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2 Kundenbewertungen

Mord oder Totschlag? Urteilen Sie selbst.Hans Lach wird verhaftet: Mordverdacht. Auf der Party seines Verlegers hatte er einen für seine Verrisse gefürchteten Kritiker bedroht. Am nächsten Morgen findet sich dessen blutdurchtränkter Pullover, nur von der Leiche fehlt jede Spur. Dafür treten immer neue Verdächtige auf den Plan. Ein Vexierspiel auf Leben und Tod nimmt seinen Anfang, denn über die Schuld oder Unschuld des Schriftstellers, so scheint es, ist viel zu sagen, aber schwer zu entscheiden. Bereits vor seinem erstmaligen Erscheinen wurde über diesen Roman heftig und kontrovers geurteilt.…mehr

Produktbeschreibung
Mord oder Totschlag? Urteilen Sie selbst.Hans Lach wird verhaftet: Mordverdacht. Auf der Party seines Verlegers hatte er einen für seine Verrisse gefürchteten Kritiker bedroht. Am nächsten Morgen findet sich dessen blutdurchtränkter Pullover, nur von der Leiche fehlt jede Spur. Dafür treten immer neue Verdächtige auf den Plan. Ein Vexierspiel auf Leben und Tod nimmt seinen Anfang, denn über die Schuld oder Unschuld des Schriftstellers, so scheint es, ist viel zu sagen, aber schwer zu entscheiden. Bereits vor seinem erstmaligen Erscheinen wurde über diesen Roman heftig und kontrovers geurteilt. Er löste den größten Literaturskandal der letzten Jahrzehnte aus. «Gnadenlos klug und fast prophetisch.»Sigrid Löffler
Autorenporträt
Martin Walser, 1927 in Wasserburg am Bodensee geboren, war einer der bedeutendsten Schriftsteller der deutschen Nachkriegsliteratur. Für sein literarisches Werk erhielt er zahlreiche Preise, darunter 1981 den Georg-Büchner-Preis, 1998 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und 2015 den Internationalen Friedrich-Nietzsche-Preis. Außerdem wurde er mit dem Orden «Pour le Mérite» ausgezeichnet und zum «Officier de l¿Ordre des Arts et des Lettres» ernannt. Martin Walser starb am 26. Juli 2023 in Überlingen. 
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.06.2002

Voll berechtigt
Walser-Roman in der Kritik

"Bereits der Titel ist skandalös. Deswegen verrate ich ihn nicht" - mit diesem Satz äußerte Martin Walser bereits im Februar gegenüber der Zeitschrift "Bunte" seine Erwartung, mit seinem neuen, bisher noch unveröffentlichten Roman "Tod eines Kritikers" einen Skandal auszulösen. In dem Gespräch berichtete er damals einige Details der Handlung. Auf die Frage, ob er selbst schon einmal den Wunsch gehabt hätte, ein Verbrecher zu sein, antwortete er: "Wer nicht?" Romane ohne autobiographischen Anteil seien keine Romane, "sondern Soziologie".

Nachdem der Suhrkamp Verlag am Donnerstag an verschiedene Redaktionen die vorläufige Fassung des umstrittenen Romans versandte, haben nun auch andere Zeitungen Stellung genommen. Dabei teilen fast alle Rezensenten der wichtigen Feuilletons den in dieser Zeitung geäußerten Eindruck (F.A.Z. vom 29. Mai). Frank Schirrmacher habe in "dem wesentlichen Punkt völlig recht", so Hellmuth Karasek im "Tagesspiegel". Das Buch sei ein "verstörendes übles Pamphlet": "Walser, und das ist das Schlimmste, holt literarisch nach (und bremst sich dabei nur im allerletzten Moment), was den Nazis nicht gelungen ist." Auch die "Frankfurter Rundschau" glaubt, daß der Roman die Heftigkeit der Vorwürfe "voll rechtfertigt": Nicht nur hantiere Walser mit antisemitischen Klischees, dem Text als Ganzem sei "eine höchst anrüchige motivische Matrix eingearbeitet, die die durch ,Schuld' und ,Schande' neurotisch gestörte deutsche Seele in den direkten Zusammenhang von individuellen und kollektiven Mordphantasien bringt". Auch wenn Rezensionen sich später den Details dieses "geschmacklosen und gefährlichen Buchs" widmen werden, "ausgesprochen werden darf und muß es schon jetzt".

