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Der Briefwechsel spiegelt nicht nur das Fortschreiten der wechselseitigen Annäherung und Freundschaft zwischen Lessing und Eva König, sondern zugleich die Kulturgeschichte des 18. Jahrhunderts wider. Ein bewegendes privates Dokument Lessings und ein Zeitzeugnis der Aufklärung.

Produktbeschreibung
Der Briefwechsel spiegelt nicht nur das Fortschreiten der wechselseitigen Annäherung und Freundschaft zwischen Lessing und Eva König, sondern zugleich die Kulturgeschichte des 18. Jahrhunderts wider. Ein bewegendes privates Dokument Lessings und ein Zeitzeugnis der Aufklärung.
Autorenporträt
Die Herausgeber: Walter Jens, geboren 1923; Studium der Klassischen Philologie und Germanistik; Promotion und Habilitation; 1962-1989 Ordinarius für Klassische Philologie und Rhetorik an der Universität Tübingen; 1989-1997 Präsident der Akademie der Künste zu Berlin, jetzt Ehrenpräsident. Erster Träger der Bruno-Snell-Medaille 1997. Verfasser zahlreicher wissenschaftlicher und essayistischer Bücher auf den Gebieten der Rhetorik, Klassischen Philologie, Germanistik und Theologie. Wolfgang Albrecht, geboren 1952; Studium der Germanistik; Promotion und Habilitation; wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Stiftung Weimarer Klassik. Zahlreiche Publikationen zur Literatur des 18. bis 20. Jahrhunderts (Studien zur literarischen Aufklärung, Textdokumentation zur deutschen Aufklärungsdebatte); Autor eines Bandes über Lessing in der Sammlung Metzler und Mitherausgeber der historisch-kritischen Ausgabe von Goethes Tagebüchern im Verlag J. B. Metzler.

allgemeine Rhetorik in Tübingen. Von 1989 bis 1997 Präsident der Akademie der Künste zu Berlin, jetzt deren Ehrenpräsident.
Verfasser zahlreicher belletristischer, wissenschaftlicher und essayistischer Bücher, Hör- und Fernsehspielen sowie Essays und Fernsehkritiken unter dem Pseudonym Momos; außerdem Übersetzer der Evangelien und des Römerbriefes. Inge und Walter Jens sind seit 1951 verheiratet. 1988 wurde Walter und Inge Jens der Theodor-Heuss-Preis verliehen. Walter Jens starb 2013 mit 90 Jahren in seiner Heimatstadt Tübingen.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Kurt Wölfl hat eine Menge Sympathie für Lessing und seine Verlobte. Er hat sich auch mit großer Leidenschaft in das "seltene Schauspiel" ihrer Korrespondenz gestürzt, im Fall Lessings die umfangreichste, die er - "ein notorisch säumiger Briefschreiber" - geführt habe. Gerührt hat ihn wohl auch der "geradezu kongeniale Ton" Eva Königs, und auch Herrn Lessings Verschlossenheit. Einige Fragen hat er nur nach dem Grund für diese Edition. Im Deutschen Klassiker Verlag seien alle 193 Briefe bis heute erhältlich, und die im Anhang dieser neuen Ausgabe erstmals vollständig abgedruckten Notizen Eva Königs über zwei Reisen seien so knapp, dass "ihre Mitteilung in einem wissenschaftlichen Journal durchaus genügt hätte". Als ein Ärgernis bezeichnet er das Nachwort von Walter Jens. Nicht oft treffe man auf einen Text, der so von Grund auf im Ton verfehlt sei, und seinen Gegenstand missbilde. Und überhaupt: Woher nehme der Essayist überhaupt die Lizenz, in seiner onkelhaft anbiedernden Rede über "Eva und Gotthold" zu sprechen?

