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Josip Broz Tito war der ewige Partisan - ein typisches Geschöpf des Zeitalters der Extreme, welches er persönlich erlebt, erlitten und gestaltet hat. Bei seinem Tod galt er als ein international anerkannter Staatsmann. Heute halten ihn viele für einen brutalen Diktator. Doch was war er wirklich? Marie-Janine Calic lässt die historische Person hinter den Legenden sichtbar werden und erzählt die Geschichte eines abenteuerlichen Lebens, in dem sich Aufstieg und Fall Jugoslawiens spiegeln.
Tito war ein Politiker eigenen Kalibers. Er war Visionär und Pragmatiker, Stratege und Macher, einer, der
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Produktbeschreibung
Josip Broz Tito war der ewige Partisan - ein typisches Geschöpf des Zeitalters der Extreme, welches er persönlich erlebt, erlitten und gestaltet hat. Bei seinem Tod galt er als ein international anerkannter Staatsmann. Heute halten ihn viele für einen brutalen Diktator. Doch was war er wirklich? Marie-Janine Calic lässt die historische Person hinter den Legenden sichtbar werden und erzählt die Geschichte eines abenteuerlichen Lebens, in dem sich Aufstieg und Fall Jugoslawiens spiegeln.

Tito war ein Politiker eigenen Kalibers. Er war Visionär und Pragmatiker, Stratege und Macher, einer, der durch außergewöhnliche Talente und unter ganz besonderen historischen Umständen eine beispiellose Karriere machte. Im Zweiten Weltkrieg befreite er Jugoslawien mit seinen Partisanen aus eigener Kraft von der deutschen Besatzung. Es war die Rolle, in der er ganz bei sich war und die seine langjährige Herrschaft legitimierte. Ohne den ewigen Partisanen hätte es Jugoslawien nach dem ZweitenWeltkrieg wahrscheinlich nicht mehr gegeben. 35 Jahre lang blieb er der unverzichtbare Moderator eines mehr oder weniger gedeihlichen Zusammenlebens. Doch Titos Jugoslawien überlebte seinen Schöpfer kaum eine Dekade, und es folgte ein Gewaltausbruch, wie ihn Europa seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr erlebt hatte. Über Titos Lebenswerk liegt somit der Schatten bitteren Scheiterns.
Autorenporträt
Marie-Janine Calic lehrt als Professorin für südosteuropäische Geschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.10.2020

Stahlharte Mythen

Der neuen Biographie des jugoslawischen Staatschefs Josip Broz Tito hätte etwas mehr Distanz zum Titelhelden nicht geschadet.

Von Michael Martens

Josip Broz, der unter seinem Kampfnamen "Tito" bekanntere einstige Staatschef Jugoslawiens, hat drei Jahrzehnte nach seinem Tod eine gewisse Konjunktur. Eine 2016 in deutscher Übersetzung erschienene Biographie des slowenischen Historikers Joze Pirjevec, mehr als 700 Seiten stark, wurde ungeachtet ihrer quellenkritischen Mängel in den Medien weitgehend positiv aufgenommen, obschon in der Fachwelt der zuweilen "begeistert-apologetische Tonfall" des Biographen gerügt wurde. Vier Jahre später kommt nun wieder eine Tito-Biographie auf den Markt, diesmal von der deutschen Südosteuropa-Historikerin Marie-Janine Calic. Da auch Calic 2016 zu den Lobrednerinnen auf Pirjevecs recht unkritische Darstellung gehört hatte, war zumindest nicht auszuschließen, die Tito-Verklärungsliteratur werde durch ihr Werk um ein Belegexemplar wachsen. Doch gleich vorweg sei gesagt: Calic hat die selbstgestellte Aufgabe viel besser bewältigt als Pirjevec. Während ihr Vorgänger sich in der Fülle seines Materials bisweilen verlor, ordnet sie den Stoff ungleich souveräner, weshalb ihr Buch, obschon gut 250 Seiten kürzer, ein weitaus anschaulicheres Bild vom Leben des 1892 in Kroatien geborenen Bauernsohns und späteren Diktators bietet.

