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Die Astrologie spielte unter den europäischen Gelehrten des 15. und 16. Jahrhunderts eine herausragende Rolle. Dank grundlegender Studien hat die Astrologie im Italien der Renaissance klare Konturen erhalten. Ein vergleichbares Bild für Deutschland fehlte bislang. Unklar war, wie viele deutsche Astrologen dieser Zeit den Blick zum nächtlichen Himmel richteten und vor allem, was sie dort sahen, welche Erkenntnisse sie gewannen, mit welchen Kategorien sie diese bewerteten und für welche Zwecke sie sie verwendeten. Nicht minder unklar waren der wissenschaftliche Diskurs über Astrologie, ihre…mehr

Produktbeschreibung
Die Astrologie spielte unter den europäischen Gelehrten des 15. und 16. Jahrhunderts eine herausragende Rolle. Dank grundlegender Studien hat die Astrologie im Italien der Renaissance klare Konturen erhalten. Ein vergleichbares Bild für Deutschland fehlte bislang. Unklar war, wie viele deutsche Astrologen dieser Zeit den Blick zum nächtlichen Himmel richteten und vor allem, was sie dort sahen, welche Erkenntnisse sie gewannen, mit welchen Kategorien sie diese bewerteten und für welche Zwecke sie sie verwendeten. Nicht minder unklar waren der wissenschaftliche Diskurs über Astrologie, ihre anthropologische und naturphilosophische Legitimierung, ihr universalhermeneutischer Anspruch, ihre Präsenz in der Politik und in den Universitäten, ihr Gebrauch in der ärztlichen Praxis, ihr Konflikt mit der Theologie. Das Buch von Claudia Brosseder geht neben anderen diesen Fragen nach und rekonstruiert, ausgehend vom Wittenberger Kreis, das Phänomen der deutschen Astrologie im 16. Jahrhundert in seiner Komplexität.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

In ihrer Dissertation, so der mit "lx" zeichnende Rezensent, beschäftigt sich Claudia Brosseder mit dem umstrittenen Status der Astrologie im Wittenberg des 18. Jahrhunderts. Ausgehend von Marsilio Ficinos Standpunkt, der Astrologie komme eine "lebenspraktische Orientierungsfunktion" zu, zeichne sie die Geschichte eines Wandels auf, vom regen wissenschaftlichen Interesse des 16. Jahrhunderts für die "Sternenkunst", mit der sich ein "beachtlicher 'universalhermeneutischer Anspruch' " verband, bis zum Vorwurf des "Pseudowissens".

