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The contributions of this volume aim at a new, evidence based approach to Jihadism studies. What is the structure of Jihadi online communication and the dissemination of operational material online? Which errors were made by conventional Jihadism research? Which programs, apps, etc. use Jihadis to further their online communication? Next to these questions the contributors discuss the evident inability to understand basic mathematical principles in conventional Jihadism research and consider a very important video as a case study of Jihadi online communication, stressing the linguistic and…mehr

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Produktbeschreibung
The contributions of this volume aim at a new, evidence based approach to Jihadism studies. What is the structure of Jihadi online communication and the dissemination of operational material online? Which errors were made by conventional Jihadism research? Which programs, apps, etc. use Jihadis to further their online communication? Next to these questions the contributors discuss the evident inability to understand basic mathematical principles in conventional Jihadism research and consider a very important video as a case study of Jihadi online communication, stressing the linguistic and theological shortcomings of conventional research. The volume is based on the understanding of theological elements as a vital part of Jihadi communication.
Autorenporträt
Dr. Rüdiger Lohlker ist Professor für Islamwissenwissenschaften an der Universität Wien. Seine Forschungsschwerpunkte sind modernes islamisches Denken, zeitgenössische islamische Bewegungen, Islam im Internet und islamisches Recht.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.10.2019

Nicht hauptsächlich religiöse Motive
Eine Analyse der Verlautbarungen des "Islamischen Staates" - und was man daraus lernen kann

Wenn ein spektakulärer Anschlag von Muslimen stattfindet, hebt immer wieder Rätselraten an: Waren Einzeltäter am Werk? War die Sache ferngesteuert? Was waren Hintergrund und Ziele des Anschlags? Viele sind schnell mit der Auskunft bei der Hand: aha, Dschihadismus! Und dann weiß man ja, mit wem man es zu tun hat: mit salafistisch inspirierten Islamisten ohne Skrupel bei der Anwendung von Gewalt. Mehr Gedanken macht man sich oft nicht, obwohl man den Vorgang keineswegs verstanden hat.

Anders dieses Buch. Es betont, man müsse das Phänomen tiefer verstehen, und es behauptet, man könne das auch. Dazu müsse man sich nur die intensive und geschickte Tätigkeit der Dschihadisten im Internet ansehen. Dabei erfasse man die Botschaft, die diese Leute vermitteln wollen, könne aber auch viel über ihre Operationsweise und die Kommunikation mit ihren Anhängern erfahren. Im Unterschied zu den meisten Journalisten, die sich auf die Lektüre der europäischsprachigen Texte der Organisationen beschränken, fordert dieses Buch, sich auf die arabischen Texte zu konzentrieren, denn darin komme das Selbstverständnis der Dschihadisten am reinsten zum Ausdruck. Dies müsse man ernst nehmen, gerade in seinen religiösen Aspekten, denn die Gruppen seien in erster Linie theologisch motiviert. Bei alldem solle man nicht nur den Gegensatz zum Westen, sondern auch regionale Auseinandersetzungen wahrnehmen.

Der so vertretene Anspruch wird in den analytischen Teilen des Buchs weitgehend eingelöst. Dabei kommt vieles in den Blick, das sonst übersehen wird, so zum Beispiel das "Schwarmverhalten" der Dschihadisten, das heißt die klare Trennung von Zentrale und Fußvolk verschwimmt. Einmal im Internet präsente Inhalte werden von den Anhängern sofort heruntergeladen und weiterverbreitet, was ihre nachhaltige Löschung durch Geheimdienste praktisch unmöglich macht; weiter die Kombination von globalem und regional fokussiertem Kampf. Es wird auch klar, wie eng in den Inhalten operationale Verhaltensweisen wie Kampfformen, Waffenkunde, Waffenbeschaffung und Sicherheit der Kämpfer mit ernsthafter religiöser Motivation verknüpft sind, wobei man immer auch versucht, sich in der islamischen Tradition beziehungsweise einem Strang der islamischen Tradition zu verankern. Was die Frage der Verbindung zwischen Zentrale und "ausführenden Organen" angeht, gibt es sowohl die Einzeltäter ("einsame Wölfe"), die sich nur von der Ideologie etwa des "Islamischen Staates" (IS) inspirieren lassen, wie auch zentral gesteuerte Aktionen.

