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Nach wie vor besteht Unbehagen, eine evangelische Verhältnisbestimmung von Kirche und Staat mit Hilfe von Luthers Zwei-Reiche-Lehre vorzunehmen. Das liegt unter anderem auch daran, dass Luthers historische Voraussetzungen bislang nicht hinreichend untersucht wurden. Volker Mantey schließt diese Lücke, indem er sich der spätmittelalterlichen Traditionsgeschichte der Zwei-Reiche-Lehre Luthers widmet. Dies geschieht anhand einer Analyse der Zwei-Schwerter-Lehre ab 1300, wie sie für das Verhältnis von Staat und Kirche maßgeblich war. Sie wurde sowohl verwendet, um den päpstlichen Anspruch auf…mehr

Produktbeschreibung
Nach wie vor besteht Unbehagen, eine evangelische Verhältnisbestimmung von Kirche und Staat mit Hilfe von Luthers Zwei-Reiche-Lehre vorzunehmen. Das liegt unter anderem auch daran, dass Luthers historische Voraussetzungen bislang nicht hinreichend untersucht wurden. Volker Mantey schließt diese Lücke, indem er sich der spätmittelalterlichen Traditionsgeschichte der Zwei-Reiche-Lehre Luthers widmet. Dies geschieht anhand einer Analyse der Zwei-Schwerter-Lehre ab 1300, wie sie für das Verhältnis von Staat und Kirche maßgeblich war. Sie wurde sowohl verwendet, um den päpstlichen Anspruch auf weltliche Oberhoheit zu untermauern, als auch, um sich gegen den Papst abzugrenzen und eine weltliche Eigenständigkeit zu behaupten. Der Autor stellt Luthers Zwei-Reiche-Lehre vor ihrem spätmittelalterlichen Horizont dar. Dabei zeigt sich, in welchem Verhältnis der Reformator sich theologisch zwischen Thomas von Aquin und Wilhelm von Ockham positioniert.
Autorenporträt
ist Lehrbeauftragter für Kirchengeschichte am Institut für Evangelische Theologie an der Justus-Liebig-Universität Gießen.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Viel zu lernen" gebe es in Volker Manteys Studie über Luthers sogenannte "Zwei-Schwerter-Lehre", meint Hermut Löhr. Er fragt sich aber, ob der Platz ausreicht für die doch recht ambitionierten Ziele des Autors. Mantey verortet Luthers Gedanken in der mittelalterlichen Philosophie und setzt dafür schon Anfang des 14. Jahrhunderts bei der päpstlichen Bulle "Una sanctam" ein, in der Bonifaz VIII. die geistliche wie die weltliche Herrschaft für die Kirche reklamierte. Viel Stoff also, der nach dem Geschmack des Rezensenten "entschieden zu eilig" verdaut wird. So behaupte Mantey erst 40 Seiten vor Schluss und recht "überraschend", Luther habe Augstinus' Unterscheidung zweier Reiche und die Zwei-Schwerter-Lehre gleichzeitig studiert. Hier hätte sich Löhr einen "gründlicheren Nachweis" gewünscht. Und auch die weitere Diskussion des Themas durch Luther nach 1523 habe der Autor zu unkritisch wiedergegeben.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.11.2005

Deutschland dienen, aber wie?
Volker Mantey prüft Luthers berühmte Zwei-Reiche-Lehre

Die Frage, ob man mit der Bergpredigt Jesu Politik machen könne, bewegt die Geister bis heute (Helmut Schmidt: "Nein!"; Heiner Geißler: "Ja!"). Auch für Martin Luther ist sie einer der Anstöße, im Jahre 1523 seine berühmte Schrift "Von weltlicher Obrigkeit. Wie weit man ihr gehorsam schuldig sei" zu veröffentlichen. Der Wittenberger Kirchenreformator versucht eine grundsätzliche Verhältnisbestimmung von geistlich-kirchlicher und weltlich-politischer Gewalt über den Menschen. Veranlassung dazu waren - neben verschiedenen Anfragen und dem Vorgehen des Herzogs Georg von Sachsen gegen die Verbreitung des sogenannten "September-NT" Luthers - vor allem der Gedankenaustausch mit dem Bambergischen Rat Johann von Schwarzenberg, einem führenden Juristen der Zeit. Schwarzenberg hatte in einer heute verlorenen Schrift unter anderem die Auffassung vertreten, die ordentliche Ausübung weltlicher Macht werde die Sündenneigung der Welt verringern. Konkretisiert hat Schwarzenberg sein Programm dann etwa in einem "Büchlein vom Zutrinken".

Die Schrift Luthers, die indirekt auf Schwarzenberg antwortet, blickt zum einen auf den Christen als Untertan, erörtert zum anderen aber auch die Frage, wie man als Christ regieren könne. Sie hält den Fürsten den Spiegel vor. Das Ergebnis von Luthers Nachdenken hat sich (durch Karl Barth) die zumindest mißverständliche, gleichwohl hartnäckig haftende Bezeichnung "Zwei-Reiche-Lehre" zugezogen und vermeintlich oder tatsächlich allerlei zur demokratischen Verspätung und zum Unheil deutscher Geschichte im zwanzigsten Jahrhundert beigetragen.

Die deutschen Geisteswissenschaften stehen generell nicht in dem Ruf, auf zu wenigen Seiten Papier zu viel zu wollen. Bei dem Buch Manteys, ursprünglich eine Bonner theologische Dissertation, könnte man dagegen fragen, ob die Ziele nicht zu hochgesteckt und der Rahmen zu knapp bemessen sind. Denn nicht nur soll Luthers "Zwei-Reiche-Lehre" - auch Mantey verwendet den Begriff mit spürbar schlechtem historischem Gewissen weiter - im Zusammenhang und der Entwicklung des Denkens Luthers rekonstruiert werden. Allein angesichts des Umfangs von Luthers erhaltenem Schrifttum wäre das Stoff für ein dickes Buch.

