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Der Kunsthistoriker Aby Warburg (1866 - 1929) ist in den letzten Jahrzehnten zur Ikone der Kulturwissenschaften geworden. Mehr denn je lassen sich diese heute von seinen Ideen leiten und inspirieren. Karen Michels' anschauliches Porträt zeichnet sein von persönlichen, religiösen und politischen Spannungen geprägtes Leben nach und gibt einen Überblick über sein vielseitiges Werk. Als ältester Sohn einer jüdischen Hamburger Bankiersfamilie trat Warburg schon mit dreizehn Jahren sein Erbe an seinen Bruder ab.
Seine einzige Bedingung war, daß die Familie ihm sein Leben lang alle Bücher bezahlen
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Produktbeschreibung
Der Kunsthistoriker Aby Warburg (1866 - 1929) ist in den letzten Jahrzehnten zur Ikone der Kulturwissenschaften geworden. Mehr denn je lassen sich diese heute von seinen Ideen leiten und inspirieren. Karen Michels' anschauliches Porträt zeichnet sein von persönlichen, religiösen und politischen Spannungen geprägtes Leben nach und gibt einen Überblick über sein vielseitiges Werk. Als ältester Sohn einer jüdischen Hamburger Bankiersfamilie trat Warburg schon mit dreizehn Jahren sein Erbe an seinen Bruder ab.

Seine einzige Bedingung war, daß die Familie ihm sein Leben lang alle Bücher bezahlen würde, die er brauchte. Bereits als Student, dann als Privatgelehrter entwickelte er ein völlig neuartiges Programm für die Kulturwissenschaften. Diesem folgte auch der mit fanatischer Energie betriebene Aufbau seiner bis heute einzigartigen Forschungsbibliothek. Sie wurde in der Weimarer Republik zum Treffpunkt für Intellektuelle der verschiedensten Disziplinen und entfaltete ihre Wirkung weit über Deutschlands Grenzen hinaus. Die souverän und lebendig geschriebene Einführung läßt den fesselnden, exzentrischen Charakter Warburgs hervortreten, der in Florenz die Kunst der Renaissance und im westlichen Amerika den Schlangentanz der Indianer studierte. Neben dem Wissenschaftler Warburg tritt ferner der sensible politische Beobachter in Erscheinung. Zusammen mit den zahlreichen Abbildungen läßt der Text deutlich werden, wieso die Kulturwissenschaften bis heute in Warburgs Bannkreis stehen.
Autorenporträt
Karen Michels ist habilitierte Kunsthistorikerin. Sie ist insbesondere durch ihre Veröffentlichungen zu Aby Warburg und seinem Kreis hervorgetreten und war viele Jahre lang am Warburg-Haus in Hamburg tätig.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Höchst angetan zeigt sich Rezensent Tilmann Lahme von dieser Biografie des Kunsthistorikers Aby Warburg von Karen Michels, auch wenn die Autorin nicht unbedingt mit neuen Thesen und Forschungsergebnissen aufwartet. Aber das scheint nicht von Nachteil, schließlich fehlte seiner Ansicht nach in der ausufernden Fülle von Publikationen zu Warburg bisher eine Biografie, die Leben und Werk und auch den familiären Hintergrund des Gelehrten beleuchtet. Vorliegende Arbeit schließt für ihn diese Lücke, und zwar auf erfreuliche Weise. So lobt er Michels' Biografie, die sich an ein breites Publikum wendet, als jargonfrei und angenehm lesbar geschrieben. Für ihn eine "Rarität im deutschen Sprachraum". Auch inhaltlich kann er der Autorin zustimmen, etwa wenn sie Warburgs Ansatz weniger als kunstgeschichtlich sondern als interdisziplinär bildwissenschaftlich charakterisiert oder unterstreicht, dass Leben und Werk bei Warburg so eng verknüpft seien, wie man es sonst nur bei Künstlern kenne.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.06.2007

