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Ein glänzend geschriebenes Porträt des größten deutschen VerlegersIrma Nelles zeichnet das Psychogramm eines exzentrischen Mannes und visionären Journalisten, der von politischem Gestaltungswillen ebenso getrieben war wie von seiner Liebe zu Frauen und der Suche nach deren Nähe. Zugleich ist dieses Buch eine Sittengeschichte der Bundesrepublik und ihrer Medienlandschaft seit den siebziger Jahren."Mit herrlichen Anekdoten." Die WeltRudolf Augstein gilt als einer der größten Verleger der Bundesrepublik. Das von ihm gegründete Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL gehört bis heute zu den…mehr

Produktbeschreibung
Ein glänzend geschriebenes Porträt des größten deutschen VerlegersIrma Nelles zeichnet das Psychogramm eines exzentrischen Mannes und visionären Journalisten, der von politischem Gestaltungswillen ebenso getrieben war wie von seiner Liebe zu Frauen und der Suche nach deren Nähe. Zugleich ist dieses Buch eine Sittengeschichte der Bundesrepublik und ihrer Medienlandschaft seit den siebziger Jahren."Mit herrlichen Anekdoten." Die WeltRudolf Augstein gilt als einer der größten Verleger der Bundesrepublik. Das von ihm gegründete Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL gehört bis heute zu den einflussreichsten Medien des Landes. Irma Nelles hat Rudolf Augstein viele Jahre lang im beruflichen und privaten Leben begleitet. Sie zeichnet das intime Porträt eines mutigen Journalisten und zerrissenen Mannes, der engste Kontakte in die Welt der Politik wie der Künstler hatte. So ist dieses Buch ein Sittenbild der bundesrepublikanischen Mediengeschichte seit den siebziger Jahren, in der Genialität und Machismus gleichermaßen in Politik und Redaktionsstuben zu Hause waren."Ein mit viel Sympathie und Verständnis gezeichnetes Psychogramm." Frankfurter Rundschau
Autorenporträt
Nelles, Irma
Irma Nelles, geboren 1946, war viele Jahre lang zunächst Assistentin, später Büroleiterin von Rudolf Augstein. Sie lebt in der Eifel und in Griechenland.
Rezensionen
" [...] ein mit viel Sympathie und Verständnis gezeichnetes Psychogramm. " Frankfurter Rundschau, 23.03.2016
" Ein lesenswertes Buch. " Kurier Wien, 19.03.2016
" [...] schön aufgeschrieben, streckenweise sogar glänzend. " Neues Deutschland, 15.03.2016
" [Irma Nelles] schreibt ihre Erinnerungen in einer Nüchternheit auf, die einen stärker trifft als jede Emotionalität [...] " Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 28.02.2016
" [Eine] eigenwillige[...] Hommage [...]. [...] angenehm lakonisch geschildert [...] " Lutz Hachmeister, Frankfurter Allgemeine, 26.02.2016
" [...] das ist der Rücklick auf 30 Jahre lang Zusammenarbeit mit dem Spiegel [...] " WDR3 Mosaik, 24.02.2016
" [...] sehr persönliche[...] Erinnerungen [...] " Westfälische Nachrichten, 17.02.2016
" [...] ausführlich und interessant [...] " Wilfried Mommert, dpa, 16.02.2016
" [Irma Nelles] zeichnet das intime Porträt eines mutigen Journalisten und zerrissenen Mannes [...] " Der Freitag, 15.02.2016
" Irma Nelles [...] gibt dem Helden des investigativen Journalismus ein sehr menschliches Antlitz. " Mittelbayerische Zeitung, 13.02.2016
" In [Irma Nelles] Buch wird [Rudolf Augstein] zu einer wunderbaren literarischen Figur [...] Das muss unbedingt ein Film werden. " Süddeutsche Zeitung, 13.02.2016
" [Irma Nelles] bringt die Leser nah heran an den Mann, der getrieben war von journalistischem Instinkt und politischem Gestaltungswillen [...] " Der Tagesspiegel, 07.02.2016
" Es finden sich herrliche Anekdoten im Buch. " Die Welt, 06.02.2016
" [Dieses Buch] bringt den Menschen Rudolf Augstein nahe, mit seinen Stärken und Schwächen. " Leipziger Volkszeitung, 05.02.2016
" [...] ein Buch, von dem Augsteins beste Seiten, sein Witz, seine philosophische Weltsicht und seine Freude an der Improvisation in Erinnerung bleiben. " Literatur SPIEGEL, 30.01.2016
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Lutz Hachmeister ist sich sicher, mit Irma Nelles haben Rudolf Augstein und der Spiegel Glück gehabt. Dass die ehemalige Büroleiterin Augsteins blendend schreiben kann, ohne elogenhafte Züge, aber auch ohne Ranküne gegen den immer wieder übergriffigen Chef, rechnet er ihr hoch an. Wenn Nelles dennoch drastische Momente nicht auslässt, liegt das eher an den Tatsachen, vermutet Hachmeister. Was Nelles aufschreibt, erscheint ihm als lakonisches Protokoll einer Betreuungsarbeit auch autobiografisch. Das Einflechten der "Spiegel"-Geschichte findet Hachmeister gelungen. Die Themen Alkohol und Männerbündisches scheinen ihm wichtig und am richtigen Platz zu sein, auch wenn Nelles hier nicht systematisiert, wie der Rezensent schreibt.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.07.2016