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.05.2004

Gottes Wort in Himmelsschrift
Claudia Brosseder erkundet die Astrologie im Protestantismus
Über viele Jahrhunderte hinweg lag der Schlüssel zu einem tieferen Verständnis der Welt in den Wanderungen der Sterne. An ihren konstanten Bewegungen ließ sich das Baumuster des Kosmos ebenso erkennen wie drohendes Unheil oder nahendes Glück. Seit dem 11. Jahrhundert nahm das Interesse daran stetig zu, in den naturphilosophischen Diskussionen der Renaissance spielte die Astrologie eine zentrale Rolle. Auch die Wissenschaftler in Deutschland des 16. Jahrhunderts beteiligten sich daran. Gerade in den protestantischen Kreisen der Wittenberger Universität wurde vor dem Hintergrund des neuen Glaubensverständnisses auch die Frage nach der Bedeutung der Sterne in Gottes Schöpfung brisant. Eine heftige Debatte wogte hierüber zwischen Luther und Melanchton und schon Aby Warburg hatte 1920 der Kometenangst und Planetenfurcht dieser Jahre einen eindrücklichen Aufsatz gewidmet.
Doch ist eine genauere Vorstellung von diesem für das neuzeitliche Naturverständnis so wichtigen Diskussionsprozess nur über Einzelstudien zu gewinnen. Allein aus der Analyse einzelner Gelehrter und ihrer Schriften ist ein Bild zu gewinnen, das die Vielfalt der individuellen Positionen und die zahlreichen Brüche nicht nivelliert. Genau dies hat Claudia Brosseder jetzt höchst erfolgreich unternommen; aus der Lektüre unzähliger Schriften und Pamphlete zeichnet sie ein variantenreiches Bild der Diskussionen des 16. Jahrhunderts über die Sternenwissenschaft. Ihr heimlicher Held ist dabei Caspar Peucer, der eine Tochter Melanchtons heiratete und in Wittenberg Astronomie, Mathematik und vor allem Medizin lehrte sowie als Leibarzt des Kurfürsten August von Sachsen tätig war. Aber nicht die von ihm so intensiv betriebene Astrologie, sondern der Streit um die richtige Auslegung des christlichen Abendmahls brachte ihn zu guter Letzt für zwölf Jahre ins Gefängnis. Hier ist er vor allem durch seine umfangreiche Publikationstätigkeit von Interesse sowie als Verfasser einer systematischen Abhandlung zu den zahlreichen Möglichkeiten, die Zukunft vorauszusagen.
Bewaffnet mit dem Horoskop
Doch hat sich Claudia Brosseder bewusst gegen eine Monographie zu Peucer entschieden. Ihr Interesse ist sehr viel weiter gefasst, sie möchte verstehen, auf welche Weise man Astrologie damals betrieb, wie ihre praktische Anwendung aussah, welche Hoffnungen man damit verband und welche Ergebnisse man erzielte. Deswegen zieht sie weitere Astrologen heran und ordnet ihr Material nach systematischen Gesichtspunkten. So erfahren wir an sechs Beispielen, weshalb Fürsten sich bei Astrologen Rat suchten. Im allgemeinen ging es ihnen dabei weniger um die konkrete Tagesentscheidung als vielmehr um die Einschätzung der politischen Gegner mit Hilfe von Horoskopen oder die Wappnung gegen allerlei Unbill wie Krankheiten oder Unwetter. Im Rahmen ihres Geschichtsverständnisses setzten die protestantischen Gelehrten im Gegensatz zu manchen ihre Vorgänger nicht auf die strukturierende Macht der großen Planetenkonjunktionen, sondern vertrauten eher auf das Wort Gottes, indem sie sich nach wie vor auf die Traumdeutungen des Propheten Daniel beriefen. Ihr großes Metier hatten die Sterndeuter aber im Bereich konkreter Alltagsdinge. Ihr persönliches Schicksal, das Eheglück und immer wieder die Sorge vor Krankheiten bewegte die Menschen und die Antwort auf diese Fragen suchten sie in den Sternen.
Die Theorie und Praxis der Astrologie wird in diesem Buch sehr anschaulich beschrieben. Gerade das komplexe Wechselspiel von theoretische Problematisierung und praktischer Anwendung wird auf anregende Weise sichtbar gemacht. In der Sammlung von Beispielhoroskopen historischer Personen versuchte man damals gewissermaßen auf empirische Weise das methodische Rüstzug der Sterndeutung zu schärfen. Der Italiener Girolamo Cardano war hier das bewunderte Vorbild.
In der Theorie, bei der Erklärung der Naturphänomene kommt der Astrologie nahezu unangefochten eine Schlüsselrolle zu. Mit großem Pathos insistiert man auf ihrer Nützlichkeit, sie bildet die Grundlage des Natur- und Kosmosverständnisses. Zugleich besitzt sie eminent praktische Seiten, die bis in die einfachsten Dinge des Alltages hinreichen. Die Astrologie war für lange Zeit die einzige Form einer Praxis orientierten Naturwissenschaft und leistete einer Ursachenorientierten Erklärung der Phänomene Vorschub. Darin liegt ihre kaum zu überschätzende Bedeutung für die Entwicklung des modernen Naturverständnisses. Erst im 17. Jahrhundert kommen dann andere Erklärungsmuster hinzu, die der Debatte eine neue Richtung geben und das Gewicht der Astrologie zunehmend schmälern.
Von ganz verschiedenen Seiten her ist das Buch von Claudia Brosseder mit großem Gewinn zu lesen, denn es zeichnet die konkrete Geschichte einzelner Gelehrter und ihrer Ideen ebenso wie jenes übergreifende Spannungsfeld von universaler Geltung und heftiger Kritik, in das die Astrologie seit der Antike eingebunden ist.
DIETER BLUME
CLAUDIA BROSSEDER: Im Bann der Sterne. Caspar Peucer, Philipp Melanchton und andere Wittenberger Astrologen. Akademie Verlag, Berlin 2004. 429 Seiten, 64,80 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.07.2004