Allerdings lässt auch diese Lebensbeschreibung zumindest passagenweise etwas von jener Distanz vermissen, die Biographen bei aller Empathie zur dargestellten Person aufweisen sollten. Mitunter finden sich in dem Buch Sätze, die zumindest unglücklich formuliert sind. Dass die im Katholizismus verwurzelte Mutter des Protagonisten "von heimlichen Sorgen um die Seele ihres Sohnes geplagt" wurde, als der in jungen Jahren auf die kommunistische Bahn geriet, liegt nahe - aber ist es eine angemessene Formulierung für ein Sachbuch? Als der Sohn später vom Tod der Mutter erfährt, heißt es: "Aber Josip, im langen Fellmantel, mit hohen Schaftstiefeln und einer Pelzmütze, auf der noch der Abdruck des fünfzackigen Roten Sterns zu erkennen war, gab sich kämpferisch." Über einen Haftantritt lesen wir: "Irgendwie kommt mir der bekannt vor, dachte sich Broz, als er kurz darauf dem Gefängnisdirektor vorgeführt wurde." Zu Titos Weltanschauung wird resümiert: "Einzig und allein der Revolution fühlte sich der legendäre Partisanenmarschall, langjährige Staatspräsident und gefeierte Frontmann der Blockfreien verpflichtet." In ihrem Duktus auktorialer Allwissenheit wären solche Sätze statthaft in einem Roman, aber in einer historischen Biographie gibt es bessere Lösungen, als zu behaupten: "Erzbischof Aloizije Stepinac hatte ein reines Gewissen, als er im September 1946, glattrasiert und akkurat gescheitelt, die zum Gerichtssaal umfunktionierte vollbesetzte Turnhalle in Zagreb betrat."

Die Herausforderung für Tito-Biographen ergibt sich daraus, dass viele zeitgenössische Berichte über dessen Leben bereits im Dienste der Legendenbildung standen. Wer sich mit dem Wirken Titos befasst, bewegt sich in einer stark hagiographisch geprägten Quellenlandschaft - schließlich gebot Broz 35 Jahre lang über einen Staat und dessen Propagandaapparat, um in Wort, Bild und Ton an seiner Apotheose feilen zu lassen. Für den Kinofilm "Neretva" über den Kampf der Partisanen wurden Weltstars wie Yul Brynner und Orson Welles engagiert, Picasso gestaltete die Plakate. Die enormen Produktionskosten, die sich Jugoslawien damit aufbürdete, wurden immerhin durch eine Oscar-Nominierung honoriert. Für eine noch aufwendigere Produktion wurde die Rolle Titos mit Richard Burton besetzt - von Tito, wie Calic schildert.

Kurzum: Wer sich biographisch mit diesem einstigen Staatschef befasst, muss den Ausgang aus einem Irrgarten der Idolisierungen finden. Und wer Texte über ihn liest, darf sich bisweilen getrost die Lorbeerzweige wegdenken, mit denen es Broz noch postum gelingt, Beschreibungen seines Lebens zu umkränzen - etwa wenn es, in der Sache womöglich durchaus treffend, in diesem Buch über ihn heißt: "In brenzliger Lage stahlharte Nerven zu behalten, gehörte später zu seinen außergewöhnlichsten Qualitäten."

Wie stahlhart der Tito-Mythos bis heute ist, zeigt sich auch an der andauernden Überhöhung der militärischen Schlagkraft von Jugoslawiens Partisanen. Bei Calic lesen wir: "Im Vielvölkerstaat besaß sonst keiner den Mut und die Verwegenheit, der militärisch haushoch überlegenen Wehrmacht die Stirn zu bieten. Nur den Jugoslawen gelang es, die fremde Besatzung fast ganz aus eigener Kraft abzuschütteln." In der Forschung ist diese Lesart inzwischen nicht mehr unbestritten. Der Wiener Südosteuropa-Historiker Oliver Jens Schmitt etwa spricht von einem "jugoslawischen Staatsgründungsmythos", bei dem ignoriert werde, dass Titos Partisanen 1944 militärisch kaum erfolgreich gewesen wären ohne den vorherigen Bündniswechsel der Bulgaren, dem ein Vormarsch der bulgarischen Armee mit 450 000 Mann nach Serbien sowie das Vordringen der Roten Armee an die mittlere Donau folgten.

