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Sara, Anfang zwanzig, steht am Krankenbett ihres Onkels. Scheich Yussuf al-Ahmad ist der Chef der "Behörde für die Verbreitung der Tugendhaftigkeit und der Verhinderung von Lastern", ein Salafist, der zum Heiligen Krieg aufruft und junge Bräute an Dschihadisten vermittelt. Er hat Saras Leben zerstört - nun ist sie aus der Verbannung in London zurück und sinnt auf Rache. Najem Wali, Autor einer "Prosa von Weltrang" (taz), erzählt von einer Gesellschaft von Superreichen, die absurder und verdorbener nicht sein könnte. Es ist die Geschichte einer mutigen Frau in Saudi Arabien, die aufbegehrt gegen Scheinheiligkeit und Gewalt und um ihre Freiheit kämpft.…mehr

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Produktbeschreibung
Sara, Anfang zwanzig, steht am Krankenbett ihres Onkels. Scheich Yussuf al-Ahmad ist der Chef der "Behörde für die Verbreitung der Tugendhaftigkeit und der Verhinderung von Lastern", ein Salafist, der zum Heiligen Krieg aufruft und junge Bräute an Dschihadisten vermittelt. Er hat Saras Leben zerstört - nun ist sie aus der Verbannung in London zurück und sinnt auf Rache. Najem Wali, Autor einer "Prosa von Weltrang" (taz), erzählt von einer Gesellschaft von Superreichen, die absurder und verdorbener nicht sein könnte. Es ist die Geschichte einer mutigen Frau in Saudi Arabien, die aufbegehrt gegen Scheinheiligkeit und Gewalt und um ihre Freiheit kämpft.
Autorenporträt
Najem Wali, 1956 im irakischen Basra geboren, flüchtete 1980 nach Ausbruch des Iran-Irak-Kriegs nach Deutschland. Heute lebt er als freier Autor und Journalist in Berlin. Er war lange Zeit Kulturkorrespondent der bedeutendsten arabischen Tageszeitung Al-Hayat und schreibt regelmäßig u.a. für die Süddeutsche Zeitung, die Neue Zürcher Zeitung und Die Zeit. Von Sept. 2016 bis Aug. 2017 war er Grazer Stadtschreiber. Bei Hanser erschienen zuletzt sein Roman Bagdad Marlboro (2014), für den er mit dem Bruno-Kreisky-Preis 2014 ausgezeichnet wurde, sowie Bagdad (Erinnerungen an eine Weltstadt, 2015) und Saras Stunde (Roman, 2018).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.03.2018

Die Angst vor dem Schrei
Ein weiter Weg: Najem Wali erzählt von "Saras Stunde"

Zuletzt war aus Saudi-Arabien manch Gutes zu hören. Vom kommenden Sommer an soll es Frauen erlaubt sein, Auto zu fahren. Fürs Frühjahr wurde die Eröffnung des ersten Kinos angekündigt. Und schon vor einigen Wochen trat die libanesische Sängerin Hiba Tawaji beim ersten Popkonzert für Frauen in Riad auf. MBS, wie der Kronprinz Mohammed Bin Salman genannt wird, scheint es ernst zu meinen mit der angekündigten Modernisierung des Landes, die neben wirtschaftlichen manch heikle gesellschaftliche Felder betrifft.

Hierzulande erscheint in diesen Tagen allerdings ein Roman, der den guten Nachrichten aus Saudi-Arabien misstraut. Najem Wali, 1956 im Irak geboren und in den achtziger Jahren nach Deutschland ausgewandert, hat mit "Saras Stunde" ein Buch geschrieben, in dem Saudi-Arabien als jenes "Königreich der Finsternis" beschrieben wird, von dem spätestens seit den Terroranschlägen vom 11. September viel die Rede war. Mag sein, dass seine Protagonistin Sara auf eine Schule gehen darf, in der die Mädchen von den Jungen zumindest in den ersten Schuljahren nicht getrennt sind. Und dass man ihr gestattet, mit ihrer Freundin Alhanuf durch das Loch im Schulhofzaun zu entwischen, um sich im benachbarten Garten niederzulassen. Aber all die Nachsicht, die Saras Vater, ein im Kuweit-Krieg zu Reichtum gekommener Spediteur, seiner Lieblingstochter gewährt, schützt sie nicht vor den konservativen Kräften in ihrem Land.

