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Musik des Luthertums ist ein Kernstück westlicher Kultur. Zum Reformationsjubiläum 2017 erzählt Konrad Küster ihre Geschichte und stellt sie in einen europäischen Kontext. Der Autor schildert zunächst die Rolle der Kirchenmusik in Luthers Liturgie. Er berichtet von der Fortführung der reformatorischen Ideen durch Kantoren, Organisten und Amateure, aber auch von Traditionsbrüchen. Besonders berücksichtigt werden Schütz und Bach, aber auch die Zeit zwischen beiden Meistern, zu der erst die Alte-Musik-Bewegung der jüngeren Zeit Zugänge erschlossen hat. Das Buch stellt auch heraus, welche…mehr

Produktbeschreibung
Musik des Luthertums ist ein Kernstück westlicher Kultur. Zum Reformationsjubiläum 2017 erzählt Konrad Küster ihre Geschichte und stellt sie in einen europäischen Kontext. Der Autor schildert zunächst die Rolle der Kirchenmusik in Luthers Liturgie. Er berichtet von der Fortführung der reformatorischen Ideen durch Kantoren, Organisten und Amateure, aber auch von Traditionsbrüchen. Besonders berücksichtigt werden Schütz und Bach, aber auch die Zeit zwischen beiden Meistern, zu der erst die Alte-Musik-Bewegung der jüngeren Zeit Zugänge erschlossen hat. Das Buch stellt auch heraus, welche Bedeutung die Orgelkunst des Nordseeraums für das Luthertum hatte. Und immer wieder geht es um überraschend intensive Beziehungen der lutherischen zur italienischen Musik. In den Blick genommen werden auch die lutherischen Musikentwicklungen der Zeit nach Bach, die bis in die Gegenwart reichen.
Autorenporträt
Konrad Küster ist Professor für Musikwissenschaft an der Universität Freiburg im Breisgau. Ein zentrales Forschungsgebiet für ihn ist die lutherische Musikkultur. Schütz spielte in seiner Habilitationsschrift 1994 eine wichtige Rolle; 1999 gab er das Bach-Handbuch heraus. 2013 schickte er die Wanderausstellung Orgeln an der Nordsee auf die Reise. Zahlreiche Musikwerke des 17. Jahrhunderts hat er in Erst- und Neuausgaben vorgelegt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.02.2017

Im Himmel wird ja auch musiziert

Luther und die Folgen: Konrad Küster zeigt, wie der Reformator für Entwicklungen der Musik in Dienst genommen wurde, die er nicht befördert hat.

Die gängigen Vorurteile gegen die Lutheraner hat der russische Diplomat Fjodor Tjutschew am 16. September 1834 in Tegernsee verdichtet: "Ich liebe eures Kultus herbe Strenge, / Die schlichte Einfachheit des Kirchenbaus, / Die kahlen Wände und das leere Haus, / Den Gottesdienst ohn' eitles Festgepränge."

Mag sein, dass sich damals die bayerischen Lutheraner diese liturgische Diät selbst auferlegt haben, etwas distinktionsverkrampft gegenüber der katholischen Umgebung. Lutherisch aber ist das nicht. Konrad Küster schreibt über die Kirchenmusik von Heinrich Schütz am kursächsischen, also lutherischen Hof um 1620: "Essenziell ist die Pracht, nicht die Beschränkung." Singstimmen, Instrumente bei ausgedehnter Nutzung von Raumeffekten - das macht die "Psalmen Davids" von Schütz aus.

Küster hat zum Reformationsjubiläum ein schön lesbares, frisches Buch vorgelegt, das manche Bilder, die sich die Nachwelt von "lutherischer Musik" gemacht hat, empfindlich korrigiert. "Musik im Namen Luthers" lautet der Titel, der signalisiert, dass Martin Luther nachträglich in Dienst genommen wurde für Entwicklungen, die er weder angestoßen noch befördert hatte. Die am schwersten wiegende Korrektur betrifft die Rolle des Gesangbuches im Gottesdienst. Denn Luther sah, so Küster, den Platz auch seiner eigenen Lieder nicht im Gemeindegesang. Das Glaubenslied war ihm ein Instrument der Jugendbindung und der Erwachsenenbildung. Das frühreformatorische Gesangbuch hatte seinen Ort in der Schule, im Haus, auf der Straße, nicht in der Kirche.

Der Gottesdienst folge in seinem äußeren Regelwerk nur "menschlicher Satzung", heißt es bei Luther selbst. Auf eine Agende wollten sich die Reformatoren nicht festlegen. Der Inspektor Wolfgang Musculus stellte fest, dass die Liturgie in Wittenberg noch 1536 nach päpstlichem Ritus verlief. Man feierte die heilige Messe mit Gesang der Schola, ohne Gemeindebeteiligung, doch mit lateinischen Texten.

Die Regulierung der Agenden, auch das eine erstaunliche Nachricht des Buches, ging wesentlich von Dänemark und dessen Ausstrahlung auf den deutschen Norden aus. König Christian III. machte 1536 das Luthertum zur Staatsreligion. "Dänemark war damit der erste dezidiert lutherische Staat überhaupt", hält Küster fest. Die Dänen nutzten das Material der frühen Reformation, etwa die Wittenberger Notendrucke von Georg Rhau, um eine eigene lutherische Liturgie zu entwerfen und zu verfestigen. Der Pommer Johannes Bugenhagen, Luthers Beichtvater und Stadtpfarrer von Wittenberg, half dabei mit.

