Eine erfundene Autobiographie von Beatrix Potter
Von Anfang an mag man die einsame, merkwürdige und neugierige kleine Charity. Das Mädchen untersucht Tiere und Pflanzen, malt akribisch Aquarelle, deklamiert Shakespeare und wartet unverdrossen darauf, dass eines Tages etwas geschieht.
Mit dreizehn verliebt sie sich in den unkonventionellen Kenneth. Doch bis sich diese Liebe erfüllt, vergehen viele Jahre. Der Leser taucht ein in Politik und Gesellschaft des viktorianischen Englands im Aufbruch, entdeckt das moderne Theater und Darwin. Und er sieht Charity zu, wie sie das wird, was George Bernard Shaw als "moderne Frau" bezeichnet, sich emanzipiert und sich Unabhängigkeit erkämpft.
Ein neues Genre, ein neuer großartiger Roman: Murail entwirft für die Autorin von 'Peter Rabbit' einen fiktiven Lebenslauf als Charity Tiddler.
Von Anfang an mag man die einsame, merkwürdige und neugierige kleine Charity. Das Mädchen untersucht Tiere und Pflanzen, malt akribisch Aquarelle, deklamiert Shakespeare und wartet unverdrossen darauf, dass eines Tages etwas geschieht.
Mit dreizehn verliebt sie sich in den unkonventionellen Kenneth. Doch bis sich diese Liebe erfüllt, vergehen viele Jahre. Der Leser taucht ein in Politik und Gesellschaft des viktorianischen Englands im Aufbruch, entdeckt das moderne Theater und Darwin. Und er sieht Charity zu, wie sie das wird, was George Bernard Shaw als "moderne Frau" bezeichnet, sich emanzipiert und sich Unabhängigkeit erkämpft.
Ein neues Genre, ein neuer großartiger Roman: Murail entwirft für die Autorin von 'Peter Rabbit' einen fiktiven Lebenslauf als Charity Tiddler.
Marie-Aude Murail liest
Wo Moderatoren sonst oft vergeblich auf Fragen aus dem Publikum hoffen, muss die Fragerunde an diesem Abend im Schwanensaal des Römer beendet werden, obwohl noch zahlreiche kleine Hände in die Luft gestreckt sind. Die Veranstaltung ist ausverkauft, die Kinder hängen gebannt an den Lippen der Dame auf der Bühne, die ihrerseits jedes Kind persönlich anzusprechen scheint.
Marie-Aude Murail ist eine der erfolgreichsten Kinder- und Jugendbuchautorinnen in Frankreich. Für ihre Verdienste wurde sie in die französische Ehrenlegion aufgenommen, und auch der internationale Durchbruch ließ nicht lange auf sich warten: Vor vier Jahren gewann sie mit ihrem Buch "Simpel" auf der Buchmesse in Frankfurt den Deutschen Jugendliteraturpreis. Für die Jugendbuchausstellung "Lese-Eule", die nun schon zum 52. Mal im Römer stattfindet, ist Murail nach Frankfurt gekommen, um aus ihrem Werk zu lesen und über ihre Arbeit zu berichten.
In ihren zahlreichen Büchern scheut sie sich nicht, den Kindern die Wahrheit zu sagen. Das Leben birgt viele Enttäuschungen, aber der Grundtenor ihrer Bücher lautet immer: "Du wirst glücklich werden." Auch wenn der Weg dorthin manchmal lang erscheine: In dieser sich immer schneller drehenden Welt sollten sie sich Zeit zum Atmen und Träumen nehmen, ihre Kindheit genießen.
Auch ihr neues Buch "Miss Charity", das nun unter dem Titel "Das ganz und gar unbedeutende Leben der Charity Tiddler" in deutscher Übersetzung im S. Fischer Verlag erschienen ist, handelt von der Suche nach der eigenen Bestimmung. Die fiktive Autobiographie ist an das Leben der englischen Kinderbuchautorin Beatrix Potter angelehnt, die selbst erst mit 30 Jahren ihr Talent und den Mut, es auch auszuleben, fand. So ist das Buch nicht nur eine Hommage an die viktorianische Schriftstellerin, sondern auch eine Retrospektive auf die eigene Karriere, die Murail erst nach der Geburt ihres ersten Kindes begann.
Die Autorin fesselt Kinder nicht nur mit ihren Büchern, die oft ernste Themen wie Krebs, Tod, Homosexualität und geistige Behinderung behandeln, sich aber dennoch immer durch viel Humor und eine beeindruckende Leichtigkeit auszeichnen. Auch im Tête-à-Tête mit ihren - nicht immer jungen - Lesern findet sie auf jede Frage eine Antwort, die das Publikum zum Lachen bringt und gleichzeitig zum Nachdenken anregt. Sie wolle für Kinder schreiben, sagt sie, weil sie ihnen alles verdanke. Als schüchternes, lange aus der Gesellschaft ausgeschlossenes Mädchen hätten ihr zuerst die eigenen und dann auch die Kinder der anderen eine neue Freude am Leben geschenkt.
JULIA KERN
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Zu den Klassikern der englischen Kinderliteratur zählt Peter Hase, die Geschichte des wilden Kaninchenjungen, geschrieben von Beatrix Potter, und wie hinter vielen großen Bucherfolgen verbirgt sich auch hier eine besondere Autorenbiografie. Niemand hätte erwartet, dass die 1866 geborene Tochter der viktorianischen Oberschicht sich aus der Ödnis einer einsamen Kindheit befreite, indem sie ihr Zeichentalent pflegte. So nutzte sie ihre Liebe zu den Tieren, die sie in ihrem Kinderzimmer aufzog, zeichnete sie und erzählte später in ihren Kindergeschichten von den Abenteuern, die sie mit ihnen erlebte. Ihre Tagebücher waren ein Spiegel der Zeit und Marie-Aude Murail, der großen französischen Jugendbuchautorin, dienten sie als Quelle, um daraus einen glänzenden Gesellschaftsroman zu schreiben, der ganz im Stil von Dickens, Oscar Wilde und George Bernard Shaw dieses Leben wie ein Theaterstück ablaufen lässt. Das ganz und gar unbedeutende Leben der Charity Tiddler“, fühlt sich nicht der biografischen Genauigkeit verpflichtet, sondern der Entwicklung zur erfolgreichen Autorin, die mit einem kritisch-ironischen Blick ihre Umgebung seziert und ihr Glück findet. (Eine Wiederentdeckung zum 150. Geburtstag von Potter, für Leserinnen ab 14 Jahre)
ROSWITHA BUDEUS-BUDDE
Marie-Aude Murail: Das ganz und gar unbedeutende Leben der Charity Tiddler. Mit Illustrationen von Philipp Dumas. Aus dem Französischen von Tobias Scheffel. Fischer (Bücher mit dem Blauen Band) 2011. 570 Seiten, 17,50 Euro.
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ROSWITHA BUDEUS-BUDDE
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