Sonnenseiten
dieses
Lesesommers
Für alle, die noch nicht wissen, welches
Buch sie in den Urlaub mitnehmen sollen –
hier die Empfehlungen der SZ-Redaktion
für Strandtasche, Rucksack und Reisekoffer.
21 Antworten auf die Frage:
Was soll ich lesen?
Die Botschaft des
Wächters
Als junger Anwalt verteidigt er einen Schwarzen, der wegen Vergewaltigung angeklagt ist, und zieht damit Wut, Spott und Verachtung der ganzen Stadt auf sich. Nur seine Tochter „Scout“ bewundert ihn für seinen Mut. Doch als sie zwanzig Jahre später von New York in ihre Heimat nach Alabama zurückkehrt, entdeckt sie in ihrem Vater Atticus Finch plötzlich einen kleinkarierten, verbissenen Rassisten. Wer nach den tödlichen Schüssen von Falcon Heights, Baton Rouge und Dallas versucht, den Rassenhass in den Vereinigten Staaten aus der Geschichte des Landes heraus zu verstehen, liest unruhig und fasziniert „Gehe hin, stelle einen Wächter“. Das Buch, das fast fünfzig Jahre lang verschollen war und erst 2014 wiederentdeckt wurde, erzählt vom alltäglichen Rassismus in den Südstaaten der Fünfzigerjahre und knüpft an Harper Lees Welterfolg „Wer die Nachtigall stört“ von 1960 an, der lange für ihr einziges Werk gehalten wurde. Verstörend, witzig, ernst, kurzweilig – alles auf einmal ist dieser Roman. Wunderbar, dass das „Wächter“-Manuskript kurz vor Harper Lees Tod in diesem Frühjahr noch gefunden wurde.
 WOLFGANG KRACH
Vom Dandy zum
Kriegsgegner
Dieses Buch ist hundert Jahren alt und doch zum Fürchten aktuell. Es ist
leidenschaftlich, es ist humorvoll, es ist zum Verzweifeln; es ist menschlich. Der junge katalanische Journalist Agusti Calvet (1887 – 1964), er nennt sich Gaziel, reist im Auftrag seiner Zeitung in den Krieg, nach Griechenland und weiter nach Serbien; er reist durch das zerfallende Osteuropa. Er berichtet dabei genau von den Gespenstern, die heute wieder wach geworden sind. Sein Tagebuch erzählt vom Wahn, „die Erde als parzellierte Landkarte zu betrachten und in jedes Feld stolze oder einfach nur wohlklingende Namensschilder zu stecken“. Es berichtet von den Flüchtlingen auf der Balkanroute des Jahres 1915: „Nichts hat mich so erschüttert wie diese Scharen von Bauern, halbnackt, in Lumpen
gekleidet, die aus ihrer Heimat gejagt wurden wie menschlicher Abfall“.
Gaziel, der ein koketter Dandy war und auf dieser Reise ein klarsichtiger Kriegsgegner wurde, schildert eine Welt vor dem Untergang. Sein Buch „Nach Saloniki und Serbien“ ist nun erstmals auf Deutsch erschienen. Statt neuer Badelatschen kaufe man sich dieses Buch. HERIBERT PRANTL
Eisblumen
der Liebe
Im Sommer ein Buch über Franz Schuberts „Winterreise“ zu lesen, ist gar nicht abkühlend, denn in diesem Zyklus von 24 Liedern geht es schließlich um die Liebe eines Zurückgewiesenen. Er wandert fort, durch schneeknirschende Landschaften, schreit seine Gefühle hinaus und wispert sie in sich hinein. Selbst wer Wilhelm Müllers von Schubert vertonte Gedichte auswendig kann, wird sie ganz neu hören und sprechen, wenn er Ian Bostridges Buch gelesen hat. Bostridge ist Historiker, aber auch ein großer Liedsänger, weshalb er nicht nur Schuberts Welt und Zeit beleuchten und die Deutungslinien bis in die Gegenwart ziehen kann, er tänzelt auch zwischen Malerei, Literatur, Musik und den Naturwissenschaften so leichtfüßig hin und her, dass es eine Wonne ist. RENATE MEINHOF
Der Tod
steht ihr gut
Ein Buch über den Tod – nein, kein Krimi – als Sommerlektüre? Jawoll, geht. Denn mit Leichen kann man viel erleben. Und lernen kann man von ihnen noch mehr. Die Autorin dieser „Lektionen aus dem Krematorium“, Caitlin Doughty, ist erst 23 – jung, schön und gebildet. Dass sie zudem über warmherzigen Witz verfügt, kann man auch auf ihrem Youtube-Kanal sehen: „Ask A Mortician“ hatte in den USA schon Kultstatus, bevor sie ihre Erfahrungen als Einäscherungsgehilfin niederschrieb. Ihr Buch ist klug und unterhaltsam wie eine gute Tragikomödie. Keiner muss Angst haben, in diese Seiten des Lebens einzutauchen. 
SUSANNE HERMANSKI
Die große Stadt
als Schicksal
In einer Zeitung findet George Baldwin die Meldung, dass es am Bahnübergang Eleventh Avenue wieder einen Unfall gegeben habe, ein Milchkutscher wurde verletzt. Daraus ließe sich doch, denkt der junge Anwalt, dem es an Mandanten fehlt, „eine hübsche kleine Schadenersatzklage“ machen. Er findet die Familie des Kutschers McNiel, beginnt eine Affäre mit dessen Frau, erstreitet eine stolze Entschädigungssumme. Der Milchmann steigt auf, wird Gewerkschaftsführer, der Anwalt hat Erfolg und findet doch nirgends richtig Halt. Dies sind nur zwei von vielen Lebensläufen, die John Dos Passos in seinem New-York-Panorama erzählt und durcheinanderwirbelt. „Manhattan Transfer“ erschien 1925 und machte den Autor sofort berühmt. Die Fülle der Schauplätze, Charaktere, Perspektiven, die Technik der Montage, das Spiel mit Tonfällen, der Appell an den Voyeurismus des Lesers – alles dient der Schilderung der großen Stadt zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Sie ist das Schicksal und gleichgültig gegenüber den Schicksalen ihrer Bewohner. Dirk van Gunsteren hat „Manhattan Transfer“ neu übersetzt: eine Einladung, sich lustvoll zu verlieren, in der Stadt und im Roman. 
