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Diese Edition dokumentiert zwei deutsche Schicksale in Polen, die unmittelbar mit dem Zusammenbruch der deutschen Herrschaft im Osten verbunden waren. Manfred Gebhardts Aufzeichnungen reflektieren Romantizismus, Naivität, vor allem aber Sensibilität eines jungen deutschen Soldaten, der in der Kriegsgefangenschaft erstmals direkt dem Land Polen und polnischen Menschen begegnet. Sie schildern die bisher wenig bekannte und dokumentierte Gefangenschaft deutscher Soldaten in Polen und die "Antifa"-Umerziehung, die eine erste "sozialistische Klassensolidarität" deutscher und polnischer Kommunisten…mehr

Produktbeschreibung
Diese Edition dokumentiert zwei deutsche Schicksale in Polen, die unmittelbar mit dem Zusammenbruch der deutschen Herrschaft im Osten verbunden waren. Manfred Gebhardts Aufzeichnungen reflektieren Romantizismus, Naivität, vor allem aber Sensibilität eines jungen deutschen Soldaten, der in der Kriegsgefangenschaft erstmals direkt dem Land Polen und polnischen Menschen begegnet. Sie schildern die bisher wenig bekannte und dokumentierte Gefangenschaft deutscher Soldaten in Polen und die "Antifa"-Umerziehung, die eine erste "sozialistische Klassensolidarität" deutscher und polnischer Kommunisten begründen sollte. Die Aufzeichnungen dokumentieren ebenso ein Stück DDR-Gründungsgeschichte und sie sind zugleich be-eindruckendes Zeugnis der Suche nach Subjektivität und Objektivität eines Zeitzeugen, der später in der DDR eine nicht unwichtige Rolle im Pressewesen einnahm. Wie anders liest sich die Lebensgeschichte Joachim Küttners, der bis zu seiner abenteuerlichen Flucht in die Bundesrepublik 1958 immer mit Polen zusammengelebt hatte. Als deutscher Rittergutserbe wurde er im südlichen Teil des Posener Landes geboren, nahe der Grenze an der Prosna zum russischen Teilungsgebiet. Zwischenzeitlich wurde er polnischer Staatsbürger, seit 1939 im neu errichteten Reichsgau Wartheland aber wieder privilegiert und wie Millionen seiner Volksgenossen dazu ausersehen, zur "völkischen Neuordnung" in diesem Teil Polens beizutragen. Nach dem Zusammenbruch der nationalsozialistischen Herrschaft sollte sich das Bild auf dramatische Weise wenden. Mit dem Augenblick dieser Wende beginnt Küttners Bericht. Die Gefangennahme Manfred Gebhardts in Böhmen mündet in eine vierjährige Lagerhaft, die Flucht Joachim Küttners vor der herannahenden Front in ein dreizehn Jahre währendes pseudonymes Leben. Gebhardt und Küttner lebten in Polen als "Gefangene und Fremde". Ihre Erfahrungen sind beispielhaft für die durch die jüngste Vergangenheit schwer belastete Begegnung von Deutschen und Polennach dem Ende des Zweiten Weltkrieges.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.10.1997

Missionar und Förster
Zwei Deutsche berichten über ihr Leben im Nachkriegspolen

Manfred Gebhardt, Joachim Küttner: Deutsche in Polen nach 1945. Gefangene und Fremde. Bearbeitet von Dieter Bingen. Biographische Quellen zur Zeitgeschichte, Band 19. R. Oldenbourg Verlag, München 1997. 240 Seiten, 68,- Mark.

In Polen geschieht neuerdings etwas, das bis vor kurzem undenkbar gewesen wäre: Im Rahmen eines großangelegten deutsch-polnischen Forschungsprojekts hat eine Reihe jüngerer Historiker damit begonnen, das lange tabuisierte Thema der Vertreibung der Deutschen ohne jegliche Vorbehalte zu untersuchen. Man will, wie es heißt, die Zeitgeschichte "entlügen". Als vor über vierzig Jahren das damalige "Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte" die mittlerweile klassische "Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa" herausgab, kam es in der kommunistischen Presse Polens zu einem Sturm der Entrüstung. Das "Machwerk sei ein Dokument des westdeutschen Revisionismus, bei dem es ausschließlich um agitatorische Ziele und um das Anfachen des Hasses gegen die Sowjetunion und Volkspolen" gehe. In den Jahrzehnten danach wurde es unter deutschen Historikern ziemlich still um das brisante Thema. Zwar entstand schon frühzeitig das "Internationale Schulbuchinstitut" in Braunschweig, dessen Arbeit so verdienstvoll wie mühselig war. Eine deutsch-polnische Kommission gab 1976 Empfehlungen für den Schulunterricht in beiden Ländern heraus. Insgesamt aber herrschte gegenüber dem kontroversen Fragenkomplex eine spürbare Zurückhaltung - zumal noch 1984 eine Neuausgabe der Dokumentation von Theodor Schieder in Polen wiederum eine Polemik auslöste.

