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Der Autor untersucht den Umgang der k.k. Armee mit dem revolutionären Transportträger Eisenbahn gleichsam von der Stunde Null bis zu seinem vollständigen Gebrauch als operatives und strategisches Mittel der Kriegführung. Dabei wird deutlich, daß die österreichische Entwicklung in der Frühphase der Eisenbahn als Modellfall für die Denkstrukturen und den Bewußtwerdungsprozeß in anderen europäischen Armeen gelten kann. Über den bislang unbeschriebenen Friedens- und Einsatzbetrieb sowie die logistischen, operativen und strategischen Entwicklungstendenzen hinaus zeigt die Arbeit, daß einige seit…mehr

Produktbeschreibung
Der Autor untersucht den Umgang der k.k. Armee mit dem revolutionären Transportträger Eisenbahn gleichsam von der Stunde Null bis zu seinem vollständigen Gebrauch als operatives und strategisches Mittel der Kriegführung. Dabei wird deutlich, daß die österreichische Entwicklung in der Frühphase der Eisenbahn als Modellfall für die Denkstrukturen und den Bewußtwerdungsprozeß in anderen europäischen Armeen gelten kann. Über den bislang unbeschriebenen Friedens- und Einsatzbetrieb sowie die logistischen, operativen und strategischen Entwicklungstendenzen hinaus zeigt die Arbeit, daß einige seit über hundert Jahren gültige Facetten im militärhistorischen Bild des Habsburgerreiches neu einzuordnen sind.
Autorenporträt
Burkard Köster ist leitender Mitarbeiter am Militärgeschichtlichen Forschungsamt (MGFA).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.10.1999

Tanzt, Kinder, tanzt den Bahnhofswalzer
Stationsvorsteher müssen wachsam sein, denn nachts kommen manchmal Sonderzüge mit Waffenlieferungen durch: Militär und Eisenbahnbau im Habsburgerreich

"Endlich war jener Augenblick da, wo man alle im Verhältnis von 42 Mann zu 8 Pferden in die Waggons pferchte. Die Pferde fuhren freilich bequemer als die Mannschaft, denn sie konnten im Stehen schlafen, aber das tat nichts. Der Militärzug brachte abermals eine neue, zur Schlachtbank getriebene Menschenschar nach Galizien. Wenn man an die Front fährt, erklärte Schwejk, versäumt man nie was, weil sich jeder Zug, was an die Front fährt, sehr gut überlegt, auf die Endstation nur einen halben Marschbatjak zu bringen. Sie gingen aber nirgends hin, denn das Signal zum Einsteigen ertönte. Die Mannschaft der einzelnen Züge kehrte mit leeren Händen vom Verpflegungsmagazin wieder zu ihren Waggons zurück. Statt der 15 Deka Emmentaler Käse, die hier ausgegeben werden sollten, hatte jeder je eine Schachtel Streichhölzer und eine Ansichtskarte erhalten, die vom Komitee für Kriegsgräber (Wien IX, Canisiusgasse 4) herausgegeben wurde. Statt 15 Deka Emmentaler hielt jeder den westgalizischen Soldatenfriedhof in Dedlisk in der Hand. Da der Zug bereits zwei Stunden auf dem Bahnhof stand, herrschte in den übrigen Waggons eine Stimme: Der Zug werde wahrscheinlich umdirigiert und nach Italien geschickt werden. Die Sanitätsinspektion kam mit der Desinfektionsabteilung und besprengte alle Waggons hübsch mit Lysol, was, hauptsächlich in den Waggons, wo man Kommißbrotvorräte mitführte, sehr mißfällig aufgenommen wurde. Dann kam die Nachricht, daß man erst in vier Stunden abfahren werde. Die nach Hatwan führende Strecke sei mit Verwundetenzügen verstellt. Auf den Bahnhöfen verbreitete sich überdies das Gerücht, daß bei Jagr ein Sanitätszug mit Kranken und Verwundeten mit einem Munitionszug zusammengestoßen sei."

So schreibt Jaroslav Hasek, der selbst als Offiziersbursche in der k. u. k. Armee gedient hat, über die Zustände im großen Kriege. Dass der Einsatz per Eisenbahn nicht so reibungslos verlief, wie das die Armeeführung gerne gehabt hätte, geht ebenso klar daraus hervor wie aus der Untersuchung, die Burkhard Köster als 37. Band der Militärgeschichtlichen Studien des Militärgeschichtlichen Forschungsamts vorlegt. Der Autor bearbeitet das etwas spröde Thema vor allem unter dem Aspekt, dass die wirtschafts- und sozialgeschichtliche Forschung bisher kein besonderes Augenmerk auf die Beziehung von Eisenbahn und Militär vor 1850 geworfen hat, und so eine Wechselwirkung zwischen diesen beiden Institutionen erst ein Vierteljahrhundert zu spät konstatiert. Am langsamen Ausbau des Streckennetzes versucht Köster akribisch den Einfluss der verschiedenen Heeresabteilungen zu dokumentieren.

