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Nominiert für den Preis der Leipziger Buchmesse 2020»Luna Luna« ist ein dunkler Text. Er ist rasant, rasend und atemlos und spricht von tief innen aus dem weit offenen Gaumenraum heraus. Es geht um die dünne Wand zwischen Traum und Trauma, um dünne Haut, um eine Gans aus Pappmache und den Baren, den sich eine aufbindet, um sich gegen den Wind zu schützen. Ums Verlieren und Verletzen geht es. Um einen Krieg, der vielleicht nie stattgefunden hat und doch in jeder Pore prasent ist.Motive, Figuren und Satze schubsen sich wie Autoscooter durch die Textgalaxie, beschleunigen, karambolieren, knallen…mehr

Produktbeschreibung
Nominiert für den Preis der Leipziger Buchmesse 2020»Luna Luna« ist ein dunkler Text. Er ist rasant, rasend und atemlos und spricht von tief innen aus dem weit offenen Gaumenraum heraus. Es geht um die dünne Wand zwischen Traum und Trauma, um dünne Haut, um eine Gans aus Pappmache und den Baren, den sich eine aufbindet, um sich gegen den Wind zu schützen. Ums Verlieren und Verletzen geht es. Um einen Krieg, der vielleicht nie stattgefunden hat und doch in jeder Pore prasent ist.Motive, Figuren und Satze schubsen sich wie Autoscooter durch die Textgalaxie, beschleunigen, karambolieren, knallen gegen unsichtbare Banden, werden in schwarzen Lochern verschluckt.Und über allem hangt die Luna, ein Fixpunkt für die Hohe der Sehnsucht, leuchtend, wahnsinnig und selber rastlos. Eine Luna, die am Ende in einem Sturz aus ihrer Umlaufbahn heraus aufs Wasser fallt wie ein glühender Ofen.
Autorenporträt
MAREN KAMES wurde 1984 in Überlingen am Bodensee geboren und ist in Baden-Württemberg und Hessen aufgewachsen. Für ihr vielbeachtetes Debüt "Halb Taube halb Pfau" wurde sie unter anderem mit dem Düsseldorfer PoesieDebütPreis und dem Anna Seghers Preis ausgezeichnet. 2017 erhielt sie außerdem den Kranichsteiner Literaturförderpreis. Sie übersetzt die Theaterstücke und Essays von Sivan Ben Yishai aus dem Englischen und lebt als freie Autorin in Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.03.2020

Der Mond ist pink

Maren Kames gehörte mit ihrem Langgedicht "Luna Luna" in dieser Woche zu den Nominierten des Preises der Leipziger Buchmesse

Wer beginnt, "Luna Luna" von Maren Kames zu lesen, hält ein flaches Buch mit silbern glänzenden Lettern in den Händen. Das Innere des Einbands blendet in einem knalligen Pink. Alle Seiten sind tiefschwarz, die Buchstaben leuchten weiß. Ein Songtext von Nick Drake leitet den rätselhaften Text ein, der von einem Ich erzählt, das in die Krise geraten ist. "Pink, pink, pink, pink, moon", steht dem Text hier aber nicht abgetrennt als Zitat voran, sondern ist der erste Vers, der das Grundmotiv enthält. Denn der pinke Mond erleuchtet den langen Weg durch Selbstverlust und Trennung, auf den Maren Kames' Text ihre Leserinnen und Leser mitnimmt. An kurzen Zeilen fällt man dann auf den nächsten Seiten hinab, in den Monolog des weiblichen Ichs: "ich genoss / und litt / zeitgleich, / immerzu / ich lachte / harsch, / ich klebte / mir eine gans / aus pappmaché, / mit flügeln / und allem / dann / holte ich tief luft / und stach zu, /. . ."

