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Die sechziger Jahre haben begonnen und mit ihnen das Zeitalter des Wassermanns. Adolf Eichmann wird in Jerusalem zum Tode verurteilt. Konrad Adenauer sagt Militärhilfe für Israel zu. Gleichzeitig jedoch zieht es deutsche Flugzeugkonstrukteure, Triebwerksbauer und Raketentechniker in großer Zahl nach Ägypten.
Rita Hellberg, Tochter eines Ingenieurs, will ihre Eltern in Kairo eigentlich nur besuchen. Doch der Vater entscheidet: Die Familie gehört zusammen. Ägyptens Präsident Nasser träumt von einer afrikanischen Rüstungsindustrie, und so baut der Vater einen Jagdbomber. Während ihre Mutter
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Produktbeschreibung
Die sechziger Jahre haben begonnen und mit ihnen das Zeitalter des Wassermanns. Adolf Eichmann wird in Jerusalem zum Tode verurteilt. Konrad Adenauer sagt Militärhilfe für Israel zu. Gleichzeitig jedoch zieht es deutsche Flugzeugkonstrukteure, Triebwerksbauer und Raketentechniker in großer Zahl nach Ägypten.

Rita Hellberg, Tochter eines Ingenieurs, will ihre Eltern in Kairo eigentlich nur besuchen. Doch der Vater entscheidet: Die Familie gehört zusammen. Ägyptens Präsident Nasser träumt von einer afrikanischen Rüstungsindustrie, und so baut der Vater einen Jagdbomber. Während ihre Mutter sich dem Leben in Kairo verweigert, erkennt Rita bald, dass es für sie keinen besseren Ort geben kann, um ihre eigene Zukunft zu betreten. Sie lässt sich mitreißen in eine faszinierende Welt im Umbruch. Erst mit der Zeit wird ihr klar, dass sie mitten in einem Konflikt gelandet ist, in dem um historische und zukünftige, um weltpolitische und regionale Interessen mit allen Mitteln gekämpft wird. Jeder beobachtet jeden, Bomben explodieren, Menschen sterben. Rita Hellberg muss sich entscheiden, wo sie steht.
Autorenporträt
Merle Kröger, geboren in Plön/Schleswig-Holstein, lebt und arbeitet als Schriftstellerin, Drehbuchautorin und Dramaturgin in Berlin. Sie war 1992 - 1999 Mitglied der Berliner Gruppe dogfilm, seit 2001 von pong Film. Kröger ist Co-Autorin von Philip Scheffners preisgekrönten Kino-Dokumentarfilmen wie Der Tag des Spatzen (2010), Revision (2012) und Havarie (2016). Ein Spielfilm (Europe) ist in Fertigstellung. Kröger hat bisher vier Romane veröffentlicht, unter anderem Grenzfall (2012) und Havarie (2015). Sie gehört zur ersten Garde der deutschen Kriminalliteratur. Ihre Romane wurden vielfach ausgezeichnet, unter anderem als Bester Krimi des Jahres, mit dem Radio-Bremen-Krimipreis und dem Deutschen Krimipreis. Thomas Wörtche, geboren 1954. Kritiker, Publizist, Literaturwissenschaftler. Beschäftigt sich für Print, Online und Radio mit Büchern, Bildern und Musik, schwerpunktmäßig mit internationaler crime fiction in allen medialen Formen, und mit Literatur aus Lateinamerika, Asien, Afrika und Australien/Ozeanien. Herausgeber der 'global crime'-Reihe metro in Kooperation mit dem Unionsverlag (1999 - 2007), der Reihe 'Penser Pulp' bei Diaphanes (2013-2014). Gründete 2013 zusammen mit Zoë Beck und Jan Karsten den (E-Book-)Verlag CulturBooks und gibt ein eigenes Krimi-Programm für Suhrkamp heraus. Co-Herausgeber des Online-Feuilletons CULTurMAG.
Rezensionen
»Ein Meilenstein des historischen Thrillers ... Alles, was danach kommt, wird sich an ihm messen müssen.« Elmar Krekeler DIE WELT 20210320

