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Christoph Heins schriftstellerische Arbeit ist seit ihren Anfängen von Essais begleitet, in denen er über die Voraussetzungen seines Schreibens nachdenkt, etwa über »Sprache und Rhythmus«, über Heine, Proust und Goethe oder auch über Geschichte und aktuell Politisches bzw. das Verhältnis von Intellektuellen und Politik. Wie in seiner Prosa und in den Theaterstücken erweist sich der Autor auch hier als ein wacher und genauer Chronist unserer Zeit. Dieser Band versammelt Essais von Christoph Hein aus etwa 20 Jahren, deren zentraler Bezugspunkt der Ort des Jahrhunderts ist: Auschwitz. Darunter…mehr

Produktbeschreibung
Christoph Heins schriftstellerische Arbeit ist seit ihren Anfängen von Essais begleitet, in denen er über die Voraussetzungen seines Schreibens nachdenkt, etwa über »Sprache und Rhythmus«, über Heine, Proust und Goethe oder auch über Geschichte und aktuell Politisches bzw. das Verhältnis von Intellektuellen und Politik. Wie in seiner Prosa und in den Theaterstücken erweist sich der Autor auch hier als ein wacher und genauer Chronist unserer Zeit.
Dieser Band versammelt Essais von Christoph Hein aus etwa 20 Jahren, deren zentraler Bezugspunkt der Ort des Jahrhunderts ist: Auschwitz. Darunter befinden sich solche berühmt gewordenen wie »Die fünfte Grundrechenart« über Stalins Verbrechen und die weißen Flecken der Geschichtsschreibung oder »Die Zensur ist überlebt, nutzlos, paradox, menschenfeindlich, volksfeindlich, ungesetzlich und strafbar«, vorgetragen auf dem X. Schriftstellerkongreß der DDR 1987. Daneben gibt es neue, in Buchform bislang ungedruckte Texte aus den Jahrennach dem Mauerfall wie die Eröffnungsrede zur Frankfurter Buchmesse 1994 oder einen Essai über »Wanderschaft und Exil«, in dem Christoph Hein über Ausländerfeindlichkeit und Antisemitismus nachdenkt bzw. über das Verhältnis zu sich selbst und zum jeweils als fremd Empfundenen.
Autorenporträt
Christoph Hein wurde am 8. April 1944 in Heinzendorf/Schlesien geboren. Nach Kriegsende zog die Familie nach Bad Düben bei Leipzig, wo Hein aufwuchs. Ab 1967 studierte er an der Universität Leipzig Philosophie und Logik und schloss sein Studium 1971 an der Humboldt Universität Berlin ab. Von 1974 bis 1979 arbeitete Hein als Hausautor an der Volksbühne Berlin. Der Durchbruch gelang ihm 1982/83 mit seiner Novelle Der fremde Freund / Drachenblut.
Hein wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. mit dem Uwe-Johnson-Preis und Stefan-Heym-Preis. Seine Romane sind Spiegel-Bestseller.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 26.07.2004

