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Über Pornographie wird gerade vor dem Hintergrund ihrer popkulturellen Normalisierung heftig gestritten. Zugleich mangelt es aber bislang an einer gesellschaftstheoretischen Durchdringung des Phänomens der zeitgenössischen Hardcore-Pornographie. Anstatt fruchtlose moralische Debatten fortzuspinnen, stellt Sven Lewandowski die Frage nach dem Verhältnis der modernen Gesellschaft zu ›ihrer‹ Pornographie auf neue Weise. Aus soziologischen, psychoanalytischen und systemtheoretischen Perspektiven zeigt er, dass Pornographie von latenten Bedeutungsgehalten lebt und den Wandel des Sexuellen sowohl reflektiert als auch vorantreibt.…mehr

Produktbeschreibung
Über Pornographie wird gerade vor dem Hintergrund ihrer popkulturellen Normalisierung heftig gestritten. Zugleich mangelt es aber bislang an einer gesellschaftstheoretischen Durchdringung des Phänomens der zeitgenössischen Hardcore-Pornographie. Anstatt fruchtlose moralische Debatten fortzuspinnen, stellt Sven Lewandowski die Frage nach dem Verhältnis der modernen Gesellschaft zu ›ihrer‹ Pornographie auf neue Weise. Aus soziologischen, psychoanalytischen und systemtheoretischen Perspektiven zeigt er, dass Pornographie von latenten Bedeutungsgehalten lebt und den Wandel des Sexuellen sowohl reflektiert als auch vorantreibt.
Autorenporträt
Sven Lewandowski (Dr. phil.) ist Soziologe und leitet an der Universität Bielefeld das DFG-Projekt Die Praxen der Amateurpornographie. Er ist zudem Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der Zeitschrift für Sexualforschung. Seine Forschungsschwerpunkte sind Sexualsoziologie, Soziologische Theorie und Systemtheorie.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.08.2013

