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Britain, as the most powerful of the European victors of World War One, had a unique responsibility to maintain the peace in the aftermath of the Treaty of Versailles. This title concentrates on the figure of Lord Londonderry - grandee, patriot, cousin of Churchill and the government minister responsible for the RAF.

Produktbeschreibung
Britain, as the most powerful of the European victors of World War One, had a unique responsibility to maintain the peace in the aftermath of the Treaty of Versailles. This title concentrates on the figure of Lord Londonderry - grandee, patriot, cousin of Churchill and the government minister responsible for the RAF.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.05.2005

Der Aristokrat als Beschwichtiger
Ein britischer Faschist oder etwa Hitler-Verehrer ist Lord Londonderry jedoch nie gewesen

Ian Kershaw: Making Friends with Hitler. Lord Londonderry and Britain's Road to War. Verlag Allen Lane/The Penguin Press, London 2004, 488 Seiten, 20,- £.

Ohne eine Figur aus Meissner Porzellan hätte es dieses Buch wohl nicht gegeben: Ian Kershaw, Autor einer viel beachteten zweibändigen Hitler-Biographie, fiel die Pretiose im Jahr 1991 auf, als er Mount Stewart besuchte, den Familienbesitz der Londonderrys in Nordirland. Auf dem Kaminsims im ehemaligen Arbeitszimmer des sechsten Marquess of Londonderry fand er das 18 Zoll hohe Standbild eines SS-Mannes postiert, der eine Hakenkreuzfahne in den Händen hält. Die Statuette, die Joachim von Ribbentrop - vom November 1936 bis Februar 1938 Botschafter des Deutschen Reiches in London und anschließend bis Ende April 1945 Reichsminister des Auswärtigen - aus Anlaß eines Besuchs bei Lord Londonderry im Mai 1936 als Gastgeschenk mitgebracht hatte, führte den Historiker auf eine Spur, die er nicht mehr verlassen hat, bevor die Frage beantwortet war: Was hatten der britische Aristokrat und der nationalsozialistische Parvenu miteinander zu tun?

Nun, Lord Londonderry gehörte zu denjenigen Repräsentanten der politischen Führungsschicht in Großbritannien, von denen seit langem bekannt war, daß sie einen Ausgleich mit Hitlers Deutschland suchten. Wie sich dieses riskante Experiment vollzog und schließlich scheiterte, hat Kershaw jetzt im einzelnen rekonstruiert. Dazu stand ihm der ansonsten nicht zugängliche Nachlaß Lord Londonderrys zur Verfügung. Dem Autor geht es allerdings nicht darum, die biographische und politische Karriere dieses Nachfahren von Lord Castlereagh nachzuzeichnen, der einst als britischer Außenminister nach dem Ende der napoleonischen Kriege auf dem Wiener Kongreß gemeinsam mit dem österreichischen Staatskanzler Metternich Europa den Frieden zurückgegeben hatte. Untersucht wird vielmehr die spezielle Frage nach dem Verhältnis von Lord Londonderry zum nationalsozialistischen Deutschland in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts.

Seit dem Jahr 1931 stand der in Eaton erzogene und auf der Militärakademie in Sandhurst ausgebildete Offizier nach seiner Teilnahme am Ersten Weltkrieg und nach politischen Anfängen in London sowie in Belfast an der Spitze des Luftfahrtministeriums im sogenannten "National Government", jener angesichts der Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise von dem der Labour Party angehörenden Premierminister Ramsay MacDonald gebildeten Koalitionsregierung aus Mitgliedern der Arbeiterpartei, der Konservativen und der Liberalen.

Bereits in diesen Jahren hatte Lord Londonderry zwei bevorzugte Ziele im Auge, die eng miteinander zu tun hatten: Um einen weiteren Waffengang zu vermeiden, wollte er zum einen - so wie seinerzeit sein Ahnherr das besiegte Frankreich in den "Monde" der Großmächte wieder aufgenommen hatte - dem im Ersten Weltkrieg niedergerungenen Deutschland, solange das Reich noch nicht zu neuer Stärke zurückgefunden hatte, in bezug auf dessen Revisionsforderungen großzügig entgegenkommen. Und dieses Vorhaben gedachte er zum anderen von einer Position militärischer Überlegenheit aus zu verfolgen, gestützt vor allem auf eine schlagkräftige Luftwaffe, die als das militärische und politische Instrument der Zukunft angesehen wurde.

