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Seinen neuen Fall erbt Gereon Rath von einem ungeliebten Vorgesetzten, von Wilhelm Böhm, der sich unter dem neuen Nazi-Polizeipräsidenten ins politische Abseits manövriert hat: Ein Obdachloser ist erstochen am Nollendorfplatz gefunden worden. Dessen Vorgeschichte führt weit zurück in den Krieg, in den März 1917, als deutsche Soldaten während der "Operation Alberich" in Nordfrankreich verbrannte Erde hinterließen. Ungesühnte Morde, unterschlagene Goldbarren und eine perfide Sprengfalle, in die ein deutscher Hauptmann gerät, münden sechzehn Jahre später in eine Mordserie. Der Schlüssel zu alldem…mehr

Produktbeschreibung
Seinen neuen Fall erbt Gereon Rath von einem ungeliebten Vorgesetzten, von Wilhelm Böhm, der sich unter dem neuen Nazi-Polizeipräsidenten ins politische Abseits manövriert hat: Ein Obdachloser ist erstochen am Nollendorfplatz gefunden worden. Dessen Vorgeschichte führt weit zurück in den Krieg, in den März 1917, als deutsche Soldaten während der "Operation Alberich" in Nordfrankreich verbrannte Erde hinterließen. Ungesühnte Morde, unterschlagene Goldbarren und eine perfide Sprengfalle, in die ein deutscher Hauptmann gerät, münden sechzehn Jahre später in eine Mordserie. Der Schlüssel zu alldem scheint der kurz vor der Veröffentlichung stehende Kriegsroman des Leutnants a. D. Achim Graf von Roddeck zu sein. Rath ermittelt,doch immer wieder kommen ihm andere Dinge dazwischen, und da sind die Vorbereitungen für seine Hochzeit mit Charlotte "Charly" Ritter noch das geringste Problem. Er wird in die Kommunistenhatz der Politischen Polizei eingebunden, muss sich mit SA-Hilfspolizisten und dem neuen Polizeipräsidenten herumschlagen und einen Geschäftsfreund des Gangsterbosses Johann Marlow aus den Klauen der SA befreien.

Gereon Raths neuer Fall, Berlin 1933: "Märzgefallene"



Die Fangemeinde der Berlin-Krimis um Kriminalkommissar Gereon Rath wächst stetig. Autor Volker Kutscher spricht mit seinen Geschichten aus dem Berlin der 1920er- und 1930er-Jahre klassische Krimileser, Berlin-Liebhaber und historisch Interessierte an. Seine genauen Recherchen machen jeden Rath-Krimi zu einer spannenden Zeitreise. Diese Mischung aus Lokalkolorit in der Zeit nach dem Ersten und vor dem Zweiten Weltkrieg, dem Leben damals, den politischen Kämpfen und dem gesellschaftlichen Leben erzählt Kutscher packend und lebendig. Das sieht auch Regisseur Tom Tykwer so: Er verfilmt die Gereon Rath-Reihe unter dem Titel "Babylon Berlin" ab 2015 fürs Fernsehen.

In Gereon Raths Buch Nr. 5, "Märzgefallene", sind wir im unheilvollen Jahr 1933 angekommen. Kriminalkommissar Rath feiert am Rosenmontag gerade noch Karneval in seiner Heimatstadt Köln und wacht neben einer fremden Frau auf, als er zurück in seine Dienststelle nach Berlin beordert wird. Der Reichstag brennt und jede Kraft wird gebraucht. Derweil begutachtet Oberkommissar Böhm, genannt die Bulldogge, einen Toten am Berliner Nollendorfplatz. Der Mann war offensichtlich obdachlos, sitzt an einen Pfeiler gelehnt bei der Hochbahntrasse, sein geflickter Soldatenmantel ist bedeckt mit Taubenkot. Schnell steht fest: Der Mann wurde ermordet, erstochen mit einem dünnen spitzen Gegenstand - durch die Nase ins Gehirn.

Schlechtes Gewissen: Eigentlich wollte Gereon Rath Charly treu sein, eigentlich ...