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.10.2000

Bin ich unglücklich, so bleibe ich es allein
Seltenes Schauspiel, wie zwei Menschen miteinander sprechen: Lessings Briefwechsel mit Eva König / Von Kurt Wölfel

Als Dramaturg des "Nationaltheaters" 1767 nach Hamburg gekommen, wurde Lessing mit der Familie des Fabrikanten Engelbert König bekannt. Aus dem geselligen Verkehr in dessen Haus wurde ein freundschaftlicher Umgang, und als König auf einer Geschäftsreise im Dezember 1769 in Venedig starb, löste Lessing ein Versprechen ein, um das dieser ihn gebeten hatte: sich seiner Frau und der Kinder anzunehmen. Von Mai 1770 an lebt Lessing dann als herzoglicher Bibliothekar in Wolfenbüttel, vom 10. Juni datiert sein erster Brief an Eva König. Sie ist 34 Jahre alt, sieben Jahre jünger als er, Mutter von vier Kindern und nun als Witwe gezwungen, sich um das Geschäft zu kümmern. Im September 1771 kommt es bei einem Besuch Lessings in Hamburg zur Verlobung, die mit einer Bedingung verknüpft war. Eva König schreibt: "Denn der Vorsatz bleibt unumstößlich: bin ich unglücklich, so bleibe ich es allein, und Ihr Schicksal wird nicht mit dem meinigen verflochten."

Im Frühjahr 1775 haben ihre Umstände endlich "eine glückende Wendung" genommen, sie ist vom "Fabriken-Wesen" befreit, hat das Familienvermögen zum guten Teil gerettet, und der Beendigung der langen Brautzeit stünde nichts mehr im Wege - wäre da nicht der Wunsch des Braunschweiger Prinzen, Lessing solle ihn auf einer Italien-Reise begleiten. Erst im März 1776 kehrt Lessing wieder nach Wolfenbüttel zurück, wo sich nun endlich die Dinge zur Zufriedenheit entwickeln: Sie wird zu ihm nach Wolfenbüttel ziehen, wo er, unter besseren Bedingungen und zum Hofrat befördert, in den Diensten des Braunschweiger Hofes bleiben wird - "wahrlich jetzt um ein bisschen längeres Leben so bekümmert, als ich es noch nie gewesen". Am 8. Oktober 1776 werden sie getraut. Das markiert das Ende der Korrespondenz und den Beginn eines glücklichen, aber karg befristeten Ehejahres. Im Winter 1777/78 kommt ein Sohn zur Welt, der nur einen Tag lebt, zwei Wochen danach muß Lessing auch die Mutter begraben. Seine sterbende Frau vor Augen, schreibt er den Satz, der allein genügte, um die Erinnerung an Eva König unvergeßlich zu machen: "Ich wollte es auch einmal so gut haben, wie andere Menschen. Aber es ist mir schlecht bekommen."

Lessings Briefwechsel mit Eva König ist der umfangreichste, den er, "ein notorisch säumiger Briefschreiber", geführt hat. Nicht der Schriftsteller und Gelehrte hat darin das Wort: Der Gedanke, sie zur "gelehrten Freundin" zu machen, liegt ihm so fern wie ihr, sich in sein Metier als Autor einzumischen. Lessing berichtet von den Sorgen und Nöten, von Ärger, Leid und wenigen gelegentlichen Freuden seines täglichen Lebens und nimmt an dem seiner Korrespondentin teil. Er ist durchaus nicht wortkarg, aber daß er sich aufschlösse, wäre eine arge Übertreibung. Nicht selten wirken seine Sätze, als machten sie eine Türe hinter sich zu, um Eingesperrtes dem Blick zu entziehen. Keine Seelenlandschaften werden sichtbar, stets ist die Rede darauf gerichtet, draußen bei den Sachen zu bleiben. Man mag das als Merkmal von Lessings sprichwörtlicher "Männlichkeit" ansehen; um so bemerkenswerter, daß in Eva Königs Briefen von Anfang an ein nahverwandter, geradezu kongenialer Ton unüberhörbar ist. Es ist ein seltenes Schauspiel, wie übereinstimmig da zwei Menschen miteinander sprechen, ohne daß in ihrer Rede ein Bemühen spürbar wäre, sich dem anderen anzupassen.

