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2 Kundenbewertungen

Überwacht von einem unbestechlichen Gesandten der übergeordneten Kirchenbehörde, zelebriert Pater Jolliffe einen Gedenkgottesdienst für den Bettgefährten der beautiful people von London, einen auch ihm selbst wohlbekannten Mann. Unerwartete Enthüllungen der versammelten Hinterbliebenen sorgen dafür, dass die traurige Zeremonie einen rasanten Wandel durchläuft.

Produktbeschreibung
Überwacht von einem unbestechlichen Gesandten der übergeordneten Kirchenbehörde, zelebriert Pater Jolliffe einen Gedenkgottesdienst für den Bettgefährten der beautiful people von London, einen auch ihm selbst wohlbekannten Mann. Unerwartete Enthüllungen der versammelten Hinterbliebenen sorgen dafür, dass die traurige Zeremonie einen rasanten Wandel durchläuft.
Autorenporträt
Alan Bennett, 1934 in Leeds geboren, wurde bekannt durch seine TV Comedy-Revue Beyond the Fringe sowie durch die 1987 unter dem Titel Talking Heads von der BBC gesendeten Monologe. Neben zahlreichen Theaterstücken und seinen Arbeiten für Fernsehen und Rundfunk schreibt Bennett seit Mitte der neunziger Jahre auch Prosa.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Patrick Bahners betrachtet dieses Buch über die Begegnung von zwei anglikanischen Priestern im Rahmen der Beerdigung eines früh verstorbenen schwarzen Masseurs als eine "sehr englische Angelegenheit". Zu dieser Einschätzung trägt nicht nur der "ironische Standpunkt des Erzählers", sondern die grundsätzliche Trockenheit der Bennettschen Prosa bei, welcher der Rezensent immer wieder "umwerfend komische" Momente verdankt. Sein Potential bezieht die Geschichte aus dem Beruf des Toten, der sich mit dem Handauflegen Jesu und seiner priesterlichen Nachfolger zu ausgesprochen komischen religionssoziologischen Betrachtung verschränken lässt, wenn man die Ausführungen des Rezensenten richtig deutet. Dabei beeindruckt den Rezensenten besonders die Tatsache, dass die priesterlichen Protagonisten selbst in Momenten größter Lächerlichkeit niemals zu Witzfiguren werden.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.11.2005

Der Masseur Gottes
Sehr englisch: Alan Bennetts diskrete Heilsgeschichte

Priester gibt es nicht in jeder Kirche oder, vatikanisch gesprochen, kirchlichen Gemeinschaft. Dem Priester wird durch die Weihe eine unauslöschliche Prägung übertragen. Der priesterliche Charakter ist das Gegenteil eines genetischen Defekts, bleibt für menschliche Augen, wie immer technisch verstärkt und wissenschaftlich geschärft, unsichtbar und zieht scheinbar dennoch wie von selbst die Blicke auf sich. Was sich soziologisch von jedem Geistlichen sagen läßt und was theologisch für jedermann gilt, der Christus nachfolgt, erfährt der Priester am eigenen Leib: Er steht immer unter Beobachtung. Nicht nur Gott verfolgt alle seiner Handlungen am Altar und in der Sakristei; vor der Gemeinde verkörpert er, auch wenn er kein Meßgewand trägt, sondern nur das in England sogenannte Hundehalsband der Alltagsuniform, das Geheimnis des christlichen Lebens.

Zwei Priester der Kirche von England sind die Hauptfiguren der "story" von Alan Bennett, die 2001 in der "London Review of Books" erschien, 2002 bei Wagenbach mit einer zweiten zu einem Buch vereinigt wurde (F.A.Z. vom 24. Juli 2002) und nun in einer Einzelausgabe als "Kurzroman" vorliegt. Die Geistlichen treffen bei einem Gedenkgottesdienst zusammen, einem "memorial service" Monate nach der Beerdigung. Dabei handelt es sich, und so war auch in diesem Fall die Notiz im "Daily Telegraph" überschrieben, um eine sehr englische Angelegenheit. Beziehungsweise eine sehr anglikanische, wozu die von beiden Priestern nebenbei mit ihrem institutionellen Gewissen erörterte Frage gehört, ob es sich bei dieser Mischung aus tröstlichen Versen, stimmungsvollen Liedern und rührenden Abschiedsworten eigentlich um eine geistliche oder eine weltliche Veranstaltung handelt.