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.03.2021

Wenn wir es nicht machen, machen es die anderen
Raketen gegen Israel: Merle Kröger rekonstruiert eine deutsch-ägyptische Familiengeschichte aus dem Kalten Krieg

Friedrich Hellberg, Astrologe, Nationalsozialist und Flugzeugkonstrukteur der zweiten Reihe, sucht nach dem Untergang des "Dritten Reiches" noch einmal einen wirklich lukrativen Job. Die Verstrickung in Hitlers Kriegswirtschaft hat seine beruflichen Chancen in den Nachkriegsjahren gedämpft. In Ägypten tut sich eine Chance auf. Also packen er, die schwermütige, unter einer Zwangsstörung leidende Gattin Ingrid und zwei seiner drei Kinder Anfang 1962 die Koffer, um nach Kairo zu ziehen. Die siebzehnjährige Rita, die Protagonistin des neuen Romans "Die "Experten" von Merle Kröger, kümmert sich rührend um Petra, genannt "Pünktchen", das Nesthäkchen. Bruder Kai, dem Jazz schon verfallen, bleibt als Schüler bei der Großmutter in Norddeutschland.

Schon auf der Überfahrt via Venedig nach Alexandria tauchen unter falschem Namen die ersten Dunkelmänner auf, mit an Bord Otto Skorzeny, vormals Waffen-SS, der Befreier Mussolinis, Hitlers oberster Geheimdienstagent, der in der Nachkriegszeit vielen Regimes zu Diensten ist und auf ein "viertes Reich" hinarbeitet. In den ägyptischen Fabriken wimmelt es nur so von "German experts", darunter so bekannte Namen wie Willy Messerschmitt. Man wohnt auf der Nil-Insel oder im Villenvorort Maadi, wo der ehemalige KZ-Arzt und Massenmörder Hans Eisele ordiniert, in einem Haus mit Blick auf die Synagoge, die er täglich hasserfüllt anstarrt.

Rita bekommt einen Job als Sekretärin in einer Fabrik und Einblick in die aufregend mondäne Seite Kairos. Die Sache geht eine Weile gut, dann beginnen Briefbomben-Attentate - war es der Mossad? Die Toten und Verstümmelten wecken die internationale Presse, bald übernimmt die große Politik die Regie, gespickt mit Figuren aus dem Geschichtsbuch: Adenauer, Ben-Gurion, Franz Josef Strauß, Golda Meir und so fort. Schließlich der Rausschmiss, die Hellbergs müssen ihr Paradies verlassen, das nur Ingrid Hellberg hasst - des Staubs, des Ungeziefers und einer jungen deutschen Geliebten wegen, die ihr Mann ungeniert als Haushaltshilfe engagiert. Nun beginnt der spannendste Teil des Romans: Rita, noch weit von der Volljährigkeit entfernt, nimmt ihr Leben selbst in die Hand und verdingt sich als Zuarbeiterin eines dubiosen Hamburger Journalisten in Kairo. Aber dubios sind eigentlich alle Bewohner dieser Welt.

Der in drei Albumteile gegliederte Roman hat anstelle von Kapitelüberschriften Bildbeschreibungen von imaginären Fotografien; ältere Leser haben solche Bilder aus den sechziger Jahren in ihren Familienalben. Und noch ältere erinnern sich an den ägyptischen Präsidenten Gamal Abdel Nasser, der von einer eigenen Rüstungsindustrie träumte. Zwischen 1962 und 1965 arbeiten Hunderte deutsche Ingenieure und Konstrukteure an Raketen und einem Düsenjäger namens Helwan HA-300. Von dem werden am Ende ganze drei Stück gebaut; und die Raketen, die bei Militärparaden gezeigt werden, sind meist Attrappen. Da ein Einsatz dieser Waffen gegen den Erzfeind Israel die wahrscheinlichste Option ist, ist das Engagement der Deutschen so kurz nach dem Holocaust mehr als heikel. Aber wie immer toppen auch in der Außenpolitik Macht und Geschäft ethische Bedenken: Wenn wir es nicht machen, machen es die Russen. In der Bundesrepublik drückt man zunächst beide Augen zu; die deutschen Ingenieure seien zu Schulungszwecken eingesetzte Berater. "German expert" lautet das Zauberwort, mit dem sich viele Türen öffnen, bei Polizeikontrollen, in Krankenhäusern, in Bars.