Das Ringen von Tradition und Moderne, von wahhabitischer Strenge und westlicher Liberalität kommt im Roman von Najem Wali zwar als Familienangelegenheiten daher. Der Erzähler lässt wenig Gelegenheit aus, Sara als besonderes Mädchen zu skizzieren, als eine, die nicht etwa stillhält, wenn der Scheich von der "Behörde zur Verbreitung von Tugendhaftigkeit und der Verhinderung von Lastern" eine nicht enden wollende Predigt hält - sondern als eine, die aufsteht und anfängt zu schreien. Allerdings ist sie nicht die einzige, die sich widersetzt. Auch andere Frauen tun das, ihre Freundin Alhanuf beispielsweise und ihre Tante, die nicht zufällig ebenfalls Sara heißt. Sie alle sind bereit, für ihren Wunsch nach Individualität sehr weit zu gehen. So weit, dass sich auch der Roman, der als Bildungsroman beginnt, allmählich zu einer Phantasie über die umstürzlerische Kraft der Frauen weitet und über die Furcht der saudischen Männer vor ihnen.

Wie viel Wirklichkeit steckt in dieser Phantasie? Das ist die Frage, mit der Najem Wali sein Spiel treibt. Vor allem im Nachwort seines Buches, das die Fiktionalität alles zuvor Erzählten in Zweifel zieht. In diesem Nachwort reklamiert ein gewisser Harun Wali, der als Ich-Erzähler schon im Roman "Engel des Südens" (2011) auftrat und den Najem Wali seinerzeit als sein Alter Ego bezeichnete, die Autorschaft von "Saras Stunde" für sich. Er habe, schreibt er, Sara vor ein paar Jahren bei einer Lesung in Saudi-Arabien getroffen, bei der sie ihm ihr Notizbuch zusteckte, verbunden mit der Bitte, er möge eines Tages ihre Geschichte erzählen. Manche Leerstelle in diesem Notizbuch habe er natürlich füllen müssen. Das Gerüst aber stamme von ihr. Oder trügt ihn die Erinnerung? "Ja", heißt es später, "es beschlich mich sogar das sonderbare Gefühl, dass ich zweifelte, dich überhaupt jemals getroffen zu haben. Und dass das, was ich aufgezeichnet in dem kleinen schwarzen Notizbuch von Moleskine las, ganz allein meine Worte waren, etwas, das ich ersonnen hatte, und mehr nicht."

Dieses Vexierspiel, das typisch ist für Najem Wali, umhüllt den Roman mit einem rätselhaften Schimmer von Authentizität, der ihm gut steht, weil er ja von Biographien erzählt, die besonders westlichen Lesern unvorstellbar scheinen mögen. Der materielle Überfluss, in dem Sara aufwächst - mit den zig Angestellten im Haus ihrer Eltern, ihrem vom Vater bezahlten Appartement in London, dem endlosen Shopping -, steht in krassem Gegensatz zu dem Mangel an Möglichkeiten, den sie in entscheidenden Lebensfragen hat. Dieser Widerstreit prägt ihr Leben. Um ihn aufzulösen, müsste sie ihn intellektuell durchdringen, aber dazu sind ihr die Mittel nicht gegeben. Wie auch, da sie in eine arrangierte Ehe einwilligte, als sie sechzehn war, und das nur, um Schlimmerem zu entgehen. Sara bleibt beeinflussbar und verträumt. Und so führt sie der einzige Ausweg in eine andere Form von Isolation.

Najem Wali zeichnet diesen Weg mit einer Konsequenz nach, die wegen seines elegischen, von einem schicksalhaften Raunen (und einigen Längen) durchzogenen Stils immer harmlos wirkt. Doch zugleich vermittelt das ein gutes Gefühl für die Unerbittlichkeit der Verhältnisse, in denen Sara aufwächst. Dafür, wie mächtig die Kräfte sind, denen sie ausgesetzt ist. Und auch eine Ahnung dafür, wie weit der Weg ist, der ihren Töchtern zu gehen bleibt.

LENA BOPP

Najem Wali: "Saras Stunde". Roman.