Aufzurüsten war damals allerdings für einen verantwortlichen Minister leichter gesagt als getan. Angesichts eines im Land geradezu grassierenden Pazifismus wurden die einschlägigen Forderungen nämlich ein um das andere Mal entweder schlankweg zurückgewiesen oder nur sehr bedingt erfüllt. Als dann aber im Jahr 1935 Adolf Hitler die Parität der deutschen mit der britischen Luftwaffe ebenso überraschend wie provozierend verkündete, geriet Lord Londonderry, der diese Behauptung des Diktators zu Recht als weit übertrieben bestritt, in die öffentliche Kritik, die ihm auf einmal Versäumnisse auf dem Gebiet der Luftrüstung vorhielt: Sein Rückzug aus der Regierung war nicht mehr lange aufzuhalten. Tief enttäuscht setzte er, der nach wie vor über nicht zu unterschätzenden Einfluß verfügte, nunmehr auf die Karte privater Diplomatie: Er wurde zu einem der entschiedenen Wegbereiter jener Politik des Appeasement, die durch Nachgiebigkeit und Festigkeit, durch Konzessionsbereitschaft und Verteidigungswillen eine Wiederholung des Ersten Weltkriegs, der das Trauma seiner Generation darstellte, zu vermeiden bestrebt war. Eben diesem Zweck sollten Gespräche mit prominenten Nationalsozialisten, allen voran mit Hermann Göring und von Ribbentrop dienen, die in Deutschland ebenso wie in Großbritannien geführt wurden. Daher geriet der Mann, der auf diese Art und Weise den Ausgleich mit Hitlers Deutschland suchte, schon zeitgenössisch in den Verdacht, ein Freund der Nazis zu sein. Allein, Lord Londonderry war, so lautet eines der Ergebnisse der Darstellung von Kershaw, alles andere als ein britischer Faschist vom Schlage eines Oswald Mosley, eines Lord Redesdale oder der Mitford-Schwestern, die Hitler teilweise ausgesprochen verehrten. Vielmehr war und blieb er ein britischer Aristokrat, ein in der Wolle gefärbter Tory, der den Krieg, weil ein Waffengang die Ordnung der traditionalen Gesellschaft und den Bestand des englischen Weltreichs ruiniert hätte, um beinahe jeden Preis zu umgehen bemüht war. Mit dem weltanschaulichen Rassismus der Nationalsozialisten hatte er dagegen ebensowenig im Sinn, wie er im übrigen die Verfaßtheit des englischen Parlamentarismus niemals in Frage gestellt hat. Gleichwohl verband der vom "Dritten Reich" propagierte Antikommunismus den wohlhabenden Besitzer großer Ländereien und Kohlengruben mit Hitlers Deutschland: Indes, diese Gemeinsamkeit gehörte zum Profil der konservativen Partei seines Landes. Die reale Gefahr der kommunistischen Herausforderung durch die stalinistische Sowjetunion beunruhigte die bürgerliche Welt verständlicherweise und wurde von den englischen Tories ernstgenommen. Themen wie Patriotismus und Antikommunismus blieben daher nicht den Extremisten am rechten Rand des politischen Spektrums überlassen.

In dieser Hinsicht hatte Lord Londonderry viel gemeinsam mit den aus ganz anderen sozialen Milieus an die Spitze der Regierung aufgestiegenen Premierministern seiner Zeit wie Stanley Baldwin und Neville Chamberlain. Doch wie diese hat auch Lord Londonderry ein Problem durchgehend mißverstanden, das freilich nur allmählich erkennbar wurde, nämlich die Radikalität und das Ausmaß der Ziele Hitlers, die Kompromißunfähigkeit und den Kriegswillen des Tyrannen. Erst nach der historischen Zäsur des 15. März 1939, als der deutsche Diktator die Tschechoslowakei zerschlug, fand Lord Londonderry, ganz in Übereinstimmung mit der dem Appeasement von jetzt an abschwörenden Öffentlichkeit in England, zu einer veränderten Einschätzung der Lage.

Alles in allem: Kershaw zeichnet den Protagonisten seiner Darstellung als einen typischen Vertreter der von Abstiegsfurcht und Niedergangsangst getriebenen Oberschicht Großbritanniens, die Hitlers Deutschland, um einen Krieg, der ihre Privilegien zu gefährden drohte, nicht führen zu müssen, immer wieder entgegenkam. Daß die Geschichte schließlich doch einen ganz anderen Verlauf nahm, lag nicht zuletzt daran, daß gerade ein Repräsentant dieser Klasse, nämlich Lord Londonderrys Vetter, Winston Churchill, ein Nachkomme des Herzogs von Marlborough, der sich einst dem Hegemonialanlauf Ludwigs XIV. mit militärischen Mitteln in den Weg gestellt hatte, den gesellschaftlichen Status der Aristokratie ebenso wie die Existenz des britischen Empire opferte, um Hitlers Deutschland zu besiegen und die Freiheit seines Landes zu verteidigen.

Kershaws Monographie ist, weil sie eine Fülle anschaulicher Details zu vermitteln versteht, durchaus dazu geeignet, unser Wissen über die britisch-deutschen Beziehungen in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts zu vermehren. Die damit einhergehende Chance allerdings, im zeitgenössischen Kontext ebenso wie in zeitenthobener Perspektive einen sachlich und gedanklich weiterführenden Beitrag zum Problem des Appeasements zu liefern, hat der Autor leider nicht zu nutzen verstanden.

KLAUS HILDEBRAND

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