Die "Süddeutsche Zeitung" glaubt als einzige nicht, daß das Buch in irgendeiner Weise Reich-Ranickis Judentum attackiere. Die "skandalöse Schärfe" des Romans erblickt sie vielmehr in der "durchgängigen Sexualisierung des Starkritikers". Doch auch sie hält "Tod eines Kritikers" für ein "Buch des Ressentiments gegen Marcel Reich-Ranicki", das die "Regionen des Degoutanten" nicht scheue. Der Abrechnungsfuror richte sich gegen den Fernsehkritiker und sei "so groß, daß er sich durch die Unausweichlichkeit, im Kritiker zugleich den Juden zu treffen, nicht aufhalten läßt". Die "Welt" dagegen hält den Antisemitismus für zentral, wenn es auch zwei Interpretationsmöglichkeiten gebe: "Nach der einen haben wir es mit einem antisemitischen Schlüsselroman zu tun, nach der anderen mit einem vom Schlüsselromancier dargestellten antisemitischen deutschen Literaturbetrieb." Doch sei der parodistische Zungenschlag vieler Romanfiguren "verräterisch": "Es fällt schwer, solche Witzelei angesichts des Schicksals der realen Frau Reich-Ranicki, die mit ihrem Mann das Warschauer Ghetto und in einem Kellerversteck überlebte, nicht als unerträgliche Geschmacklosigkeit zu empfinden, zumal da sich der Vater von Teofila Reich-Ranicki im Ghetto aus Verzweiflung erhängt hat."

Walser selbst widersprach derweil Gerüchten, Suhrkamp-Chef Siegfried Unseld habe Bedenken gegen die Veröffentlichung gehabt. Er habe im Gegenteil begeistert reagiert und das Buch ein "Meisterstück genannt". Hans Magnus Enzensberger, der wie Walser bei Suhrkamp verlegt wird, kündigte an, den Roman nicht lesen zu wollen. Ein Verlag müsse den Kopf selbst hinhalten, wenn er ein Buch annehme.

F.A.Z.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Jochen Hörisch ist zunächst entschlossen das Buch nicht als den Schlüsselroman zu lesen, der er ist, sondern nur als "Roman über den Literatur- und Medienbetrieb". Bleibt nicht viel übrig von dem Buch, und was übrig bleibt, gereicht seinem Autor nicht zum Ruhm. Was Walser an Medienkritik vorzubringen hat, findet Hörisch wenig originell, der Autor jongliert mit ihren "langweiligsten und ältesten Topoi", und dies zum Überfluss in einer stotternden Prosa voller missglückter Wendungen, "die einem reifen Schriftsteller nicht unterlaufen sollten". Schließlich kann Hörisch das Entschlüsseln doch nicht lassen. Walsers "Geifern" gegen den Kritiker Ehrl-König alias MRR aber strotzt seiner Ansicht nach nur so von "antisemitischen Ressentiments"; der antisemitische Grundton, so Hörisch, sei im Roman "fest verankert". Wirklich absurd erscheint Hörisch dabei der Umstand, dass die Walsersche Kritik an der literaturkritischen Praxis des MRR ins Schwarze trifft: "MRRs Kritiken sind antiintellektuell, sentimental, naiv inhaltlich gepolt", meint Hörisch. Dumm nur, dass Walser den "schlechten Kritiker MRR" gar nicht vorführt, "wohl aber einen hassenswerten Juden". So wird ein "peinliches affektgeladenes Machwerk" draus, und der Autor erscheint dem Rezensenten so wenig als bedeutender Schriftsteller "wie Möllemann ein bedeutender Politiker ist oder Reich- Ranicki ein bedeutender Literaturkritiker".

