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Als "Lyrik zum Die-Pulsadern-Aufschneiden" bezeichnete Federico García Lorca (1898-1936) die Gedichte, die er 1930 aus New York und Havanna mit nach Hause brachte, deren Drucklegung (1940) er jedoch nicht mehr erlebte. Wo unsere Landkarten New York verzeichnen, liegt in Wirklichkeit eine andere Stadt. Es gibt nur einen Zugang zu ihr - García Lorcas Gedichte.

Produktbeschreibung
Als "Lyrik zum Die-Pulsadern-Aufschneiden" bezeichnete Federico García Lorca (1898-1936) die Gedichte, die er 1930 aus New York und Havanna mit nach Hause brachte, deren Drucklegung (1940) er jedoch nicht mehr erlebte. Wo unsere Landkarten New York verzeichnen, liegt in Wirklichkeit eine andere Stadt. Es gibt nur einen Zugang zu ihr - García Lorcas Gedichte.
Autorenporträt
García Lorca, Federico
Federico García Lorca, geboren 1898 in Fuente Vaqueros , Granada, beginnt nach dem Studium eine Ausbildung als Musiker. 1918 veröffentlicht er sein erstes Buch Impresiones y Paisajes (Impressionen und Landschaften), 1920 folgt die Uraufführung seines ersten Theaterstücks El maleficio de la mariposa (Die Verwünschung des Schmetterlings). 1929 reist der Dichter nach New York. Es entsteht der weltberühmte Lyrikband Dichter in New York. 1930 begibt er sich nach Kuba. Ab 1931 arbeitet er für die regierenden Republikaner in Spanien. Von 1933 bis 1934 bereist er Südamerika. 1936 beginnt der Spanische Bürgerkrieg. Federico García Lorca stellt zur gleichen Zeit sein Hauptwerk Das Haus von Bernarda Alba fertig. Als er sich zu seinen Eltern nach Granada ins Einflussgebiet der Falange begibt, wird er verhaftet und am 19. August 1936 an der Friedhofsmauer von Fuente Grande erschossen. Er gilt heute als einer der wichtigsten Dramatiker und Lyriker des 20. Jahrhunderts

, zu einem seiner berühmtesten Werke zählen die Zigeunerromanzen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.12.2008