Einer der Reize des Briefwechsels liegt in der Drastik, mit der Leben und Lebensbedingungen der Welt vor mehr als zweihundert Jahren sich darstellen. So ist zum Beispiel Eva Königs Schilderung ihrer Reise von Hamburg nach Wien, auf der alles - dem fatalen Satz gemäß, daß, was schiefgehen kann, auch schiefgehe - seinen Lauf nimmt, ein Kabinettstück, in dem verzweifeltes Mißgeschick und selbstbehauptende Komisierung sich die Waage halten. Überhaupt diese nicht enden wollende Reihe von Widrigkeiten: "Nicht wahr? Ich bin eine fatale Korrespondentin? Nichts als Unangenehmes." Mißgunst macht sich zum unwillkommen treuen Begleiter: schlechte Gesundheit, schlechtes Wetter, schlechte Wege, schlechte Unterkunft, schlechte Bedienstete, überhaupt schlechte Menschen. Da finden sich beide zusammen in dem Satz: "Es bleibt bei ihrem Sprichwort, dass es ein hundsföttisches Leben ist" aus Wien - "Freilich ist es ein hundsf- Leben, besonders wenn man Zahnschmerzen hat" aus Wolfenbüttel.

So vieles wir in diesem Briefwechsel vom Leben erfahren, so wenig ist darin von dem, was Goethes Egmont die "schöne, freundliche Gewohnheit des Daseins und Wirkens" nennt. Die von den Menschen dieses Zeitalters so unentwegt berufene Maxime, vergnügt zu sein, also sich des Lebens zu freuen, taucht meist nur als Mahnung auf, weil beiden Korrespondenten das Mißvergnügen, oft zur Melancholie und Hypochondrie gesteigert, weit vertrauter ist. Aber sie sprechen davon ohne eine Spur von Wehleidigkeit, wie von etwas, das an einem haftet, und man bekommt es nicht los, das aber im Grunde nicht tangiert, was man selber ist. Es sind zwei im moralischen Sinn des Wortes erwachsene Menschen, die in Hoffnung und Enttäuschung eine unaufgeregte Gefaßtheit bewahren.

Briefe aus der Brautzeit": Verbindet man mit diesem Begriff die Vorstellung von Liebeslust und -leid, ja auch nur von Intimität, dann muten diese Briefe allerdings seltsam an. Daß in ihnen die Anrede nie vom "Sie" zum "Du" übergeht, ist symptomatisch, mag es auch nur der gesellschaftlichen Konvention entsprechen. Aber auch im Vergleich mit anderen Briefwechseln aus dieser Zeit fehlt ihnen fast alles, was man sich unter Liebesbriefen vorstellt. Da ist nichts vom Geistes- und Herzensüberfluß der Korrespondenz zwischen Herder und Caroline Flachsland, nichts von der schönen Innigkeit der Briefe, die Heinrich Christian Boie und Luise Mejer wechseln.

Dennoch sind sich auch Lessing und Eva König in der langen Zeit des Getrenntseins ihres festen Willens gewiß, einmal mit- und füreinander zu leben. Und mag auch in ihrer Rede weder leidenschaftliche Erregung noch gar sinnliches Begehren zu Wort kommen, so versäumen sie doch selten, sich schlichte Zeichen ihrer Liebe zu geben. Es ist schon viel, wenn Lessing seinen Brief mit der Versicherung schließt: "dass ich sie über alles liebe, und in Gedanken tausendmal des Tages umarme". Doch wird auch im Lakonismus der Auslassung: "Ach, wenn - Sie wissen was ich wünsche!" evident, daß die Verbindung mit dieser Frau für ihn ein Glücksversprechen ist, an dem er sich in all den Jahren festhält. Mit Überschwang und Hingabe hat dies nichts zu tun. Es ist das bescheidene Glück, ein Zuhause zu haben, in dem er nach so langem Alleinsein zusammen mit dem anderen, lieben Menschen leben und "es auch einmal so gut haben" darf "wie andere Menschen".

