• Broschiertes Buch

2 Kundenbewertungen

Dankbarkeit und Zuneigung, aber nicht Liebe, empfindet Joseph Blackstone gegenüber seiner Frau Harriet, denn sie hat ihm das Leben gerettet. Oder eher: Sie hat ihn in ein anderes Leben gerettet. War mit ihm von England nach Neuseeland gereist, zusammen mit Josephs Mutter. Ein Neuanfang sollte es werden, von einem Leben im Wohlstand träumten sie. Die Quelle des Wohlstands im Neuseeland des 19. Jahrhunderts hieß Gold , und als Joseph im Fluß neben dem Haus einen Schimmer von Gold entdeckt, kennt er nur noch ein Ziel. Er verlässt die beiden Frauen und macht auf den Weg zu den Goldfeldern,…mehr

Produktbeschreibung
Dankbarkeit und Zuneigung, aber nicht Liebe, empfindet Joseph Blackstone gegenüber seiner Frau Harriet, denn sie hat ihm das Leben gerettet. Oder eher: Sie hat ihn in ein anderes Leben gerettet. War mit ihm von England nach Neuseeland gereist, zusammen mit Josephs Mutter. Ein Neuanfang sollte es werden, von einem Leben im Wohlstand träumten sie. Die Quelle des Wohlstands im Neuseeland des 19. Jahrhunderts hieß Gold , und als Joseph im Fluß neben dem Haus einen Schimmer von Gold entdeckt, kennt er nur noch ein Ziel. Er verlässt die beiden Frauen und macht auf den Weg zu den Goldfeldern, zusammen mit vielen anderen Glückssuchern. Auf der Suche nach ihrem Mann reist Harriet ihrem eigenen Traum entgegen, voller Abenteuerlust und Freiheitsdrang.
Autorenporträt
Tremain, Rose
Rose Tremain wurde 1943 geboren und wuchs in London auf. Sie studierte ein Jahr lang an der Pariser Sorbonne, ging zurück in ihre Heimat und begann ein Anglistikstudium an der University of East Anglia in Norwich, das sie 1967 abschloss. Dort lehrte sie später von 1988-1995 als Dozentin creative writing. Vorher war sie Lehrerin an einer Privatschule für Jungen. Rose Tremain veröffentlichte Romane, Kurzgeschichten, schrieb aber auch für Film, Funk und Fernsehen. Ihr Roman Zeit der Sinnlichkeit wurde 1995 mit Robert Downey Jr., Hugh Grant und Meg Ryan verfilmt (Restoration). Ihr Roman The Road Home, der im Suhrkamp Verlag unter dem Titel Der weite Weg nach Hause erschien, wurde 2008 mit dem Orange Prize for Fiction ausgezeichnet. Tremain lebt mit ihrem Lebenspartner, dem Biographen Richard Holmes, in London und Norwich. Im Jahr 2020 wurde sie von der Queen in den Adelsstand erhoben. Ihr Werk erscheint auf Deutsch im Suhrkamp und Insel Verlag.

Dormagen, Christel
Christel Dormagen, geboren 1943 in Hamburg, studierte Anglistik und Germanistik. Sie ist Übersetzerin für angelsächsische Literatur und außerdem als Journalistin für Rundfunk und Printmedien tätig. Christel Dormagen lebt in Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.02.2011

Eine goldene Zukunft zerfällt zu Staub

Die rauschhafte Jagd nach Gold im Neuseeland des neunzehnten Jahrhunderts: Aus diesem historischen Stoff formt Rose Tremain einen kritischen und packenden Zeitroman.

Im Jahr 1983 gehörte sie zu den von der Literaturzeitschrift "Granta" nominierten zwanzig besten Romanciers Großbritanniens. Martin Amis, Julian Barnes, Ian McEwan und Salman Rushdie fanden sich neben ihr auf dieser Liste. Inzwischen liegen von Rose Tremain elf Romane vor. Sie ist Trägerin mehrerer renommiertester englischer Literaturpreise, darunter des Orange Prize, den sie 2008 für ihren Emigranten-Roman "Der weite Weg nach Hause" erhielt. Auch ihr Roman "The Colour" ("Die Farbe der Träume"), einer von drei Titeln, mit denen der Insel Verlag sein renoviertes "Insel Taschenbuch" gestartet hat, war 2004 für diesen Preis nominiert.

Dennoch hat man ihr in Deutschland ungleich weniger kritische Beachtung geschenkt als ihren Kollegen. Ausgebildet an der Sorbonne und der University of East Anglia, lehrte Rose Tremain dort von 1988 bis 1995 Creative Writing. In historischen Romanen entfaltete sie ihre Fähigkeit, Charaktere kraftvoll und plausibel darzustellen. "Melodie der Stille" und "Des Königs Narr" spielten im 17. Jahrhundert an den Höfen Dänemarks und Englands. In "Die Umwandlung" erzählte die 1943 geborene Autorin von der Suche nach sexueller Identität im London des 20. Jahrhunderts. Und schließlich wagte sie es, wie etwa A.L. Kennedy, die ironische Margret Atwood oder Jonathan Franzen, im "Guardian" Handwerkliches preiszugeben: zehn goldene Regeln für junge Schriftsteller.

Deren Pragmatismus und entschiedene Parteinahme für eine handlungsgesättigte Literatur, die Einbildungskraft in Erkenntnis umschlagen lässt, ist ebenso erfrischend wie signifikant, denn "Die Farbe der Träume" macht diese Regeln gekonnt und überraschend fruchtbar. Die Idee, nur über das zu schreiben, was einem vertraut ist, empfiehlt Tremain, über Bord zu werfen. Stattdessen sollten sich Autoren auf die Suche nach unbekannten, aber erforschbaren Erfahrungsreservoirs machen, deren Darstellung das Verständnis der Welt vertiefe.