JENS BISKY
Die feinen
Unterschiede
Ein Vater stirbt. Ein Sohn macht sich auf die Suche. Was nach einem Roman- oder Filmanfang klingt, ist der autobiografische Kern eines unglaublich spannenden und bestürzend aktuellen soziopolitologischen Sachbuchs: Didier Eribon, kosmopolitischer, schwuler Pariser
Soziologe, hatte mit seiner homophoben Familie radikal gebrochen. Mit über fünfzig kehrt er erstmals in seine Heimatstadt Reims zurück, sucht, mit der Mutter das Fotoalbum durchgehend, nach Spuren seiner proletarischen Kindheit. Eine Studie über Herkunftsverleugnung, sexuelle und soziale Scham und die alles entscheidenden feinen Unterschiede in der französischen Elite. Ein autobiografischer Text, der sehr diskret und nie narzisstisch ist. Vor allem aber findet Eribon, als er sich in Reims umsieht, eine politisch verwüstete Landschaft vor: Die einfachen Arbeiter, die früher im Kollektiv links gewählt haben, sind nun, jeder für sich, zum Front National gewechselt. Aus „Notwehr“, wie
Eribon konstatiert: Die unteren Schichten versuchen so, ihre Lebensdemütigungen zu kompensieren. Beunruhigend und aufschlussreich in Zeiten von Brexit und Populismus. ALEX RÜHLE
Mit einem Fauchen
im Herzen
Elf Jahre nach ihrem Tod 2004 wurde sie – nein, nicht wiederentdeckt, dazu war sie zu unbekannt, sondern überhaupt erst entdeckt als die wohl beste amerikanische Erzählerin ihrer Generation. Eine Auswahl der rund achtzig Shortstorys, die Lucia Berlin geschrieben hat, erschien 2015 in den USA und wurde zum Bestseller. Antje Rávic Strubel hat den Band nun ins Deutsche übersetzt. Es sind harte, lakonische Geschichten aus den Eingeweiden Amerikas, literarische Polaroids von Frauen, die nah am Abgrund balancieren und sich umso fester ans Leben krallen: mit grimmigem Humor und „einem heftigen Fauchen im Herzen“. Große Absturz-
Literatur! CHRISTOPHER SCHMIDT
Kein Ende
ohne Anfang
Die Britin Jane Gardam ist fast 90 Jahre alt, sie hat bereits 25 Bücher geschrieben, doch rätselhafterweise erschien erst im vergangenen Jahr „Ein untadeliger Mann“ auf Deutsch. Es erzählt die Lebensgeschichte eines Anwalts, der London verlässt, um in Hongkong Karriere zu machen – von seiner Jugend, Karriere und Liebe. All das wird vom Ende her betrachtet, man lernt „Old Filth“ (F.i.l.t.h. für „Failed in London try Hongkong“) als alten, schrulligen, also sehr klassischen Briten kennen. Sein Leben ist fast vollendet, und Old Filth blickt zurück, während er sich die letzten Meter vorwärts bewegt. Seine Frau ist gestorben, wird aber in seinen Erinnerungen lebendig. Ihre gleichzeitige An- und Abwesenheit ist ein Hauptmotiv des Romans. Von den ersten Zeilen an schwingt Bedauern mit, das von Seite zu Seite mehr ans Herz geht
– und doch nie in den Kitsch rutscht. Aber die ganz große Erzählkunst entfaltet sich in der Verschränkung von gestern und heute, darin, wie Jane Gardam im perfekten Rhythmus die Handlungsebenen wechselt. Und so melancholisch das Buch beginnt, so tröstlich endet es, auch wenn alles auf das Unvermeidliche hinläuft.
 DAVID PFEIFER
Im Vorzimmer
der BRD
Irma Nelles lernte Rudolf Augstein im Jahr 1973 kennen, sie hatte gerade als Sekretärin im Bonner Büro des Spiegel angefangen. Nelles ist eine junge Frau, seit ein paar Jahren verheiratet, Mutter von zwei Kindern und reichlich gelangweilt von ihrem Lebensentwurf. Zwischen Augstein, dem Herausgeber des berühmten Hamburger Nachrichtenmagazins, und der Sekretärin Nelles entwickelt sich in den folgenden Jahren eine Freundschaft, die einem oft sehr wunderlich erscheint. Viele Jahre später wird sie seine Büroleiterin – und beschreibt in ihrem Buch auf wunderbar sensationslose Weise einen der mächtigsten deutschen Journalisten. KATHARINA RIEHL
Warum es besser ist,
ein Offizier zu sein
Krieg ist furchtbar, mörderisch, absurd. Krieg kann aber auch komisch sein,
zumindest in der Literatur. Evelyn Waugh, geboren 1903 in London, im Juni 1966, also vor fünfzig Jahren, gestorben, war ein garstiger englischer Oberklasse-Intellektueller mit der Gabe, alles zu verspotten, auch sich selbst. Der Diogenes-Verlag legt seine Bücher neu auf, darunter das bewundernswerte „Ohne Furcht und Tadel“, ein dicker, enorm lesenswerter, nachgerade kurzweiliger Wälzer aus drei Teilen (erstmals erschienen in den Jahren 1952, 1955 und 1961). Es ist der autobiografisch unterfütterte Roman über die Kriegsjahre des Guy Crouchback, der dem Empire zwischen 1940 und 1945 unter anderem auf Kreta, in Ägypten und in Jugoslawien dient. Das Empire wiederum tritt Crouchback in Form heldenhafter oder grotesker, feiger oder überbürokratisierter Kameraden entgegen, die ihm das Leben meistens schwerer machen als die Deutschen. Man lernt in dieser Trilogie unter anderem, wie man nicht lieben sollte, warum es besser ist, ein Offizier zu sein, und wie man den Krieg gewinnt, obwohl das
Leben entweder langweilig oder gefährlich ist. KURT KISTER
Kraft der
Knappheit
