Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.03.2006Bratwurstmelancholie
Gernot Rolls stilvolles „Hotzenplotz”-Remake
Eine klassische Szene, eine von vielen in dieser Geschichte, an die alle hierzulande sich erinnern - die Begegnung von Kasperl und Seppel und dem Räuber Hotzenplotz, kindliche Raffinesse gegen den urwüchsig unflexiblen Popanz. Kasperl stottert, hat seine Schwierigkeiten mit dem schwerfälligen Namen: „Ja, Herr Plotzenlotz . . .”, was den publizitätssüchtigen Räuberhauptmann irgendwie frustriert: „Kannst dir nicht mal meinen Namen merken, immerhin bin ich eine Berühmtheit!” Man könnte Mitleid haben in diesem Moment, angesichts dieser Enttäuschung.
Nach der utopischen Kinderbanden-Anarchie der „Wilden Hühner” und der „Wilden Kerle” geht es mit dem Hotzenplotz auf bewährtes Terrain zurück. Otfried Preußlers berühmte, 1962 geschaffene Kinderbuch-Figur, poltert durch einen opulent ausgestatteten Film, der sich, der Vorlage gemäß, als kunterbunt naives Kasperltheater präsentiert, zwischen Kaffeemühlenklau und Kartoffelschälfron, zwischen Zauberer Zwackelmann und Wachtmeister Dimpflmoser.
In Gustav Ehmcks „Hotzenplotz”-Verfilmung von 1974 spielte Gert Fröbe den Räuber als onkelhaften Rabauken. Armin Rohde spitzt nun die Polaritäten der Figur deutlicher zu: einerseits der augenrollende Buhmann, der, furchterregend bis in die Spitzen seiner Nasenwarzenhaare, verkündet: „Ein guter Räuber heutzutage muss gemein und böse sein!” Andererseits der trottelige Bratwurst-und-Schnupftabak-Melancholiker, dem bei Großmutters Gesang die Tränen aus den Augen purzeln. Ein wunderbar ausbalancierter Hotzenplotz: Schreckgestalt und Witzfigur. Regisseur und Kameramann Gernot Roll gelingt es, seinen Realfiguren die Schwerkraft zu nehmen, indem er die Konturen des Burlesken und Grotesken mit dickem Pinsel herausstreicht. Bei den Schauplätzen - von der idyllischen Kleinstadt bis zum imposanten Zauberer-Schloss - erschafft er ein stimmiges Äquivalent zu klassischen Kasperltheater- Bildern. Und im letzten Drittel - wo plötzlich mächtig viel gezaubert wird und eine brillante Barbara Schöneberger als kokette Fee-Diva dem Guten zum Sieg verhilft - sind die Special-Effects in hinreichend Erzähl-Ironie getaucht. Aber voll von farbigen Déjà-vus waren ja schon die Bücher von Otfried Preußler
RAINER GANSERA
DER RÄUBER HOTZENPLOTZ, D 2005 - Regie, Kamera: Gernot Roll. Buch: Ulrich Limmer, Claus P. Hant. Nach den Kinderbüchern von Otfried Preußler. Musik: Nicola Piovani. Mit: Armin Rohde, Martin Stührk, Manuel Steitz, Rufus Beck, Katharina Thalbach, Piet Klocke, Barbara Schöneberger, Christiane Hörbiger. Constantin, 94 Minuten.
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Gernot Rolls stilvolles „Hotzenplotz”-Remake
Eine klassische Szene, eine von vielen in dieser Geschichte, an die alle hierzulande sich erinnern - die Begegnung von Kasperl und Seppel und dem Räuber Hotzenplotz, kindliche Raffinesse gegen den urwüchsig unflexiblen Popanz. Kasperl stottert, hat seine Schwierigkeiten mit dem schwerfälligen Namen: „Ja, Herr Plotzenlotz . . .”, was den publizitätssüchtigen Räuberhauptmann irgendwie frustriert: „Kannst dir nicht mal meinen Namen merken, immerhin bin ich eine Berühmtheit!” Man könnte Mitleid haben in diesem Moment, angesichts dieser Enttäuschung.
Nach der utopischen Kinderbanden-Anarchie der „Wilden Hühner” und der „Wilden Kerle” geht es mit dem Hotzenplotz auf bewährtes Terrain zurück. Otfried Preußlers berühmte, 1962 geschaffene Kinderbuch-Figur, poltert durch einen opulent ausgestatteten Film, der sich, der Vorlage gemäß, als kunterbunt naives Kasperltheater präsentiert, zwischen Kaffeemühlenklau und Kartoffelschälfron, zwischen Zauberer Zwackelmann und Wachtmeister Dimpflmoser.
In Gustav Ehmcks „Hotzenplotz”-Verfilmung von 1974 spielte Gert Fröbe den Räuber als onkelhaften Rabauken. Armin Rohde spitzt nun die Polaritäten der Figur deutlicher zu: einerseits der augenrollende Buhmann, der, furchterregend bis in die Spitzen seiner Nasenwarzenhaare, verkündet: „Ein guter Räuber heutzutage muss gemein und böse sein!” Andererseits der trottelige Bratwurst-und-Schnupftabak-Melancholiker, dem bei Großmutters Gesang die Tränen aus den Augen purzeln. Ein wunderbar ausbalancierter Hotzenplotz: Schreckgestalt und Witzfigur. Regisseur und Kameramann Gernot Roll gelingt es, seinen Realfiguren die Schwerkraft zu nehmen, indem er die Konturen des Burlesken und Grotesken mit dickem Pinsel herausstreicht. Bei den Schauplätzen - von der idyllischen Kleinstadt bis zum imposanten Zauberer-Schloss - erschafft er ein stimmiges Äquivalent zu klassischen Kasperltheater- Bildern. Und im letzten Drittel - wo plötzlich mächtig viel gezaubert wird und eine brillante Barbara Schöneberger als kokette Fee-Diva dem Guten zum Sieg verhilft - sind die Special-Effects in hinreichend Erzähl-Ironie getaucht. Aber voll von farbigen Déjà-vus waren ja schon die Bücher von Otfried Preußler
RAINER GANSERA
DER RÄUBER HOTZENPLOTZ, D 2005 - Regie, Kamera: Gernot Roll. Buch: Ulrich Limmer, Claus P. Hant. Nach den Kinderbüchern von Otfried Preußler. Musik: Nicola Piovani. Mit: Armin Rohde, Martin Stührk, Manuel Steitz, Rufus Beck, Katharina Thalbach, Piet Klocke, Barbara Schöneberger, Christiane Hörbiger. Constantin, 94 Minuten.
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