© Perlentaucher Medien GmbH
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Der umstrittenste deutschsprachige Roman der letzten Jahre
An diesem Buch kam schon keiner mehr vorbei, da war es noch nicht einmal erschienen. Martin Walsers Tod eines Kritikers löste eine Diskussion aus, in deren Verlauf beinahe alle zu Wort kamen, die in Sachen deutscher Literatur etwas zu sagen haben. Ins Rollen kam die Debatte, als F.A.Z.-Feuilleton-Chef Frank Schirrmacher den Vorabdruck des Werkes in der Frankfurter Allgemeinen mit dem Hinweis auf darin enthaltene antisemitische Äußerungen ablehnte. Walter Jens pflichtete ihm bei, Hellmuth Karasek sprach in Anlehnung an den Romantitel vom Selbstmord eines Literaten, Walser-Freund Joachim Kaiser widerum lobte die literarische Qualität des Buches und den "herzlichen Walser-Sound". Marcel Reich-Ranicki schließlich nannte den Band einen "erbärmlichen Roman".
Erscheinungstermin vorverlegt
Soweit also der Abriss der Vorgeschichte. Angesichts des gestiegenen öffentlichen Interesses hat der Verlag die Veröffentlichung des Buches eilig vorverlegt, und so kann das zahlende Publikum nun die darin niedergeschriebene Geschichte über das Verhältnis eines Literaten zu seinem Kritiker selbst beurteilen. Der Plot ist schnell skizziert: Der populäre Fernseh-Literaturkritiker André Ehrl-König verschwindet spurlos, man findet statt seiner nur einen Pullover. Der Kritiker ist tot, vermutet die Polizei, die allerdings keine Leiche finden kann, da es in der Nacht der vermeintlichen Bluttat einen halben Meter Neuschnee gegeben hat. Einen Toten hat es also noch nicht, dafür aber schnell einen Verdächtigen: Hans Lach, Schriftsteller, Zeit seines Lebens verschmäht von Ehrl-König, der unmittelbar nach einem neuerlichen Verriss seines aktuellen Romans durch den Literatur-Papst uneingeladen auf dessen Aftershow-Party aufgetaucht war und ihm unter Zeugen drohte. Nur wenige Stunden vor der vermeintlichen Bluttat trug sich das zu, und nun also ist Ehrl-König unter einem halben Meter Schnee begraben. Vermutlich. Lach wird in Haft genommen. Der mit dem Verdächtigen befreundete Schriftsteller Michael Landolf nimmt sich der Geschichte an. Er sucht nach Indizien, die Lachs Unschuld beweisen könnten, doch findet er mehr und mehr Motive, die den Mord tatsächlich erklären könnten - in dem er sich dem Opfer nähert, in zahlreichen Gesprächen die unterschiedlichsten Seiten des André Ehrl-König ausleuchtet.
Walser gegen Reich-Ranicki
Walser bemüht sich nicht, zu verbergen, dass er diesen Roman als eine Abrechnung mit Marcel Reich-Ranicki geschrieben hat. André Ehrl-König ist eine über alle Maßen überzeichnete Karikatur Reich-Ranickis, die Hinweise auf den familiären (jüdischen) Hintergrund, auf die leicht nachzuahmende Sprechweise, auf die Gestik und vieles mehr sind unmissverständlich, ja plump. Wenn Joachim Kaiser vom "herzlichen Walser-Sound" redet, bleibt - zumindest was die Hauptperson des Romans angeht - schleierhaft, was er meint. Der Ton in diesem Buch ist in etwa so herzlich wie der eines Richters beim Verlesen eines Urteils, das den Angeklagten für zwanzig Jahre hinter Gitter bringt. Die von Schirrmacher und anderen erhobenen Vorwürfe des Antisemitismus wären tiefer zu ergründen, nach Walsers umstrittener Festrede zur Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 1998 ist immer schnell die Rede davon. Walser ist in diesem Punkt allenfalls mangelnde Sensibilität vorzuwerfen. In der Diskussion untergegangen ist der vielleicht interessanteste Aspekt des Buches: Das Verhältnis der Literaten zu Star-Kritikern, die das Medienzeitalter hervorbringt. Deren scharfes Urteil relativiert sich bisweilen, wie sich an diesem Beispiel zeigt. Wenn Reich-Ranicki den "Tod eines Kritikers" ein erbärmliches Buch nennt, ist ihm das nicht zu verübeln. Wer wird schon ein Buch lieben, in dem er selber umgebracht zu werden scheint? (ah/André Lorenz. Medien)
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"Noch nie in der deutschen Verlagsgeschichte hat die Publikation eines Romans eine Vorgeschichte gehabt, die man als einen Prozess beschreiben kann, der mit der Urteilsverkündung begann." (Tilman Krause, Die Welt)