Ein Zufall freilich waren Titos Erfolge nicht. Er hatte Charisma und wusste sich Gefolgschaft zu sichern, wie Calic beschreibt. So überstand er 1948 den Konflikt mit Stalin, bevor ihm in den sechziger Jahren sein Meisterstück gelang: Nach der Gründung der Blockfreien-Bewegung boxte Jugoslawien in der Staatengemeinschaft mehr als zwanzig Jahre lang in einer Gewichtsklasse, in die es seiner Größe oder Wirtschaftskraft nach eigentlich nicht gehörte. Calic zitiert Henry Kissinger, der befunden habe, dass Tito seinem Land eine Rolle zu geben versuche, "die ziemlich unverhältnismäßig ist verglichen mit Größe, Lage und Potential". Aber darin hatte er eben Erfolg, und das ist seine größte staatsmännische Leistung.

Nach den blutigen Anfängen der vierziger und fünfziger Jahre, als Tito seinem Lehrmeister Stalin bei der Vernichtung von Gegnern nicht nachstand, kam im Fall Jugoslawiens eine erstaunliche Liberalität hinzu. Seit den sechziger Jahren war Jugoslawien wohl tatsächlich eine "kommode Diktatur" - anders als die DDR, auf die Günter Grass diese Worte gemünzt hat. Die Bürger Jugoslawiens durften nicht nur ihre Heimat verlassen, viele kamen sogar gern zurück - welch ungeheure Provokation für den sowjetischen Ostblock! Ob Titos Staat mehr kommod oder mehr diktatorisch war, hing dabei von der individuellen Botmäßigkeit ab. Wer den Machthabern unangenehm wurde, riskierte die Vernichtung der eigenen Existenz. Tito, schreibt seine Biographin, "hielt bis ganz zum Schluss ein repressives Instrumentarium vor, das immer zum Einsatz kam, wenn die sozialistische Ordnung, die Alleinherrschaft der Kommunisten oder der Staat Jugoslawien in Frage standen: Zensur, Berufsverbote, politische Prozesse und die Liquidierung von Regimefeinden im Ausland durch die Geheimdienste." Als Tito 1980 starb, hinterließ er ein Land, das mit fast 20 Milliarden Dollar verschuldet war. Das entsprach etwa 27 Prozent von Jugoslawiens Bruttosozialprodukt - wenig für heutige, durchaus viel für damalige Maßstäbe.

Was bleibt? Calic schreibt von einer gewissen "Titostalgie" in den Nachfolgestaaten Jugoslawiens. Die gibt es tatsächlich, allerdings existiert in keinem der sieben Staaten, die aus dem jugoslawischen Verwesungsprozess entstanden sind, eine auch nur ansatzweise bedeutsame Strömung oder gar Partei, die Titos Jugoslawien zurückhaben will. Die "Jugosphäre", der gemeinsame kulturelle Raum der Region, ist nicht auf Tito als Maskottchen angewiesen. Der war ein Großer seiner Zeit, ging aber mit ihr unter. Beeindruckend ist der Lebensweg dieses Staatsmannes gleichwohl. Marie-Janine Calic beschreibt das mit großem Wissen und in einem Stil, der Seite um Seite zum Weiterlesen einlädt - selbst dort, wo das Lektorat ein wenig strenger hätte sein dürfen.

Marie-Janine Calic: "Tito - Der ewige Partisan". Eine Biografie.

C. H. Beck Verlag, München 2020. 442 S., geb., 29,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Rezensentin Doris Akrap hat beeindruckt, dass Marie-Janine Calic in ihrem Tito-Porträt weder "in schwärmerische Romantik oder abgrundtiefe Abscheu" gerät, sondern ein differenziertes Bild zeichnet: Die Autorin beschreibt ihn ebenso als umsichtigen sozialistischen Weltpolitiker und Beförderer der Freiheit seiner jugoslawischen Bürger wie als Tyrannen, der beispielsweise Stalinisten auf der Kahlen Insel foltern ließ, erzählt die Kritikerin. Ihr Fazit. Der Sonderweg dieses "integrativen Autokraten" verdient es, hervorgehoben zu werden.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.12.2020