Die Herrschaftsregeln der Lust
Der Soziologe Sven Lewandowski analysiert die Pornographie
Wenn es in Wissenschaft und Öffentlichkeit um Pornographie geht, werden meist nur normative Fragen gestellt. Darf, muss, soll, kann Pornographie sein? Sven Lewandowski, Soziologe an der Universität Hannover, wählt stattdessen in seinem Buch „Die Pornographie der Gesellschaft“ einen eher moralfreien Zugang. Unter dem Motto „Es gibt Pornographie“ formuliert er eingangs seinen Anspruch: die vorhandene Pornographie zu analysieren und sich dabei nicht von normativen Vorstellungen ablenken zu lassen. Damit grenzt er sich von Theorien ab, die der Pornographie Abweichung von allerlei Idealen, beispielsweise fehlende Romantik vorwerfen, oder die Pornographie als Machwerk einer Männerherrschaft deuten und sich dadurch um eine Auseinandersetzung mit den Inhalten von Pornographie herumdrücken.
  Pornographie, so wie die meisten Erwachsenen zu hierzulande kennen, wird für einen Massenmarkt produziert. Sie stößt demnach auf eine breite Nachfrage. Die pornographischen Imaginationen sind nicht lediglich Ausgeburten von ein paar schrägen Vögeln, sondern allgemeine Vorstellungen. Denn es findet sich ja ein großes Publikum, das damit etwas anfangen kann. Geliefert werden Bilder eines "Pornotopia": Alles ist möglich, jede Öffnung steht einem frei, jeder macht es mit jedem, für jedes noch so besondere sexuelle Bedürfnis findet sich ein passendes Angebot. Das gilt erst recht, seitdem es Pornographie im Internet gibt. Pornographie behauptet, dass Sex überall und immer stattfinden kann und auch stattfindet. Eigentlich, sagt die Pornographie, sind alle gesellschaftlichen Verhältnisse sexuell.
  Anders gesagt: Sexualität ist in unseren Verhältnissen von überkommenen Einbindungen befreit und hat sich zu einer eigenständigen Sphäre entwickelt. Der massenhafte Bedarf an Veranschaulichung des Verkehrs anderer Leute steht dabei in scharfem Kontrast dazu, dass Pornographie nach wie vor „unter die Ladentheke“, ins Hinterzimmer der Videothek, in die Anonymität des Internets gerückt wird. Einfach so Sex sehen zu wollen, der ohne seine sittlichen Konsequenzen, womöglich auch noch mit wechselnden Partnern und somit im Widerspruch zur romantischen Ausschließlichkeit im Umgang mit der Sexualität gezeigt wird – diese Freiheit des Voyeurismus ist, aller „Hypersexualisierung“ zum Trotz, auch in modernen Gesellschaften noch Gegenstand von Stigmatisierung und Tabuisierung. Nur aus diesem praktischen Verbot lässt sich die Wucht eines „Pussy Riot“ erklären oder das mediale Bedürfnis, Kate Middleton mehr oder minder nackt zu zeigen.
  Solche Darbietungen aber gehören eher zu den milden Varianten. Die verallgemeinerbaren Skripts des Hardcore folgen, wie Lewandowsky ausführlich schildert, anderen Mustern: Eingebettet in eine Rahmenhandlung, zieht sich die weibliche Darstellerin flott aus. Danach beweist sie Verfügbarkeit aller Körperöffnungen, in einer festen Reihenfolge. Die Inszenierung schließt mit einer „extrakorporalen Ejakulation“, meist auf das Gesicht der Darstellerin. Ein solches Skript ist bei Lichte betrachtet merkwürdig. Denn der „coitus interruptus“ verlangt einiges an Kontrolle, der Mann darf sich nicht hingeben im Moment seiner größten Lust. Ausgerechnet im Höhepunkt unterwirft sich der Mann einer Selbstbeherrschung, verhindert die Verschmelzung. Zugleich ordnet er seine Sexualpartnerin endgültig unter, indem er sie beschmutzt.
  Falsch wäre es jedoch, wenn, wie so oft, erklärt würde, die Frau werde nur als Objekt behandelt. Vielmehr lässt sich der Porno als „Mikrodrama“ verstehen, das vom Aufstieg und Untergang der Frau handelt. Zuerst ist sie aktiv und verführt den Mann, zumindest mit ihren Reizen, woraufhin sie vom Mann genommen, gebraucht, gedemütigt wird. Dass sie ihre Befriedigung darin findet, ist nur die „perfekte Unterwerfung“, in der der Unterworfene den Zweck des Herren selber teilt.
  Der Mann ist in diesem Schauspiel aber auch nicht schlicht das Subjekt, sondern genau genommen Opfer seines Triebes. Während die Frau nach Kategorien unterschieden wird (blond, jung . . .), ist der Mann in der Regel dargestellt als namenloser, eher durchschnittlich gut aussehender, austauschbarer Stellvertreter seines Begehrens. Dem Porno, so Lewandowski, liegt ein antiquiertes Triebmodell der Sexualität zugrunde, nach dem der Mann von seinem Geschlechtsteil gesteuert wird.
  In der Pornographie wird also nicht einfach „die“ Sexualität anderer, möglicherweise schöner Menschen gezeigt. Sie bringt den Sieg der Fleischpeitsche über die Frau zur Anschauung. Dieser ist freilich nur ein vorübergehender, und das liegt nicht nur an der natürlichen Wiederkehr sexuellen Verlangens. Lewandowski analysiert den Konsum von Pornographie als Ausdruck eines Bedürfnisses, das „über zusätzliche Energiezuflüsse verfügt und so einen Lustgewinn ermöglicht, der über die Lust an ,normaler' Sexualität hinauszugehen scheint“. Diese Lust gilt einerseits der Beherrschung der Frau. Andererseits ist sie ein Bildnis von Qualitäten, die in dieser Gesellschaft auch anderswo geschätzt werden: nämlich von Durchhaltevermögen und unbedingter Verfügbarkeit.
MALTE THRAN
Sven Lewandowski: Die Pornographie der Gesellschaft. Beobachtungen eines populärkulturellen Phänomens. transcript Verlag, Bielefeld 2012. 313 Seiten, 29,80 Euro.
Falsch ist die These, in der
Pornographie werde die Frau
nur als Objekt behandelt
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Malte Thran lässt sich in seiner Besprechung von Sven Lewandowskis Buch über Pornografie dazu hinreißen, Lewandowskis Thesen wiederzugeben, ohne das genau zu kennzeichnen. Als Leser bleibt uns nur, das Buch selbst zu lesen, um herauszufinden, was genau der Feder des Autors, was vom Rezensenten stammt. Immerhin: Dass der Soziologe Lewandowski hier gegen normative Vorstellungen von Pornografie anschreibt, indem er die Skripts des Hardcore ausführlich schildert und das veraltete Triebmodell dahinter ausmacht, teilt uns der Rezensent unmissverständlich mit.

© Perlentaucher Medien GmbH
O-Ton: »Schon der Titel ist Programm« - Gert Scobels persönliche Buchempfehlung auf 3sat am 07.08.2014. »Überaus innovative und lesenswerte Studie.« Testcard, 23 (2013) »Zu verdanken ist dem Autor [...] eine bislang unerreicht distanzierte Beschreibung pornographischer Produkte. Dadurch wird größtenteils der aufgekratzt anklagende Duktus vermieden, der vielen Auseinandersetzungen mit diesem Thema eigen ist.« Nina Schumacher, www.querelles.net, 14/2 (2013) »Ein für ein wissenschaftliches Werk gut lesbares Buch.« Ulrich Brömmling, DHIVA, 12 (2012) »Der Autor geht seriöser, weniger vorurteilsbehaftet, objektiver, wissenschaftlicher an den in weiten Teilen der Gesellschaft noch immer tabuisierten Sachverhalt heran und lotet ihn differenziert und umfassend aus in sozialwissenschaftlicher Perspektive: psychoanalytisch, soziologisch und systemtheoretisch.« Oliver Neumann, www.lehrerbibliothek.de, 24.09.2012 Besprochen in: GMK-Newsletter, 11/12 (2012) Die Presse, 26.01.2013, Gabriele Sorgo Süddeutsche Zeitung, 12.08.2013, Malte Thran Zeitschrift für Sexualforschung, 27 (2014), Peter-Paul Bänziger