So klassisch wie Mugabe
Die Geschichte der Lorca-Übertragungen ist bizarr: Ein Blick in neue und nicht so neue Übersetzungen der Werke Federico García Lorcas
Es war gleich im ersten Semester. Das Proseminar beschäftigte sich mit der „Generation 27”, jener Gruppe spanischer Dichter, die das Góngora-Jubiläum 1927 feierlich begangen und den Barockdichter damit wieder in Ansehen gesetzt hatten. In der Seminarsitzung sollte ein Gedicht von Federico García Lorca analysiert werden, dem Star der „Generation 27”: „Tu infancia en menton”. Dem jungen Studenten erschienen die Verse schwer verständlich; so besorgte er sich eine alte, zweisprachige Inselausgabe, in der neben dem Original auch eine Übersetzung stand.
Mit der aber stimmte etwas nicht, ja an manchen Stellen wirkte es geradezu so, als habe der Übersetzer eine andere Vorlage benutzt als jene, die sich im Insel-Band abgedruckt fand. Zwar traute sich der Erstsemester noch nicht, jenen ominösen Enrique Beck, der da als Übersetzer geführt wurde, laut zu kritisieren; zumindest Becks Deutsch aber kam ihm irgendwie seltsam vor: „Merkwürdge Seele meines Ader-Innern”, hieß es da etwa, oder: „Sprung/ der Ricke durch die endelose Brust des Weiß”.
Ricke? Ader-Innern? Merkwürdg und endelos? Da war doch offensichtlich mehr als bloß ein Buchstabe verrutscht! Später erfuhr er, dass die Übersetzungen Enrique Becks eine lange, wenig erquickliche Geschichte hatten: 1934 war Beck, ein Jude, der eigentlich Heinrich hieß, nach Spanien geflohen. Dort begeisterte er sich bald für Federico García Lorca und begann dessen Gedichte und Theaterstücke zu übersetzen. Nach dem Mord an Lorca 1936 kam es dann zu einem folgenschweren Abkommen zwischen dessen Erben und Enrique Beck: Diesem wurde das alleinige Übersetzungsrecht eingeräumt. Ein falsch verstandener Empfehlungsbrief Thomas Manns spielte dabei eine tragische Rolle.
So war die deutsche Lorca-Rezeption in den folgenden sechzig Jahren den Übersetzungskünsten Enrique Becks (er selbst starb 1974) schutzlos ausgeliefert. Erst der Einsatz Siegfried Unselds, der das Monopol gerichtlich anfocht und dabei zahlreiche für die Beck-Erben niederschmetternde Gutachten vorlegte, sorgte schließlich dafür, dass Neuübersetzungen auf den Weg gebracht werden konnten. Die Beck-Übersetzungen wurden 1998 aus dem Verkehr gezogen. Was den Wallstein-Verlag dazu bewogen, ja was ihn geritten hat, diese wieder aufzulegen, ist ein Rätsel.
Deines Hofes Oleander
Die Herausgeber räumen zwar ein, dass keine Übersetzung nach dem Zweiten Weltkrieg „auf so starke Kritik gestoßen sei wie die Beck’sche”, sie sind aber zugleich der Meinung, dass dessen Werk auch „kontrovers diskutiert” wurde. Ein Verteidiger will einem aber nicht einfallen. Einzig Ernst Rudin, der Herausgeber, hat sich in seiner Promotionsschrift „Der Dichter und sein Henker? Über Lorcas Lyrik in deutscher Übersetzung” für Beck eingesetzt. Rudins Mitstreiter bei dieser Neuauflage ist der in Romanisten-Kreisen wenig bekannte José Manuel López de Abiada von der Universität Bern.
Beide nun besitzen die Dreistigkeit, Becks Werke als die „klassische Lorca-Übersetzung” zu bezeichnen. Das ist ungefähr so, als würde man Robert Mugabe „den besten Präsidenten Simbabwes” nennen. Andere Übersetzungen (ebenso wie andere Diktatoren) hatten eben keine Chance. Sie deswegen klassisch oder auch nur gut zu nennen, grenzt an Verblendung. Dabei geben Rudin und López de Abiada durchaus zu, dass man bei Beck „umständliche Formulierungen, Archaismen und Manierismen” findet. Sie ignorieren jedoch, dass seine Fassungen über weite Strecken von diesen Schwächen beherrscht werden: „nun, hast Lust du, kannst du fällen/ deines Hofes Oleander”. Da sträuben sich einem die Haare.
Raufen möchte man sie sich am liebsten bei all den herbeigezogenen Entschuldigungen und Verteidigungen, die Rudin und López noch so einfallen. Doch sind die Schlachten längst geschlagen, jede weitere Auseinandersetzung so unnütz wie diese Ausgabe. Eins sei nur noch erwähnt: „Die Gedichte”, wie der Verlag es groß auf die beiden Bände gedruckt hat, ist eine Irreführung des Käufers; es handelt sich hier längst nicht um alle Gedichte Lorcas, von einigen Bänden hat Beck nicht einmal die Hälfte übersetzt.
Eine auch nicht immer ganz verlässliche Auswahl hat Gustav Siebenmann unter dem wenigstens korrekten Titel „Gedichte” bei Reclam herausgebracht. Im Suhrkamp Verlag liegen inzwischen der „Diwan des Tamarit”, die „Zigeunerromanzen” und „Dichter in New York” in den kompetenten Übersetzungen von Martin von Koppenfels und Rudolf Wittkopf vor. Ebenso gelungen sind die Übertragungen der Stücke Lorcas durch Wittkopf, Thomas Brovot, Hans Magnus Enzensberger und Susanne Lange. Sie sind nun gesammelt in einem Band erschienen.
Martin von Koppenfels hat dazu ein instruktives Nachwort beigesteuert. Darin weist er auf die plastischen Qualitäten der Dramen hin, die pantomimische Klarheit ihrer Handlungen, die stilisierte und zugleich einfache Sprache, den musikalischen Aufbau und die „eher lyrischen als argumentativen Regeln folgende Verflechtung der verschiedenen Stimmen”. Zu Recht stellt Koppenfels auch die Frage, was den heutigen Leser die Mechanismen der spanischen Gesellschaft des lange vergangenen Jahrhunderts angehen.
Gerade in den drei bekanntesten Stücken „Yerma”, „Bluthochzeit” und „Bernarda Albas Haus” kann man sich bei der Wiederlektüre des Eindrucks nicht erwehren, dass man es hier mit exemplarischen Geschichten, mit Versuchsanordnungen zu tun hat. Dem Leser/Zuschauer soll etwas vorgeführt werden. Der erzieherische, mitunter geradezu anklagende Impetus ist überdeutlich. Mit individuellen Charakteren hat man es hier nur eingeschränkt zu tun, eher mit Typen. Die Töchter Bernarda Albas tanzen genauso nach der Pfeife ihrer Mutter wie nach der ihres literarischen Schöpfers.
Unberechenbar, ja anarchisch ist Lorca dagegen vor allem in seinen Gedichten, aber auch in manch früherem Stück. So etwa in dem Puppenspiel um „Don Cristóbal”. Hier spürt man nicht nur die wilden Energien, die Lorca umflossen, hier sieht man zu guter Letzt auch, wie glücklich Übersetzungen ausfallen können: „Öffne den Balkon, Rosita,/ denn das Spiel fängt an./ Dich erwartet eine schöne Leiche/ und ne Schlafmütze von Mann.” Hier fehlen zwar auch ein paar Buchstaben, „merkwürdg” ist das in diesem Fall aber nicht. TOBIAS LEHMKUHL
FEDERICO GARCÍA LORCA: Die Gedichte. Übersetzt von Enrique Beck. Hg. Ernst Rudin, José Manuel López de Abiada. Wallstein Verlag, Göttingen 2008. 750 Seiten, 49 Euro.
FEDERICO GARCÍA LORCA: Gedichte. Übersetzt von Gustav Siebenmann. Reclam Verlag, Stuttgart 2007. 184 Seiten, 5 Euro.
FEDERICO GARCÍA LORCA: Die Stücke. Übersetzt von Thomas Brovot, Hans Magnus Enzensberger, Susanne Lange, Rudolf Wittkopf. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2007. 566 Seiten, 32 Euro.
Anika Mauer und Robert Gallinowski in Lorcas „Bluthochzeit” am Deutschen Theater Berlin 2001 Foto: Ullstein Bild
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.09.2009

