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Logan Gonzago Mountstuart, 1906 in Uruguay geboren, ist Schriftsteller, Kunsthandler, Spion. Und vieles mehr. Eine Lebemann. Ein Mann mit vielen Talenten und ebenso vielen Schwächen: Mit Anfang zwanzig erlangt er frühen Ruhm als Shelley-Biograph und heiratet in den englischen Landadel ein, später geht er als Berichterstatter in den Spanischen Bürgerkrieg und wird Leutnant beim Secret Service. Er trifft Berühmtheiten wie Evelyn Waugh und Virginia Woolf, lernt in Paris Ernest Hemingway und Pablo Picasso kennen und kauft für wenig Geld Gemälde unbekannter Künstler: Paul Klee und Juan Gris. Noch…mehr

Produktbeschreibung
Logan Gonzago Mountstuart, 1906 in Uruguay geboren, ist Schriftsteller, Kunsthandler, Spion. Und vieles mehr. Eine Lebemann. Ein Mann mit vielen Talenten und ebenso vielen Schwächen: Mit Anfang zwanzig erlangt er frühen Ruhm als Shelley-Biograph und heiratet in den englischen Landadel ein, später geht er als Berichterstatter in den Spanischen Bürgerkrieg und wird Leutnant beim Secret Service. Er trifft Berühmtheiten wie Evelyn Waugh und Virginia Woolf, lernt in Paris Ernest Hemingway und Pablo Picasso kennen und kauft für wenig Geld Gemälde unbekannter Künstler: Paul Klee und Juan Gris. Noch später arbeitet er für Bond-Erfinder Ian Fleming und landet in einem Schweizer Gefängnis. Im Laufe seines Lebens hat Mountstuart nahezu überall gelebt. Schließlich, als alter Mann, wird er glücklich - beinahe. In Form eines fast siebzig Jahre umfassenden fiktiven Tagebuchs erzahlt William Boyd das bewegte und bewegende Leben eines außergewöhnlichen Mannes, der sich durch die Londoner, New Yorker und Pariser Kunstszene trinkt und schreibt. Das schillernde Porträt eines Lebenskünstlers und eine atemberaubende Reise durch das 20. Jahrhundert.
Autorenporträt
WILLIAM BOYD, 1952 als Sohn schottischer Eltern in Ghana geboren, ist dort und in Nigeria aufgewachsen, bevor er in Großbritannien zur Schule ging und studierte. Dass er sich in keiner Kultur ganz zu Hause fu¿hlt, sei fu¿r einen Schriftsteller eine gute Voraussetzung, sagt Boyd. Seinen ersten Roman vero¿ffentlichte er 1981, heute gilt er als einer der bedeutendsten und erfolgreichsten Erza¿hler der zeitgeno¿ssischen Literatur. Zuletzt erschienen in der Reihe Der kleine Gatsby die Erza¿hlung All die Wege, die wir nicht gegangen sind und im Kampa Verlag seine Romane Trio und Blinde Liebe sowie die Erza¿hlungen Der Mann, der gerne Frauen ku¿sste, außerdem Neuausgaben von Eine große Zeit, Die blaue Stunde, Brazzaville Beach, Die neuen Bekenntnisse, Ruhelos, Armadillo, Einfache Gewitter, Stars und Bars und Wie Schnee in der Sonne. William Boyd lebt mit seiner Frau in London und im su¿dfranzo¿sischen Bergerac, wo er auch Wein anbaut. Ganz gleich, wo er sich gerade aufha¿lt - er geht fu¿r sein Leben gern spazieren.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Ausnehmend gut hat Gerrit Bartels William Boyds "fesselnde" Lebensgeschichte von Logan Montstuart gefallen, sogar besser als Boyds fiktive Biografie des Malers Nat Tate. Denn zwar werden in dem neuen Buch wieder historische Fakten und literarische Konstrukionen vermischt, aber nicht so verwirrend wie in den Vorgängern. Boyd hält sich diesmal zurück und verbindet "ganz unaufdringlich" Literatur, Sekundärliteratur und Wirklichkeit. Und so kann Bartels sich auch "entspannt" auf das spannende Leben des Schriftstellers Monststuart einlassen, der sich von einem bummelnden Glückspilz zu einem gebrochenen Melancholiker voller Zweifel verwandelt. "Toll" findet es der Kritiker, wie Boyd aus der "kunstlosen" Tagebuchform einen "großartigen Lebensroman" hervorbringt. Trotz aller Anspielungen und "Spiegelfechtereien" stehe dabei immer Logans Tragik im Mittelpunkt, was die Geschichte für den begeisterten Bartels so "bewegend" werden lässt.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.08.2005

