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Seit der Antike übt der Marmor eine ungebrochene Faszination aus. Der Band zeichnet ein facettenreiches Porträt dieses kostbaren Gesteins in der Geschichte von Kunst und Literatur von der Antike bis zur Gegenwart und spürt seinem ikonischen Potenzial nach. Marmorverkleidungen in der Architektur, Skulpturen und Malereien auf Stein werden auf ihre politisch-philosophischen Bedeutungen hinterfragt.
Anhand von zahlreichen Werken aus Kunst und Architektur widmet sich der Band der Frage nach den besonderen ästhetischen Eigenschaften des Marmors und zeigt, wie Künstler und Künstlerinnen von der
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Produktbeschreibung
Seit der Antike übt der Marmor eine ungebrochene Faszination aus. Der Band zeichnet ein facettenreiches Porträt dieses kostbaren Gesteins in der Geschichte von Kunst und Literatur von der Antike bis zur Gegenwart und spürt seinem ikonischen Potenzial nach. Marmorverkleidungen in der Architektur, Skulpturen und Malereien auf Stein werden auf ihre politisch-philosophischen Bedeutungen hinterfragt.

Anhand von zahlreichen Werken aus Kunst und Architektur widmet sich der Band der Frage nach den besonderen ästhetischen Eigenschaften des Marmors und zeigt, wie Künstler und Künstlerinnen von der Antike bis zur Gegenwart sich die besonderen Strukturen, Oberflächen und Aderungen des Gesteins zu eigen machten. Dabei wird die besondere Aura des Materials ebenso anschaulich wie seine enorme Vielseitigkeit in der Verwendung und Wiederverwendung.
Autorenporträt
Dario Gamboni ist Professor für Kunstgeschichte an der Université de Genève.

Jessica N. Richardson ist wissenschaftliche Assistentin am Kunsthistorischen Institut in Florenz - Max-Planck-Institut.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.12.2021

Beschworene wie gebannte Bildermacht
Ein Band über die Faszination des Marmors in den Künsten des Westens und des Ostens

Wer erinnert sich noch daran, wie die Loos-Bar in Wien ursprünglich hieß? Längst hat der Name des Architekten die "American Bar" aus dem Gedächtnis verdrängt. Wo fände man einen anderen Raum, der so nüchtern wäre und so trunken machte, Taufkapelle und Höllenpforte zugleich? Unfassbar, welche sinnliche Qualitäten Marmor besitzt und welche Bilder im Kopf er wecken kann. Betreten darf die Bar freilich erst, wer vor dem Haus am Michaelerplatz gekniet hat. Zu Recht gilt es als Hauptwerk des Wiener Steinmetzsohns.

Gewiss, auch Frühere haben den Stein zum Leuchten gebracht, der vorliegende Band über seine Ästhetik von der Spätantike bis zur Gegenwart zeigt es: den weißen parischen Marmor, den die Bildhauer der Antike schätzten, die Blöcke aus Carrara, aus denen Michelangelo, Bernini und Canova ihre Figuren schälten. Wieder andere haben dem roten Stoff aus Sizilien und dem belgischen Rance die Adern geöffnet. Aber keiner hat wie Adolf Loos aus Massen von graugrünem Cipollino ein Kunstwerk geschaffen, das den (von ihm selbst angeheizten) Streit um das Ornament elegant ad absurdum führte. Indem er in der Tiefe des Steins die ebenso sublim wie beiläufig plätschernde Bildquelle entdeckte, ließ Loos Baumaterial und Ornament, Substanz und Akzidenz verschmelzen. Das Ornament war weder abgeschafft noch "aufgehoben"; eine coole Geste hatte es ins edle Material versenkt.

Loos' Kunstgriff beruhte auf einer Eigenschaft des Materials, für die Marmor seit Jahrtausenden geschätzt und begehrt wird. Neben seiner Farbigkeit ist es vor allem die "Maserung" oder Äderung des metamorphen Gesteins - geologisch gesehen die Folge der Rekristallisation von Kalkgestein. So zahlreich wie die Anwendungen von Marmor in Architektur und Skulptur sind seine Imitationen: Als "Marmorierung" hat die künstliche Nachbildung der Effekte in anderem Material eine nicht endende Karriere gemacht. Nur Holz, verarbeitet als Furnier, verfügt über eine vergleichbare ästhetische Wirkung.

Dank Schnitt, Schliff und Politur besitzen die Oberflächen von Marmor eine eigentümliche visuelle Ambiguität. Ihre instabile Lage zwischen Bild und Struktur, anders gesagt zwischen Ikonizität und Anikonizität erzeugt eine eigentümliche Faszination. Marmor gehört zu jenen traumhaften fluiden Gebilden wie Wolken, Schatten, Tintenklecksen, in denen man augenblicklich Figuren entstehen und sich wieder auflösen sieht. Das Phänomen ist oft beschrieben worden: Das Bild entsteht und vergeht im Auge des Betrachters. Anhand der Linien, Flecken und Schraffuren im Marmor lässt sich erleben, wie sich Bildgenesen im Imaginären gleichsam auf den Weg machen.

So erklärt es sich, dass Bilder liebende Kulturen Marmorscheiben wie Malerei gerahmt an die Wand gehängt oder in sie eingelassen haben (Beispiele im römischen Pantheon wie im Schloss von Versailles), während ikonophobe Kulturen wie die islamische im Marmor einen Stoff fanden, der die Macht der Bilder gleichzeitig zu beschwören wie zu bannen schien. So konnte Marmor zu der Materialbrücke werden, auf der sich die Künste des Ostens und des Westens immer wieder begegnet sind - sichtbar in so vielen Spolien, die zwischen den Kirchen der Kreuzritter und den Moscheen der Muslime in der Levante hin und her gewandert sind.

Der vorliegende Band ergänzt die seit fünfzig Jahren etablierte Materialikonographie um eine Reihe von beeindruckenden Einzelstudien und eine nüchterne, aber festliche Opulenz. Indem er die transkulturelle Ästhetik von Marmor unterstreicht, bringt er die Kunstgeschichte als international führende Geisteswissenschaft einen bedeutenden Schritt voran. ULRICH RAULFF

"The Aesthetics of Marble from Late Antiquity to the Present". Hrsg. v. Dario Gamboni, Gerhard Wolf und Jessica N. Richardson.

Hirmer Verlag, München 2021. 431 S., Abb., geb., 58,- Euro.

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