Ein Garten kann eine Welt für sich werden, dabei ist ganz gleich, ob dieser Garten groß oder klein ist. (Hugo von Hoffmannsthal)
Der Roman "Hortensiensommer" von Ulrike Sosnitza erzählt von Johanna, einer passionierten Gärtnerin, die von ihren dankbaren Kunden häufig als "Blumenflüsterin"
bezeichnet wird. Sie lassen sich von ihr im malerischen Sommerhausen die kahlen Gärten in duftende…mehrEin Garten kann eine Welt für sich werden, dabei ist ganz gleich, ob dieser Garten groß oder klein ist. (Hugo von Hoffmannsthal)
Der Roman "Hortensiensommer" von Ulrike Sosnitza erzählt von Johanna, einer passionierten Gärtnerin, die von ihren dankbaren Kunden häufig als "Blumenflüsterin" bezeichnet wird. Sie lassen sich von ihr im malerischen Sommerhausen die kahlen Gärten in duftende Paradiese verwandeln. Seit einem tragischen Ereignis lebt sie alleine in einem viel zu großen Haus und vermietet die Einliegerwohnung an Philipp mit dem Panamahut. Zögernd freunden sie sich an. Als Philipp beginnt, ihr vorzulesen, schleicht sich langsam die Liebe in ihr einsames Herz. Im Mai dann erklingt Kinderlachen im Garten und Philipp stellt Johanna seine kleine Tochter vor, woraufhin sie entsetzt flüchtet. Als Philipp den Grund für Johannas Verhalten erfährt, setzt er alles daran, sie wieder zum Strahlen zu bringen
Das Cover lockt jeden Betrachter auf eine falsche Fährte. Denn unser Blick richtet sich auf eine Tüte mit saftigen Kirschen und ein Schälchen, auf dem ein köstliches Himbeer-Eis mit frischen Früchten dekorativ angerichtet ist. Auch die leuchtend blaue Hortensie, die man - halb verdeckt von einem hübschen Anhänger, der den eingängigen Titel des Buches in Szene setzt - im Hintergrund erkennen kann, suggeriert einen leichten, unterhaltsamen Roman, den man an einem lauschigen Plätzchen in seinem eigenen Garten genießen sollte. Tatsächlich besitzt dieses Buch wesentlich mehr Tiefe.
Der Roman spielt im malerischen Sommerhausen, einem idyllisch anmutenden fränkischen Weindorf wie aus dem Bilderbuch, und atmet viel Lokalkolorit. Das Geschehen wird abwechselnd aus der Ich-Perspektive der zwei Protagonisten Johanna und Philipp erzählt, deren Lebensweg sich durch einen Mietvertrag kreuzt. Literarisch gesehen, ist diese Vorgehensweise ein bewährter Schachzug, denn er läßt den Leser tief in die Gedanken- und Gefühlswelt der handelnden Personen eintauchen.
Philipp ist ein engagierter, naturverbundener Lehrer, der sich rührend um seine kleine Tochter aus einer gescheiterten Beziehung kümmert. Auch seiner verschlossen wirkenden Vermieterin begegnet er mit viel Einfühlungsvermögen und legt eine schier unendliche Geduld an den Tag. Durch dieses vorbildliche Verhalten zieht er alle Sympathien auf sich und sammelt laufend Pluspunkte.
Ganz im Gegensatz zu Johanna, die es sich selbst und allen anderen nicht gerade leicht macht. Als Gärtnerin verfügt sie über ein großes Fachwissen, und sie hat sich nach der Trennung von ihrem Mann als eine "mobile Gartenfee" selbständig gemacht. Menschlich gesehen ist sie sehr unglücklich. Denn sie hat ein schweres Trauma erlitten und ist in einer Depression gefangen, aus der sie sich selbst nicht befreien kann.
Im Laufe des Geschehens erleben wir ein wahres Wechselbad der Gefühle. Vor allem mit Johanna empfindet man großes Mitleid. Als die Wahrheit ans Licht kommt, begreift man ihren tiefen Schmerz und kann ihre Reaktionen nachvollziehen, aber hin und wieder möchte man sie kräftig durchschütteln, weil sie in ihrer (berechtigten) Trauer zu heftig reagiert, nur sich selbst sieht und alle anderen Menschen, die es mit ihr gut meinen und ihr helfen wollen, vor den Kopf stößt.
Mich hat dieses bewegende, einfühlsam geschriebene Buch von Ulrike Sosnitza sehr beeindruckt. Gern vergebe ich 4 Sterne für einen anrührenden, melancholisch stimmenden Roman über Verlust und Trauer, Hoffnung und Liebe.