Integrieren
mit aller Macht
Marie-Janine Calic versucht, Titos Leben zu bewerten
In seinem aktuellen Roman „Herkunft“ schreibt Saša Stanišić: „Ich bin in einem Land geboren, das es nicht mehr gibt. Der 29. November ist der Tag der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien. An dem Tag treffen sich Jugoslawen, die es nicht mehr gibt, an jugoslawisch aufgeladenen, symbolischen Orten. Wenn sie am 29. November, dem Tag der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien, die es nicht mehr gibt, zusammenkommen, gibt es sie noch.“ Am 29. November 1945 wurde die Volksrepublik ausgerufen, und obwohl das alles längst Geschichte ist, geht es hier offenbar um mehr als nur Nostalgie. Und damit ist man schon bei Josip Broz Tito und der neuen Biografie über den Staatsgründer von Marie-Janine Calic. „Tito – der ewige Partisan“ ist ein weiterer Versuch, sich dem mythischen Volksbefreier, dem Diktator, dem Mann, der Stalin die Stirn bot, und dem Mann, der den Vielvölkerstaat zusammenhielt, bis er nur ein Jahrzehnt nach seinem Tod mit brutaler Gewalt auseinanderflog, zu nähern.
Calic, die an der Ludwig-Maximilians-Universität München lehrt, ist eine anerkannte Jugoslawien- und Südosteuropa-kennerin. Das Ziel ihrer Tito-Biografie ist es, „die historische Gestalt von überwuchernden Projektionen zu befreien und in ihrem zeitlichen Umfeld zu erklären“. Konzipiert ist das Werk für ein breiteres Publikum – was in dem Fall Vor- und Nachteile hat. Der eindeutige Vorteil: Calic kann die Geschichte vom Aufstieg eines armen Bauernsohns aus dem Dorf Kumrovec bei Zagreb zum sagenumwobenen Marschall der Jugoslawen erzählerisch aufbereiten und hält sich nur selten bei Forschungskontroversen auf. Der eindeutige Nachteil: Wie sie selbst im Vorwort schreibt, ist ein Großteil der sehr, sehr reichhaltigen Sekundärliteratur politisch gefärbt, und gerade wegen der zahllosen Tito-Mythen sind auch die Verschwörungsgläubigen noch immer sehr präsent. Vor allem deswegen wäre es wichtig gewesen, den Stand der Forschung an einigen Stellen deutlicher miteinzubinden. Auch Titos Standpunkt, der natürlich oft zu Wort kommt und dann immer recht ausführlich „erzählt“, wie es aus seiner Sicht damals gewesen ist, hätten hie und da mehr Einordnung verdient gehabt.
Gleichwohl ist der erzählerische Ansatz gut gewählt. Mit wenigen Sätzen skizziert Calic die bittere Armut in Kroatien, damals gelegen in der ungarischen Reichshälfte der Habsburgermonarchie, in die Josip Broz 1892 hineingeboren wurde. Man kann die Not erahnen, die den Jungen aus kleinbäuerlichen Verhältnissen bald forttrieb: Schlosserlehre, Wanderjahre und dann im Ersten Weltkrieg russische Kriegsgefangenschaft. Dass sich damals Menschen aus einfachen Verhältnissen für die Oktoberrevolution und die Ideen des Kommunismus begeistern konnten, ist aus damaliger Sicht nachvollziehbar. Auch Josip Broz sah die Chancen und verschrieb sich dem Traum von der wahren Moderne mit allen Konsequenzen. Calic beschreibt diese jugoslawische Variante eines Aufstiegs vom Tellerwäscher zum Millionär mit einiger Sympathie – nicht so sehr wegen der stalinistisch geprägten Art der Politik der im Königreich verbotenen Kommunistischen Partei, sondern wegen deren Einsatz für die Einheit des Vielvölkerstaats. Eine der Stärken des Buches ist, dass immer wieder die auseinanderdriftenden Kräfte und die nationalistisch geprägte Agitation in den einzelnen Landesteilen eine wichtige Rolle spielen.