Man kann "Luna Luna" als ein Langgedicht bezeichnen, ein Mondgedicht, das sich mal wütend, mal sehnend an ein Du wendet, um eine Sprache zu suchen, für den Wahnsinn und den Schmerz einer scheiternden Liebe. Doch der Text ist mehr als das, unterläuft eindeutige Gattungszuschreibungen, enthält dramatische und prosaische Elemente und provoziert eine Rezeptionshaltung, die man von konventioneller Lyrik nicht gewohnt ist: "Luna Luna" bietet auf fast jeder Seite Songtexte (von Bon Iver bis Fleetwood Mac), die in Fußnoten den Text begleiten und in den Strophen zitiert oder umgeschrieben werden. So entsteht ein ganz einzigartiger Sound. Immer wieder wird man neugierig und gleitet aus den Versen in die Fußnoten, von dort aus auf Youtube, um sich die Songs anzuhören, sieht sich dort beispielsweise Janelle Monáes "PYNK" an, dessen flirrendes Vulva-Musikvideo wiederum auf Kames' Text zurückwirkt.

Schon in ihrem Debüt "halb taube halb pfau" montierte Kames QR-Codes in das Gedicht, durch die sie ihre Leser mit auditiven Elementen und gesprochenen Versen konfrontierte, die bei Soundcloud abgerufen werden. Von "Luna Luna" gibt es auf der Seite des Deutschlandfunks nun eine Hörspielfassung, die zeitgleich mit dem Buch erschienen ist und die man ebenfalls begleitend zur Lektüre hören kann. In Kames' Texten ist Lyrik keine einsame Angelegenheit mehr, sondern ein intermediales Spiel.

Nicht nur die Songtexte unterbrechen das sprechende Ich oder werden Teil seines Monologs, auch eine Reihe weiterer Stimmen treten auf. Da ist der Sheitan, eine teuflische und gleichzeitig auch lächerliche Gestalt, dessen sprechender Name Scham und Scheitern repräsentiert und der über kleine Details mit dem angesprochenen Du der Trennung verbunden ist (beide scheinen das gleiche Basecap zu tragen). Auf der anderen Seite gibt es die Mama, mit der das Ich immer wieder in einen absurden Dialog über die eigene Existenz tritt, es gibt Annie Lennox und eine Geisha, die am Ende gemeinsam in einer halbmondförmigen Schale singend über einen See rudern.

Auch aufgrund dieser komplexen und wilden Vielstimmigkeit reiht sich "Luna Luna" nicht einfach bruchlos in die Tradition sehnsüchtiger deutscher Mondgesänge ein, wie einige Kritiken behaupteten. Das Ich in "Luna Luna" teilt mit Eichendorffs Ich aus der Mondnacht, einem der wohl schönsten Mondgedichte deutscher Sprache, zwar die Verlorenheit und die Heimatlosigkeit. Es erfindet als Heilkur gegen diese aber kein harmonisches Anderes, das sich aus der Distanz bewundern lässt und bei Eichendorff in der Natur repräsentiert ist. Bei Kames kracht der "pink moon" am Ende vom Himmel, und wenn dieser bei Eichendorff die Erde scheinbar noch "still küsst", fallen aus ihm in "Luna Luna" nur noch die Asteroiden. Von sehnsüchtigen Idealisierungen ist nichts mehr zu spüren.

In Maren Kames' kosmischem Chaos hingegen lässt sich eher der existentielle Konflikt wiederentdecken, in dem sich das Ich mit seinem Du befindet und in dem auch immer wieder die untergründige Dimension eines Geschlechterkampfs aufgerufen wird: Sexuell konnotierte Verse schlagen in Bilder der Gewalt um, ein ganzes Kapitel durchschreitet ein abstraktes, ortloses Schlachtfeld; eine Kriegsszene, die, bei aller Schwere, dann doch eine befreiende Komik entfaltet. Zum Beispiel wenn sich plötzlich ein Tyrann in einen mit einem Synthesizer bewaffneten Soldaten verliebt, der beginnt, Helene Fischers Mehrgenerationenschlager "Atemlos durch die Nacht" zu singen, dessen Songtext man in diesem Kontext noch einmal ganz neu entdeckt.