Dämonenfurcht und Aufklärungssehnsucht
Wie man sich die Welt vom Leib hält, indem man eine Bibliothek gründet, in der man dann wieder die Welt findet: Karen Michels Biographie Aby Warburgs
Das Interesse an dem Kunsthistoriker Aby Warburg stand in den vergangenen Jahren im Zeichen einer kulturwissenschaftlichen Wende der Geisteswissenschaften. Warburgs Aufmerksamkeit auf die Wanderungen von Bildern durch die Zeiten und Medien, sein Konzept eines kulturellen Gedächtnisses, seine Neubegründung der Ikonologie als breit angelegter Bildwissenschaft und nicht zuletzt seine Praxis einer disziplinenübergreifenden Kulturwissenschaft gaben über die Kunstgeschichte hinaus methodische Anstöße. Karen Michels hat nun eine Biographie vorgelegt, die auf etwa hundert Seiten auch ein breiteres Publikum mit Warburgs Leben und Denken bekannt macht. Das ausnehmend schön gestaltete und reich bebilderte Buch zeichnet sich durch seine ebenso lesbare wie differenzierte Darstellung von Warburgs intellektuellem Werdegang aus.
Die Autorin knüpft zwar nicht an die theoretischen Impulse an, die in den letzten Jahren etwa von Georges Didi-Hubermann, Sigrid Weigel oder Ulrich Raulff ausgingen. Auch fördert sie nicht unbedingt Neues zu Tage, das über die grundlegenden Biographien Ernst H. Gombrichs und Bernd Roecks oder die Studie zu Warburg und dem Antisemitismus von Charlotte Schoell-Glass hinausginge – dennoch gelingt es Karen Michels auf überzeugende Weise, eigene Akzente zu setzen.
Die Aktualität Warburgs sieht sie darin begründet, dass er persönliche Lebensthemen in lebenslange Forschungsfragen übersetzte. Ihre Darstellung löst diese These insofern ein, als sie die Stationen der persönlichen Entwicklung Warburgs eng mit pointierten Zusammenfassungen seiner Arbeiten verzahnt. Das Ergebnis ist eine höchst anschauliche Erzählung, die Warburg vor allem fest im kulturellen Umfeld Hamburgs verankert.
Im Zweifronten-Krieg
Spätestens in den zwanziger Jahren hat er dieses Umfeld selbst entscheidend mitgeprägt. Von kulturpolitischen Artikeln und Vortragsreihen über das Engagement für die neugegründete Hamburger Universität bis hin zur Einrichtung der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek hat sich Warburg in vielfältiger Weise in seiner Stadt engagiert. Martin Warnke geht in seiner Einleitung dem Verhältnis zwischen dem von seinen Brüdern übernommenen Bankhaus und der Forschungsbibliothek zum Nachleben der Antike nach, die Aby Warburg mit der ausschließlichen finanziellen Unterstützung seiner Bankiersbrüder von 1904 an gezielt aufbaute. Der vergleichende Blick auf das Bankhaus Warburg und die Bibliothek Warburg nimmt ein Stichwort auf, das Warburg in einem Brief an den zweitältesten Bruder Moritz geprägt hat: Es gelte, Denkarbeit auf der Basis des Kapitalismus zu leisten.
Mit knappen Strichen zeichnet Karen Michels das Milieu der jüdischen Bankiersfamilie Warburg, Abys Schulzeit am Hamburger Johanneum und die Studienjahre in Bonn und Florenz nach. Die Begegnung mit Hermann Useners Mythostheorie bringt Warburg mit seinem Lebensthema in Berührung: dem Verhältnis von Mythos und Wissenschaft. Nicht minder prägend ist in diesen frühen Jahren der „Zweifronten-Krieg”, den der junge Aby Warburg sowohl gegen ein gläubiges jüdisches Elternhaus als auch gegen eine nichtjüdische Umwelt führt. Dazu gehören nicht nur die Widerstände gegen seine Ehe mit der jungen Künstlerin Mary Hertz, der Tochter eines protestantischen Hamburger Reeders und Senators, und die Probleme einer Universitätskarriere, sondern auch der Antisemitismus, den Warburg als Rückfall in einen mythischen Irrationalismus deutet. Warburgs wissenschaftliche Ideenbildung scheint hier dem Bedürfnis zu folgen, sich eine bedrohliche Lebenswelt vom Leib zu halten. Umgekehrt wird gerade dieses Denken zwischen Mythos und Logos, zwischen Dämonenfurcht und Aufklärungssehnsucht zum „Bannkreis der Ideen”, in den Warburg in der Zeit seiner psychischen Erkrankung selbst auf existenzielle Weise gerät.
Mit aller Diskretion fasst sich Michels sowohl im Bezug auf Warburgs psychotischen Zusammenbruch am Ende des Ersten Weltkriegs als auch auf die langwierige Rekonvaleszenz in Ludwig Binswangers Kreuzlinger Klinik eher kurz, um sich desto länger dem Bibliotheksbau 1924 zu widmen, den sie als therapeutische Intervention deutet. Der elliptische Lesesaal als Programm einer zweipoligen Denkordnung, die hochmoderne technische Ausstattung der kleinen privaten Forschungsbibliothek, die unkonventionelle und immer wieder neu vorgenommene Aufstellung der Bücher nach dem „Gesetz der guten Nachbarschaft” sind die wichtigsten Stichworte, mit denen die Spezifik der Einrichtung umrissen werden.
Die Bibliothek war für Warburg kein statischer Wissensspeicher, sondern ein flexibles Arbeitsinstrument, in dem Bücher als „plastische Elemente” im Denken fungieren. Damit gilt für die Bibliotheksstruktur das, was man sonst mit Warburgs letztem großen Projekt, dem Bilderatlas „Mnemosyne” verbindet. Dem Denken in Bildern, das sein Material in wechselnde Konstellationen setzt, stellt Michels ein Denken in Büchern gegenüber. Das letzte Wort gilt denn auch der neuen Nutzung des Hamburger Warburg-Hauses, das der Öffentlichkeit seit 1993 wieder als Tagungs- und Vortragsort zur Verfügung steht. CORNELIA ZUMBUSCH
KAREN MICHELS: Aby Warburg. Im Bannkreis der Ideen. Verlag C.H. Beck, München 2007. 128 Seiten, 19,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.08.2007