Der gelüftete Panamahut
Alte Spiele, neues Glück: William Boyds herrlich altmodischer Roman „Eines Menschen Herz”
Allein schon dieser Titel! „Eines Menschen Herz.” Der Mensch hat kein Herz. Jedenfalls nicht diese Wellness-Kammer, die sich auf Schmerz reimt. Wenn der Mensch Glück hat, knarrt in seinem Kopf ein interessantes Kaleidoskop. Deswegen fordern wir kaleidoskopische Romane mit einer changierenden, sich ständig in Frage stellenden, sich Absatz um Absatz neu erfindenden Sprache, die es sich niemals behäbig im schnurrenden Märchenton unserer Urgroßväter bequem macht. Wir fordern Romane, die wissen, woher sie kommen, und was sie der Tradition hinzuzufügen haben.
Und dann kommt wieder einer von diesen gestriegelten Engländern und wirft noch einmal die ganz große Illusionsmaschinerie an. Holt Onkel Dickens’ Schreibpult aus der Rumpelkammer, füllt Tusche in Tante Mansfields Füllfederhalter, bügelt Opa Thackerays Löschpapier glatt, nippt am handwarmen Sherry, schaut noch einmal über sein whiskeyfarbenes Clubmobiliar und hebt an zu schreiben. Fünfhundert Seiten süffig fabulierte Tagebücher des fiktiven Autors Logan Mountstuart. Das Panorama eines ganzen Jahrhunderts im Trompe l’Œil-Verfahren. Keine Ironie, kein Verfremdungseffekt, kein Formenlaboratorium, keine Zersplitterung der Perspektive, keine postmoderne Demontage des Genres.
Stilvolles Hundefutter
Dieser Roman des 1952 geborenen englischen Autors ist nicht einmal postmodern, sondern ganz klar prämodern. Er hat keinen anderen Anspruch, als einen Menschen aus Fleisch und Blut zu erschaffen und uns das Breitwandspektakel des Lebens vorzuführen. Ganz klassisch. Und diesen Anspruch löst Boyd meisterhaft ein. Virtuos spielt er auf der Klaviatur des Tagebuchs. Nach fünfzig Seiten haben wir alle Kaleidoskope vergessen und uns mitten im Herzen des sympathischen, großartigen und intelligenten Logan Mountstuart eingerichtet. Er ist Gentleman, Lebemann und zweitrangiger Schriftsteller. Der Leser begleitet ihn von seiner Jugend bis zu seinem Tod und beerdigt ihn mit Wehmut.
Was für ein Leben! Jugend in Uruguay, College-Jahre in Cambridge, Schriftsteller-Bohème in den Londoner Clubs und Salons der zwanziger Jahre, Virginia Woolf ist unausstehlich, Evelyn Waugh versucht, Logan zu küssen, aber andere Liebschaften rufen, die Frauen sind ja auch zu schön, der Martini ist zu köstlich, doch da ruft schon Ihre Majestät, Logan wird Spion, spielt Golf mit dem Herzog von Wales, aber dieser Herzog ist eine Natter, er zieht Mountstuart in eine grässliche Intrige, egal, Martini, spanischer Bürgerkrieg, Logan bringt Ian Fleming zum Schreiben, Hemingway klopft ihm auf die Schulter, Joyce stiehlt ihm ein Bonmot, ein spanischer Anarchist überreicht ihm Gemälde von Mirò, die praktischerweise niemandem gehören, Logan wird reich, wird Kunsthändler, Paris ist ein Fest, New York eine Orgie, aber es hilft nicht, das Leben, der alte Lump, geht weiter, Logan muss die Kunst des stilvollen Verarmens erlernen, er verfeinert seine Hundefuttermahlzeiten mit Curry und gerät in das konspirative Umfeld der Roten-Armee-Fraktion.
Mehr davon, bitte weiter, wir wollen plötzlich gar keine kaleidoskopischen Jelineks mehr, wir wollen nur noch diesen geschmeidigen James Bond mit dem ästhetischen Sensorium eines Marcel Proust, wir wollen diese perfekte englische Klassik, die eine gepflegte Partie Bridge mit dem modernen Abenteuerroman spielt. Listigerweise lässt Boyd seinen unzeitgemäßen Helden in New York und Paris mit zeitgenössischer Kunst handeln. So defiliert noch einmal das Personal der Moderne durch das Tagebuch. Rauschenberg, de Kooning und Rothko wirken in diesem Text in etwa so, als fläzte sich ein