Es besteht eigentlich wenig Zweifel daran, auch wenn es selten so klar ausgesprochen wird, dass die Habsburger Monarchie von etwa 1800 bis 1848 ein Polizeistaat und seit 1849 bis zu ihrem Ende um 1918 (im Restösterreich mit dem Thronverzicht Karls vom 11. November, in anderen Teilen schon im Frühling) eine Militärdiktatur war. Doch verfassungsrechtliche Fragen stellen sich für Kösters Untersuchung nur am Rande, obwohl er sie auch nicht ganz ausklammert. Immer wieder muss er jedoch verwundert feststellen, dass solange "es um die Finanzen oder Konzessionsregelungen ging, die Armee aus dem Entscheidungsfindungsprozeß praktisch ausgeschlossen war. Gleichwohl wurden ihre Interessen im Gesetz berücksichtigt. Zugleich wurde auch die Verpflichtung für Privatbahngesellschaften festgeschrieben, dem Militär alle für Transporte benötigten Mittel zu den gültigen Staatsbahntarifen zu gewähren." War dies eben die Österreich nachgesagte typische Form der Diktatur, verschärft durch Schlamperei?

Aus einer genauen Lektüre des Werkes könnte man zu diesem Schluss kommen, denn schon 1844 wurde in einer Studie angemerkt: "Allein der Eisenbahntransport unterliegt noch so vielen Chancen, als daß man seines Calculs stets vollkommen sicher seyn wird, es wäre denn, daß der Betrieb auf einen solchen Grad der Vervollkommnung gebracht wird, daß eine Unterbrechung der Transporte nie statt findet, und die Transportkosten sehr bedeutend ermäßigt werden können." Das letztgenannte Argument, so arbeitet der Verfasser heraus, beherrschte das Denken und Handeln der Armeeführung in erheblichem Maße noch bis weit über den Untersuchungszeitraum hinaus. So kann Köster ein Hin- und Herpendeln zwischen Laisser-faire-Politik des Staates (1833 bis etwa 1841), Festlegung auf Staatsbahnen (bis etwa 1855) und Privatisierung (von etwa 1854 an) nachzeichnen, das er teilweise auf die zerrütteten Finanzen des Kaiserreiches zurückführt. Leider untersucht er diesen Zustand nicht selbst, den er zwar immer wieder erwähnt, aber kaum näher beleuchtet, sondern verweist auf die Forschung der Wirtschafts- und Sozialgeschichte zu diesen Themen. Hier wäre eine zumindest kurze Schilderung durchaus angebracht, lässt er sich doch kaum eine Auflistung über Kosten von Truppentransporten entgehen.

Das Militär setzte schon frühzeitig auf die Bahn, in der ersten Phase bis zur Mitte der vierziger Jahre allerdings hauptsächlich zum Gütertransport, da ein Mannschafts- (oder gar Kavallerie-)Transport gegenüber Fußmärschen nicht kostengünstig genug erschien. Erfahrungen mit Truppenbeförderung konnten dann beim Krakauer Aufstand 1846 und selbstverständlich in den Revolutionsjahren 1848/49 gesammelt werden. 1849 wurden sogar russische Kohorten auf den k. u. k. Staatsbahnen befördert, um die Revolution in Ungarn zu zerschlagen.

Nur aus Nebenbemerkungen erfährt man bei Köster, der Offizier der deutschen Bundeswehr und Instruktor für Militärgeschichte in Dresden ist, dass sich auch die Aufständischen des (relativ) neuen Transportmittels bedienten. "Problematisch blieben in den Folgemonaten nur die passiven und aktiven Widerstände des oftmals revolutionär eingestellten Bahnpersonals bei Truppentransporten oder Telegrafenbenutzungen." Dass nach der Eroberung Wiens im Oktober 1848 der Militärkommandant Windischgrätz das Standrecht verhängte und zehn Monate lang mit Ausnahmezustandsmaßnahmen äußerst brutal regierte, wird in dieser Untersuchung nicht einmal am Rande erwähnt.

Wegen dieser eingeschränkten Sichtweise, die freilich dem Untersuchungsgegenstand geschuldet ist, wird das Werk nur einem sehr speziell interessierten Publikum empfohlen werden können. Dass auch das Kartenmaterial ein wenig willkürlich über das Buch verstreut und das Lektorat nicht sehr sorgfältig vorgegangen zu sein scheinen, sind zwei weitere Warnungen.

Der Autor jedenfalls kommt zu dem Schluss, dass die k. u. k. Armee sich gut zehn Jahre früher als bisher angenommen (Einsatz von Soldaten beim Bau der privaten Eisenbahn von Budweis nach Linz) mit dem Phänomen Eisenbahn intensiv beschäftigt hat. Auch die Versorgungsengpässe im Zuge des Krimkrieges (1854/56), in dem sich Österreich zwar neutral verhielt, aber dennoch wild Truppen im eigenen Gebiet versandte, führten zu einem direkten Einsatz von Mannschaften beim Streckenausbau. Wieder einmal entscheidend wurde ein verlorener Krieg (1859 gegen Italien), bei dem zum ersten Mal große Kontingente generalstabsmäßig und unter den bewundernden Augen des Auslands verlegt wurden. Aber daraus wurden erstaunlicherweise wenig Konsequenzen gezogen, und die Habsburger Monarchie verlor daraufhin ihre Führungsposition auf diesem Gebiet. Den Zusammenhang von wirtschaftspolitischen und strategischen Planungen kann Köster nur andeuten. Die Untersuchung, ob ein staatlich forcierter, falscher Kräfteeinsatz den notwendigen industriellen Binnenausbau der Habsburger Monarchie gehemmt hat, kann er nicht leisten. Es ist dies eben eine sehr spezielle Studie.

MARTIN LHOTZKY

Burkhard Köster: "Militär und Eisenbahn in der Habsburgermonarchie 1825-1859". Militärgeschichtliche Studien, Band 37. R. Oldenbourg Verlag, München 1999. 348 S., 18 Karten, br., 68,- DM.

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