Schreibhemmung wegen einer Überfülle von Gedanken
Die Ikone der Ikonologie: Karen Michels beschreibt das Leben des Kunsthistorikers Aby Warburg

"Gallig" trug Aby Warburg als Student in den berühmten "Marcel-Proust-Fragebogen" ein, unter "Dein Temperament". Dann strich er es wieder durch und ersetzte es durch "cholerisch". Präzision bei der Beschreibung der Wirklichkeit, ob es ihn selbst, die Wissenschaft oder die Kunst betraf, war für Aby Warburg zentral. So sehr, dass er, kurz nach seiner kunsthistorischen Dissertation, in eine Schreibhemmung geriet. Nicht dass er nichts mehr zu Papier gebracht hätte, nur war er mit dem Formulierten selten zufrieden, kamen ihm stets weitere Gedanken, die er den aufgezeichneten zur Seite stellen wollte, so dass kaum etwas zur Publikation kam.

Eine gewisse Hemmung durch eine Überfülle von Gedanken blieb ihm stets erhalten, so dass Aby Warburg kein großes Buch, kein Hauptwerk hinterließ, sondern gerade einmal knapp 350 veröffentlichte Seiten, dazu viele Vorträge und Manuskripte, die inzwischen publiziert vorliegen. Er hinterließ zudem einen Grundgedanken, der die Geisteswissenschaften unter dem Begriff "Ikonologie" bis heute durchschüttelt: Kunstwerke seien nicht isoliert und rein ästhetisch zu betrachten, sondern im Zusammenhang mit ihrer Zeit und sehr speziellen Traditionen in Schrift und Bild, also vielmehr als psychohistorisches Symptom, als "ein symbolischer Wert, in dem sich Grundprinzipien menschlicher Existenz verdichten".