Maren Kames' Dichtung lebt von solchen Effekten. Subtile Sprachspiele verweisen auf existentielle Ängste und Konflikte. Dabei entstehen so großartige Verse wie dieser: "aber zwischen schlaf und wachsein / liegt der schwachsinn / und lacht". Völlig disparate Motive werden bei Kames durch die Kraft ihrer Sprache in einem Kosmos vereint, in den man sich unbedingt begeben sollte, auch wenn man in Kames' Mondlandschaft manchmal verlorengeht.

MATTHIAS UBL

Maren Kames: "Luna Luna". Secession Verlag, 112 Seiten, 35 Euro

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Wer sich auf dieses "wild ausufernde Langgedicht" einlässt, muss sich darauf gefasst machen, dass ihm der Sinn hinter dem Text immer wieder zu entgleiten droht, warnt Rezensent Samir Sellami. Maren Kames entwirft hier eher einen Kosmos als eine Geschichte, und dieser mondsüchtigen Welt aus Anspielungen auf Pop-Songs und taumelnden Sprachgebilden ist nicht leicht beizukommen, erklärt der Kritiker. Aber auch wenn die Autorin die Fantasie ihrer Leser*innen zuweilen an ihre Grenzen zwingt, lohnt sich der Text, wie Sellami versichert: Er wurde gezwungen, sich ganz auf Sounds, Sätze und Wörter zu konzentrieren und erhielt als Belohnung herrliche Spielereien wie den Vers "zwischen schlaf und wachsein / liegt der schwachsinn / und lacht."