Die von Merle Kröger in Cinemascope und Vati-Mutti-O-Ton der Sechziger ausgebreitete Rekonstruktion ist die Familiengeschichte der deutschen Filmkuratorin Stefanie Schulte Strathaus, deren Großmutter und Mutter die Vorlagen für Ingrid und Rita Hellberg liefern. Ein heilender Effekt: Strathaus kam im Zuge der von Kröger maßgeblich unterstützten Recherche ihrer Mutter wieder näher. Die Filmkuratorin ist Jahrgang 1969, Kröger 1967, beide sind jenen Jahrgängen zuzurechnen, die derzeit versuchen, das lange von Schweigen verdeckte innerfamiliäre Leid zu begreifen, das uns Nationalsozialismus, Zweiter Weltkrieg und deren Folgen bis heute bescheren.

Die Autorin sitzt als allwissende Erzählerin im Kopf aller ihrer Figuren. Besonderes Augenmerk schenkt sie der Frauwerdung Ritas und deren tragischer Liebesgeschichte mit Hani, einem Ägypter aus der Oberschicht. Jeder Satz beansprucht eine Zeile: "Er sieht sie an. / Sie sieht ihn an. / Sie rauchen Cleopatra. / Unter den Augen des ägyptischen Geheimdienstes. / Im Cairo Tower. / Bezahlt vom amerikanischen Geheimdienst. / Rita Hellberg schaut von oben auf eine neue Welt. / Und diese Welt hat Schluckauf."

Kolportage? Thriller? Die Autorin selbst verortet sich "zwischen dokumentarischem Essay und literarischem Roman, zwischen historischer Untersuchung und politischem Thriller". Während Krögers vorheriges Buch "Havarie" (F.A.Z. vom 22. Juni 2015) mit ausgeglühter Reduktion punktete, umfasst das neue Werk knapp siebenhundert Seiten - so groß die Materialfülle, so verwinkelt die fünf Jahre währende Recherche. Da fehlte am Ende, vor allem im dritten Teil, erkennbar die Kraft zum Schnitt. Dem Erfolg muss das keinen Abbruch tun. Leserinnen lieben dicke Bücher, und niedrigschwellig genug ist der Roman für den Massenmarkt.

Im "Spiegel" schrieb Diedrich Diederichsen 1983 über den Macho-Dichter Wolf Wondratschek. Der Artikel kulminierte in der Pointe: "Wolf Wondratschek ist Uschi Glas." Was damals wenig schmeichelhaft gemeint war, könnte man heute - auch auf die Gefahr hin, falsch verstanden zu werden - freundlich so formulieren: Merle Kröger ist Johannes Mario Simmel.

HANNES HINTERMEIER

Merle Kröger: "Die Experten". Thriller.

Herausgegeben von Thomas Wörtche. Suhrkamp Verlag,

Berlin 2021.

688 S., geb., 20,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Einen "Politthriller" nennt Rezensent Tobias Gohlis diesen Roman, eine Mischung aus Fiktion und Dokumentation. Die jugendliche Hauptperson Rita führt durch den Plot: zuerst als ein unschuldiges Kleinstadtmädchen, das Gefallen findet an der Club-Attitüde der Deutschen, die in Kairo für Nasser Raketen bauen - darunter auch ihr Vater. Erst der coolere Bruder plus diverse Bombenanschläge, Spionage- und Wiedergutmachungsverwicklungen, so der zufriedene Rezensent, führen die junge Frau dann auf den Pfad der politischen Einsicht.

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