So beschreibt Karen Michels Warburgs Ansatz, anstatt Kunstgeschichte eine interdisziplinäre Bildwissenschaft zu betreiben. Sie hat den Hamburger Bilderdenker porträtiert, reich bebildert mit zum Teil unbekannten Fotos aus Familienbesitz. Ihre zentrale These: Leben und Werk sind bei Warburg so eigenwillig eng verknüpft, wie man es sonst nur bei Künstlern kennt.

Der Hamburger Bankierssohn kämpfte früh einen "Zweifrontenkrieg", wie er das nannte, gegen das jüdisch-orthodoxe Elternhaus einerseits und das vorurteilsbehaftete nichtjüdische Umfeld andererseits. Stets blieb Warburg Außenseiter, bekam den Antisemitismus vor allem als Student in Straßburg zu spüren und geriet im Ersten Weltkrieg in eine Phase nationaler Begeisterung. Er gab sogar ein Propagandablatt heraus, in dem er versuchte, die Überlegenheit der deutschen gegenüber der italienischen Kultur zu belegen. Karen Michels deutet die Verirrung des Europäers psychologisch: als Versuch, "endlich ein vollwertiges und integriertes Mitglied der Gesellschaft zu sein". Oder ließ sich bereits die psychische Erkrankung erahnen, die Warburg schließlich von 1918 an für sechs Jahre in Sanatorien zwang?

Die Rettung erfolgte durch einen klugen Arzt, der, wie Theodor Fontanes Hausarzt in ähnlicher Situation, den Kranken zur Selbstheilung durch autobiographische Beschäftigung trieb. Warburg verfasste jedoch keine Kindheitserinnerungen, sondern widmete sich dem, was ihm selbst zusetzte, dem Dämonischen. Mit Hilfe seines Mitarbeiters Fritz Saxl verfasste er einen seiner berühmtesten Vorträge, über das Schlangenritual der Pueblo-Indianer, die er einmal besucht hatte.

Das Lebenswerk Warburgs, seine Kulturwissenschaftliche Bibliothek, hatte er bereits Jahre zuvor begründet. Nachdem seine Bücherschätze das Haus der Familie schier überfluteten, setzte er den Bau einer eigenen Bibliothek, später in einem eigens erbauten Haus, durch. Es entstand einer der bedeutendsten Sammlungs- und Veranstaltungsorte zum Thema "Das Nachleben der Antike".

Aby Warburg hatte als Erstgeborener auf den Chefsessel als Bankier zugunsten seines Bruders verzichtet, um sein Leben der Kunst, der Antike und den Büchern zu widmen. Als Bittsteller sah er sich nicht, trotz der Tatsache, dass die Bibliothek vollständig von der Warburg Bank finanziert wurde. Seinem Bruder Max schrieb er einmal, er sei "eigentlich ein Narr, dass ich nicht mehr darauf bestehe, dass der Kapitalismus auch Denkarbeit auf breitester, nur ihm möglicher Basis, leisten kann". Seinen Büchern geschah, was ihm selbst durch den Tod 1929 erspart blieb: Im Dezember 1933 emigrierte die Bibliothek im Umfang von 60 000 Bänden nach London, wo sie seither der kulturwissenschaftlichen Forschung dient. Im Warburg-Haus in Hamburg finden seit einigen Jahren wieder Vorträge und Symposien statt.

Karen Michels bietet keine neue Forschung zu Warburg. Ihre Thesen und Ansichten sind gewiss nicht revolutionär - und doch ist ihre Biographie eine Rarität im deutschen Sprachraum: ein Gelehrtenporträt, frei von akademischer Prosa, elegant geschrieben, das sich an ein breites Publikum wendet. Einige Experten mögen von einem "oberflächlichen Zugang" sprechen. Gerade angesichts des Umstands, dass bis heute eine kaum überschaubare Fülle an Warburg-Forschung vorliegt, aber keine Biographie, die Leben und Werk und auch den familiären Hintergrund Aby Warburgs beleuchtet, kann man dieses Buch zudem als ersten Schritt begrüßen.

TILMANN LAHME

Karen Michels: "Aby Warburg". Im Bannkreis der Ideen. C. H. Beck Verlag, München 2007. 128 S., 48 Abb., geb., 19,90 [Euro].

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