Interview Stefan Ahnhem: "Und morgen du"Bislang schrieben Sie als Autor Drehbücher, u. a. für Filme der Wallander-Reihe. Nun erscheint in Deutschland Ihr erster Roman "Und morgen du" - wollten Sie schon immer einen Krimi schreiben?Stefan Ahnhem: Nein, eigentlich nicht. Zu Anfang meiner Karriere war ich ganz zufrieden mit dem Schreiben von Drehbüchern für das Kino oder Fernsehen. Damals war das sogar noch eher Comedystoff. Als ich jung war, habe ich wirklich viel gelesen, aber noch mehr habe ich es geliebt, ins Kino zu gehen. So fühlte es sichfür mich ganz natürlich an, dass ich lernte, Drehbücher zu schreiben. Aber nach einigen Jahren, in denen ich den Inhalt von Romanen an Drehbücher anpasste oder mir neue Kriminalfälle für andere ausdachte, wuchs der Wunsch in mir, etwas Eigenes zu erschaffen, mein eigenes Universum, über das alleinich die Kontrolle habe. Schließlich kann ich in einem Roman die Geschichte genau so erzählen, wie ich sie erzählen will und meine ganz eigene Sprache einbringen und entwickeln.
"Und morgen du" ist der Start einer Krimiserie um Kommissar Fabian Risk. Was für ein Typ ist dieser Fabian Risk?Stefan Ahnhem: Oh, ich würde sagen, Fabian ist ziemlich normal. Er ist kein einsamer Wolf, der zu viel Whiskey trinkt, während er klassische Musik hört - so wie es viele andere Kommissare aus Skandinavien tun ... Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. Er und seine Frau haben die gleichen Probleme, die viele von uns auch haben, aber Fabian ist entschlossen, die Probleme in den Griff zu kriegen und hat sich selbst geschworen, niemals aufzugeben. Er erinnert sich nie an den Namen eines guten Weines, aber er liebt Musik - ob zeitgenössisch oder independent, Elektro oder Rock ab den 1980ern bis heute.
Er ist ein engagierter Ermittler und arbeitet am liebsten allein - leider bekommt er nicht oft die Gelegenheit dazu. Außerdem ist er ein klein wenig naiv in seinem Eifer, die Fälle, an denen er arbeitet, auch alle zu lösen, aufzuklären. Das bringt ihn manchmal in Situationen, die man seinem ärgsten Feind nicht wünschen würde. Eine Stärke von ihm: Seine Art zu denken ist außergewöhnlich - er schafft es wie sonst niemand, ungewöhnliche Schlüsse zu ziehen, weil er eben nicht in Schubladen denkt. Daher gilt er auch als einer der besten Ermittler in Skandinavien, und das ist auch gut so ... denn die Mörder, die er jagt, haben ihre Verbrechen jahrelang geplant und versucht, alles zu perfektionieren. Fabian muss also der Beste sein, sonst hätte er gegen sie keine Chance.
In Ihrem Krimidebüt geht es verdammt grausam zurSache. Ein Killer metzelt nach und nach die ehemaligen Klassenkameraden von Fabian Risk. Einem Mann werden die Hände abgetrennt, ein anderer wird langsam und Stück für Stück mithilfe einer Linse und der Sonne verbrannt. Wie überprüfen Sie, ob z.B. der Mord mithilfe der Linse auch wirklich funktionieren kann?Stefan Ahnhem: Na, an meinen Feinden ... kleiner Scherz ... Aber im Ernst: In "Und morgen du" ist wirklich ein äußerst kreativer Killer am Werk. So hatte ich viel zu recherchieren und zu überprüfen, ob das alles auch so funktionieren kann. Ich recherchiere das in Büchern,in solchen, die man nicht im Onlinehandel kaufen kann ...
In "Und morgen du" legen Sie viele falsche Fährten und schaffen es bis zuletzt, absolute Hochspannung aufrechtzuerhalten. Man liest fast mit angehaltenem Atem. Wie gehen Sie beim Schreiben vor, planen Sie die Geschichte vor dem Schreiben genau durch oder verändern sich manche Figuren und Inhalte auch während des Schreibens?Stefan Ahnhem: Ich schrieb "Und morgen du" über eine lange Zeit, es waren vier Jahre, und ich hatte nur die Idee der Geschichte, wusste, was ich erzählen wollte. Aber Kapitel für Kapitel durchgeplant hatte ich nicht, als ich anfing zu schreiben. Ab und an klappe ich also den Laptop zu und denke über die Story nach, entwickle sie im Geiste weiter, und dann setze ich mich wieder hin, um es aufzuschreiben.
Warum haben Sie sich als Autor für dasKrimigenre entschieden? Und können Sie sich vorstellen, auch etwas ganz anderes wie z. B. einen Familienroman zu schreiben?Stefan Ahnhem: Ich denke mal, das Krimigenre passt zu mir, und ich will noch viele Krimis schreiben. Aber ich bin sicher, dass in der Zukunft auch andere Genres mein Schreiben beeinflussen könnten - z.B. Science-Fiction. Und was den Familienroman angeht: Man soll nie nie sagen.
Krimis und Thriller sind Bestseller. Was fasziniert uns alle so an der Darstellung von Gewalt?Stefan Ahnhem: Wir alle lieben Probleme, vor allem dann, wenn andere sie haben. Wenn wir zum Beispiel in einem Restaurant sitzen und ein Paar streitet sich furchtbar, können die meisten von uns nicht damit aufhören, dem Paar zu lauschen. Gewalt und Mord liegen einfach nur ein Stück weiter drunter auf derselben "Straße".
Was war die erste Geschichte, die Sie geschrieben haben, als Ihnen klar wurde, dass Sie Autor werden wollen?Stefan Ahnhem: Eine Kurzgeschichte, wo der Leser am Ende merkt, dass alle Figuren in Wirklichkeit Ameisen sind. Das war vor 25 Jahren, und ich hoffe, niemand wird mir diese Story je zum Vorwurf machen ...
Welche Autoren/Bücher waren oder sind Ihnen wichtig?Stefan Ahnhem: Als junger Mann liebte ich Isaac Asimov und Philip K. Dick und las alles von Ihnen, was ich in die Finger bekommen konnte. Was die schwedischen Autoren angeht, waren sowohl Henning Mankell als auch Stieg Larsson sehr inspirierend für mich.
Was für ein Buch liegt aktuell auf Ihrem Nachttisch und wartet darauf, gelesen zu werden?Stefan Ahnhem: Aktuell warten da mehrere Bücher. Denn ich schreibe gerade am zweiten Risk-Krimi und hab einfach keine Zeit zum Lesen. Ich träume davon, zwei Wochen Urlaub zu machen und nur zu lesen. "Gone Girl" von Gillian Flynn wäre dann eines der Bücher, das ich unbedingt lesen würde,genauso Neil Gaimans "Der Ozean am Ende der Straße".
Welches Kinderbuch würden Sie auch heute noch gern lesen?Stefan Ahnhem: Alles von Astrid Lindgren.
Was für eine Umgebung brauchen Sie zum Schreiben, gibt es Rituale?Stefan Ahnhem: Tee, ich trinke immer Tee. Und mein Schreibtisch muss sauber und aufgeräumt sein. Außerdem brauche ich ein Sofa - ich lege mich darauf, schließe die Augen und denke nach. Und dann liebe ich Kuchen, süße Kuchen, vor allem, wenn ich viel arbeite. Aber ich versuche, diese Leidenschaft nicht zu sehr ausufern zu lassen ...
Interview: Literaturtest