Gereon Rath kehrt indes mit schlechtem Gewissen nach Berlin zurück - schließlich will er Charlotte Ritter, genannt Charly, bald heiraten und hat sich fest vorgenommen, nichts mit anderen Frauen anzufangen ... Die beiden wohnen schon zusammen in der Carmerstraße - für den bindungsscheuen Rath ein ziemlich großer Schritt. Er drückt sich ja lieber vor Auseinandersetzungen und dennoch streiten er und Charly sich ziemlich oft. Wenn es zu doll wird, verbringt Charly die Nacht dann bei ihrer besten Freundin Greta Overbeck in der Spenerstraße und Gereon geht mit Hund Kirie an die Luft und vertreibt sich den Abend in irgendeiner Kneipe. Dass die Nazis nach dem Reichstagsbrand immer mehr die Oberhand gewinnen, die Verfassung praktisch außer Kraft gesetzt wurde, wird in der Dienststelle zuerst Oberkommissar Böhm zum Verhängnis. Der neue Polizeipräsident - ein Nazi - versetzt Sozialdemokrat Böhm in die Pampa und Gereon Rath erbt den Fall des toten Obdachlosen. Der scheint zunächst zwar tragisch, ist aber Alltag in der Mordkommission, ein unspektakulärer Fall. Doch dann sterben weitere Männer auf genau diese Weise, mit einem spitzen Gegenstand durch die Nase ins Gehirn, und ein gewisser Leutnant a. D. Achim Graf von Roddeck meldet sich bei Gereon Rath mit einer seltsamen Geschichte.

Hängen all die Morde mit der "Operation Alberich" zusammen?

Von Roddek glaubt, inGefahr zu sein und stellt die Verbindungzwischen den Toten her. Sie alle waren Kameraden im Ersten Weltkrieg und sie alle waren an der "Operation Alberich" beteiligt. Der Befehl lautete damals: alles in Nordfrankreich vernichten, was dem Feind nützen könnte. Sprengen, abfackeln, zerstören. Durch besondere Grausamkeit soll sich einer hervorgetan haben: Hauptmann Benjamin Engel, genannt der Todesengel. Als bei einem Einsatz, der Zerstörung eines Gebäudes, ein ziemlich großer Goldschatz in einem versteckten Keller gefunden wird, lässt der Hauptmann das Gold im Wald vergraben, hinter einem riesigen Findling. "Kein Wort zu niemandem", zischt er und knallt eiskalt zwei Jugendliche ab, die zufällig die Aktion im Wald kreuzen. Auch den Rekruten Wegener, einen jungen Burschen, erschießt er, weil der darauf besteht, diesen Vorfall zu melden. Alle, welche die Goldaktion und den Krieg überlebten und davon wussten, werden nun nach und nach ins Jenseits befördert. Und das, obwohl der eiskalte Hauptmann bei einer Explosion ums Leben gekommen zu sein schien. Seine Leiche wurde zwar nie gefunden, aber alle waren sich sicher, dass er so etwas nicht hätte überleben können.

Berlin nach dem Reichstagsbrand: die Nazis übernehmen das Ruder

Gereon Rath hört sich die Geschichte des Leutnants an - dieser hat ein Buch darüber geschrieben, das kurz vor der Veröffentlichung steht -, und für ihn klingt das alles irgendwie überspannt. Doch er wird sowieso erst einmal von dem Fall abgezogen und muss zu den Politischen: helfen, Kommunisten zu verhören. Seit dem Reichstagsbrand und der erstarkten NSDAP wird brutal Hatz auf Andersdenkende gemacht. Damit hat auch Kriminalkommissaranwärterin Charly zu tun. Sie hasst es, irgendwelche Jugendliche zu verhören und wegen Schmierereien an Hauswänden wie Schwerverbrecher behandeln zu müssen. Und die Nazis mag sie sowieso ganz und gar nicht. Da kommt es ihr gelegen, dass sie im Mordfall des Obdachlosen vom Nollendorfplatz ein Mädchen befragen soll. Hannah Singer heißt es und scheint nicht ganz richtig im Kopf zu sein. Hannah soll eine Obdachlosenunterkunft, in der auch sie mit ihrem Vater gelebt hat, angezündet haben. Es gab viele Tote, sie überlebte und spricht seitdem nicht mehr. Doch der Besuch bei Hannah eskaliert - sie scheint den Toten zu kennen und rastet aus. Am nächsten Tag hat sie es geschafft, auszubrechen und sie hat Angst, Todesangst. Ihr Verfolger ist ihr auf den Fersen. Ist es Hauptmann Engel, der die Explosion überlebt hat oder steckt da eine ganz andere Geschichte dahinter?