Schöne Kunst des Schicksal-Lesens

Wer sich mit der Renaissance beschäftigt, wird an der Astrologie nicht vorbeikommen. Man schlage nur die Künstlerbiographien Vasaris auf, und man wird die planetarischen Förderer oder Aufhalter einer Karriere so beschrieben finden, wie es die ältesten Lehren der Sterndeutung vorschreiben. Die Wiederentdeckung der Antike brachte auch die Götter ins Spiel, nun als Planetenherrscher. Aber waren sie denn je verschwunden? War Europa jemals wirklich ganz und ausschließlich monotheistisch? Deutet nicht alles auf einen Ausgleich zwischen der christlichen Lehre und der heidnischen Antike? Mußte die Kirche sich nicht mit den sieben Wochentagen abfinden, die in den romanischen Sprachen nach Planetengöttern benannt waren, für die in Nordeuropa die germanischen Götter eintraten?

Man muß noch weiter zurückgehen, um diese außerordentliche Stabilität des Sternglaubens zu verstehen. Die Astrologie ist der kleine, aufs Individuum "umcodierte" Rest einer älteren Anschauung, nach der, was auf Erden als Institution existiert, sich nach dem Himmel zur richten hat. Teilungen des Gemeinwesens in zwölf Gaue, wie sie Herodot aus Ägypten berichtet, oder in zwölf Stämme, wie die Bibel sie lehrt, geben einen Begriff von der tatsächlichen Gewalt dieser Gedanken. Von China bis ins westlichste Europa reicht diese kosmische Früh-Politik, und davor schon findet man Steinkreise oder Gegenstände wie die kürzlich aufgefundene Sternenscheibe von Nebra. Für die Person des Herrschers bedeutete diese Anschauung in vielen Weltgegenden (und in Japan im Grunde noch heute), daß man seine Herkunft auf die Sonne zurückführte. Verfassung, Religion und Kosmos waren einmal ein Kontinuum. Vielleicht gibt es sogar eine unausweichliche anthropologische Basis für diese Gedanken - Ovid jedenfalls glaubte, der aufrechte Gang sei dem Menschen deshalb gegeben worden, damit er den Sternenhimmel betrachten könne.

Die Astrologie in dem Sinne allerdings, der sich bis heute gehalten hat - also die Berechnung und Deutung eines individuellen Horoskops - ist eine vergleichsweise späte Entwicklung. Und einer ihrer Blütezeiten widmet sich die Dissertation von Claudia Brosseder. Sie hat einen kleinen, aber überaus ertragreichen Ausschnitt gewählt - Deutschland im sechzehnten Jahrhundert ("Im Bann der Sterne". Caspar Peucer, Philipp Melanchthon und andere Wittenberger Astrologen. Akademie-Verlag, Berlin 2004. 429 S., Abb., 64, 80 [Euro]).

Es war kein Geringerer als Philipp Melanchthon, der "Lehrer der Deutschen", der Freund Luthers, der große Stücke auf die Horoskopdeutung hielt, so daß man gar von einem "Melanchthon-Kreis" gesprochen hat. Claudia Brosseder faßt die ganze Breite der astrologischen Literatur und Praxis ins Auge, sie untersucht Freundeskreise, Bindungen an politische Aufgaben, medizinische Weiterungen des astrologischen Gedankens, konfessionelle Eigenheiten und Konflikte, auch engagierte Buchdrucker. In der Epoche, die sie untersucht, stand die Astrologie, was ihr öffentliches Ansehen betrifft, zum letzten Mal in höchstem Ansehen. Zwar ließen sich auch in jüngster Zeit Machthaber wie Ronald Reagan und Mitterrand von Astrologen beraten, aber die Beziehung zur Philosophie, auf die man im sechzehnten Jahrhundert noch bauen konnte, ist erst einmal dahin.

