Zweisprachige Ausgabe. Ins Deutsche übertragen von Ulrike Draesner
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Fehlgriff im Hades
Am Kratersee: Die amerikanische Lyrikerin Louise Glück
Was soll er der Entführten sagen, sobald sie erkennt, wo sie sich befindet? „Ich liebe dich, nichts kann dich verletzen”? Hades überlegt lange, wählt dann aber einen Satz, der „ihm als besserer /Anfang erscheint, treffender”: „Du bist tot, nichts kann dich verletzten”. Persephone ist nun in sein Reich eingegangen, und erst nach einem Schiedsspruch Jupiters erlangt ihre Mutter Ceres zumindest das Recht, sie während der Hälfte des Jahres bei sich zu haben, im Diesseits, dort, wo der Lago d’Averno liegt.
Der kleine Kratersee in der Nähe Neapels galt den Römern als Zugang zur Unterwelt. Dem nun auf Deutsch vorliegenden Gedichtband der amerikanischen Lyrikerin Louise Glück leiht er den Namen. Ulrike Draesner hat „Averno” verlässlich und zurückhaltend übersetzt, manchmal aber gar zu eng an der englischen Satzbildung. Doch auch der Blick aufs Original bereitet nicht unbedingt Lust: neben einigen starken Momenten wie dem eben zitierten „Hingabemythos” wirken die Gedichte in diesem Band doch recht schwach. Man fragt sich, warum die Dichterin in den USA so hohes Ansehen genießt. Ihre handfeste Art, mit antiken Stoffen umzugehen, ist zwar sympathisch und erinnert an ihre große Kollegin Anne Carson. Wo diese aber fest zupackt und Neues formt, greift Glück leider häufig daneben. Das kraftvolle Pathos der antiken Bildwelt verwandelt sich bei ihr oft in gedanklichen Kitsch, der so beschwörend wie schwammig von der „Seele” spricht. Überdies trägt Glück ihr Künstlertum mit einiger Gespreiztheit vor sich her: „Etwas später nahm ich es auf mich, / Künstler zu werden, / diesen Eindrücken eine Stimme zu geben.” Eine große Bürde scheinbar, die sie unseretwegen nicht hätte auf sich nehmen müssen.TOBIAS LEHMKUHL
LOUISE GLÜCK: Averno. Aus dem Englischen übersetzt von Ulrike Draesner. Luchterhand Verlag, München 2007. 174 Seiten, 16 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
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