Mantey geht aber erheblich weiter, wenn er die Traditionsgeschichte der bei Luther verarbeiteten Ideen seit Anfang des vierzehnten Jahrhunderts verfolgt. Der Ausgangspunkt ist nicht zufällig gewählt; die Untersuchung setzt ein mit der Entstehung der päpstlichen Bulle "Unam sanctam" Bonifaz' VIII. von 1302, in der das Papsttum die geistliche wie die weltliche Herrschaft grundsätzlich für sich beansprucht. Luther selbst nannte noch 1537 die römische Kirche "bis auf diesen Tag gut bonifazisch".

Den hier sichtbar werdenden Ansatz, Luthers Reformation aus ihren spätmittelalterlichen Voraussetzungen zu verstehen und damit Luther als Kind seiner Zeit zu beschreiben, konnte Mantey bei seinen akademischen Lehrern lernen. "Spätmittelalter und Reformation" ist ein Programm, das in der Kirchengeschichtsschreibung der letzten Jahrzehnte (prominent etwa bei Heiko A. Oberman) zu faszinierenden Erkenntnisfortschritten geführt hat und die zuvor gerne auch wissenschaftlich gepflegte Monumentalisierung Luthers wirklich "alt" aussehen läßt. Ob diese historischen Einsichten sich bei allen Theologen herumgesprochen haben, ist eine andere Frage.

Mantey ist nicht der erste, der das Themenfeld auch traditionsgeschichtlich beackert. So nahm die wirkmächtige und einen kühnen geistesgeschichtlichen Bogen schlagende Untersuchung "Christenheit und Weltverantwortung" (1970) von Ulrich Duchrow den Ausgangspunkt bei der Unterscheidung von Gottesreich (civitas Dei) und Welt- beziehungsweise Teufelsreich und befragte daher notwendig Augustinus als wesentlichen Gesprächspartner vor allem des jungen Luther, während sie das Gebiet des spätmittelalterlichen Denkens in Siebenmeilenstiefeln durcheilte.

Mantey setzt dagegen bei der Unterscheidung zweier Schwerter oder Gewalten an, die von Papstanhängern wie Antikurialisten aus dem Wort der Jünger an Jesus aus Lukas 22,38 "Herr, siehe, hier sind zwei Schwerter" je unterschiedlich hergeleitet wurden. Kirchengeschichte wird hier tatsächlich, wie es Gerhard Ebeling schon 1946 programmatisch formulierte, zur Geschichte der Auslegung der Heiligen Schrift. Das setzt die von Mantey geleistete breite Lektüre der (edierten) Quellen voraus. Würde theologische Hermeneutik nicht gerade mit einigen Dezennien Verspätung den "Tod des Autors" (Roland Barthes) begehen, könnte man diese Geschichte, kritischer noch als es auch bei Mantey geschieht, als Geschichte eines Mißbrauchs pointieren. Damit wäre man dann sehr nahe bei Luther, dessen theologisches Insistieren hier wie sonst ohne das Ringen um das rechte Verständnis der Heiligen Schrift nicht zu verstehen ist.

Mußte Duchrow in seiner Rekonstruktion der Auffassung Luthers (die kurioserweise dessen Hauptschrift zum Thema nicht eingehend thematisiert) das Motiv der Unterscheidung zweier Reiche um eine Betrachtung der mittelalterlichen Zwei-Gewalten-Lehre ergänzen, so erkennt auch Mantey, daß sein Zugang nicht ausreicht. Denn die Unterscheidung zweier Schwerter taucht bei Luther zwar gelegentlich auf, wird aber nicht als zentrales Argument verwendet. Die abschließend als Erkenntnisgewinn für Luther betonte gleichzeitige Rezeption von Augustinus' Unterscheidung zweier Reiche und der Zwei-Schwerter-Lehre trifft den Leser nach 290 Seiten doch einigermaßen überraschend und bedürfte eines gründlicheren Nachweises. Hier ist die Darstellung entschieden zu eilig, wie auch in Hinsicht auf die Fortführung des Themas bei Luther nach 1523, die unter den recht apologetischen Überschriften "Anwendung" und "Bewährung" in den Blick genommen wird. Ein auch dem Historiker erlaubtes "Hier irrte Luther" etwa sucht man bei Mantey vergeblich.

Gleichwohl liegt ein Buch vor, aus dem viel zu lernen ist. Die Studie bietet so zuvor nicht versammelte tiefe Einblicke in einen jahrhundertealten Diskurs, der bisweilen bedrängend aktuell scheint: Wie dachte man über Gewaltenteilung, über das Verhältnis von Staat und Religion, über legitimen Widerstand gegen den Herrscher, über die Begründung des Rechts? Und die Bergpredigt? In "Von weltlicher Obrigkeit" entwarf Luther einen Politiker, der für sich selbst "nach dem Evangelium", für die anderen aber nach dem im Liebesgebot zusammengefaßten Gesetz zu handeln vermag. Wenn das kein Reformprogramm ist.

HERMUT LÖHR

Volker Mantey: "Zwei Schwerter - Zwei Reiche". Martin Luthers Zwei-Reiche-Lehre vor ihrem spätmittelalterlichen Hintergrund. Spätmittelalter und Reformation. Neue Reihe, Band 26. Verlag Mohr Siebeck, Tübingen 2005. 334 S., geb., 84,- [Euro].

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