Was die Autorin mit diesem Buch geleistet hat, bedeutet für die Kulturgeschichte der Astrologie in Deutschland einen großen Schritt. Allerdings sei nicht verschwiegen, daß manche Einzelheiten schärfer hätten beleuchtet werden können. So ist die "Jahresrevolution" eben nicht unbedingt die Berechnung von Transiten, also planetarischen Übergängen über die Orte des Geburtshoroskops, sondern zunächst einmal die Berechnung des genauen Zeitpunktes, an dem die Sonne an den Ort zurückkehrt, den sie zum Zeitpunkt der Geburt innehatte - deshalb "Revolution" -, für den der Astrologe nun ein neues, auf ein Jahr gültiges Horoskop erstellte. Daß in der Praxis der Fürstenberatung, die Brosseder eindrucksvoll schildert, dann auch die Transite der anderen Himmelskörper einbezogen wurden, ist klar.

Manches aber bleibt rätselhaft und wird in der Darstellung einer Klärung nicht nähergebracht. Wenn der Astrologe Cnemiander dem Markgrafen Johannes von Küstrin Glück beim Reiten, beim Jagen und in der Religion verheißt, zudem "treume die nicht zuverachten", und dies aus den Planeten im "neinden hauß" ableitet, so folgt er schlicht der Tradition, die vom neunten, dem Jupiter zugeordneten Haus, ebendies behauptete. Ebenso wird man in einem anderen Horoskop, das Freunde unter den "Magistern, Kanzlern, Schreibern, Rechenmeistern, Mathematicos, Poeten, Kaufleuten" ankündigt, nicht nur ein Sammelsurium vermuten dürfen, sondern schlicht einen gutgestellten Merkur - denn die Planetenkinderbilder der Zeit geben just diese Berufe als von Merkur besonders protegierte an. So steht hinter dem kulturgeschichtlichen Überblick das Eindringen in die Sache ein wenig zurück.

Brosseder spricht von der notorischen Uneinigkeit der Astrologen, die im einzelnen zu deuten sei - aber einen Quadrat-Aspekt von Mars und Saturn wird dennoch keiner als glückliches Omen genommen haben, und wer eine Konjunktion von Venus und Jupiter vorweisen konnte, bekam vom Sterndeuter, gleich welcher Provenienz, wohl kaum eine schlechte Lebensprognose. Schließlich wird die Außenseiterrolle des Römers Manilius nicht akzentuiert. Manilius hatte versucht, die Lehre von den "Herrschern" der Zeichen ganz auf den römischen Kult umzustellen, man findet hier etwa Vulkan und Juno als Tierkreisherrscher, was sich im weiteren Verlauf nicht durchsetzte. Deshalb trifft es die Sache wohl nicht ganz, wenn man statt von qualitativen Unterschieden nur von einer "raffinierteren Technik" des Manilius spricht.

LORENZ JÄGER

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"'Im Bann der Sterne' liefert einen wichtigen Beitrag zur Kulturgeschichte der Astrologie. Es ist ein spannend zu lesendes und kenntnisreiches Buch über einen komplexen, bisher stark vernachlässigten Erkenntnisstand in der Frühen Neuzeit." Anne-Charlott Trepp in: Zeitschrift für Historische Forschung , 33.Band, 3/2006 "The thoroughly-researched, effectively presented analysis opens up new vistas for assessing the broad spectrum of scholarly endeavors that were taking place in 16. century Wittenberg." Kolb in: Archiv für Reformationsgeschichte, 2006