Fünf Uhr nachmittags
Eine zweisprachige Lorca-Ausgabe deckt die Lücke auf

Für den Rest der Welt ist García Lorca, den die Spanier vertraulich oft nur "Federico" nennen, der größte spanische Dichter des zwanzigsten Jahrhunderts. Die Spanier jedoch stufen den außerhalb noch immer wenig bekannten Antonio Machado in seiner magischen Einfachheit und Normalität noch höher ein. Auch Machado wurde Opfer des Bürgerkriegs. Über die Ermordung Lorcas schrieb er ein berühmtes Gedicht: "Das Verbrechen war in Granada, in seinem Granada ...". Lorca liebten alle, Dalí, Picasso, Buñuel, Machado und der Stierkämpfer Ignacio Sánchez Mejías, über den Lorca nach dessen Tod sein berühmtes Gedicht geschrieben hat: "A las cinco de la tarde", zu Deutsch: "Um fünf Uhr nachmittags".

Die vorliegende Ausgabe versammelt Übertragungen von Heinrich Enrique Beck. Darin liegt ein großes Problem trotz des nötigen Respekts vor Becks schwerem Lebensweg. Er war jüdischen Schicksals, floh 1934 in die Schweiz, von dort, wo er immer durch Ausweisung bedroht war, ging er nach Spanien. Und 1938, als es für ihn, den Kommunisten, dort nicht mehr ging, rettete er sich erneut nach Basel. In jenem Jahr erschien im Stauffacher Verlag seine erste Lorca-Übersetzung, die "Zigeunerromanze".

