabhängiges Leben. Sie wohnt hier und dort, bereist die Welt und schreibt für bekannte Magazine. Eine Beerdigung im Freundeskreis erinnert sie an ihren verstorbenen Vater, der ihr immer fremd geblieben ist. B. unternimmt eine Spurensuche, mit der die Lebensgeschichte ihres Vaters ebenso lebendig wird wie ihre eigene: der Hilfsjob als Tänzerin einer Peepshow, die Liebe zu Claudio, dem Jazztrompeter, dem sie nach Amerika folgte. Ihre Suche führt sie schließlich nach Südafrika, wo sie überraschende Entdeckungen macht. Stilsicher, klar und präzise erzählt Verena…mehr

Produktbeschreibung
Die Reisejournalistin B. führt ein unabhängiges Leben. Sie wohnt hier und dort, bereist die Welt und schreibt für bekannte Magazine. Eine Beerdigung im Freundeskreis erinnert sie an ihren verstorbenen Vater, der ihr immer fremd geblieben ist. B. unternimmt eine Spurensuche, mit der die Lebensgeschichte ihres Vaters ebenso lebendig wird wie ihre eigene: der Hilfsjob als Tänzerin einer Peepshow, die Liebe zu Claudio, dem Jazztrompeter, dem sie nach Amerika folgte. Ihre Suche führt sie schließlich nach Südafrika, wo sie überraschende Entdeckungen macht.
Stilsicher, klar und präzise erzählt Verena Lueken in ihrem zweiten Roman die Geschichte einer späten Versöhnung.
Autorenporträt
Lueken, VerenaVerena Lueken lebt in Frankfurt am Main und arbeitet als Redakteurin im Feuilleton der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung«, für die sie mehrere Jahre als Kulturkorrespondentin in New York war. Sie ist bekannt als Autorin von Sachbüchern und hat 2015 ihren ersten Roman »Alles zählt« veröffentlicht.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.03.2018

VERENA LUEKEN, Redakteurin im Feuilleton dieser Zeitung, erzählt in ihrem neuen Roman von einer eigenwilligen Frau, die für Hochglanzmagazine als Reisereporterin unterwegs ist, die interessantesten Details ihrer Erlebnisse aber für sich behält. Ihr Lebensprinzip ist provisorisch. Claudio, ein Liebhaber und Gefährte von früher, taucht immer wieder auf. Und ihr kommt bei einer Beerdigung ihr seit langem toter Vater wieder in die Quere. Ein Vater, der immer ein Phantom für sie gewesen ist, unerreichbar fern. Weil sie kaum etwas von ihm weiß, diesen Umstand jedoch nicht vergessen kann, beginnt sie, seine Geschichte zu erfinden. Stellt sich vor, wie er den Krieg überstand, aber die Zerwürfnisse in der eigenen Familie nicht. Sie macht sich auf die Suche nach seinem verschollenen Lieblingsbruder und findet schließlich in Südafrika etwas, womit sie nicht gerechnet hatte. (Verena Lueken: "Anderswo". Roman. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2018. 233 S., geb., 20,- [Euro]).

F.A.Z.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Nach einer etwas lustlosen Nacherzählung ringt sich Rezensenten Frauke Meyer-Gosau schließlich doch noch zu einem Urteil über den neuen Roman von FAZ-Kritikerin Verena Lueken durch - und das fällt nicht besonders gut und auch nicht milde aus: Die Geschichte um die Reisejournalistin B., die in der dumpfen und bitterkalten Gefühlswelt einer bundesrepublikanischen Nachkriegsfamilie aufwächst, selbst zu keinem gesunden Gefühlsleben fähig ist und schließlich auf Spurensuche in die NS-Vergangenheit ihrer Familie begibt, erscheint der Kritikerin nicht nur "spannungslos", sondern sie attestiert dem Roman auch einen Mangel an "schmerzhafter innerer Auseinandersetzung".