absinthberauschter Rimbaud in Spitzwegs Dichterklause unterm Regenschirm. Vielleicht ist gerade das die subversive Dialektik dieses erstaunlichen Textes, dass er mit ganz klassischen Mitteln die zersplitterte, mit sich selbst ringende Moderne porträtiert. En passant zeichnet Boyd dabei mit knappen Strichen prägnante Charakterporträts. Auf zwanzig Seiten wirft er beiläufig einen kleinen Kriminalroman aufs Blatt, danach zeichnet er in kühlen Farben eine kurze existenzialistische Allegorie, und der Leser genießt die Vielseitigkeit und den Einfallsreichtum des Autors.
Die sinnlichen Notizen von Boyds erotomanem Lebemann machen dem Untertitel „Die intimen Tagebücher des Logan Mountstuart” alle Ehre. Aber es ist ein Roman ganz ohne Schwulst. Souverän ordnet der Autor die Chronologie von 85 Lebensjahren, gekonnt setzt er die dramaturgische Kraft von Ellipsen ein. Ein mehrjähriges Schweigen des Tagebuchschreibers unterstreicht effektvoll sein seelisches Leid, während erhöhte Produktivität von glücklichen Zeiten zeugt. Boyd ist ein ausgezeichneter Manager seiner erzählten Zeit. Und der seiner Leser: Langeweile wird rigoros wegrationalisiert. Und er ist ein großartiger Stilist.
Aber er ist nicht der eitle Pfau, der preziös changierende Räder schlägt. Neben dem perfekt ausbalancierten, nüchternen Chronistensatz Stendhal’scher Prägung beherrscht er auch das lyrische Bild: „(Ich sah) eine riesige Schar von Staren, die - wie ein Schwarm kleiner Fische - hin und her schossen, eine kollektive Masse, die sich ständig wandelte und verformte, als würden die vielen Vogelhirne von einer einzigen Macht gesteuert.” Bei der Lektüre von Nabokovs „Ada” notiert der altersweise Schriftsteller: „Diese gekünstelte Opulenz, das Ornament um des Ornaments willen, führt schnell zur Ermüdung, und man sehnt sich nach einem einfachen, eleganten, fließenden Satz.” Mit der Kritik an Nabokov hat sich Boyd einen Virtuosen vorgenommen, der am genau entgegengesetzten Pol stilistischer Brillanz siedelt. Mountstuart und Nabokovs Van Veen sind sich recht nahe. Beide gehen als dandyeske Jäger der glücklichen Erinnerung durch ein bewegtes Leben. Nur notieren sie ihre erbeuteten Glücksmomente auf unterschiedliche Weise. Dabei sind beide höchst zuverlässige Fachkräfte für Leseglück.
Leise klirrende Eiswürfel
Boyds unmoderner Roman über die Moderne hat ein klares ästhetisches Vorbild. Früh begeistert sich der Lebemann Logan Mountstuart für die französischen Schriftsteller Valéry Larbaud und Léon-Paul Fargue, den artistischsten Flaneur Frankreichs. Über diesen Dichterkreis verfasst er ein Buch mit dem Titel „Die Kosmopoliten”. Seine Überlegungen lesen sich wie die Poetik von Boyds Roman. Während Expressionisten und Futuristen in gehetztem Stakkato die Maschinen feierten und die Sprache ins Walzwerk der Moderne schoben, setzten sich die Kosmopoliten ihren Panama-Hut auf, quartierten sich in der ersten Klasse der Luxusdampfer ein, unterlegen den tropischen Sonnenuntergang mit dem leisen Klirren der Eiswürfel in ihren Drinks und bewunderten in ruhig atmenden Satzperioden das Weben der Sonnenreflexe im Pool.
Natürlich kennt Boyd den Einwand, den man gegen den Rückgriff auf eine über hundert Jahre alte Ästhetik haben kann. Vorsichtshalber trägt er ihn auf Französisch vor: „‚Les Cosmopolites sont . . .‘ Lange Pause. ‚. . . un peu vieux jeu‘, sagte er mit verständnisheischendem Schulterzucken.” Schon recht: Wie altbacken ist doch dieser kosmopolitische Roman. Und wie wunderbar.
STEPHAN MAUS
WILLIAM BOYD: Eines Menschen Herz. Roman. Aus dem Englischen von Chris Hirte. Carl Hanser Verlag, München 2005. 512 Seiten, 24,50 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.03.2005