Dass Anschauung und Anschaulichkeit wesentliche Faktoren von Tremains Ästhetik sind, macht schon die Tatsache deutlich, dass sie zu diesem Roman durch den Anblick der armseligen Werkzeuge inspiriert wurde, mit denen sich Schürfer um 1860 in Neuseeland auf die Jagd nach "der Farbe", dem Gold, begaben. Die Geschichte dieses weite Landstriche verheerenden Rauschs wurde noch nicht erzählt. Wie unerträglich absurd Tremain diese Anstrengungen erscheinen lässt, wie natur-, kultur- und selbstzerstörerisch, das hat eine Dimension, die über den historischen Anlass hinausweist aufs zeitlos Abscheuliche geistloser Gier.

Drei Figuren lässt Tremain aus England nach Neuseeland übersiedeln: Joseph, seine Mutter Lilian und seine Frau Harriet. Joseph flüchtet vor der Vergangenheit, in der er ein Verbrechen begangen hat. Harriet flieht aus ihrem belanglosen Dasein als Gouvernante. Lilian muss sich mittellos ihrem unfähigen Sohn anschließen. Heimeligkeit und Chorgesang wird sie in Neuseeland entbehren. Stattdessen versucht sie, in einem Lehmhaus einem qualmenden Herd genießbares Brot abzutrotzen und ihr in Scherben gegangenes Porzellan zu kitten.

Auf den ersten hundert Seiten entfaltet sich mitunter Tragikomisches, und das trotz Holperigkeiten in der Übersetzung. Der Druck auf die Figuren, die Last des Misslingens wachsen stetig und damit auch die Dringlichkeit und Dichte des Erzählens. Harriet etwa erkennt, dass sie und Joseph nur die Hoffnung auf eine bessere Zukunft verbindet. Für sie allerdings gehört ein Kind unverzichtbar zum Lebensplan. Letztlich wahrt jeder sein Geheimnis und wünscht sich eigentlich weit weg von den anderen: Harriet verschweigt, dass sie ihren Mann zu hassen beginnt. Lilian behält ihren Plan für sich, die Einöde zu verlassen. Und Joseph verheimlicht den Frauen, dass er Goldstaub gefunden hat. Dabei hat er sich mit jenem Fieber infiziert, das ihn fort und fast in den Wahnsinn treibt.

In grau verschlammten, staubigen oder hitzeflirrenden Bildern, in heroisch leuchtenden, ausladenden Panoramen von großartiger Eindringlichkeit schildert Tremain die Weite, die Verlorenheit, die Furcht vor einer unverstandenen Natur. Dieses Motiv der fremden Wildnis beschwört auch der Handlungsstrang um die Farmerfamilie Orchard. Eine eigentümliche Symbiose verbindet den kleinen Edwin mit seinem Maori-Kindermädchen Pare, das ihm animistische Geschichten erzählt, ihn unwillentlich in Lebensgefahr bringt und an dieser Schuld zugrunde gehen wird. Die Schilderungen obskurer Topographien und lichtloser Abgründe zählen zu den metaphorischen Passagen eines an Realismus, aber eben auch an Empfindungsschattierungen und Fiebergesichten reichen Romans.

Der Traum von Geborgenheit bewegt alle Figuren. So findet Harriet bei dem Chinesen Pao Yi die erfüllte Stille eines Paradiesgärtleins, eine Hütte, eine Höhle und körperliche Freuden, die man ihr herzlich gönnt, weil jeder, auch der Leser, nach so viel Schmutz und Widerwärtigkeit ein Recht auf ein Märchen hat. Ein dem Roman vorangestelltes Zitat begründet die Funktion dieser Episode noch triftiger. In der neuseeländischen "Lyttelton Times" hieß es 1861: "Die Goldsuche bringt Unordnung in die Gesellschaft, hält von vernünftigeren Unternehmungen ab und ermuntert den Abschaum aus China zur Einwanderung." Die vornehme Charakterstudie Pao Yis ist eine literarische Entgegnung, die sich jener Macht der Imagination verdankt, die der Roman als essentielles Thema umkreist.

KIRSTEN VOIGT.

Rose Tremain: "Die Farbe der Träume". Roman.

Aus dem Englischen von Christel Dormagen. Insel Verlag, Berlin 2010. 459 S., br., 9,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Die relative Unbekanntheit der Autorin kann Kirsten Voigt überhaupt nicht verstehen. In England mit Preisen überhäuft, gilt es, Rose Tremain bei uns noch zu entdecken. Voigt lädt ausdrücklich dazu ein, indem sie Tremains literarischen Pragmatismus preist, ihren gekonnten Einsatz von Anschauung und Anschaulichkeit. Auch weil Tremain hier eine Forderung ihrer eigenen Ästhetik umsetzt, sich in unbekannte Erfahrungswelten einzuarbeiten und, ausgehend von einem historischen Anlass (der Goldrausch in Neuseeland um 1860) Zeitloses, wie menschliche Gier und Angst und die Bedrohung durch eine fremde Natur, behandelt. Voigt zeigt sich fasziniert von den sich öffnenden Abgründen und der Eindringlichkeit von Tremains tragikomischen, mal realistischen, mal märchenhaften Erzählen.

© Perlentaucher Medien GmbH