Nach der Niederwerfung durch die Wehrmacht 1941 versank Jugoslawien in einem Chaos von Gewalt, Blut und Terror. Nicht nur kämpften die kommunistischen Partisanen unter Titos Führung und die serbisch-nationalistischen Tschetniks gegen die deutsche Besatzung. Widerstand und Bürgerkrieg überlagerten sich. „Um ein Großserbien, Großalbanien oder Großkroatien zu schaffen, gingen kroatische Ustascha gegen orthodoxe Serben vor, serbische Tschetniks gegen Muslime und Kroaten, während die Albaner im Kosovo die eingesessenen Slawen vertrieben.“ Gegen die haushoch überlegenen Deutschen aber setzte sich am Ende Tito – mit ein wenig Hilfe der Briten – durch; niemand sonst gelang es, die Besatzung „fast ganz aus eigener Kraft abzuschütteln“.
Dieser Sieg begründete den Mythos um Tito, 35 Jahre lang hielt er danach die Zügel in der Hand – und brachte die Jugoslawen wieder unter einem Staatsdach zusammen, auch wenn er im Lauf der Jahrzehnte immer mehr Autonomie für die einzelnen Landesteile gewähren musste. Wie es Tito nun gelang, die immer weiter brodelnden Nationalismen in seinem Vielvölkerstaat unter Kontrolle zu halten, erzählt Calic anschaulich: Er verschaffte seinen Bürgern gewisse Freiheiten, indem er sich mit Stalin überwarf, und er verschaffte dem Land Ansehen auf internationalem Parkett.
Im Lauf der Lektüre wird aber immer klarer, dass der deutliche Fokus auf die Person Tito die Wirkung seiner Politik auf die Gesellschaft seltsam vernachlässigt. So wird die Art und die Entwicklung der Diktatur immer nur am Rande erklärt, aber nie systematisch ergründet, über die Nachteile der Arbeiterselbstverwaltung (Korruption, Misswirtschaft, Bürokratie) wird nur selten gesprochen und das Treiben des Geheimdiensts eher sporadisch erwähnt. Über das Schicksal der deutschen Minderheit, die nach dem Krieg erst interniert und dann vertrieben wurde, wird ebenso lapidar hinweggegangen wie über das Schicksal der politischen Gefangenen auf der Mittelmeerinsel Goli Otok. Und ob es ausreicht, Titos „demokratischem Sozialismus“ nur einen „repressiven Bodensatz“ zu attestieren, lässt sich bezweifeln.
Saša Stanišić schreibt über das Gefühl, als Kind im Tito-Staat aufzuwachsen: „Es war uns eine Ehre, wir empfanden Stolz und wir hatten Angst. Auf diesen drei Gefühlen gründete die Biografie des Landes. Sie belohnten, beflügelten und lähmten, immer alles zugleich.“
Stolz, Ehre und das Beflügelnde finden sich ins Calic’ Biografie reichlich. Die Angst und das Lähmende kommen ein bisschen zu kurz.
ROBERT PROBST
Mit Taktik und Geschick
hielt Staatschef Josip Broz
den Vielvölkerstaat zusammen
Marie-Janine Calic:
Tito. Der ewige Partisan. Eine Biografie.
Verlag C.H. Beck,
München 2020.
442 Seiten, 29,95 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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"Marie-Janine Calic beschreibt das mit großem Wissen und in einem Stil, der Seite um Seite zum Weiterlesen einlädt."
Frankfurter Allgemeine Zeitung Messebeilage, Michael Martens

"Eine packende Biografie."
Kleine Zeitung, Thomas Roser

"In der Gesamtbetrachtung ist Calic eine gute und vor allem sehr lesbare Biographie gelungen. Nicht nur, dass die Autorin umfangreiches Material souverän durchdringt, beherrscht, anordnet und präsentiert. Die deutsche Leserschaft erfährt hier wichtige neue Aspekte der eigenen Zeitgeschichte." Jahrbücher für Geschichte Osteuropas, Klaus Buchenau

"Mit Vergnügen auch für Interessierte zu lesen."
Das Parlament, Thomas Brey

"Zugänglich und plastisch erzählte Geschichte ist das Markenzeichen der Historikerin, die mit der "Geschichte Jugoslawiens im 20. Jahrhundert" (2010) und "Südosteuropa. Weltgeschichte einer Region" (2016) bereits zwei Standardwerke zum besseren Verständnis des Vielvölkerlabyrinths verfasst hat."
Tageblatt, Thomas Roser

"Eine lesenswerte und spannende Biografie dieses schillernden Ausnahmeherrschers."
dpa

"Eine meisterhafte Biographie."
literaturkritik.de, Franz Horváth