Englands Glanz und Tanz
William Boyd erfindet ein Tagebuch / Von Felicitas von Lovenberg

Dabeisein ist manchmal schon alles. Als Prinz William im Sommer 2003 seinen einundzwanzigsten Geburtstag feierte, war mindestens einer der handverlesenen Gäste nicht geladen. Der Komödiant Aaron Barschak betrat Windsor Castle über eine Mauer und küßte Will zur Feier des Tages auf beide Wangen, bevor er sich der verdutzten Gesellschaft zu erkennen gab. Großmutter Elizabeth hatte schon Jahre zuvor einen Mann in ihrem Schlafzimmer vorgefunden, der nur einige Minuten mit ihr plaudern wollte, bevor Sicherheitsbeamte ihn hinausbegleiteten.

Gatecrashing, die mit Chuzpe, Eleganz und gesundem Selbstbewußtsein ergaunerte Teilnahme an exklusiven Zusammenkünften und Festivitäten, ist ein beliebter und harmloser englischer Zeitvertreib, in dem es ausgerechnet ein Franzose zu besonderer Brillanz brachte: "Monsieur Claude" alias Claude Khazizian, pensionierter Angestellter eines Wettbüros, schmuggelte sich über Jahre unentdeckt bei prominent besetzten Empfängen, Hochzeiten oder Gipfeltreffen ein. Fotos zeigen ihn im Kreis von Politikern ebenso wie im angeregten Gespräch mit Monarchen und professionellen Schauspielern. Höhepunkt seines Karriere war der 8. Mai 1995, als er sich bei den Pariser Feiern zum fünfzigjährigen Kriegsende unter ein Dutzend Staatschefs mischte.

Auch Logan Gonzago Mountstuart hat sich aufs gatecrashing spezialisiert. Man könnte sogar sagen, daß er als ungebetener, doch willkommener Gast fast das ganze zwanzigste Jahrhundert vermessen hat: ein Tourist in der erlesenen Sphäre von Kunst, Literatur und Politik. Den Zickzackkurs seines abwechslungsreiches Lebens, das 1906 in Uruguay beginnt und 1991 in einem Haus in Frankreich endet, beschreibt er in seinem Tagebuch, das er mit siebzehn im Internat beginnt und mit sporadischen, doch signifikanten Unterbrechungen bis ins hohe Alter weiter führt.

Logans Studium in Oxford folgt eine frühe Blütezeit als Verfasser einer Shelley-Biographie sowie des Romans "Die Mädchenfabrik", dessen glänzende Auflagenzahlen ihm erste Kunstkäufe (Paul Klee, Juan Gris) in Paris ermöglichen, wo er dem "Hochdruckkessel" Picasso und Hemingway begegnet. Aus dieser intensiven Schaffensphase gleitet er nach der Heirat mit einer Tochter aus begütertem Haus in das gelangweilte Dasein als Landadeligen. Aus seiner Lethargie reißen ihn der spanische Bürgerkrieg und eine Geliebte. Im Zweiten Weltkrieg empfängt er seine Aufträge als Mitarbeiter des Marine-Geheimdienstes von Ian Fleming, doch als Vorbild für James Bond taugt er nicht: Die Spionage nimmt für ihn kein gutes Ende. Schließlich betätigt er sich als Galerist in New York. Als er wegen einer strafbaren sexuellen Eskapade überstürzt das Land verlassen muß, zieht er für eine Weile nach Nigeria. In fortgeschrittenem Alter gerät er als sozialistischer Zeitungsbote an die Londoner Filiale der Rote Armee Fraktion, eine Zeit, die er aufgrund seines Hauptnahrungsmittels als "Hundefutterjahre" bezeichnet, und fristet schließlich sein Dasein in Frankreich.

Im Laufe seines Tagebuchlebens trifft er fast alle, die in Kunst und Literatur etwas zu sagen haben, wobei die Begegnungen oft nichtssagend sind und von ihm mit abschätzigen Urteilen abgefertigt werden: Für die Werke von Joyce, Eliot, Woolf und später Nabokov hat er wenig übrig; von Hemingway, der ihm als Mann imponiert, läßt er nur die Erzählungen gelten; Jackson Pollock findet er überschätzt. Der Roman strotzt aber auch nur so vor erfundenen Figuren, darunter jener sagenhafte Maler Nat Tate, mit dessen fiktiver Biographie William Boyd 1998 die New Yorker Kunstszene erfolgreich foppte. Daß die ausgedachten Charaktere, die Logans Leben streifen, echter scheinen als die wirklichen, illustriert das Grundproblem von Boyds ehrgeizigem Unterfangen, mit dem Romantagebuch seines Nobody eine exemplarische, glaubwürdige Literatenvita zu entwerfen.