Lessings Bruder Karl besorgte 1789 die erste Ausgabe dieses Briefwechsels. Alle folgenden sind, da die Handschriften nicht mehr vorliegen, Nachdrucke dieses Erstdrucks, wenn auch von den Philologen textkritisch überprüft. Vor kurzem noch war bei Beck die Ausgabe von Günter und Ursula Schulz erhältlich, und in der Lessing-Ausgabe des Deutschen Klassiker Verlags sind alle 193 Briefe bis heute zugänglich. Die Frage liegt nahe, was den Verlag zu dieser neuen Ausgabe veranlaßte. Eine Antwort ist kaum damit gegeben, daß im Anhang die Notizen Eva Königs über ihre beiden Reisen nach Wien 1770 und 1772 erstmals vollständig veröffentlicht werden. Sie sind so knapp, daß ihre Mitteilung in einem wissenschaftlichen Journal durchaus genügt hätte. Gewiß nicht zur Unentbehrlichkeit der Ausgabe trägt bei, daß der - im übrigen der historisch-kritischen Lessing-Ausgabe von Lachmann-Muncker folgende - Editor diese "behutsam der neuen Rechtschreibung angepasst" hat. Den Verweis des Herausgebers Wolfgang Albrecht, alle bisherigen Editionen seien "kommentatorisch weniger umfassend aufgearbeitet worden", kann man, vergleicht man die Erläuterungen mit denen der früheren Ausgaben, gelten lassen.

Schließlich enthält der Band noch einen einleitenden "Essay" von Walter Jens - ein Ärgernis. Nicht oft trifft man auf einen Text, der so von Grund auf im Ton verfehlt ist und seinen Gegenstand mißbildet. Wenn es überhaupt biographische Unart ist, einen großen Toten per Vornamen anzureden, dann wird daraus schlechthin Ungehörigkeit bei einem Menschen wie Lessing, der wie kaum ein anderer Robert Walsers stolzen Satz für sich beanspruchen darf: "Niemand ist berechtigt, sich mir gegenüber so zu benehmen, als kennte er mich." Weiß der Himmel, woher der Essayist die Lizenz nimmt, in seiner onkelhaft angebiederten Rede über "Eva und Gotthold" zu sprechen.

Ein biographischer Essay ist Totenbeschwörung: Damit die großen Schatten kommen, trinken und sprechen, muß man die Grube mit Blut füllen - mit welchem sonst als dem eigenen? Versucht man es mit Kräutersaft, wen wundert's, wenn Krämerseelen erscheinen: "Statt sich - Geschäft hin, Geschäft her - mit raschem Entschluß auf die Socken zu machen und dem zaudernd-morosen Gotthold die Pistole auf die Brust zu setzen - jetzt wird geheiratet, Monsieur, oder wir machen Schluß -, kümmert sich Eva, ohne Gewissensbisse, drei volle Jahre lang in Wien um ihren maroden Betrieb, kehrt die Geschäftsfrau heraus." Das heißt eine von Sorgen und Drangsal beladene Lebenswirklichkeit zweier Menschen, die es sich schwergemacht und schwergemacht bekommen haben, ins Komödienstadl zu verfrachten. Da hilft dann auch nicht mehr auf, daß wir, kompensatorisch gewissermaßen. Eva König als eine Schwester Emilia Galottis ("Ich habe Blut, mein Vater; so jugendliches, so warmes Blut, als eine") vorgestellt bekommen. Um Nachsicht darum bittend, daß ihre Handschrift so unleserlich sei, schreibt sie kurz vor der anstehenden Hochzeit: "Ich kann mir aber nicht helfen; mein Blut ist in solcher Wallung, dass mir die Hände wie ein Espenlaub zittern. Ich bin jetzo eine fatale Kreatur die nicht viel ausrichten kann."

Es braucht schon eine Nase von gewaltigem Spürsinn für "Erotisches", um in diesen Sätzen zu entdecken, daß "die Schleusen sich öffnen" und "nie geäußerte Wünsche sich plötzlich in leidenschaftlicher Rede artikulieren", "so als bedürfe das lang Angestaute einmal, schon im Zeichen des Glücks, einer gewaltigen Eruption". Schreiberin und Empfänger des Briefes hätten diese Lesart irritiert vernommen. Lessings Antwort jedenfalls lautete: "Melden Sie mir aber ja auch, wie es mit Ihrer Gesundheit stehet. Ihr letzter Brief macht mir viel Besorgnis. Doch vielleicht waren das auch nur überhingehende Wallungen."

Gotthold Ephraim Lessing / Eva König: "Briefe aus der Brautzeit 1770-1776". Mit einem einleitenden Essay von Walter Jens. Neu herausgegeben und kommentiert von Wolfgang Albrecht. Verlag Hermann Böhlaus Nachfolger Weimar, Weimar 2000. 480 S., geb., 58,- DM.

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