Aus dem Arabischen von Markus Lemke. Hanser Verlag, München 2018. 350 S., geb., 23,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.03.2018

Aufstand der Opfer
Najem Walis Roman über die Frauen der Saudis
Es geht gleich zur Sache, knallhart und kaltblütig: Eine junge Frau steht am Krankenhausbett eines Mannes und überlegt, wie sie ihn am wirkungsvollsten umbringen kann. Ihr Motiv? Rache. Ein paar Minuten hält sie noch inne neben dem mächtigen Scheich, der durch die Kugeln eines unbekannten Angreifers schwer verletzt wurde und erst vor kurzem aus dem Koma erwacht ist. Wie ein Gebet wiederholt sie laut ihre Formel: „Im Namen all jener namenlosen Mädchen, die dir zum Opfer gefallen sind. Auf dass ich mich jetzt befreie für alle Ewigkeit.“ Als sein eisiger Blick ihre Augen trifft, reißt sie ihm die Sauerstoffmaske vom Gesicht, spürt im Moment seines Todes tiefe Erleichterung und verlässt mit ruhigen Schritten den Raum. Die Frau hatte sich um die Mittagszeit als Arzt verkleidet in das saudische Militärhospital geschlichen und war niemandem aufgefallen. Nun durchquert sie unbehelligt die Korridore, tritt in die Hitze hinaus, setzt sich in ihr Auto und fährt davon. Sind wir in einem Thriller gelandet?
Nicht ganz, aber der Mord weist auf die Drastik von Najem Walis neuem Roman „Saras Stunde“ voraus. Nach der geschickt als Cliffhanger inszenierten Gewalttat, die mit der vieldeutigen Überschrift „Das Ende der Sünde“ versehen ist, folgt erst einmal die Geschichte von Saras Kindheit und Jugend im Saudi-Arabien der 1980er Jahre unter wechselnden politischen Vorzeichen. Vor allem Frauen und Mädchen gelten qua Geschlecht als gefährlich. Dann kommt der zweite Schauplatz London ins Spiel, und die letzten Kapitel des umfangreichen mittleren Teils führen zurück nach Saudi-Arabien. Dieser Mittelteil ist das Herzstück des Buches und heißt „Saras Sünde“. Damit ist die Zielrichtung des gesamten Unterfangens angedeutet. Denn Wali, 1956 im Irak geboren, seit dem Ausbruch des iranisch-irakischen Krieges 1980 in Deutschland Zuhause und verdienter Vermittler der arabischen Welt, verhandelt genau diese Frage: Wer legt fest, was als Sünde gilt? Wird das, was im Islam wie im Christentum als Sünde gilt, nämlich jemanden zu töten, möglicherweise zu einem Akt der Freiheit? Diese moralphilosophische Grundierung ist das Interessanteste an diesem Roman. Man könnte ihn als Appell an die Frauen deuten, als Aufruf zur Selbstermächtigung. Die kühle Exekution des Tugendwächters, der zudem Saras Onkel ist, ließe sich als symbolische Handlung begreifen.
Leider hapert es aber an der Umsetzung. Najem Wali scheint seinem Stoff nicht zu vertrauen. Zwar sind die Schilderungen des saudischen Alltagslebens aufschlussreich, aber der Autor überfrachtet die Handlung, lässt nichts im Ungefähren und ist viel zu explizit. Zuerst wirkt Sara wie eine Märchenfigur: Sie kriecht ohne Hilfe aus dem Mutterleib, lehnt alle Fürsorge ab, spricht früh in ganzen Sätzen und ist der Augenstern ihres Vaters, eines erfolgreichen Geschäftsmannes. Um Sara den Zugriffen der Tugendwächter zu entziehen, schickt er sie auf eine amerikanische Schule und nimmt den Konflikt mit seinem Schwager, Saras Onkel, dem Vorsitzenden der Behörde für Tugendhaftigkeit in Kauf. Doch als sich später eine wenig standesgemäße Liebschaft andeutet und Sara immer mehr einer aufmüpfigen Tante nacheifert, verbündet sich Ghazi mit dem verhassten Verwandten und stimmt der Ehe seiner Tochter mit dessen verstoßenem Sohn zu. Bei der behördlichen Überprüfung ihrer Unschuld zerfetzt der Onkel Saras Jungfernhäutchen mit dem Finger.
Damit nicht genug: Sara wandelt sich in London zum Konsummonster, ihr schwuler Ehemann wird nach dem 11. September als Terrorverdächtiger eingebuchtet, sie verfällt dem Alkohol. Ganz aus dem Ruder läuft „Saras Stunde“, als Wali eine postmoderne Spiegelung einarbeitet und seine Heldin einen Roman lesen lässt, dessen erster Band „Saras Sünde“ heißt. Hier ist von dem Mord die Rede, den Sara tatsächlich begehen wird. Im Nachwort richtet sich Najem Walis in früheren Büchern erprobtes alter ego Harun Wali an Sara und erinnert sich an eine Begegnung mit ihr, die vielleicht nur eine Phantasie war, obwohl er in den Besitz ihres Notizbuches kam. Die Verschachtelung der Wirklichkeitsebenen wirkt gezwungen, die Grundidee versandet. Schade, denn für eine Machtergreifung der Frauen wäre es wirklich an der Zeit.
MAIKE ALBATH
Najem Wali: Saras Stunde. Roman. Aus dem Arabischen von Markus Lemke. Carl Hanser Verlag, München 2018. 350 Seiten, 23 Euro. E-Book 16,99 Euro.
Leider hat der Autor eine
postmoderne Spiegelung
in seinen Roman eingebaut
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensentin Lena Bopp mag die literarischen "Vexierspiele" des im Irak geborenen und seit den Achtzigern in Deutschland lebenden Schriftstellers Najem Wali, dem es in seinen doppelbödigen, mit Fiktion und Authentizität jonglierenden Romanen immer wieder gelingt, westlichen Lesern fremde Kulturen und Biografien verständlich zu machen. In "Saras Stunde" folgt die Kritikerin einem jungen Mädchen, das trotz der liberalen Erziehung ihrer Eltern mit den konservativen, wahhabitischen Kräften in ihrer Heimat kämpfen muss und schließlich aus Mangel an Möglichkeiten in eine arrangierte Ehe einwilligt. Auch wenn Wali gelegentlich zu "schicksalhaftem Raunen" und einigen Längen neigen mag, hat Bopp hier einen eindrücklichen Einblick in saudi-arabische Verhältnisse erhalten, wie sie erklärt.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Wali hat wieder einen fulminanten, wunderbar erzählten Roman geschrieben, der die aktuellen Ereignisse, das scheinbare Tauwetter in Saudi-Arabien besser verstehen hilft. Die Widersprüche treten zutage - Alt gegen Jung, Geschäft gegen Religion, Mann gegen Frau." Mario Scalla, hr2 Kultur, 05.04.18