Der Narr will nicht
Christoph Heins Essays über sein Verhältnis zur Politik
Nur wenige Bücher sind es wert, zu Ende gelesen zu werden. Bei diesem Buch allerdings entgeht einem das Entscheidende selbst dann, wenn man bis zur letzten Zeile dabei geblieben und nicht darüber hinaus gegangen ist. Denn den Zugang zur sprachlichen Vielschichtigkeit und intellektuellen Haltbarkeit der hier versammelten Essays von Christoph Hein eröffnet der Weg über die Hintertreppe, über die Angaben am Ende des Bandes, wann und wo die Artikel, Reden, Vorlesungen und öffentlichen Erklärungen zum ersten Mal erschienen sind.
Zum Beispiel die sperrigen „Betrachtungen über Poetik-Vorlesungen”: Heins darin formulierte Verweigerung, das Unregulierbare der Kunst in allgemeine Regeln zu fassen, ist weder wohlfeile Starpose noch bloßes Bekenntnis zu einem autonomen Kunstbegriff. Die widerborstigen Sätze müssen vor dem Hintergrund ihres öffentlichen Vortrags gelesen werden: Hein hatte seine Poetik-Lektion am 31. Oktober 1989 an der Karl-Marx-Universität in Leipzig zu erteilen. Seit seinen Romanen „Der fremde Freund” (1982) und „Der Tangospieler” (1989) galt der Pastorensohn als Leitfigur der intellektuellen Opposition. Am Vorabend des Zusammenbruchs der DDR gibt Hein nun aber sowohl der sozialistischen Staats- und Kunstdoktrin als auch den oppositionell gestimmten Zuhörern, die auf ein wegweisendes Wort warten, einen Korb: „Eine Poetik hat jeder Mensch, der ein paar Sinne besitzt.” Das heißt: Jeder ist fähig zu urteilen, wenn er sich auf seine Sinne verlässt, dazu braucht es keiner wie auch immer geartete Theorie. Wer nun nach einem vorformulierten Programm für die Zukunft verlangt, hat die augenblickliche Chance der Freiheit nicht erkannt. Die Freiheit des Beginnens, des Unmittelbaren und Unbestimmten, die auch das Wesen der Kunst ist. Im Widerspruch zum Willen der SED, mittels der Kontrolle von Presse, Theatern, Verlagen über die „gemeinsame Wirklichkeit” zu bestimmen, beharrt Christoph Hein auf dem common sense: Den eigenen Sinnen vertrauen, in allgemein verständlichen Worten sagen, was ist - der Dichter als Chronist: „Schreiben ist nach meinem Verständnis dem Bericht-Erstatten verpflichtet.”
Dass man die wichtigsten öffentlichen Erklärungen und Reden, die Heins Selbstverständnis als Schriftsteller und Intellektueller in den achtziger Jahren begründeten - vom Protest gegen Zensur und Geschichtsfälschung der SED bis zur Mitwirkung an einer unabhängigen Kommission, die Gewaltakte der Polizei im Herbst 1989 untersuchte - nun noch einmal nachlesen kann, profiliert den Band als kanonisches Kompendium des politischen Autors Christoph Hein.
Die zweite Säule des Bandes bilden Artikel und Vorträge aus den neunziger Jahren, die nun erstmals in Buchform vorliegen. Auf den ersten Blick löcken die jüngeren Texte weniger gegen den Stachel. Nachdem der politische Westen den Osten in den Rang einer Himmelsrichtung zurückversetzt hat, entfällt zum Beispiel der rhetorisch reizvolle Reflex, sich der von außen zugeschriebenen Rolle des Dissidenten zu entziehen. Doch gibt es für Heins „Berichterstatter” weiterhin nur ein Mittel, unliebsamen Nachrichten Gehör zu verschaffen: seine Glaubwürdigkeit, seine Unabhängigkeit. Er darf sich keinen Gruppeninteressen unterordnen, er muss, wie Hein Hannah Arendt zitierend sagt, den Standpunkt des „Paria” einnehmen, die „eigentliche und einzig mögliche Haltung für den Intellektuellen in der Gesellschaft, im Verhältnis zum Staat wie zur Politik: Distanz.”
Als Mitherausgeber der linkenWochenzeitung Freitag hat Hein seine Unabhängigkeit freilich nicht aufgegeben, reduziert ist sie dadurch gleichwohl. Und als er im Februar bei der Präsentation seines neuen Romans „Landnahme” mit Jutta Limbach und Richard von Weizsäcker auftrat, beschädigte das zwar nicht Heins Glaubwürdigkeit, aber seine plötzliche Platzierung im Familienbild der Großkopfeten wirkte ein wenig befremdlich.
Das bestechend Unbestechliche an Christoph Hein liegt in seiner Sprache. Die kargen Sätze entlarven jedes Jargon- und Klischeegequassel. Aus dem sinnlichen Gestus des Formulierens spricht die Empathie für den Gegenstand der Rede. Selbst gedankenschwere Essays trägt ein beinahe magischer Rhythmus poetischer Sprache. Ein Sturm der Gelassenheit, in dessen Auge etwas Unbezwingbares sitzt, erinnernd an eine Figur Shakespeares, die sagt: „Ich hielte gern Friede und Ruhe, aber der Narr will nicht.”
THOMAS WILD
CHRISTOPH HEIN: Der Ort. Das Jahrhundert. Essais. Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M. 2003. 210 S., 13, 80 Euro.
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Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Das Entscheidende an dieser zweigeteilten Sammlung von Christoph Heins öffentlichen Erklärungen, Reden, Vorlesungen und Artikeln - aus den achtziger und den neunziger, den Vor- und den Nachwendejahren erschließt sich, so Rezensent Thomas Wild, erst dem, der dieses Buch auch noch über die letzte Zeile hinaus liest. Den Zugang zur "sprachlichen Vielschichtigkeit" wie zur "intellektuellen Haltbarkeit" der versammelten Texte Heins nämlich würden erst die Angaben am Ende des Bandes eröffnen - darüber, wann und wo die jeweilige Rede ursprünglich gehalten, der entsprechende Artikel zum ersten Mal erschienen sei. So erst könne man dann beispielsweise die Sperrigkeit der abgedruckten Poetik-Lektion richtig lesen - die Hein am 31. Oktober 1989 in Leipzig vortrug. Hier geht es, so Brenner, nämlich vornehmlich darum, den Zuhörern leichte Lösungen, griffige Visionen, vorformulierte Programme zu verweigern. So gelangt Wild schließlich zu einer doppelten Preisung Heins - als eines vorbildlichen Intellektuellen und Schriftstellers. Das "bestechend Unbestechliche" an Christoph Hein liegt "in seiner Sprache", so Wild: "Die kargen Sätze entlarven jedes Jargon- und Klischeegequassel. Aus dem sinnlichen Gestus des Formulierens spricht die Empathie für den Gegenstand der Rede. Selbst gedankenschwere Essays trägt ein beinahe magischer Rhythmus poetischer Sprache."

© Perlentaucher Medien GmbH
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