Sehr englisch ist auch der ironische Standpunkt des Erzählers. Er führt uns den ersten Priester vor, wie er sich irrtümlich beobachtet glaubt, und den zweiten, wie er nicht merkt, daß er beobachtet wird. Erzdiakon Treacher versteckt sich in einer hinteren Bank und notiert, daß Trauergäste, vor allem Damen, sich nach ihm umdrehen. Er begreift nicht, daß der Gegenstand dieser Aufmerksamkeit der in der Reihe hinter ihm sitzende, ihm naturgemäß unbekannte Seifenopernstar ist. Father Jolliffe, der Pfarrer, der den Gottesdienst hält, hat nicht gesehen, daß Erzdiakon Treacher in der Kirche ist. Der Erzdiakon ist Mitglied einer Diözesankommission, die über die Beförderung von Father Jolliffe zu befinden hat. Am Anfang der priesterlichen Laufbahn steht ein Ritus, den der Bischof als Nachfolger der Apostel vollzieht. Er gibt Bennetts Geschichte den Titel: das Handauflegen.

Obgleich Father Jolliffe wegen des Verlaufs des Gottesdienstes, über den im "Telegraph" nichts zu lesen war, weil die Reporterin das sehr Englische sehr gut zu kennen glaubte und lieber zum Lunch ins Design Museum ging, keine Gnade in den Augen des Erzdiakons findet, schätzen sie an ihrer englischen Kirche dasselbe: die Objektivität der Formen, hinter denen die Person sich zurücknehmen kann. In der tränenreichen Zeit der Fernsehbeichten ist nach der Überzeugung des Erzdiakons "ein Ort der trockenen Selbstkontrolle" dringend nötig. "Das war keine populäre Meinung, und manchmal fühlte er sich wie ein Jesuit auf der Flucht im elisabethanischen England: versteckt im Untergrund, aber an seinem alten Glauben festhaltend, auch wenn die Pfeiler dieses Glaubens, nämlich Diskretion, Zurückhaltung und Ehrfurcht vor der Tradition eher zu einem Schneider als zu einem Geistlichen zu passen schienen."

Warum wird mit dem umwerfend komischen Ende dieses Satzes der Wiedergänger der elisabethanischen Märtyrer nicht vollends zur Witzfigur? Warum behält der Erzdiakon seine Würde? Weil der Satz selbst die Haltung illustriert, die in der Figur des auch im Sinne der Kirchenpartei ("high and dry") trockenen Schleichers karikiert wird. Trockenheit ist die Essenz der Prosa Bennetts, auch seiner traditionell zu Neujahr in der "London Review" publizierten Tagebücher. Die Diskretion des Autors geht in dieser Geschichte so weit, daß der theologische Sinn ihres Titels, der Bezug auf das Weihesakrament, gar nicht zur Sprache kommt. Das Handauflegen war der Beruf des Toten, Clive Dunlop, eines schwarzen Masseurs, der kaum älter geworden ist als Jesus und Wunderdinge so diskret vollbrachte, daß seine Kunden nichts voneinander wußten, auch wenn sie miteinander verheiratet waren. Dieser begnadete Liebhaber war, religionssoziologisch gesprochen, ein charismatischer Heiler, der die Verspannungen der guten Gesellschaft löste.

Das Lebensthema des Dramatikers und Erzählers Bennett ist die Befangenheit, sind an Beispielen aus dem englischen Klassensystem die Hemmungen des Menschen, dem nicht wohl ist in seiner Haut. Bennetts Helden erfinden sich sozusagen ihren Erlöser, wenn die Trauergäste den Toten als den Hemmungslosen rühmen, der Glück schenken beziehungsweise verkaufen konnte, weil er in seinem Körper glücklich war. An der anrührendsten Stelle scheint der Erzähler von seiner eigenen Erfahrung mit dem Wundermann zu berichten. Father Jolliffe tritt am Ende mit einer zaghaften, fast unwillkürlichen Handbewegung auf dem Boden seiner Kirche die Nachfolge des Meisters an. Blasphemisch ist die Profanierung des Segens nicht, weil wir Alan Bennett so verstehen dürfen, daß die Befangenheit dieses Priesters die andere Seite jenes Charismas ist, das weitergegeben wird, seit Jesus seinen Jüngern die Hand auflegte.

Alan Bennett: "Handauflegen". Kurzroman. Aus dem Englischen übersetzt von Ingo Herzke. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2005. 92 S., geb., 12,90 [Euro].

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