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Grandios erzählte Kunstgeschichten von Julian Barnes - in einer um sieben Essays erweiterten Taschenbuchausgabe.
Ein Buch voller Kunstgeschichten: über Maler und ihre Exzentrik, über ihre Modelle, Musen, Bilder und Eskapaden. Ein Buch für Kenner und Laien gleichermaßen mit Texten über Delacroix, Courbet, Manet, Cézanne, Degas bis zu Lucian Freud.
Mit der Malerei befasste sich Julian Barnes bereits in seinem berühmten Buch »Eine Geschichte der Welt in 10 ½ Kapiteln«, in dem er zum Beispiel Géricaults Bild »Das Floß der Medusa« und die grausame Geschichte des Schiffsbruchs beschrieb. Auch
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Produktbeschreibung
Grandios erzählte Kunstgeschichten von Julian Barnes - in einer um sieben Essays erweiterten Taschenbuchausgabe.

Ein Buch voller Kunstgeschichten: über Maler und ihre Exzentrik, über ihre Modelle, Musen, Bilder und Eskapaden. Ein Buch für Kenner und Laien gleichermaßen mit Texten über Delacroix, Courbet, Manet, Cézanne, Degas bis zu Lucian Freud.

Mit der Malerei befasste sich Julian Barnes bereits in seinem berühmten Buch »Eine Geschichte der Welt in 10 ½ Kapiteln«, in dem er zum Beispiel Géricaults Bild »Das Floß der Medusa« und die grausame Geschichte des Schiffsbruchs beschrieb. Auch dieses Buch ist voller Geschichten. Über die Künstler und ihre Exzentrik, über die Modelle und deren oftmals kompliziertes Verhältnis zu ihren Malern, über Autoren, die sich mit den Malern beschäftigen. Durch Julian Barnes' Kenntnisreichtum und durch sein Wissen um menschliche Schwächen und Laster entsteht eine Art erzählende Kunstgeschichte - lehrreich, unterhaltsam und überaus erhellend, und das nicht nur für Kunstkenner, sondern auch für Menschen, die nicht viel über Kunst wissen.
Autorenporträt
Julian Barnes, 1946 in Leicester geboren, arbeitete nach dem Studium moderner Sprachen als Lexikograph, dann als Journalist. Von Barnes, der zahlreiche internationale Literaturpreise erhielt, liegt ein umfangreiches erzählerisches und essayistisches Werk vor, darunter 'Flauberts Papagei', 'Eine Geschichte der Welt in 10 1/2 Kapiteln' und 'Lebensstufen'. Für seinen Roman 'Vom Ende einer Geschichte' wurde er mit dem Man Booker Prize ausgezeichnet. Julian Barnes lebt in London.
Rezensionen
»Eine unverzichtbare Lektüre für alle Kunstinteressierten.« Heiko Buhr Lebensart im Norden 20200302

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.12.2019

Das Wesen der Magrittigkeit

Julian Barnes ist ein großer Romancier. Und ein Kunstkenner und -liebhaber. Nun versammelt ein Band seine fulminant meinungsstarken Aufsätze zur Malerei.

Der Zauber dieser siebzehn Aufsätze liegt in der Verbindung ihrer umstandslos eingestandenen Subjektivität mit intrinsischer Kennerschaft, was die Geschichte der Kunst wie die der Literatur angeht. Julian Barnes hat seine Artikel in ihren ursprünglichen Fassungen zwischen 1990 und 2013 für verschiedene Publikationen geschrieben; sieben von ihnen erschienen zuerst im Magazin "Modern Painters". Jetzt sind sie, chronologisch geordnet nach Künstlern von Théodore Géricault bis Howard Hodgkin, in dem Band "Kunst sehen" versammelt. Sie zu lesen, einzeln für sich oder hintereinander weg, ist ein hohes Vergnügen. Denn der britische Autor kann es sich erlauben, zwischen bildender Kunst und Literatur hin und her zu springen, weil er über beide so viel weiß. Seine Assoziationen kommen nicht selten unerwartet - und dann finden sie, genauso unvorhersehbar, ihre verblüffenden Anschlüsse in den folgenden Passagen. Man staunt nur so, und das Staunen ist ja der Anfang von allem.