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.12.2019

Schlag schneller,
Hyperherz
Maren Kames und ihr Buch „Luna Luna“
„Luna Luna“, das zweite Buch der 1984 in Überlingen geborenen Lyrikerin Maren Kames, ist ein dunkler Text, und das kann man, wie so ziemlich alles in ihm, sehr, sehr wörtlich und sehr, sehr metaphorisch zugleich verstehen. Schlägt man das Buch auf, blickt man vor allem auf Finsternis – die Buchstaben weiße Leuchtpunkte auf einer ansonsten rabenschwarzen Seite. Auch was das Textverständnis angeht, sieht es oft nicht viel klarer aus. „in meinen gloriöseren tagen bin ich ziemlich / lunar gewesen“, heißt es an einem der zahlreichen Anfänge, die dieses wild ausufernde Langgedicht anbietet, und bald ahnt man, dass es mit dieser Mondsucht noch lange nicht vorbei sein kann. Denn der Mond ist der Fixstern in dieser wagemutigen Sound-, Bild- und Gedankenfantasie, die zwar keine große Geschichte erzählt, aber dafür ihre eigene, herrlich verspulte Miniaturwelt entwirft.
„Da ist jemand in meinem Kopf, aber das bin nicht ich“, scheint sich das lyrische Ich im fortlaufenden Selbstgespräch zuzuraunen. Und so formieren sich mit der Zeit die fremden Stimmen und Stimmchen zu Figuren, deren liebenswürdige Wiederkehr ein wenig Ordnung ins Chaos bringt: eine kurzlebige Gans aus Pappmaché, das dichtende „mödchen“ mit den zerzausten Haaren, die Großmutter, die sich nur noch ans Dunkel erinnert, oder die Geisha, die auf besonders leisen Sohlen durch Kames’ Textuniversum trippelt.
Aber was heißt hier schon Figuren? Am ehesten erinnern diese Gestalten an Julio Cortázars Cronopien, die sich dadurch auszeichnen, dass sie zum Schreiben nie liniertes Papier benutzen und die Zahnpastatube nicht fein säuberlich von hinten nach vorne ausdrücken. Mitten unter diese formlosen Wesen mischt sich dann auch der geheime Hauptdarsteller dieses Textes, einer, der in keinem vernünftigen Weltentwurf, ob Kosmos oder Chaos, fehlen darf – der Teufel.
In „Luna Luna“ hört er auf seinen semitisch-osmanischen Rufnamen „sheitan“, tut und sagt allerlei sinnloses Zeugs, lässt aber auch immer wieder Tiefsinniges durchblicken, etwa so: „das paradox der liebe, ist, dass sie nur im innenraum gedeihen kann.“ Spätestens hier offenbart sich Kames als lunar-lunatische Nachfahrin der Romantik, die, ausgerüstet mit ihrem Raumanzug aus „Hyperherz“ und „Turboinstinkt“, durch die Mondlandschaft der Sprache stapft. Überall Krater, anorganischer Staub und immer wieder zieht es einen hin zur anderen, dunklen Seite des Mondes.
Wie der eingangs zitierte Satz stammt auch der sheitan aus dem wichtigsten außerliterarischen Textgenerator von „Luna Luna“, aus mehr oder weniger falsch abgehörten Popsong-Texten, sogenannten „misheard lyrics“. Durchgehend begleiten den Text schräg übersetzte Fragmente aus Tracks von Tom Waits, Bon Iver, Janelle Monáe oder Annie Lennox, die am Ende auch selbst als Figur in die Textlandschaft wandert. Und unter dem melancholischen Stern von Nick Drake färbt sich der Mond nach und nach pink und taucht das Ganze in eine ästhetische Atmosphäre, die man auf der Suche nach einer passenden Gattungsbezeichnung als Popcore bezeichnen könnte.
Denn auch wenn der Mittelteil des Textes gekonnt auf einen unbestimmten Kriegsschauplatz und damit in ein ernsteres Register blendet, die wichtigste Qualität des Gedichts besteht doch in jenem unbestimmten Driften an der Oberfläche, das Popkultur ausmacht und in dem die Pose letzten Endes wichtiger ist als die Musik. Zugegebenermaßen treibt es Kames zuweilen arg weit mit ihren aus den Song-Verhörern heraussprudelnden Textkaskaden, und nicht wenige ihrer phonetischen Wutausbrüche rütteln etwas zu verkrampft an den Grenzen der Sagbarkeit. Auf der anderen Seite werden die Leser so dazu aufgefordert, mal wieder den überreizten Wirklichkeitssinn auszuschalten, um sich ganz auf den Genuss der einzelnen Sätze, Wörter und Sounds konzentrieren zu können.
Einen der schönsten dieser Sätze liest man gegen Ende des Textes: „zwischen schlaf und wachsein / liegt der schwachsinn / und lacht.“ Wie so vieles ist auch das eine ziemlich gute Selbstbeschreibung dieses fulminanten Langgedichts: Schädelmagie und Sphärenmusik, angereichert mit einer ordentlichen Prise Brain Damage. „Man muss ja mit jedem Text neu sprechen lernen“ – so beschrieb Kames selbst den Anspruch an ihre Kunst am Abend der Buchvorstellung im Berliner Kultur-Krematorium Silent Green.
Dem realistischen Roman obliegt es, ein möglichst vollständiges, farbiges Bild seiner Zeit zu zeichnen. Eine der wichtigsten Aufgaben der Lyrik ist es hingegen, nicht nur über die Welt zu sprechen, sondern die Sprache allererst für das Sprechen aufzubereiten. Nicht selten arbeitet gute Lyrik dabei auch gegen die Sprache und tut ihr Gewalt an.
Doch wie sich aus einer Fußnote herauspicken lässt, ist der sheitan, der in Maren Kames’ teuflischem Sprachexperiment steckt, kein Geist, der stets verneint, sondern einer, der immer nur aber sagt. So löst sich der Sinn in „Luna Luna“ nie ganz auf, auch wenn er gegen Ende immer weiter auseinanderzudriften droht. Wer sich aber traut, ihm nachzudriften, findet ihn vielleicht dort wieder, wo viele ihn am wenigsten erwarten – auf der anderen, der dunklen Seite des Mondes.
SAMIR SELLAMI
Ein wichtiger Textgenerator
sind die „misheard lyrics“,
falsch gehörte Popsongtexte
Maren Kames:
Luna Luna. Secession Verlag, Zürich 2019.
108 Seiten, 35 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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