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Katharina Mommsen hat sich intensiv mit dem Einfluß des Islam auf Goethes Leben und Werk auseinandergesetzt und ist dabei zu Ergebnissen gelangt, die dem Leser neue Perspektiven eröffnen.

Produktbeschreibung
Katharina Mommsen hat sich intensiv mit dem Einfluß des Islam auf Goethes Leben und Werk auseinandergesetzt und ist dabei zu Ergebnissen gelangt, die dem Leser neue Perspektiven eröffnen.

Autorenporträt
Katharina Mommsen (geb. 1925), emeritierte Professorin für Germanistik an der Stanford University, Kalifornien; zahlreiche Veröffentlichungen, insbesondere zu Goethe und zu Goethes Verhältnis zur islamischen Welt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.10.2001

Der Dichter als Muselmann
Klassisch: Goethe und der Islam · Von Dieter Borchmeyer

Als im Jahr 1988 Katharina Mommsens Buch "Goethe und die arabische Welt" erschien, bedeutete das für die Goethe-Forschung ein Erweckungserlebnis, das auch entsprechend gefeiert wurde (F.A.Z. vom 20. Mai 1989). Die arabische Welt hatte für die Goethe-Experten lange Zeit kaum eine Rolle gespielt. In Fritz Strichs berühmter Monographie "Goethe und die Weltliteratur" von 1946 zum Beispiel wurde des Dichters intensive Beschäftigung mit dem Orient kaum erwähnt, und in dem Standardwerk "Deutsche Philologie im Aufriß" hatte es 1962 in dem Artikel "Orient und deutsche Literatur" gar geheißen, Goethe habe "dem arabischen Orient so gut wie kein Augenmerk" zugewandt. Dabei hatte der große Dichter selber im Zusammenhang mit dem "West-östlichen Divan" sogar mit dem "Verdacht" kokettiert, "selbst ein Muselmann" zu sein. Fast bestätigte sich dieser Verdacht bei der Lektüre von Katharina Mommsens Opus magnum, das manches bis dahin gänzlich Unbekannte - auch aus dem Nachlaß Goethes - zum ersten Mal ans Licht brachte.

Das hat reiche Früchte getragen, so in der im letzten Jahrzehnt neu aufgeblühten Forschung über den "West-östlichen Divan", wie sie sich zumal in den beiden kommentierten Editionen innerhalb der Frankfurter und Münchner Goethe-Ausgaben dokumentiert. Und nimmt man etwa die im vergangenen Jahr von Hans-Joachim Simm zusammengestellte facettenreiche Anthologie "Goethe und die Religion" zur Hand, wird man sich über eine Vernachlässigung der Beziehung des größten deutschen Dichters zu dem arabischen Orient nicht mehr beklagen können.

Was sich 1988 allenfalls erahnen ließ, ist im letzten Jahrzehnt mehr und mehr zur Gewißheit geworden: Die muslimische Religion ist zu einer kulturpolitischen Herausforderung ersten Ranges nicht nur in unserem Lande geworden. Das mag den Verlag auch dazu veranlaßt haben, Katharina Mommsens Monographie in neuer Gestalt wieder zu veröffentlichen. Der Herausgeber Peter Anton von Arnim, der in den achtziger Jahren als Fotograf in Sudan gearbeitet hat, bietet eine um mehrere Kapitel gekürzte Version des Buches, die er mit eigenen Anmerkungen und bibliographischen Ergänzungen versehen hat.

Leider ist das komplexe Thema nun auf die Beziehung Goethes zum Islam beschränkt worden. Dadurch ist der ganze erste - und beinahe faszinierendste - Teil des Buchs entfallen, welcher der vorislamischen Beduinenlyrik, den "Moallakat" gewidmet war, zu deren Studium Goethe durch Herder angeregt wurde. Der unbefangene Preis des Eros und der Schönheit des weiblichen Körpers, der Goethe an dieser heidnischen Beduinenpoesie so faszinierte, verschwand mit der Einführung des Islam aus der Dichtung.

Der Prophet Mohammed habe seinem Stamm nun eine "düstere Religionshülle" übergeworfen, urteilt Goethe in den "Noten und Abhandlungen zum West-östlichen Divan", durch welche die weitere freie Entfaltung der Künste verhindert worden sei. Die Metapher der düsteren Hülle spielt natürlich auf die Verhüllung der Frau in den Ländern des Islam an, die den Bruch mit ihrer freien Lebensweise in der heidnischen Zeit bedeutet. Es verschiebt allerdings beträchtlich die Proportionen von Katharina Mommsens Buch, wenn dieses in der Neuausgabe erst mit jener düsteren Hülle beginnt und ihre klugen Ausführungen über Goethes Beschäftigung mit Beduinenlyrik völlig ignoriert.