Jetzt, wo alle Aspekte der deutsch-polnischen Geschichte frei diskutiert werden können, dürfte auch über ein Thema gesprochen werden, von dem in Polen bisher fast nie die Rede war. Es geht um das Schicksal jener deutschen Kriegsgefangenen, die im Sommer 1945 von der Sowjetunion als Arbeitskräfte an Polen übergeben wurden. Man ließ sie die Trümmer im völlig zerstörten Warschau beseitigen und schickte sie zu Tausenden ins oberschlesische Kohlenrevier, wo sie, bei Hungerrationen, jahrelang unter Tage arbeiten mußten. Ein ehemaliger Flakhelfer schildert in dem vorliegenden Band anschaulich sein Leben in einem früheren Außenlager von Auschwitz, über dessen hölzernem Portal noch die zynische Inschrift "Arbeit macht frei" stand.

Erst nach drei Jahren, als in Berlin die SED-Führung beschloß, kommunistische Agitatoren in die über fünfzig oberschlesischen Lager zu schicken, um dort, ebenso wie in der Sowjetunion, für eine "antifaschistische Umerziehung" der Kriegsgefangenen zu sorgen, wurden die Lebensbedingungen etwas besser. Der damals neunzehnjährige Autor nahm eifrig an den ideologischen Schulungskursen teil. Man schickte ihn schließlich nach Warschau, wo er in der Redaktion einer Kriegsgefangenenzeitung arbeiten durfte. Ein traumatisches Erlebnis war für den jungen Mann der Anblick des von der SS systematisch, Haus für Haus gesprengten und dem Erdboden gleichgemachten Warschauer Ghettos. Das gespenstisch anmutende, totenstille Areal, auf dem buchstäblich kein Stein mehr auf dem anderen stand, bestärkte ihn in der Überzeugung, er müsse für die Verbrechen seiner Landsleute in Polen Wiedergutmachung leisten. Er verzichtete freiwillig auf die ihm angebotene vorzeitige Rückkehr in die Heimat, um ein weiteres Jahr für die Kriegsgefangenenzeitung zu arbeiten. Die lebendig geschriebenen Aufzeichnungen eines einstmals überzeugten Kommunisten sind eine klare Absage an seine ideologischen Jugendtorheiten. Nicht ohne Selbstironie schildert er die Bekehrungsversuche, die er mit linientreuen Briefen an seinen Eltern unternahm.

Der zweite hier abgedruckte Dokumentarbericht über Deutsche im Nachkriegspolen stammt aus der Feder eines passionierten Jägers, der den Leser nicht selten mit seinem waidmännischen Vokabular irritiert. Er erzählt eine gefährliche Vita: Um nicht als deutscher Rittergutsbesitzer im Wartheland von russischen Soldaten umgebracht zu werden, flüchtete er unter polnischem Namen in das von den Deutschen verlassene Ostpreußen und lebte dort, in der Nähe von Allenstein, zwölf Jahre lang unbehelligt als polnischer Förster. Seine Schilderung der abgebrannten, ausgeplünderten Dörfer erinnert an den Dreißigjährigen Krieg. Er sieht die Russen riesige Viehherden und Tausende von Pferden gen Osten treiben und beobachtet entsetzt, wie sie die ostpreußischen Wälder einfach anzünden, um das vor den Flammen flüchtende Wild mit der Maschinenpistole niederzumähen. Diese schlichten, mitunter skurrilen Erinnerungen sind im literarischen Niveau mit dem Bericht Manfred Gebhardts aus den oberschlesischen Kohlengruben nicht zu vergleichen, aber sie bieten einen authentischen Einblick in die damaligen, von tiefer Verbitterung geprägten Gefühle der Polen und zeigen überdies eindrucksvoll, welch grausiges Chaos die Rote Armee in Ostpreußen hinterließ. HENNING SCHLÜTER

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"This is a fascinating, unusal and oddly unsettling book." German History 19, Nr.1, 2001