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.06.2018

Im Rhythmus der
inneren Erstarrung
Verena Luekens Roman „Anderswo“
Dass „das Wort ‚Familienbande‘ einen Beigeschmack von Wahrheit“ hat, konstatierte Karl Kraus zu Beginn des 20. Jahrhunderts, und genau wie er muss auch die Reisejournalistin B. in Verena Luekens Roman „Anderswo“ spontan an Kriminelles denken, wenn sie eine Familie sieht. B. verbringt die Silvesternacht, mit der der Roman beginnt, in der Karibik. Sie hat einen Reportageauftrag erledigt, jetzt wartet sie auf ihre New Yorker Freunde, um mit ihnen den Jahreswechsel zu feiern.
Zunächst aber beobachtet sie, wie sich am Nebentisch eine festlich aufgebrezelte Großfamilie versammelt: Männer mit geölten Haaren, die älteren von ihnen dick, ihre Frauen ebenfalls, die jungen Mädchen hingegen „in schillernden Kleidchen über strammen Brüsten, Hintern und Schenkeln“. Als die Männer ihre Handys herausziehen, vermutet B. sogleich Drogengeschäfte.
Doch dann ruft sie sich selbst zur Ordnung: Vielleicht „lag es einzig an ihr, dass sie, wenn sie Familien beisammensitzen sah, schnell Verdacht schöpfte. An Unglück dachte, an Enttäuschungen. Manchmal auch an kriminelle Vereinigungen.“ Ein Albtraum, in dem Maskierte B. verhören, macht in der nächsten Szene explizit, wer an dieser Assoziation schuld ist und folglich hier im Fokus stehen wird. „Mein Vater hat nichts damit zu tun!“, schreit B., und der Leser denkt: Aha, der Vater also.
Um spektakuläre Verbrechen freilich handelt es sich hier dann doch nicht, vielmehr um das ganz normale Gefühlselend der deutschen Kriegsgeneration, das diese umweglos an ihre Kinder weitergegeben hat. B. war fünf Jahre alt, als ihre Mutter ihr mitteilte, dass sie für 500 Mark auf Wunsch des Vaters hätte abgetrieben werden sollen; erst durch die Verdoppelung der Summe habe die Mutter ihr Leben erhalten können.
Für Erwachsene klingt das nicht besonders logisch, doch das Kind ist in seinem Innersten getroffen. Es beginnt einzunässen, eine peinvolle Störung, die mehrere Jahre lang anhält. An ihrem achten Geburtstag wiederum spuckt die Tochter ihrem Vater, in übermütiger Freude darüber, dass er ihr zum ersten Mal ein (lächerliches, einfallsloses) Geburtstagsgeschenk überreicht hat, auf den Kopf. Und der treibt zwei Jahre darauf der Tochter alle Freude am Essen aus, als er sie nach dem vergnügten Verzehr eines großen Bergs Kartoffeln mit Butter erst fragt, ob sie vielleicht auch noch ein Eis möchte, und die begeisterte Zustimmung des Kindes dann mit dem Satz kommentiert: „Du solltest aufpassen, dass du nicht noch dicker wirst.“
Verleugnete, unterdrückte, abgewehrte und vereiste Gefühle sind das eigent-
liche Thema dieses Romans, der eine Familie mit Vater, Mutter, Sohn und Tochter im bundesrepublikanischen Nachkriegswohlstand vorführt. Beispielhaft zeigt sich, wie selbstverordnete Fühllosigkeit die Seelen verwüstet, von einer Generation zur anderen: B. verfährt als Erwachsene mit sich selbst wie ihr nahen Menschen genauso stumpf und brutal, wie sie es gelernt hat. „Alles halb so schlimm“, scheint das Fünfzigerjahre-Motto zu heißen, wenn sie sagt: „Ihr Vater und sie hatten einander verpasst, so einfach war das.“ Ihre Begründung dafür, weshalb sie, ausgebildet in klassischem Tanz, ihr Geld in einer Peepshow verdient: „Der Job war gut bezahlt, sie brauchte Geld“ – was sich hinter den Gucklöchern abspielt, kommt ihr erst spät durch einen Zufall zu Bewusstsein.
Ihren Geliebten Claudio, einen Jazz-„Trompetengott“, mit dem sie in den USA zusammenlebt, verlässt sie Knall auf Fall, als der sie heiraten will – sie will nicht von ihm „gerettet“ werden aus ihrem ziellosen Dahindümpeln von Job zu Job, und eine eigene Familie will sie schon gar nicht. Warum sie Claudio einmal in einem Parkhaus mit einem Mann betrogen hat, den sie weder kannte noch mochte, kann sie sich selbst nicht erklären, ebenso wenig, weshalb sie in haltloses Weinen ausbricht, als Claudio ihr von einer Swingerparty erzählt, bei der den Soundtrack zu Amateur-Pornos gemacht hat.
Gefühle wie die Handlungen, die ihnen folgen, bleiben B. ein Rätsel, eine Lösung aus der inneren Erstarrung gibt es nicht, sie wird auch nicht gesucht – es scheint ja auch nirgends anders zuzugehen als bei ihr. Als einen letzten Liebesdienst an ihrem toten Vater beginnt die Reisejournalistin schließlich ein Familienforschungsprojekt. Es gilt den Brüdern ihres Vaters – in der NS-Zeit „Mittäter, Mitwisser, Mitläufer“ –, insbesondere aber dessen im Krieg verschollenem Lieblingsbruder Karl. Ist der womöglich einem Freund von B.s Großvater nach Südafrika gefolgt?
Kann sein, dass es wirklich Karls Asche ist, die B. am Ende von dort nach Frankfurt mitbringt und, genau ein Jahr nach der Silvesterfeier in der Karibik, am Grab des Vaters und seiner Brüder vom Wind verwehen lässt: Friede der Asche eines Unbekannten. Und Friede nun plötzlich auch dem Vater.
Wäre er „nicht seit Jahrzehnten tot“, denkt B., „würde er ihr jetzt über die Wange streichen, bevor er sich wieder auf jenen fremden Stern verabschiedete, auf dem er zu Hause war.“ Ein Wunschtraum, nicht anders als die Nähe unter Lebenden.
Natürlich lässt sich ein solcher Stoff so erzählen, mal mehr, mal weniger plausibel in seiner scheinbaren Zwangsläufigkeit. Und doch funktioniert hier etwas Wesentliches nicht. Es hat zu tun mit dem Mangel an Selbstreflexion, an ernsthafter, unvermeidlich immer auch schmerzhafter innerer Auseinandersetzung, auf den Verena Lueken ihre B. festlegt. Trotz aller rasanten äußeren Bewegung von einem Jahrzehnt und einem Kontinent zum anderen bleibt ihre Geschichte daher in Sprache wie Dramaturgie seltsam spannungslos. Den Leser, der ähnlich wie B. alles schlichtweg so zu nehmen hat, wie es eben kommt, macht das ebenso unfroh wie sie.
FRAUKE MEYER-GOSAU
Verena Lueken: Anderswo. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2018. 233 Seiten, 20 Euro
Es geht um das ganz normale
Gefühlselend, das die deutsche
Kriegsgeneration vererbt hat
Ein Mangel an Selbstreflexion,
an ernsthafter, schmerzhafter
Auseinandersetzung
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»Grandios erzählte Herkunftsgeschichte im Zeitalter der dysfunktionalen Familie.« FAS 20180617