Ein 16-Jähriger, der sich auf den Weg macht, nur weg von der Brutalität des Vaters und den Schrecken der Schule.
Ein alter Mann, der nach dem Tod der Tochter sein bürgerliches Leben hinter sich gelassen hat und als Penner in einem Bahnwagen vegetiert. Ein Mädchen, das nachts bei McDonald’s putzt, um seinem reichen Elternhaus zu entkommen. Sie alle treffen sich in einem kleinen Kaff in Australien, und sie werden sich gemeinsam aus Einsamkeit, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit retten. Trotz des berührenden Happy Ends schließt die Knappheit der lyrischen Sprache Steven Herricks jede Sentimentalität aus.
ROSWITHA BUDEUS-BUDDE
Manneskraft aus
der Savanne
Ein halbes Jahr war der junge Biologe Léo Grasset 2013 in der Savanne, im Hwange-Nationalpark in Simbabwe; von den Erfahrungen und Erkenntnissen dort erzählt er in „Giraffentheater“. Es ist eine fröhliche, gleichwohl dreckige Wissenschaft, die gern von der unerwarteten Seite her ihren Anlauf nimmt. „Der Honigdachs ist bekannt dafür, dass er, wenn er große Tiere angreift, vor allem auf deren Hoden losgeht.“ Aber auch: „Es heißt, er könne die Bedürftigen heilen: Ein Blick auf einen Honigdachs genüge, um wieder zu Stärke und Manneskraft zu finden.“ „Dirty Biology“ heißt Grassets Blog im Internet, irgendwie dreckig, trickreich, fies. FRITZ GÖTTLER
Fallen für Ratten,
Wölfe, Träume
Es gibt jede Menge unvergessliche Gestalten, den anarchischen Mo zum Beispiel, der noch jedes Eiapopeia-Menschenrechtsmeeting unterwandert, stiehlt, lügt und mit schlechten Antikriegsbildern dealt. Oder den Fallensteller aus der Titelgeschichte, der Fallen für alles hat, für Ratten, für Wölfe, auch für Träume. Oder aber auch den Laien-Zauberer aus dem Sägewerk, der mit stiller Entschlossenheit vor einem gnadenlos abgelenkten Publikum sein Zauberdebüt gibt. Aber wer auch nur ein bisschen Sympathie für unsere Freunde aus dem Osten hat, der wird den Russen in sein Herz schließen, einen mäßig guten Billardspieler, die Zähne gebleicht, Lyrik auf den Lippen, ein Vieh, ein Zar, „der seine Schwächen nicht versteckt, wie miese Herrscher es tun.“ Der Russe gewinnt die Billardpartie, mit Glück, ist eben ein Spieler, wie alle Figuren in Saša Stanišićs Erzählungsband „Fallensteller“. Stanišić, der 1992 aus den Resten Jugoslawiens nach Deutschland kam, hat Geschichten mit doppeltem Boden geschrieben, glitzernd wie der Schnee in der Uckermark. Sein größter Trick aber ist: eine unbändige Lust auf diese sensationelle Nummernrevue, die Leben heißt.
 SONJA ZEKRI
Gestochen
scharfer Nebel
Ein Bettler spricht einen russischen
Exilanten in einem Pariser Park an,
irgendwann in den Zwanzigerjahren. Der Bettler bekommt zehn Francs, verneigt sich und geht davon, und dem Exilanten bleibt die Szene im Gedächtnis: „Die Aprilsonne neigte sich schon, und meine Phantasie – wie eine schlechte Uhr ging sie ein paar Minuten vor – ließ entlang des Gitters am Jardin du Luxembourg jenes Dämmerlicht aufkommen, das ein wenig später anbrechen sollte und zu der Zeit noch gar nicht angebrochen war.“ Mit großer Präzision wandelt in solchen Sätzen ein Erzähler zwischen dem, was ist, und dem, was sein könnte – aber nicht ist. Er ist ein Meister im Entwerfen von sprachlich genau erfassten, aber dann wie in Nebelgebilden verschwimmenden Beobachtungen, und so wie dieser Satz ist schließlich die ganze
Geschichte: Gaito Gasdanows erstmals 1947 publizierter Roman „Die Rückkehr des Buddha“ ist – wiederentdeckt wie das ganze Werk des russischen Exilautors, der mit „Das Phantom des Alexander Wolf“ (1948) berühmt wurde – eine Art Kriminalgeschichte, deren eigentliches Geheimnis in der Sprache verborgen ist. THOMAS STEINFELD
Mit Diana von
Oxford nach Athen
Irgendwer schlägt vor, einen Abstecher zum Balkan zu machen. Also brechen drei junge Engländer, die sich aus Oxford kennen, Anfang August 1925 zu einer Reise auf den Kontinent auf. Ihr Automobil nennen sie Diana. Die Route führt von Hamburg über Bayern, Österreich und Italien nach Athen. Den Reisebericht verfasst Robert Byron, der seinen Vorfahren, Lord Byron, nicht mag. Er gibt, mal klug, mal altklug plaudernd, Einblick in den lässigen Snobismus der Reisenden – und in ein Europa, das vom Weltkrieg gezeichnet ist. Am Ende entdeckt Byron etwas Unerwartetes: „das Bewusstsein, nicht nur Engländer zu sein, sondern auch Europäer“.
 LOTHAR MÜLLER
Ein falsches
Lächeln
Der Albtraum überfällt Frau, Mann und Kind: Die Zähne fallen aus – Grusel im Schlaf. Die aus Mexiko stammende Autorin Valeria Luiselli hat das Gegenmittel auf den Markt gebracht, ein valentineskes Buch mit dem Titel „Die Geschichte meiner Zähne“. Das Werk ist auch Lesern zu empfehlen, die nie Albträume haben: Gustavo Sánchez ist ein erfolgreicher Auktionator, braucht aber ein neues
Gebiss. Er versteigert seine alten Zähne (und zwar als die von Platon, Montaigne, Rousseau) und besorgt sich neue, angeblich die von Marilyn Monroe. Valeria Luiselli hat eine traumhaft verrückte, lustige Geschichte geschrieben. Wer sich in der Literatur auskennt, wird doppelten Spaß haben. FRANZISKA AUGSTEIN
