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Rem Koolhaas widmet sich mit seinem neuesten Forschungsprojekt den rasanten und oft verborgenen Veränderungen, die sich in den weitläufigen, nicht-urbanen Regionen der Erde ereignen. Diese ländlichen, abgelegenen oder verwilderten Gebiete sowie die 98% der Erdoberfläche, die nicht von Städten besiedelt sind, bilden die vorderste Front, an der sich die gewaltigen Kräfte der heutigen Zeit - Klimawandel, ökologische Zerstörung, Migration, Technologie, demografische Verwerfungen - am folgenreichsten auswirken. Zunehmend von einem 'kartesischen' Regime bestimmt - gerastert, automatisiert und auf…mehr

Produktbeschreibung
Rem Koolhaas widmet sich mit seinem neuesten Forschungsprojekt den rasanten und oft verborgenen Veränderungen, die sich in den weitläufigen, nicht-urbanen Regionen der Erde ereignen. Diese ländlichen, abgelegenen oder verwilderten Gebiete sowie die 98% der Erdoberfläche, die nicht von Städten besiedelt sind, bilden die vorderste Front, an der sich die gewaltigen Kräfte der heutigen Zeit - Klimawandel, ökologische Zerstörung, Migration, Technologie, demografische Verwerfungen - am folgenreichsten auswirken. Zunehmend von einem 'kartesischen' Regime bestimmt - gerastert, automatisiert und auf maximale Produktion hin berechnet -, verändern sich diese Regionen gerade bis zur Unkenntlichkeit.

Countryside, A Report versammelt Essays eindrucksvoller Reisen in Regionen, die globalen Kräften und Entwicklungen in besonderem Maße ausgesetzt sind, zugleich aber nur am Rande unseres Bewusstseins existieren: ein Testgelände in der Nähe von Fukushima für Roboter, die künftig für die ländliche Infrastruktur und Landwirtschaft Japans zuständig sein werden; eine nur aus Gewächshäusern bestehende Stadt in den Niederlanden - einem möglichen Ursprung für die Kosmologie der ländlichen Regionen von heute; der rapide abtauende Permafrost in Zentralsibirien, wo man über die baldige Umsiedlung der Bevölkerung nachdenkt; Flüchtlinge, die sterbende Dörfer in der deutschen Provinz bevölkern und dort auf Klimaaktivisten treffen; Berggorillas, die auf ihrem angestammten Territorium in Uganda plötzlich Menschen begegnen; der amerikanische Mittlere Westen, wo sich industrielle Landwirtschaftsbetriebe mit regenerativer Agrikultur auseinandersetzen; oder chinesische Dörfer, die sich in All-in-one-Produktionsstätten, E-Commerce-Läden oder Fulfillment-Center verwandelt haben.

Dieser Band ist das offizielle Begleitbuch zu der mit Spannung erwarteten Ausstellung im New Yorker Guggenheim-Museum, Countryside, The Future. Für den Architekten und Urbanisten Rem Koolhaas, dessen Karriere einst mit zwei Projekten zur Stadtentwicklung begann (The Office for Metropolitan Architecture, 1975, und Delirious New York, 1978), markieren Ausstellung und Buch ein gänzlich neues Forschungsgebiet. Die Publikation im handlichen Pocket-Format wurde von Irma Boom gestaltet, die für ihr originelles Layout und die innovative Typografie in der Bibliothek des Vatikans recherchierte.

Countryside, A Report erfasst die gemeinsame Forschungsarbeit von AMO, Koolhaas und Studenten der Harvard Graduate School of Design, der Bejing Central Academy of Fine Arts, der Wageningen University in den Niederlanden und der University of Nairobi. Zu den Autoren zählen Samir Bantal, Janna Bystrykh, Troy Conrad Therrien, Lenora Ditzler, Clemens Driessen, Alexandra Kharitonova, Keigo Kobayashi, Niklas Maak, Etta Madete, Federico Martelli, Ingo Niermann, Dr. Linda Nkatha Gichuyla, Stephan Petermann und Anne M. Schneider.
Autorenporträt
AMO ist der Think Tank des Office for Metropolitan Architecture (OMA), das 1999 von Rem Koolhaas mitbegründet wurde. AMO wendet architektonisches Denken auf Bereiche an, die über das Bauen hinausgehen, und hat mit Prada, der Europäischen Union, den Universal Studios, dem Amsterdamer Flughafen Schiphol, Condé Nast, der Harvard University und der Eremitage zusammengearbeitet. AMO hat Ausstellungen realisiert, darunter Expansion and Neglect (2005) und When Attitudes Become Form: Bern 1969/Venedig 2013 (2013) auf der Biennale in Venedig; The Gulf (2006), Cronocaos (2010), Public Works (2012) und Elements of Architecture (2014) auf der Architekturbiennale in Venedig; sowie Serial Classics und Portable Classics (beide 2015) in der Fondazione Prada, Mailand und Venedig.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.04.2020

Zukunft in der Provinz

Bloß nicht an der Stadt hängen: Rem Koolhaas und sein Thinktank widmen sich ländlichen Regionen als Orten des Überlebens, auf die es ankommen wird.

