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jana, vermacht - Utler, Anja
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Wie kann der sprachlichen Verweigerung der Kriegsgeneration begegnet werden und wie dem Versäumnis der Enkelgeneration zu fragen: Wie war dir da? Denn es mangelt nicht an Fakten, doch fehlen die Empfindungen und Gedanken, die in der Familie weiter gereichten Erzählungen des Bruchs, den die Beteiligung an der industriellen Vernichtung von Menschen den eigenen Familienmitgliedern verursacht haben muss. Anja Utlers jana, vermacht nähert sich dieser längst verhärteten und erkalteten Lücke in einem von der Dringlichkeit der Rede getriebenen poetischen Monolog. Zweigesichtig spricht er auf der einen…mehr

Produktbeschreibung
Wie kann der sprachlichen Verweigerung der Kriegsgeneration begegnet werden und wie dem Versäumnis der Enkelgeneration zu fragen: Wie war dir da? Denn es mangelt nicht an Fakten, doch fehlen die Empfindungen und Gedanken, die in der Familie weiter gereichten Erzählungen des Bruchs, den die Beteiligung an der industriellen Vernichtung von Menschen den eigenen Familienmitgliedern verursacht haben muss.
Anja Utlers jana, vermacht nähert sich dieser längst verhärteten und erkalteten Lücke in einem von der Dringlichkeit der Rede getriebenen poetischen Monolog. Zweigesichtig spricht er auf der einen Seite der verstorbenen Großmutter nach also der traditionell Wissen vermachenden Generation , folgt deren Rede in ihrem Ein- und Abbrechen. Auf der anderen Seite findet sich die jetzige, in ewiger Gegenwart gefangene Stimme. Durch das gewaltsame Durchtrennen der Vergangenheiten aus den zeitlichen Verknüpfungen gefallen, endet sie ratlos in sich und ihrem Denken. Die Sprecherin hat zwar ihreChance direkt zu fragen endgültig verpasst, aber die Deformation der Sprache, die Gravitationsstrudel der Lücke, kann sie im Kreisen um durchlöcherte Anwesenheit noch ins Licht bringen.
Utlers molekularisierter Sprach-Kosmos zeigt sich nicht nur im geschriebenen Wort, in der Komposition dieser Texte auf der beigelegten CD wird die gewaltige Versehrtheit der »vermachten« Worte auch hörbar.
Autorenporträt
Anja Utler, geb. 1973 in Schwandorf, lebt in Wien. Leonce-und-Lena-Preis für Lyrik 2003, Karl-Sczuka-Förderpreis 2008 u. a. In der Edition Korrespondenzen erschienen münden - entzüngeln (2004) und brinnen (2006), eine gleichnamige CD bei merz&solitude.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.09.2009

Die Kehle des Lesers

Mit der Kehle schlucken und sprechen wir meist, ohne es überhaupt zu wissen. Allein die Phrase, etwas schnüre einem die Kehle zu, erinnert daran, dass in diesem Knoten aus Knorpeln und Nerven auch die stärksten Gefühle sitzen. Und genau dort setzt Anja Utlers Poetik an. Wurden in den früheren Bänden der 1973 geborenen Dichterin Landschaften und Mythen im Tonfall hörbar gemacht, soll nun in der Stimme eines verspäteten inneren Dialogs mit der Großmutter die deutsche Geschichte vernehmbar werden. Striche lassen Silben verschwinden, und der Glottisschlag, jener Kehlkopflaut, der im Deutschen sonst Vokale voneinander trennt (be-enden), ersetzt Vokale und markiert so das im Reden Unterdrückte. Was sich als Partitur abstrakt liest, kann auf der beigegebenen CD staunend gehört werden. In Utlers Stimme erzeugen diese Verkürzungen eine irritierende Trance, in der Verdrängtes hörbar wird. Bei der Lektüre kann man nachverfolgen, wie in verniedlichender Märchensprache ("mündchen", "beinchen") zwischen Küche und Garten ein Zerstückelungsprozess versteckt ist, der als triviales Kochgeschehen, "abgetriebenes" oder Massenmord gedeutet werden kann. Scharfsinn und Kehle des Lesers werden durch den abgehackten Duktus auf eine harte Probe gestellt, ehe sich momentlang eine "brust in ihrer durchsichtig gehaltenen stimme" einstellt. Über dem gesamten Text schwebt als Motto Les Murrays unfassbares Wort "All present is perfect": Nur aus transzendenter Perspektive kann diese Welt noch stimmen. (Anja Utler: "jana, vermacht". Buch mit CD. Edition Korrespondenzen. Reto Ziegler, Wien 2009. 112 S., geb., 20,50 [Euro].) oiss

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