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Mexiko 1531: Die Jungfrau Maria erscheint dem Indio Juan Diego und hinterläßt ihr Bildnis auf seinem Poncho. Vor allem aufgrund dieser Begebenheit traten die Einwohner Mittel- und Südamerikas zum Christentum über. Paul Badde erzählt in seiner spannenden Reportage die phantastische Geschichte einer Erscheinung, die die Weltgeschichte veränderte.

Produktbeschreibung
Mexiko 1531: Die Jungfrau Maria erscheint dem Indio Juan Diego und hinterläßt ihr Bildnis auf seinem Poncho. Vor allem aufgrund dieser Begebenheit traten die Einwohner Mittel- und Südamerikas zum Christentum über. Paul Badde erzählt in seiner spannenden Reportage die phantastische Geschichte einer Erscheinung, die die Weltgeschichte veränderte.

Autorenporträt
Paul Badde, geboren 1948, ist Historiker und Journalist. Nach Stationen bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und dem FAZ-Magazin ist er seit 2000 Redakteur der Tageszeitung Die Welt, zuerst in Jerusalem, heute in Rom und beim Vatikan.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.06.2004

Schwarz die Mondsichel zu Füßen der Madonna in Grün und Blau
Paul Badde erzählt, wie das Erscheinen der Muttergottes von Guadalupe die Welt veränderte

Aus Wut hätten die mexikanischen Indios die Spanier nach der Eroberung durch Cortez am liebsten "in Kakao gekocht und gegessen". Auch führten sich die Spanier als die denkbar schlechtesten Missionare auf. Mit soviel Gewalt und Korruption konnte man kein Land für das Christentum gewinnen, denn es gab immerhin eine sensible und qualifizierte aztekische Elite, die sich nichts vormachen ließ. So wollten die Mexikaner um keinen Preis Christen werden, dazu hatten sie die Spanier zu gut kennengelernt.

Man kann sich kaum vorstellen, was aus purem Trotz den Spaniern gegenüber hätte geschehen können: Zum Beispiel hätten die Indianer Amerikas Muslime werden können. Daß dieses nicht geschah, daß der Kontinent Südamerika nach 1531 in Massentaufen christlich wurde und bis heute fest zur westlichen Welt gehört, ist alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Allzu sicher verlassen wir uns bis auf weiteres darauf, daß Südamerika "zu uns gehört".

Die Welt verdankt dies einer "Eroberin der Herzen" und einer in der Tat märchenhaften Geschichte. Daß die Situation zugunsten des Christentums kippte, geht nachweisbar auf das Konto der Muttergottes von Guadalupe. Im Dezember 1531 erlebte der christliche Indio Juan Diego vier Erscheinungen Mariens, bei der ersten stellte sie sich dem Indio vor: "Ich bin die Mutter Gottes, des Schöpfers, der allen Menschen das Leben schenkt. Ich bin eure Mutter." Bei der letzten Vision prägte sich auf seinem Poncho das Bild einer stehenden schwangeren Madonna ein. Die Mondsichel zu Füßen der Madonna ist schwarz, die übrigen Farben zart Hellgrün bis zart Blau. Das Bild der Muttergottes auf dem Poncho des Indios ist indes in jeder Hinsicht rätselhaft: Es ist kein Gemälde, hat keine Grundierung und ist nicht mit Öl oder Farbstoffen hergestellt. Keine Spur eines Pinsels ist zu sehen. Einige Merkwürdigkeiten, Untersuchungen der Pupillen der Muttergottes ergaben, daß sich in ihnen die Zeugen der Vision spiegeln, inklusive der Negersklavin des Bischofs, und zwar in der Art des Purkinje-Samson-Effekts, der erst im neunzehnten Jahrhundert entdeckt wurde. Die Sterne auf dem Bild entsprechen der Konstellation des Himmels zur Zeit der letzten Vision am 12. Dezember 1531.

Das Bild hängt in der Kathedrale von Guadalupe in Mexico City. Die Agavefasern, auf denen das Bild "steht", müßten insbesondere im mörderischen Klima von Mexiko schnell vergehen, doch sie halten sich seit fünfhundert Jahren. Zwanzig Millionen Pilger besuchen das Bild in jedem Jahr; da nimmt sich das deutsche Kevelaer am Niederrhein mit sechshunderttausend Pilgern geradezu harmlos aus. So ist Guadalupe der größte Wallfahrtsort der Welt.

Die Muttergottes von Guadalupe heißt bei den Mexikanern die "Morenita" ("Die kleine Braune"), sie ist die Seele Mexikos, der Trost der Armen. Sie ist auch die Schutzheilige der Prostituierten in den karibischen Hafenstädten, welche die "unbefleckt Empfangene" wie keine andere lieben, verehren und um Hilfe anflehen, weil sie dafür sorgt, daß sie ihre Kinder durchbringen können. "Wenn nichts mehr da ist, ist sie da." Zu den spektakulären Ereignissen ihrer Wirkungsgeschichte gehört, daß unter ihrem Banner die Schlacht von Lepanto 1571 wider alle Erwartung gewonnen wurde. Und das Bild der Morenita ist das einzige, das den Schreibtisch des Papstes schmückt, der im übrigen direkt neben dem Petrusgrab ihr Mosaik in die Wand setzen ließ.