Sound des
Lebens
Zu den schönsten Momenten des Urlaubs gehört die Frage: Mit welchem Buch fange ich an? „Auerhaus“ von Bov Bjerg macht es einem da leicht. Von der ersten Zeile an entsteht ein so eigener, wunderbarer Sound, dass man ihn kaum je vergessen wird. Sechs Freunde – Höppner, Frieder, Vera, Cäcilia, Harry und Pauline – alle im Abiturientenalter, wollen ihrem Elternhaus oder der „Klapse“ entkommen. Gemeinsam beziehen sie ein heruntergekommenes Haus in der schwäbischen Provinz und beginnen „ein richtiges Leben mit Aufstehen und Frühstückmachen, mit Essenbesorgen“ – und mit den drängenden Fragen, die auf Heranwachsende einstürzen. Sie lesen Comics, Philosophen, Psychologen und Suizidanleitungen. Es geht um Eifersucht, Liebe und Sex, um Klauen als Wissenschaft, um Drogen, vor allem aber um das wahre Leben, das auch ein jähes Ende finden kann. So wie der Autor Rolf Böttcher sich mit „Bov Bjerg“ ein Pseudonym zugelegt hat, das beste Rockmusik verheißt, so hat er mit diesem Roman eine große Komposition aus Wahrhaftigkeit, Melancholie und Lebenswitz erschaffen, die keinen Ton zu viel und keinen Gedanken zu wenig hat. HENDRIK MUNSBERG
Das Geheimnis
der Witwe
Kann es sein, dass eine Lüge zur Wahrheit wird, wenn man nur lange genug daran festhält? Die Lebenslüge als wahres Leben? Diese Frage steht im Zentrum des Thriller-Debüts „Die Witwe“ von Fiona Barton. Die Autorin hat jahrelang für die Daily Mail als Gerichtsreporterin gearbeitet, sie kennt sich – das merkt man dem Roman an – bestens mit jenen Gespinsten aus, die Tatverdächtige als Fakten ausgeben. Die will man jetzt unbedingt von eben jener „Witwe“ erfahren. Jean heißt sie, eine unscheinbare Frau, die durch ihren Mann Glen mit einem schlimmen Verbrechen in Verbindung gebracht ist: Mord an einem Kind. Jedenfalls verdächtigt die Polizei ihn dringend. Doch dann stirbt Glen. Sofort stürzt sich eine bellende Presse auf die Witwe, jetzt kann sie es ja sagen, ob ihr Mann der Mörder war. Was weiß sie? Doch Jean tischt die gewünschte Geschichte nicht auf, spricht nur einmal davon, dass mit dem Gattentod „der Blödsinn endlich ein Ende“ habe. Ist sie Komplizin? Dumm? Oder selber Opfer? Lügt sie raffiniert – oder macht sie sich etwas vor? „Die Witwe“ zieht reichlich Suspense aus diesen kunstvoll in der Schwebe gehaltenen Fragen. 
BERND GRAFF
Keiner tut gern tun,
was er tun darf
Bernd Cailloux erzählt in seinen Büchern von den sogenannten wilden Jahren. Wäre man selbst ein wildes Jahr, würde man sich allerdings über Cailloux ärgern, denn er nimmt dem Leser die Illusion, früher sei alles toller gewesen. Jetzt hat der gloriose Erzähler Cailloux ein kleines Buch mit Haschisch-Geschichten gemacht. Aber für die blanken Hedonisten ist das nichts: Es geht um die verstohlenen Momente der Jugend, um die Sorge, entdeckt zu werden, um die Lächerlichkeit sowieso. Am Schluss kriegen die Legalisierungs-Spießer zum Glück auch noch eine rein: Haschischrauchen ist Abenteuer, sagt Cailloux, und muss deshalb verboten bleiben.
 HILMAR KLUTE
Deutsch lernen
mit den Schlümpfen
Diese Geschichtensammlung hat alles, was ein Strandbuch braucht: Sie ist kurz, kurzweilig, hat einen sommerlichen Umschlag, und lustig ist sie auch. Was allein schon als Leistung der 1984 geborenen syrischen Autorin Rasha Abbas gelten kann. Schließlich schreibt sie in „Die Erfindung der deutschen Grammatik“ über ein Thema, bei dem man eher Schwermut erwartet. Die meist ins Surreale überzogenen Ich-Texte handeln vom Ankommen als Geflüchtete in Deutschland. Mit einer Mischung aus Renitenz und Erfindungsreichtum nähert sich die Heldin ihrer neuen Heimat. Um Deutsch zu lernen, schaut sie die Schlümpfe. Und Behördengänge meistert sie im Computerspiel-Modus. 
VERA SCHROEDER
Immer dem
Milky Way folgen
Zum Überleben braucht der Mensch vier Dinge: Wasser, Essen, Wetterschutz und Wärme. Mehr nicht. Bekommt er dann mal ein Milky Way zwischen die Zähne, kann das pures Glück bedeuten – „wildes körperliches Glück“, ausgelöst durch einen Schokoriegel. Auch die Wonne einer warmen Dusche nach wochenlangem Marsch durch die Mojave-Wüste oder das Sierra-Nevada-Hochgebirge gehört zu dieser Sorte Glückserfahrung, wie sie Christine Thürmer in „Laufen. Essen. Schlafen.“ beschreibt, ihrem sehr anschaulichen Erfahrungsbericht als Langstreckenwanderin auf den drei
großen amerikanischen Hiking-Trails zwischen Mexiko und Kanada. Einst eine knallharte Unternehmenssaniererin mit Sekretärin und Dienstwagen, brach die Geschäftsfrau 2004, nachdem ihr selber gekündigt worden war, zu ihrem ersten Trip auf – allein. Wie sich die Fränkin als „German Tourist“ einen Namen erwandert in der Szene der „Thru-Hiker“, wie sie insgesamt 12 700 Kilometer zu Fuß zurücklegt und dabei Wind und Wetter, Moskitos und Bären trotzt, ist ein Abenteuer, dem man gerne folgt – vor allem, wenn man sich dabei entspannt zurücklehnen kann. 
CHRISTINE DÖSSEL
Harper Lee:Gehe hin,
stelle einen Wächter.
Roman. Aus dem Englischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann.
DVA Verlag, München 2015,
320 Seiten, 19,99 Euro.
    