Hält man dieses von Rem Koolhaas und seinem Thinktank AMO konzipierte Buch zum ersten Mal in der Hand, erstaunt sein Format. Bei einem Thema wie "Countryside", angekündigt als Einblick in die futuristische Welt des Landlebens, hätte man aus dem Verlag mit den glänzenden Folianten große Bilder mit ausdrucksstarken Motiven erwartet. Dieses Buch aber, wenig größer, dafür erheblich dicker als ein Smartphone, passt in jede Manteltasche - und das ist wohl beabsichtigt. Nicht von seinen Bildern, die zum Teil kleiner als Briefmarken abgedruckt wurden, lebt der Begleitband zur gleichnamigen, momentan geschlossenen Ausstellung im New Yorker Guggenheim-Museum, sondern von seinen Texten, die übrigens alle in englischer Sprache abgedruckt sind.

Silberfarbene Glanzflächen rahmen auf dem Cover ein Farbfoto dreier russischer Bäuerinnen aus dem Jahr 1909 ein, die ausdruckslos Nahrungsmittel ins Bild halten. Das Land als unerschöpflicher Gabentisch, hier zeigt sich im Grunde genau jenes Klischee der verlässlichen Versorgung, das Koolhaas im Vorwort dieses Buches kritisiert. Dort schreibt er aber auch, dass die meisten Menschen eine vollkommen falsche Vorstellung vom Land besitzen, gerade in seiner globalen Bandbreite. Es fehlen offenbar die vorwärtsweisenden, faszinierenden Bilder von der Provinz. So muss das Cover fast zwangsläufig ironisch ins Thema einführen.

Im Innern des von Irma Boom gestalteten Buchs herrscht eine Art Recyclingoptik vor, gräuliches Papier, Buchstabentypen, die etwas zu wenig Druckerschwärze abbekommen zu haben scheinen, die aber, wie die Großbuchstaben auf dem Cover zeigen, einfach nur ungleichmäßig schraffiert sind. Das verschafft dem ganzen Unternehmen einen Anstrich von Bauanleitung oder Do-it-yourself und verrät zugleich kunstvolles Understatement.

Das Vorwort von Rem Koolhaas gibt sich pamphletistisch. Die Stadt bekommt hier einen Hieb nach dem anderen ab, sie wird als langweilig, ja als "selbstgewähltes Gefängnis" dargestellt. Vom Landleben hingegen heißt es, dass es wiederentdeckt werden müsse, als "Platz zum Überleben". Die Zukunft wartet sozusagen in der Provinz - eine erstaunliche Aussage von einem so ausgewiesenen Theoretiker des Städtebaus.

Mit leichter Wehmut erinnert Koolhaas an die planerischen Phantasien, die Politiker des zwanzigsten Jahrhunderts noch mit dem Land verbanden, von Frantz Fanon über Nasser bis Malcolm X. Ob die reißbrettartige Verplanung der Provinz selbiger allerdings förderlich ist, muss man in Zweifel ziehen. Das geschieht auch in einigen Beiträgen des Buchs, die sich auf die fatalen und verbrecherischen Landreform-Projekte Hitlers, Stalins oder Maos beziehen.

Ist es nicht sinnvoller, sich die Provinz möglichst ungestört entwickeln zu lassen, so wie es laut eines Beitrags im Buch in Kenia geschieht? Oder bewegen wir uns auf eine Zeit zu, in der das in der niederländischen Provinz erprobte computergesteuerte und bedarfsgerechte "Pixelfarming" überlebenswichtig sein wird?

Wenn die Beiträge über die Neuerfindung der Landwirtschaft in Qatar, die Gründung von Städten in der chinesischen Provinz, die vielfältigen agrarischen Umstellungen im Mittleren Westen der Vereinigten Staaten oder den auftauenden Permafrost in Jakutsk eines gemeinsam haben, so ist es, dass die Anpassungsprozesse hier derart schnell ablaufen, dass man mit vorausschauender Planung kaum einen Vorsprung gewinnen kann. Die technischen Möglichkeiten, so suggeriert das Buch, sind ausreichend vorhanden, das weitgehend unberührte Land ist ihre Spielwiese. Die abgehängten Regionen in Deutschland werden das gerne hören, aber können sie es auch glauben?

Den langen Vorlauf, den "Countryside" gehabt haben soll, sieht man dem Buch an. Auch wenn die Themen etwas rhapsodisch wirken, so sind sie doch bewusst auf Kernprobleme unserer Zeit bezogen: Klimawandel, Migration, Künstliche Intelligenz. Das alles ist inspirierend, steht aber auch etwas unverbunden nebeneinander. Soll man in die ländliche Entwicklung eingreifen oder sie laufen lassen? Welch allgemeiner Erkenntnisgewinn über das Land ist anvisiert? Das bleibt offen. Insofern ist das Schlusskapitel, in dem Rem Koolhaas Hunderte offene Fragen zu Gott, der Welt und dem Land aneinanderreiht ("Does anyone still like cities?"), nur konsequent. Ebenso wie das Schlussbild eines Zebras in der kenianischen Savanne, das fragend auf eine städtische Silhouette blickt.

UWE EBBINGHAUS.

AMO/Rem Koolhaas: "Countryside". A Report.

Taschen Verlag, Köln 2020. 352 S., Abb., br., 20,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Rem Koolhaas überrascht wieder... Im Alter von 75 Jahren veröffentlicht er eine Liste von Fragen: die längste ihrer Art. Schon wieder ein Superlativ... Schreiben kann keiner wie Koolhaas." Neue Zürcher Zeitung