Selbst wenn das meiste aus dieser anrührenden Geschichte nicht wahr wäre oder auf Betrug beruhte - es bleibt auf jeden Fall dieses: Niemals ist in der Geschichte der Menschheit ein ganzer Kontinent in eine fremde Kultur einbezogen worden auf eine Weise, die sanfter, zärtlicher und charmanter wäre: unter dem Bild der schwangeren Gottesmutter. Und keine Art der Missionierung wäre dem Evangelium gemäßer als die hier geschehene Verschmelzung zweier ehedem feindlicher Kulturen - mit einer Haltbarkeit, die nun schon ein halbes Jahrtausend währt, vor allem: frei von jedem Rassismus.

Das Buch zu diesem Thema verdanken wird dem in Rom tätigen deutschen Journalisten Paul Badde. In einer Mischung von poetisch-sinnlichem Reisebericht, frommer und zugleich heiterer Autobiographie und Geschichtsschreibung schildert er alle Lokalitäten aus eigener Anschauung. Das gilt besonders für die Marienstätten in Jerusalem, für Guadalupe in Mexiko, wohin Badde auch den Papst begleiten durfte, aber auch für den kleinen alten spanischen Wallfahrtsort Guadalupe in der Estremadura südwestlich von Madrid, wo Badde eine ähnliche Figur entdeckt.

Doch das leicht lesbare Buch bleibt nicht an der Oberfläche. Es vermittelt eine tiefgründige Diskussion über das, was ein Bild sein kann, und ist selbst ein Stück der Spiritualität um die Morenita, guter alter Marienverehrung, die den Herzen der Menschen so unvergleichlich nahe war. "Meine Mutter war acht Jahre zuvor mit dem Rosenkranz in der Hand gestorben, das Gemurmel endlos aneinandergereihter Ave-Maria ist mir von Kindsbeinen an vertraut, kaum ein Text ist mir eintöniger im Ohr geblieben ... Im Sarg wurde ihr der Rosenkranz wieder um die Hände gewickelt." Das monotone Wechselgebet des Rosenkranzes findet Badde dann wieder im weiten Tal von Medjugorje in Kroatien, "und in diesen Wiesen war Beten wie Atmen". Eines kann ich garantieren: Jeder, der das Buch Baddes gelesen hat, wird die Morenita liebgewonnen haben.

Es liegt nahe, die Versöhnung von Indios und Spaniern als Muster für die in Palästina ersehnte Versöhnung von Juden und Arabern zu betrachten. Doch war es in Mexiko nicht einfacher, indem dann alle schlicht katholisch wurden? Ist nicht der Gegensatz im Nahen Osten schärfer? Doch opfern auch in Mexiko die Indios den alten Göttern weiter, und als der Papst zur Heiligsprechung von Juan Diego 2001 nach Mexiko kam, gehörten auch tanzende Azteken zum Ritual. Jeder mitteleuropäische Purist würde sich mit Grausen abwenden.

Und andererseits bieten die Evangelien für den Frieden eine erste Brücke an, auch hier heißt sie Maria. Sie ist die jüdische Mutter Jesu, und jeder Sabbat, den Gott werden läßt, ist noch heute für Katholiken der Tag Mariens. Ihr sind lange lobende Abschnitte im Koran gewidmet, alte Marienheiligtümer in Jerusalem sind auch Gebetsstätten der Muslime. Und selbst Luther und Melanchthon sagen noch, was von Maria gelte, das sei stets auf die Kirche bezogen. Es könnte ja sein, daß dieser mütterliche Anweg zu Jesus Christus viele Chancen für jede Art von Frieden birgt und jedenfalls vor einer Gefahr von Natur aus gefeit ist, dem Abgleiten in die Gewalt. Denn zum Bild der Jungfrau und Gottesmutter paßt Gewalt wie die Faust aufs Auge. "Es gibt einen Ort hinter all unseren Orten. Von dort ist die Jungfrau Maria zurückgekommen ... Sie kommt aus dem Raum, wo alle Tränen getrocknet werden. Sie kommt auf uns zu, schwanger. Ach, würde sie doch nur schneller kommen - und möglichst zuerst nach Jerusalem!"

Neulich hat eine Partei für sich und den Staat die "Lufthoheit über den Kinderbetten" reklamiert. In unserer Kindheit hatte diese Lufthoheit die Kölner "Maria im Rosenhaag" von Stefan Lochner. Und in der Tat: Welches Bild hat Europa mehr geprägt als das Gesicht Mariens?

KLAUS BERGER

Paul Badde: "Maria von Guadalupe". Wie das Erscheinen der Jungfrau Weltgeschichte schrieb. Ullstein Verlag, Berlin 2004. 255 S., Abb., geb., 20,- [Euro].

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