    
      
            
  
  
  
Gaziel: Nach Saloniki
und Serbien. Eine Reise in den Ersten Weltkrieg. Berenberg Verlag,
Berlin 2016.
272 Seiten, 25 Euro.
Ian Bostridge:
Schuberts Winterreise. Lieder von Liebe und Schmerz. Aus dem
Englischen von Anabel Zettel. Verlag C.H. Beck, München 2015.
405 Seiten, 29,95 Euro. E-Book 24,99 Euro.      
   
        
Caitlin Doughty: Fragen Sie ihren Bestatter.
Lektionen aus dem
Krematorium. Aus dem Englischen von Sky
Nonhoff. Verlag C.H.
Beck, München 2016.
270 Seiten, 19,95 Euro. E-Book 15,99 Euro.
John Dos Passos:
Manhattan Transfer.
Roman. Aus dem
Englischen von Dirk
van Gunsteren. Rowohlt
Verlag, Reinbek 2016.
544 Seiten, 24,95 Euro. E-Book 21,99 Euro.     
  
        
              
    
  
  
Didier Eribon: Rückkehr nach Reims. Aus dem
Französischen von Tobias Haberkorn. Suhrkamp
Verlag, Berlin 2014.
240 Seiten, 18 Euro.
                  
       
Lucia Berlin: Was ich
sonst noch verpasst
habe. Stories. Aus dem
Englischen von Antje
Rávic Strubel.
Arche Literatur Verlag, Zürich 2016. 384 Seiten, 22,99 Euro.
              
    
Jane Gardam:
Ein untadeliger Mann. Roman. Aus dem
Englischen von Isabel Bogdan. Carl Hanser
Verlag, München 2015.
352 Seiten, 22,90 Euro. E-Book 16,99 Euro.
                
      
  
Irma Nelles:
Der Herausgeber.
Erinnerungen an Rudolf Augstein. Aufbau Verlag, Berlin 2016. 320 Seiten, 22,95 Euro
E-Book 16,99 Euro
Evelyn Waugh:
Ohne Furcht und Tadel.
Aus dem Englischen
von Werner Peterich.
Diogenes Verlag,
Zürich 2016.
992 Seiten, 29 Euro,
E-Book 25,99 Euro.
      
Steven Herrick: Wir
beide wussten, es war was
passiert. Aus dem Englischen von Uwe-Michael Gutzschhahn.
Thienemann-Esslinger Verlag, Stuttgart 2016.
208 Seiten, 14,99 Euro. E-Book 11,99 Euro.
Léo Grasset: Giraffentheater.
Anekdoten aus der Savanne. Aus dem Französischen
von Till Bardoux. Klaus
Wagenbach Verlag, Berlin 2016. 144 Seiten, 17 Euro.
          