Herzstück des Buchs ist die Präsentation und Analyse eines Propagandavideos des IS, "Salil as-Sawarim" (das Klirren der Schwerter) von Mai 2014, das enormes Echo fand. Hier finden sich Szenen, die man auch sonst aus der Propaganda des IS kennt: durch die Wüste jagende Pick-ups mit Bewaffneten, welche die rasche Eroberung weiter Landstriche andeuten sollen. Weiter werden anfeuernde Reden zweier Kämpfer gezeigt, dann eine Art Hymne des IS, eben "Salil as-Sawarim". Irakische Schiiten, in der Ideologie des IS Todfeinde des sunnitischen Islams, werden gejagt und getötet, "Agenten" (irakische Beamte unter der Regierung al-Maliki) "entlarvt" und ebenfalls umgebracht, all das mit der größtmöglichen Brutalität und ohne jede Schönfärberei in der Präsentation. Dagegen wird gezeigt, wie Sunniten, selbst solche, die den IS bekämpft hatten, begnadigt und integriert werden, wenn sie nur "rechtzeitig" Reue zeigen. Damit versucht der IS sich als wahren Vertreter aller Sunniten zu stilisieren. Noch seine härteste und grausamste Vorgehensweise wird immer wieder unter Berufung auf islamische Texte und Argumente gerechtfertigt und damit als wahre Humanität ausgegeben.

Alle diese Beschreibungen und Analysen sind plausibel und weitgehend richtig; sie tragen zu unserer Kenntnis des IS erheblich bei. Zweifellos ist es auch richtig, die religiösen Motive bei dieser Gruppe und ihren Kämpfern ernst zu nehmen. Man sollte sie aber nicht immer wörtlich nehmen. Ihr Eifer, ihre Kampfbereitschaft und ihre Mordlust speisen sich nicht hauptsächlich aus religiösen Motiven, wie hier unterstellt wird. Dass sie gerade diese mörderische Version des Islams auf ihre Fahnen geschrieben haben und dass sie bei ihrer Durchsetzung zeitweise so enorme Erfolge erzielt haben, muss anders erklärt werden. Entstehung und Siegeszug des IS im Irak verdanken sich weitgehend der Marginalisierung und Unterdrückung der sunnitischen Bevölkerung nach der amerikanischen Intervention und unter schiitischen Regierungen; seine Ausbreitung auf weite Teile Syriens war nur dank des dortigen Machtvakuums in der Folge der syrischen Rebellion möglich - und dank des Pragmatismus und der militärischen Fähigkeiten baathistischer ehemaliger Offiziere und Geheimdienstleute, die sich dem IS nicht aus religiösen, sondern aus politischen Motiven anschlossen, dann aber in ihm ein ideales Betätigungsfeld fanden. Es entstand ein Gebilde, in dem sich kompetente, pragmatische und skrupellose Machtpolitik mit einem radikalen islamistischen Selbstverständnis verband, das nicht nur der eigenen Schlagkraft diente, sondern auch der Akzeptanz bei vielen Muslimen weltweit, die sich in der heutigen Welt unterdrückt und marginalisiert sehen.

Das Buch ist an der Universität Wien entstanden, aber auf Englisch publiziert worden. Seine englische Sprache ist aber so fehlerhaft, dass man nur auf ein völlig fehlendes Lektorat schließen kann. Auch die Umschrift arabischer Titel und Begriffe ist in einigen Fällen falsch. Dass unsere Wissenschaftsverlage ein Lektorat offenbar zunehmend für entbehrlich halten, kann man nur bedauern.

ALEXANDER FLORES.

Rüdiger Lohlker (Hrsg.): World Wide Warriors. How Jihadis Operate Online.

V&R Unipress, Göttingen 2019. 197 S., 35,- [Euro].

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