"Die arabeske, repetitive Sprache, durch die Sätze immer wieder neu ansetzen und sich manchmal über eine halbe Seite hinziehen, hat etwas Sinnbildliches. Saras Kampf mündet nicht in eine wirkliche Befreiung, es verharrt in der Suchbewegung." Ulrike Baureithel, Tagesspiegel, 27.07.18

"Ein trauriger - am Ende aber auch hoffnungsfroh stimmender - Roman über die mörderische Wucht religiöser Fundamentalisten - und die Kraft mutiger, selbstbestimmter Frauen." Stefan Berkholz, SWR2 Lesenswert, 01.04.18

"Walis Empörung über diese Zustände ist im Roman genau so spürbar wie seine immense Empathie für Sara."
Dina Netz, Deutschlandfunk Kultur Lesart, 12.03.18

"Wie vielWirklichkeit steckt in dieser Phantasie? Das ist die Frage, mit der Najem Wali sein Spiel treibt [...] Dieses Vexierspiel, das typisch ist für Najem Wali, umhüllt den Roman mit einem rätselhaften Schimmer von Authentizität, der ihm gut steht, weil er ja von Biographien erzählt, die besonders westlichen Lesern unvorstellbar scheinen mögen." Lena Bopp, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06.03.18

"Najem Walis Roman erzählt die Geschichte hinter den Nachrichten, die uns gerade aus Saudi Arabien erreichen."
Julia Riedhammer, rbb stilbruch, 25.02.18

"Ein Roman über Gerechtigkeit in einem Land der Ungerechtigkeit [...].Der Schriftsteller Najem Wali ist eine Art Satellit der arabischen Literatur, eine Stimme, die hinunterfunkt in eine Welt der Ungerechtigkeit. [...] Ein Autor der arabischen Postmoderne, der sich selbst in seinen Büchern auftreten lässt und in orientalischen Schlaufen erzählt. Vor allem ist Wali ein Autor, der den Tabubruch sucht. 'Saras Stunde' ist ein einziger Tabubruch."
Lothar Gorris, DER SPIEGEL, 24.02.18
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