Goethe hat den Propheten Mohammed zeitlebens bewundert. Bei allem Befremden, das er sehr deutlich immer wieder bekundet, ist der Koran für ihn doch das wesentlichste religiöse Dokument der Menschheitsgeschichte nach der Bibel. Es bestärkte ihn zumal in seinem eigenen an Spinoza orientierten Gottesbild. Daß Katharina Mommsen ebendies so nachdrücklich in ihrem Werk dargelegt hat, ist ihr vom Herausgeber der arabischen Übersetzung von "Goethe und die arabische Welt" (erschienen 1995 in Kuweit) sehr verübelt worden. Er will von Spinoza nichts wissen und hat sich überhaupt fundamentalistische Zensureingriffe und unautorisierte Fußnoten erlaubt, wie wir von Peter Anton von Arnim erfahren. So ist in der arabischen Ausgabe auch das gesamte Kapitel über Goethes Übersetzung von Voltaires "Mahomet" gestrichen, in dem der Prophet (dessen Name seinerzeit so artikuliert wurde) als Betrüger und Tyrann entlarvt wird. Es hat Goethe bei seinem muslimischen Richter allerdings nichts geholfen, daß er in seiner Übersetzung dieses Bild Mohammeds positiv retuschiert und schon in seiner Sturm-und-Drang-Hymne auf den Propheten mit dem vernichtenden Urteil der europäischen Aufklärung über den Begründer des Islam gebrochen hat.

Goethe hat freilich die Schattenseiten des Propheten keineswegs verkannt. Das negative Frauenbild des Islam, das gegen die Sinnenfreude der alten Beduinenlyrik so düster absticht, das Wein- und Rauschverbot und vor allem des Propheten "Abneigung gegen die Poesie" haben Goethe zu harscher Kritik veranlaßt. Die Ambivalenz seines Bildes des Propheten zeigt sich nirgends prägnanter als in dessen Vergleich mit Napoleon, den er 1806 den "Mahomet der Welt" und später, 1815, noch einmal "einen anderen Mahomet" nennt.

Der Herausgeber der gerafften Ausgabe von Katharina Mommsens Buch, dessen Schwerpunkt durch die Beschränkung auf die muslimische Religion nicht unwesentlich verlagert wird, hat seiner Neuausgabe auch ein Nachwort beigefügt, das einen unangenehmen Beigeschmack hat. Zunächst stellt Arnim die haltlose Behauptung auf, Katharina Mommsens Buch habe an der "germanozentrischen Blindheit der deutschen Forscher" nichts geändert; diese ignorierten weiter Goethes Affinität zum arabischen Orient. Er belegt das unter anderem durch die Goethe-Einführungen von Irmgard Wagner und Peter Boerner, zwei Verfasser, die in ihrer germanozentrischen Blindheit schon seit Jahrzehnten in Amerika leben und lehren - einmal abgesehen davon, daß Boerners kleine Goethe-Biographie ein Vierteljahrhundert vor Katharina Mommsens Buch erschienen ist.

Angesichts des Titels "Goethe als Leitfigur eines deutschen Islam?" merkt der Leser die außerphilologische Absicht des Nachworts, und man ist verstimmt. Es handelt sich da nämlich um eine regelrechte Predigt für die "bedingungslose Anerkennung des Rechts der Muslime in Deutschland", gegen Eurozentrismus, deutsche Asylpraxis und immer wieder gegen das "Feindbild Islam". Seitenlang polemisiert Arnim gegen die politisch korrekten Erben des Mohammed-Verhunzers Voltaire, welche seinerzeit in ihrem "Chauvinismus der Aufgeklärtheit" die Friedenspreisverleihung an Annemarie Schimmel zu verhindern suchten. Mit Goethe eintreten für die Integration der muslimischen Mitbürger und für islamischen Religionsunterricht an deutschen Schulen - das ist gleichsam Peter von Arnims Motto.

Von Goethe erfährt man in dieser intellektuell schlichten Predigt so gut wie nichts. Er wird von dem Herausgeber ebenso für seine - gewiß ehrenwerten - Zwecke instrumentalisiert wie die Verfasserin des Buches. Ob das in Katharina Mommsens Falle freiwillig geschah, ob sie also diesen Verschnitt mitsamt den subjektiv gefärbten Anmerkungen des Herausgebers wirklich gebilligt hat, entzieht sich der Kenntnis des Rezensenten. Jedenfalls ist ihr wunderschönes und epochemachendes Buch "Goethe und der Islam" durch diese Bearbeitung nicht wenig beschädigt worden.

Katharina Mommsen: "Goethe und der Islam". Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Peter Anton von Arnim. Insel Verlag, Frankfurt am Main und Leipzig 2001. 527 S., br., 29,90 DM.

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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Sehr nachdrücklich macht der Rezensent Navid Kermani erst einmal auf Goethes vielfache, aber von der Germanistik ebenso vielfach ignorierte Affinitäten zum Islam aufmerksam. Dieser Ignoranz nun hätte Katharina Mommsens 1988 erstmals veröffentlichtes Buch abhelfen können - durchschlagende Resonanz blieb jedoch, wie Kermani feststellt, beim Fach- wie beim allgemeinen Publikum aus. Die Neuausgabe, gekürzt, kommentiert und herausgegeben von Peter Anton von Arnim, macht nun einen neuen Versuch. Ganz zufrieden ist Kermani nicht mit der Neuausgabe: die Ansichten des Herausgebers teilt er nicht ausnahmslos, seine Praxis, eigenen Text unkommentiert ins Buch zu schmuggeln, schadet, so Kermani, der "Seriosität seiner Arbeit". Letztlich aber, findet er, bleibt die Neuausgabe dennoch sehr lesenswert.

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