In seiner hemmungslosen Egomanie erinnert Logan in guten Momenten an den großen englischen Diaristen Samuel Pepys, in schwächeren an Woody Allens Zelig. Doch im Unterschied zu den lebensprallen Erfahrungen von Pepys sind Logans Erlebnisse geisterblasse Fiktionen, und für eine Parodie wie Zelig nimmt sein Schöpfer ihn zu ernst. Das Intellektuellenmilieu, in dem Boyd seinen Streuner angesiedelt hat, trägt zur Oberflächlichkeit bei, denn Logan erwähnt zwar neben vielen Personen das ein oder andere unvermeidliche politische Ereignis, etwa die Ermordung von Kennedy, doch er setzt sich damit nicht auseinander. Auch Überlegungen zu Literatur oder Kunst sucht man vergebens. Freundschaften und Liebesverhältnisse werden erzählt, doch nicht reflektiert. Das Tagebuch zeigt einen egozentrischen, faulen, schamlosen, meinungsfreudigen, weder besonders einnehmenden noch unsympathischen Mann. Trotz seiner ungewöhnlichen Biographie ist Logan Mountstuart ziemlich gewöhnlich.

Das kann man von seinem Erfinder nicht behaupten. William Boyd hat sich, seitdem er 1981 mit dem aberwitzig komischen "A Good Man in Africa" debütierte, mit unbeschwerten Romanen wie "An Ice-Cream War", "Stars and Bars" und, zuletzt, "Armadillo", einen festen Platz in der englischen Gegenwartsliteratur erschrieben. "Eines Menschen Herz" ist sein bisher ehrgeizigstes Werk, und von dem enormen Aufwand und der Recherche, die in das pikareske journal intime des Logan Mountstuart geflossen sind, ist einiges zu spüren. Gewiß, Boyd kann bei früheren Gelegenheiten erworbene Kenntnisse hier erneut einfließen lassen, ob es nun um die Verhältnisse in Westafrika geht oder um die Internatswelt, die er als Schüler in Gordenstoun selbst erlebt hat, um die Freuden des Oxford-Studiums (Logan besucht Boyds ehemaliges College Jesus) oder um den erschwindelten Nat Tate, dem Logan einige Bilder abkauft.

Diese und andere augenzwinkernde Hinweise für Boyd-Insider können jedoch nicht davon ablenken, daß der Autor mit Logan Mountstuart keinen sehr begabten Regisseur des eigenen Lebens gewählt hat. Logans Unzuverlässigkeit muß sich im Tagebuch niederschlagen. Boyd gelingt dies meisterhaft - doch leider setzen die Aufzeichnungen immer gerade dann aus, wenn es interessant zu werden verspricht. Über Logans erste und zweite Heirat informieren lediglich kurze, erklärende Einsprengsel. Als er durch eine Intrige oder ein Mißgeschick 1944 in einem Schweizer Gefängnis landet, verliert er seine über alles geliebte Frau und die gemeinsame Tochter auf tragische Weise. Die Einträge über diesen Verlust gehören zu den besten Passagen des Buches, denn hier wird die Marionette eines glücklosen Hans Dampf plötzlich zu einem Menschen aus Fleisch und Blut. Doch der Lebemann und name-dropper, Salonlöwe und Gelegenheitsschriftsteller gewinnt schon bald wieder die Oberhand.

Voraussetzung für erfolgreiches gatecrashing ist das Verständnis der Umgebung, zu der man sich Zutritt verschaffen will, glaubhaftes Auftreten und eine gewisse Konversationsgeschmeidigkeit. Logan Gonzago Mountstuart alias William Boyd, dem als Nat Tate die Unterwanderung des amerikanischen Kunstbetriebs so glänzend gelang, bleibt diesmal der Einlaß zur wahren Party verwehrt. Logan ist ein innocent bystander der Leben anderer. Keiner, mit dem man lachen, leiden oder lernen darf, sondern einer, der von der "Gesamtheit des Glücks und des Unglücks", die ein Leben und einen Roman ausmachen sollten, ausgeschlossen bleibt.

William Boyd: "Eines Menschen Herz". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Chris Hirte. Hanser Verlag, München 2005. 512 S., geb., 24,90 [Euro].

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´´Wer sich noch daran erinnert, wie es ist, wenn man mit den ersten Sätzen in ein Buch hineinfällt und sich umgehend wünscht, die Zeit möge nun stillstehen bis zur letzten Zeile, der sollte sich den Roman ´Eines Menschen Herz´ besorgen. [...] Ein tolles, turbulentes, vergnügliches, federnd geschriebenes Stück.´´ (Elke Schmitter)
"Ich habe diesen Roman bereits zweimal gelesen und werde ihn noch ein drittes Mal lesen. Von wie vielen Büchern kann man das schon sagen." -- Peter Green, Los Angeles Times Book Review