Julian Barnes' Liebe zu Frankreich, der französischen Kunst und Literatur vor allem des neunzehnten Jahrhunderts, wie sie schon 1984 sein berühmtestes Buch, "Flauberts Papagei", trägt, ist ständig spürbar. Gleich der erste Text in "Kunst sehen" ist seinem Roman "Eine Geschichte der Welt in 10 œ Kapiteln" von 1989 entnommen: "Géricault: Aus Katastrophen Kunst machen". Zunächst rekonstruiert Barnes minutiös aus den Berichten der Überlebenden die Abläufe um jene Katastrophe auf See, von der die französische Nation 1816 aufgewühlt wurde und die Géricaults "Das Floß der Medusa" zugrunde liegt. Dann dekonstruiert er dieses Epochenbild von 1818/19 (jetzt im Louvre in Paris) auf ebenso fesselnde Art. Nicht ohne den Hinweis, dass der Künstler das schicksalhafte Floß originalgetreu in seinem Atelier nachbauen ließ, um sich dann mit symbolträchtig geschorenem Kopf dort für acht Monate einzusperren. Nicht ganz freilich, weil ja Personal vorbeikam, als Modelle für die Schiffbrüchigen; zu ihnen gehörte übrigens Eugène Delacroix, der als junger Toter vorn auf dem Floß posierte.

Wie überhaupt die unrealistisch muskulösen Körper der Männer auf dem Gemälde auffallen, die doch in der Wirklichkeit ausgemergelt und zu Tode erschöpft waren. Wie en passant fällt der Hinweis, dass der eigentliche, allgemeinere Titel des Werks bei seiner Vorstellung im Pariser Salon des Jahrs 1819 "Scène de naufrage" (Szene eines Schiffbruchs) lautete: "Eine politische Vorsichtsmaßnahme? Mag sein. Aber es ist zugleich auch ein nützlicher Hinweis für den Betrachter: Dies ist ein Gemälde, keine Meinungsäußerung." So gelingt es Barnes am Ende, begreif- und fühlbar zu machen, dass das existentielle Leiden auf dem Floß an die Betrachter delegiert, auf sie übergegangen ist.

Ob das ein Lehrstück in der Methode der strukturalistischen Analyse ist, muss gar nicht weiter interessieren. Wenn es so ist - und so ist es -, führt er sie jedenfalls federleicht vor. Mit einer Eleganz, die ihresgleichen sucht, stellt er die Frage nach der Wahrheit in den Werken der Kunst (im Leben jedes Menschen ist es nicht anders). Die verzwickte Balance zwischen Biographie - die sowieso immer Nachträglichkeit und Konstruktion ist - und der Annäherung an ein einzelnes Werk oder gar das gesamte Schaffen eines Künstlers beherrscht er in seinen Artikeln, als wär's ein leichthändiges Spiel. Überbietung und Kolportage braucht er nicht. Lebensspuren benutzt er, ohne sie festzunageln in plattem Biographismus. Das bleibt auch so, wenn Barnes sich der inzwischen klassisch gewordenen Moderne in der Kunst zuwendet.

Für Georges Braque hat er beinahe eine Liebeserklärung parat. Das geschieht in Anlehnung und Absetzung von - natürlich - Picasso, den er damit, aus seiner Perspektive, auf den undankbaren zweiten Platz verweist. Wie übrigens schon im Vorwort des Bands, wo er seiner frühesten Begeisterung für die Moderne seinen "vielleicht langsamsten Entwicklungsschritt" entgegensetzt: "Ich erlaubte mir zu glauben oder vielmehr zu sehen, dass nicht alles an der Moderne ganz und gar wunderbar war. Dass einiges davon besser war als anderes; dass Picasso sich manchmal vielleicht zu wichtig machte, Miró und Klee ins Putzige abglitten, Léger sich ständig wiederholte und so weiter." Ohne dann, im Artikel "Braque: Das Herz der Malerei", so tapsig zu sein, Picasso in seiner Künstlerschaft schmälern zu wollen, bringt er, wieder ganz nebenbei, seine Sicht des Kubismus auf eine bemerkenswert simple Formel, als Widerstreit zwischen Form und Farbe - "Form, die sich gegen Farbe durchsetzt, oder auch Farbe, die sich im Dienste der Form zurückhält". So einfach kann das Schwierige klingen.

Dabei sieht er Braque in der Vorhand, weil der seine Sache, den Kubismus, so überzeugend gemacht hat ohne weitere Ambitionen, und er giftet selbst ein wenig: "Braque war wie eine hoch gelegene Burg, die Picasso ständig belagerte. Er bedrängt sie, bombardiert sie, unterminiert sie, bestürmt sie - und wenn der Rauch sich verzogen hat, steht die Burg jedes Mal so fest wie zuvor. Geschlagen erklärt er (Picasso), das Gelände sei sowieso nicht von strategischem Interesse gewesen. Braque, sagt er, sei nur ,charmant', er sei wieder zur ,französischen Malerei' zurückgekehrt und zum ,Vuillard des Kubismus' geworden. Er (Picasso) erklärt ihm, seine Bilder seien ,gut gehängt'. Braque erwidert, Picassos Keramiken seien ,gut gebrannt'. Oft wird ein verbaler Kampf eher mit Lakonie als mit Redegewandtheit gewonnen." Das sitzt, und da spricht der Autor auch von sich selbst. So fuchsschlau werden wir Leser selten zum eigenen Urteil herausgefordert.