      
      
  
    
Saša Stanišić: Fallensteller. Erzählungen. Luchterhand Literaturverlag, München 2016. 288 Seiten, 19,99 Euro. E-Book 15,99 Euro
Gaito Gasdanow:
Die Rückkehr des Buddha. Roman. Aus dem
Russischen von Rosemarie Tietze. Carl Hanser Verlag,
München 2016.
224 Seiten, 19,90 Euro. E-Book 15,99 Euro.
              
              
    
    
    
Robert Byron: Europa 1925. Aus dem Englischen von Peter Torberg. Die Andere Bibliothek, Berlin 2016.
360 Seiten, 42 Euro.
Valeria Luiselli: Die
Geschichte meiner Zähne. Aus dem Spanischen
von Dagmar Ploetz.
Verlag Antje Kunstmann, München 2016.
192 Seiten, 18,95 Euro. E-Book 16,99 Euro.
    
    
  
            
Bov Bjerg:Auerhaus. Roman. Blumenbar
im Aufbau Verlag,
Berlin 2015. 240 Seiten,
18 Euro. E-Book
13,99 Euro.
Fiona Barton: Die Witwe. Ein liebender Ehemann oder ein kaltblütiger
Mörder . . . Was weiß sie wirklich? Roman.
Wunderlich Verlag,
Reinbek 2016.
432 Seiten, 16,99 Euro. E-Book 14,99 Euro.
                
      
      
 
   
Bernd Cailloux:
Surabaya Gold – Haschischgeschichten. Suhrkamp Verlag, Berlin 2016. 139 Seiten, 10 Euro.
Rasha Abbas: Die Erfindung der deutschen Grammatik. Kurzgeschichten. Aus dem Arabischen von Sandra Hetzl. Orlanda Frauenverlag, Berlin 2016. 160 Seiten, 12,50 Euro. E-Book 3,99 Euro.
          
Illustration: Tina Berning
        
      
                  
Christine Thürmer: Laufen. Essen. Schlafen. Eine Frau, drei Trails und 12 700 Kilometer Wildnis. Malik Verlag, München 2016.
288 Seiten, 16,99 Euro. E-Book 12,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.02.2016

Wie wär es denn mit zweimal in der Woche?
Alkohol, Männerbünde, Propagandaexperten: Irma Nelles erinnert sich an den "Spiegel"-Herausgeber Rudolf Augstein

In ihrer eigenwilligen Hommage an den "Spiegel"-Herausgeber Rudolf Augstein (1923 bis 2002) erspart Irma Nelles dem Leser wenig: "Er sei so entsetzlich einsam, murmelte er wieder und etwas wie, wir sollten jetzt endlich fieken." Das war 1982 im geschichtsträchtigen Rheinhotel Dreesen, Augstein hatte etwas Haschisch geraucht und sich unvermittelt nackt ins Bett gelegt, und Irma Nelles wunderte sich, warum er "fieken" statt "ficken" gesagt hatte. Sie wehrte das Ansinnen ihres Chefs mit der Entgegnung ab, sie habe einen festen Freund in Bonn.

Irma Nelles war über lange Jahre die Büroleiterin Augsteins, und sie begleitete den alkoholkranken Über-Publizisten bis in den Tod. Ihre Monographie ist nicht, wie man befürchten könnte, eine Eloge auf den national-libertären Starjournalisten, aber auch keine privatistische Ansammlung von saumseligen Anekdoten. Vielmehr schreibt Nelles das Protokoll einer mitunter sehr duldsamen Betreuungsarbeit und auch ein Stück weit ihre eigene Autobiographie.

Geboren kurz nach dem Zweiten Weltkrieg als Tochter eines katholischen Pfarrers in Nordfriesland, heiratet sie im Alter von zweiundzwanzig Jahren und zieht mit ihrem konservativen Ehemann nach Bonn. Schon im Elternhaus zirkuliert der damals verruchte "Spiegel", der Vater meint: "Dieser Augstein ist der intelligenteste Kopf, den ich kenne"; der Tochter, die den frühen "Spiegel" zu Recht "kompliziert und schwer zu verstehen" findet, scheint der junge Augstein "eine Art Meisterdetektiv Kalle Blomquist zu sein".

Nach 1968 hat Nelles, inzwischen Mutter von zwei Kindern, das Gefühl, in ihrem "verblassenden Familienidyll" etwas verpasst zu haben; sie bewirbt sich auf eine Anzeige im Bonner "General-Anzeiger" - der "Spiegel" sucht eine "junge Nachwuchssekretärin". Sie fremdelt in ihrer Ehe - die Scheidung folgt bald -, aber die Welt des Bonner "Spiegels", wo whiskeytrinkende Männer in ihren "Zellen" an Stilsorten wie Aufgalopp, Erzähle, Schlussapotheke oder bahnbrechender Enthülle arbeiten, kommt ihr auch zunehmend komisch vor.

Augstein selbst hatte sie 1973 kennengelernt, als der mit gechartertem Lear-Jet zur Stippvisite in die hauptstädtische Dependance kam. Bis dahin hatte sie die "Spiegel"-Redakteure als "ganz und gar nicht autoritätshörig erlebt", im Angesichts des mythischen Chefs war es anders: "Jetzt schien der liebe Gott persönlich vor der Tür zu stehen. Angst machte sich breit." Nelles wunderte sich auch, wie Augstein seine damalige Ehefrau Gisela Stelly, die aussah wie ein Filmstar, brüsk in die Frauenecke verwies: "Du kannst dich ja hier dazusetzen und dich mit den Frauen unterhalten."