Heinrich Enrique Beck war ursprünglich Werbefachmann. Erst in Spanien wurde er zum Übersetzer und "Heinrich" zu "Enrique". Ein kluger und freundlicher Schweizer Anwalt (er lebt noch) sicherte ihm sein prekäres Bleiberecht und dazu etwas sehr Ungewöhnliches (und dadurch auch seine bürgerliche Existenz): nämlich, über Lorcas Familie, das alleinige Übersetzungsrecht an diesem Dichter für das Deutsche. (Normalerweise erwerben solche Rechte ja nicht Übersetzer, sondern Verlage.)

Nach Becks Tod im Jahr 1974 gingen die Rechte auf dessen Erben über. Das alles war höchst ärgerlich. Aber gut ist es doch, den Hintergrund zu kennen. Beck war kein wohlbestallter Philologie-Professor oder Studienrat. Heute aber, zweiundsiebzig Jahre nach Lorcas Tod, kann jeder Lorca-Übersetzungen drucken. Und seit 1996 gibt es auch die gute spanische Ausgabe der "Sämtlichen Werke" von Miguel García-Posada. Beck lag seinerzeit vielfach nur unzulänglich Ediertes vor. Und er hat außerdem auch unter dem ihm Vorliegenden ausgewählt. Von fünfhundertfünfzig Gedichten hat er nur zweihundertdrei übersetzt. In den vorliegenden beiden Bänden sind also nicht einfach "Die Gedichte", sondern bloß diejenigen, die Beck (zum Teil aus unguten Vorlagen) übertragen hat. Dann ist diese Ausgabe zweisprachig, und sie folgt, was die Originale angeht, weitgehend der genannten García-Posada-Ausgabe. Natürlich kann man, wenn dies alles so ist, die Frage nach der Berechtigung dieser Ausgabe schon stellen. Umso mehr, als die Insel-Bände von 1982, an die sie sich hält, noch zugänglich sind. Sicher aber haben wir nun endlich zum ersten Mal eine zweisprachige Ausgabe aller Lorca-Übersetzungen von Beck, die also den Vergleich zwischen Übersetzung und Original bequem ermöglicht, wobei man dazu freilich immer wieder genau den Text brauchte, der Beck vorlag.

Die Beck-Übersetzung ist zwar nicht "die klassische Übersetzung", wie der Anhang sagt (auch wenn man den Begriff des "Klassischen" dehnt), aber sie war eben die erste und aus genannten irritierenden Gründen lange Zeit die einzige. Sie hat evidente Mängel, die auch das "Nachwort" andeutet. Und die Herausgeber, Ernst Rudin und José Manuel López, korrigieren, wo es nicht anders geht. Hinter dieser Ausgabe steht die "Heinrich Enrique Beck-Stiftung" in Basel, die sich, neben humanitären Aufgaben, dem Werk Heinrich Becks und Thea Sternheims widmet. Nun aber gibt es andere, bessere Übersetzungen: die von Martin von Koppenfels und Rudolf Wittkopf (Suhrkamp); auch Altmeister Gustav Siebenmann hat im Jahr 2007 eine Auswahl herausgebracht (Reclam).

Das sind wichtige Beiträge, eines aber ist dennoch klar: Wir brauchen jetzt einen neuen deutschen Lorca, unseren Lorca. Abgesehen von den sonstigen Mängeln der Beck-Übersetzung, bewegte er sich in einer verflossenen "Diskurstradition", wie die Sprachwissenschaft sagt. Es gibt auch, natürlich, "Traditionen des Sprechens". Also (dies sagt der Landgraf im "Tannhäuser"): "Auf, liebe Sänger, greifet in die Saiten! Die Aufgab' ist gestellt."

HANS-MARTIN GAUGER

Federico García Lorca: "Die Gedichte". Spanisch und Deutsch. Ausgewählt und aus dem Spanischen übersetzt von Enrique Beck. Hrsg. von Ernst Rudin und José Manuel López. Wallstein Verlag, Göttingen 2008. 2 Bde., 748 S., geb., 49,- [Euro].

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