Ein Herz hat Barnes auch für Magritte. Da kommt der mit allen Wassern elaborierter Theorie (ehe diese zu lauter kleinen Bächlein verdünnt wurden) Gewaschene ganz zu sich selbst, abhold deutender Verblasenheit. Er befindet, Magritte habe den hochtrabenden Versuchen seiner Vorgänger gegenüber, die Natur zu verfälschen, "größtmögliche Ordnung walten lassen: nichts als Kieselsteine, Buchsbaumhecken und Geranien auf einer vollkommen horizontalen Fläche unter künstlichem Licht". Und Barnes folgert: "Das Kalte und Flache macht das Wesen der ,Magrittigkeit' aus." So kann man das durchaus sehen.

Er bleibt im Kapitel "Magritte: Vom Vogel zum Ei" richtig stur beim Werk und mit luzider Ironie, zum Beispiel im Fall von Magrittes berühmtem Selbstporträt "La clairvoyance (Hellsehen)", wo der Maler, während er auf die Leinwand vor ihm das Bild eines Vogels malt, nach links zu einem Tisch blickt, auf dem ein Ei liegt, als gäbe dieses die Vorlage ab: "Nun mögen wir es zwar bedeutsam finden, dass der Maler sein Objekt anschaut und nicht die Leinwand, an der er arbeitet, aber als Sinnbild künstlerischer Umgestaltung bringt uns La clairvoyance nicht sehr weit. Der Künstler kann aus einem Ei einen Vogel machen; nun ja, das macht die Natur jeden Tag in Hühnerfarmen weltweit." Das ist erstens wirklich witzig, zweitens praktizierte Antihermeneutik, und drittens macht es wieder neugierig auf Werke des schon fast kaputtgedeuteten Magritte.

So geht es dahin in diesem Lese-Buch über das Kunst-Sehen. Der gemeinhin nicht so bekannte Félix Vallotton wird als "Der fremde Nabi" gewürdigt, der es aber besser hätte seinlassen sollen, Akte zu malen. Oder Lucian Freud: Bei ihm fragt sich Barnes angesichts dessen extremer Aktdarstellungen zumal von Frauen, ob Freud "einmal als der größte Porträtmaler des zwanzigsten Jahrhunderts gelten wird". Dass er das offenbar nicht findet, wird schon klar, so dass der Schluss des Texts zu Freud lautet: "Außerdem wünschte ich, er hätte mehr Spülbecken gemalt, mehr Topfpflanzen, mehr Laub und mehr Bäume. Mehr Brachland, mehr Straßen. Künstler sind, wie sie sind, wie sie sein können und müssen. Trotzdem wünschte ich, er wäre etwas mehr rausgegangen." Auslüften wäre gewiss kein Fehler gewesen, zu spät.

Die Kühnheit, sich das wenigstens einmal so zu überlegen, auszumalen im Wortsinn, hat Klasse. Eine großartige Aufsässigkeit ist das, ungemalte Bilder zu evozieren, derartige Möglichkeitsräume zu eröffnen, angefüllt zugleich mit dem scharfen Humor des Schriftstellers und Connaisseurs. Es wird kein Zufall sein, dass diese Texte nicht als "Essays" bezeichnet sind, sie sind nichts so wenig wie Versuche. Sie sind Vorschläge, wie "Kunst sehen" gehen kann. Sie sind in ihrer Konsistenz nicht wachsweich verhandelbar, wiewohl unbedingt bestreitbar. Umso mehr, als die Aufsätze - zusammen gelesen - ein dichtes Geflecht ergeben, mit wiederkehrenden Bezügen und Verweisen. Auch wer sie nicht im Original liest, erkennt die kunst- und lebensvolle Qualität der Übersetzungen von Gertraude Krueger und, in einem Fall, von Thomas Bodmer.

Das Versprechen des Verlags, Laien und Kenner gleichermaßen könnten Genuss aus Julian Barnes' Aufsätzen ziehen, stimmt, weil beide Gruppen ihre Spielwiesen bekommen. Gut abgehangener akademischer Geist mag mehr als einmal zucken und zicken angesichts solchen intellektuellen Mutwillens. Eifrige Kunstfreunde wird es beglücken, dass die Faktenhuberei zugunsten kluger Gedankenketten im Zaum gehalten wird. Denn gegeben sind hier: die Lust am Text und das Spiel mit der Kunst. Auf dass uns allen die Augen aufgehen.

ROSE-MARIA GROPP

Julian Barnes: "Kunst sehen".

Aus dem Englischen von Gertraude Krueger und Thomas Bodmer. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2019. 352 S., Abb., geb., 25,- [Euro].

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