Sogar für die theologische Rechtfertigung von Instrumenten im Kirchenraum - und damit für die Abgrenzung gegen die Calvinisten - lässt sich mit einem Deckenfresko der Kirche in Rynkeby aus dem Jahr 1565 wiederum ein dänisches Beispiel als frühes Zeugnis namhaft machen. Man sieht Engel beim Spiel von Dudelsack, Horn, Fiedel und Orgel. Musikpflege auf Erden war Vorgeschmack der biblisch bezeugten Musik im Himmel. Auch wenn die Welt mit ihren Wissenschaften und Künsten vergeht, bleibt die Musik doch bestehen. Der dänische König verfügte zudem per Erlass, dass das evangelische Gesangbuch von Hans Thømisson aus dem Jahr 1569 von jeder Schule und jeder Kirchengemeinde anzuschaffen sei. Allerdings war das Buch so teuer wie eine Kuh. Man darf also auch für die Zeit um 1570 noch nicht davon ausgehen, dass ein Gesangbuch jedem Gläubigen zuhanden war.

Sorgte Dänemark für Festigkeit in den liturgischen Abläufen des Luthertums, so kamen die musikalischen Formen bevorzugt aus Italien. Das Konzil von Trient hatte 1563 die Textverständlichkeit zum Gebot katholischer Kirchenmusik erhoben. Daran orientierte man sich auch im lutherischen Raum. Zudem war für lutherische Komponisten die klingende Wortausdeutung im italienischen Madrigal, das ausdrucksvolle oder imitierende Malen mit Klangfiguren, höchst attraktiv. Das Verfahren verselbständigte sich später zu einer musikalischen Rhetorik, die bei Heinrich Schütz und Johann Sebastian Bach den Rang eigener, durchaus komplexer Schriftexegese erreichte.

Auch der Weg vom lutherischen Glaubenslied zum gottesdienstlichen Gesang der Gemeinde ist durch Italien katalysiert worden. Durch die Dichtungstheorie von Martin Opitz wurden Reim und Strophe, die im italienischen Madrigal nicht als kunstwürdig galten, geadelt. Dichter-Theologen wie Johann Rist übertrugen diese Formenwelt auf geistliche Inhalte. Die Melodien dazu orientierten sich aber an der italienischen Aria, die im Tanz wurzelte. Durch Paul Gerhardt und Johann Crüger wurde die neue Form des Glaubensliedes volkstümlich. Folgt man dem von Küster beschriebenen Wandel der italienischen Aria zum lutherischen Gemeindelied, so zeichnet sich hier ein wundersamer Prozess der singenden Italianisierung der Deutschen "im Namen Luthers" ab - eine der schönsten Pointen dieses Buches.

Breiten Raum gewährt Küster Schütz und Bach - vor allem um zu zeigen, dass deren postume Heroisierung den Blick auf andere Traditionen des musikalischen Luthertums verdeckt hat. Das neunzehnte Jahrhundert wird hingegen knapp abgehandelt, Felix Mendelssohn Bartholdy nur gestreift, Dmitri Bortnjanski und sein Einfluss auf die liturgische Musik in Preußen nicht einmal erwähnt; ebenso wenig Carl Loewe, der geistliche Inhalte in Instrumentalformen wie das Klavierstück und das Streichquartett übertrug.

Dass Johannes Brahms nur "ausnahmsweise auch ein sakrales Werk" schrieb, ist eine schiefe Formulierung, die verkennt, dass die Bibel für Brahms ein Buch war, an dem er sich lebenslang abarbeitete. "Musik im Namen Luthers" für die Zeit der Aufklärung zu fassen, also die Epoche einer "repressiven Säkularität der Moderne", wie der Soziologe Peter L. Berger das formuliert hat, verlangt sicher eine methodische Erweiterung über die Musik- und Kirchengeschichte hinaus. Doch ein aufklärerisches, dabei farbenreiches und zugleich nah am Gegenstand bleibendes Buch zu schreiben, das ist Konrad Küster gelungen.

JAN BRACHMANN.

Konrad Küster: "Musik im Namen Luthers". Kulturtraditionen seit der Reformation.

Bärenreiter Verlag, Kassel 2016. 319 S., geb., 34,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"... K. hat ein Lesebuch vorgelegt, das auf der Grundlage eines klassischen musikhistorischen Modells eine demgegenüber zwar modernisierte, doch ebenso geschlossene Erzählung bereitstellt, die durchaus spannende Einzelheiten und Anregungen enthält." (Ute Poetzsch, in: Theologische Literaturzeitung, Jg. 143, Heft 1-2, Januar-Februar 2018)

"... Hervorzuheben sind der Entwurf eines Panoramas, in dem norddeutsche Orgel- und mitteldeutsche Kantoreikultur miteinander vermittelt werden, die Herausarbeitung italienischer, dänischer und niederländischer Kulturanleihen und nicht zuletzt das Füllen historischer 'Lücken'. Die Kapitel eröffnen durchweg klar formulierte Fragestellungen ... Musik im Namen Luthers zählt ohne Zweifel zu den lesenswertesten Erträgen des Reformationsjubiläums." (David Koch, in: Die Tonkunst, Jg. 12, Heft 1, Januar 2018)

"... Der Hinweis auf dem Rückencover des Buches, es sei für Musikfreunde und theologisch und historisch interessierte Leser bestimmt ... Das Buch präsentiert sich in einer auch äußerlich sehr ansprechenden Form, es ist offenbar gut lektoriert ... Das Buch ist ein Wurf, dessen Lektüre man Musikwissenschaftlern, Theologen, Kirchenmusikern, Hymnologen und manch anderen Interessierten uneingeschränkt empfehlen kann."(Gunter Kennel, in: Liturgie und Kultur, Heft 1, 2017)