Nach drei Jahren Sekretärinnenarbeit kündigt Nelles, und beginnt ein Lehramtsstudium, bleibt dem "Spiegel" aber vertretungshalber verbunden. Ende Mai 1978 kommt es zu einer entscheidenden Begegnung, als sie von Augstein in dessen Villa an der Côte d'Azur eingeladen wird. Nachbarin: Brigitte Bardot. Hier trifft Nelles auf einen der wenigen Lebensfreunde Augsteins: Henri Regnier, den profilierten Unterhaltungschef des Norddeutschen Rundfunks, der wiederum mit Antonia Hilke verheiratet ist, der bekannten Fernseh-Modejournalistin.

Das Ehepaar Regnier macht sich Sorgen um den manisch-depressiven, sprunghaften und dem "Donjuanismus" verfallenen Publizisten und legt Nelles nahe, sich intensiver um Augstein zu kümmern. Daraus wird dann die mitunter bizarre, von zahlreichen Erregungszuständen und abrupten Trennungen gekennzeichnete Beziehung, die in diesem Buch angenehm lakonisch geschildert wird. Nelles schiebt zwischen die szenischen Beschreibungen immer wieder längere Passagen, in denen Augstein ihr bei Wanderungen und Spaziergängen die Geschichte des "Spiegels", seine Jugend in Hannover, Heidegger und Nietzsche erklärt.

Man kann daran zweifeln, ob sich das wirklich so abgespielt hat, aber immerhin entsteht so ein ziemlich stimmiges "Spiegel"-Bild, über das zunehmend erratische Augstein-Verhalten hinaus. Der "Spiegel"-Herausgeber lässt im Übrigen, trotz seiner zahlreichen Ehen und Amouren, nicht locker und bietet Nelles eine Art Vereinbarung über "zweimal in der Woche" an, was sie wiederum zurückweist.

Nelles, seit 1984 Leserbrief-Redakteurin in der Hamburger "Spiegel"-Zentrale, wohnt eine Zeitlang in Augsteins leerstehender Villa am Leinpfad, sie wird schließlich sein "Puffer", seine "Übersetzerin", sein "Katalysator". Wir erfahren einiges über die Entziehungskuren Augsteins, etwa in Kalifornien, über seine Geringschätzung von neuen deutschen Filmregisseuren wie Wim Wenders oder Volker Schlöndorff oder über die Berufung von Stefan Aust als "Spiegel"-Chefredakteur, die Augstein gegen die berüchtigte "Mitarbeiter KG" durchsetzt, indem er mit vollständigem persönlichen Rückzug nach Südfrankreich droht. Da fürchten die hochbezahlten Mitarbeiter dann doch, alleingelassen zu werden.

Die Grundthemen des Buchs sind Alkohol und die männerbündische, paramilitärische Atmosphäre in der "Spiegel"-Journalistik. "Er tycoonisierte", schreibt Nelles häufiger über den Habitus des Herausgebers, und: "Kollegen" waren "Kameraden", wie an der Ostfront vor 1945.

Wie wir heute wissen, verdankt der "Spiegel" seinen singulären publizistischen Erfolg in Deutschland vor allem drei Faktoren: der Formatvorgabe durch die deutsch-britisch-jüdischen Besatzungsoffiziere, die den Ur-"Spiegel" ("Diese Woche") zusammenklebten, Augsteins außergewöhnlicher politischer Konzeptionskraft - mit der eisern durchgehaltenen Idee eines neuen Deutschlands als Zentralmacht im Nachkriegs-Mitteleuropa -, und der Akquise von Spezialkräften aus den einstigen Propaganda-Kompanien der Wehrmacht (PK) oder dem "Sicherheitsdienst des Reichsführers SS" (SD). Letztere stellten wertvolle "Story"-Verbindungen zur Geheimdienst-Sphäre her, etwa zur "Organisation Gehlen".

Nelles systematisiert solche Erkenntnisse nicht, aber das ist auch nicht Sinn und Zweck ihres autobiographischen Versuchs. Die Bürochefin über die letzte Lebensphase Augsteins: "Wie von regelmäßig wiederkehrenden Schlagschatten getroffen, schien ihn sein Gehirn mit vergangener Qual zu erregen. Manchmal stieß er leise die Namen Hitler, Goebbels oder auch Himmler hervor." Das Schlimmste war für ihn der Gedanke an die "Vergeblichkeit" des eigenen publizistischen Willens zur Wirkung, aber er sei doch in diesen Monaten und Wochen "ein heiterer, in sich gekehrter scheuer Mann" gewesen.

Noch 1959 hatte mit Horst Mahnke ein ehemaliger SS-Stratege Augsteins Büroleiter werden sollen, durchaus mit dessen Zustimmung. Es kam dann anders, und Irma Nelles war später die erste Frau in diesem Amt. Mit ihr hat der "Spiegel" Glück gehabt, Und Rudolf Augstein sicherlich auch.

LUTZ HACHMEISTER.

Irma Nelles: "Der Herausgeber".

Erinnerungen an Rudolf Augstein.

Aufbau Verlag, Berlin 2016. 320 S., geb., 22,95 [Euro].

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