Das müssen Gereon Rath und Charly nun herausfinden. Hilfe bekommen sie unter anderem auch von Fritze, einem obdachlosen Jungen, so pfiffig und mit allen Wassern gewaschen, dass Charly ihn sofort ins Herz schließt, oder dem Unterweltkönig Johann Marlow. Der bittet Gereon um Hilfe, als einer seiner Jungs von der SA verhaftet wird. Der Fall indes wird immer undurchsichtiger und Gereon wird bald die Hilfe von Marlow benötigen ...

Autorenporträt
Kutscher, VolkerVolker Kutscher, geboren 1962, arbeitete nach dem Studium der Germanistik, Philosophie und Geschichte zunächst als Tageszeitungsredakteur, bevor er seinen ersten Kriminalroman schrieb. Heute lebt er als freier Autor in Köln. Mit dem Roman »Der nasse Fisch«, dem Auftakt seiner Krimiserie um Kommissar Rath im Berlin der Dreißigerjahre, gelang ihm auf Anhieb ein Bestseller, dem bisher fünf weitere folgten. Die Reihe ist inzwischen in viele Sprachen übersetzt und durch Tom Tykwers Verfilmung Babylon Berlin international bekannt.
Krimi des Monats November 2014
Gereon Raths neuer Fall, Berlin 1933: "Märzgefallene"

Die Fangemeinde der Berlin-Krimis um Kriminalkommissar Gereon Rath wächst stetig. Autor Volker Kutscher spricht mit seinen Geschichten aus dem Berlin der 1920er- und 1930er-Jahre klassische Krimileser, Berlin-Liebhaber und historisch Interessierte an. Seine genauen Recherchen machen jeden Rath-Krimi zu einer spannenden Zeitreise. Diese Mischung aus Lokalkolorit in der Zeit nach dem Ersten und vor dem Zweiten Weltkrieg, dem Leben damals, den politischen Kämpfen und dem gesellschaftlichen Leben erzählt Kutscher packend und lebendig. Das sieht auch Regisseur Tom Tykwer so: Er verfilmt die Gereon Rath-Reihe unter dem Titel "Babylon Berlin" ab 2015 fürs Fernsehen.

In Gereon Raths Buch Nr. 5, "Märzgefallene", sind wir im unheilvollen Jahr 1933 angekommen. Kriminalkommissar Rath feiert am Rosenmontag gerade noch Karneval in seiner Heimatstadt Köln und wacht neben einer fremden Frau auf, als er zurück in seine Dienststelle nach Berlin beordert wird. Der Reichstag brennt und jede Kraft wird gebraucht. Derweil begutachtet Oberkommissar Böhm, genannt die Bulldogge, einen Toten am Berliner Nollendorfplatz. Der Mann war offensichtlich obdachlos, sitzt an einen Pfeiler gelehnt bei der Hochbahntrasse, sein geflickter Soldatenmantel ist bedeckt mit Taubenkot. Schnell steht fest: Der Mann wurde ermordet, erstochen mit einem dünnen spitzen Gegenstand - durch die Nase ins Gehirn.

Schlechtes Gewissen: Eigentlich wollte Gereon Rath Charly treu sein, eigentlich ...

Ritter, genannt Charly, bald heiraten und hat sich fest vorgenommen, nichts mit anderen Frauen anzufangen ... Die beiden wohnen schon zusammen in der Carmerstraße - für den bindungsscheuen Rath ein ziemlich großer Schritt. Er drückt sich ja lieber vor Auseinandersetzungen und dennoch streiten er und Charly sich ziemlich oft. Wenn es zu doll wird, verbringt Charly die Nacht dann bei ihrer besten Freundin Greta Overbeck in der Spenerstraße und Gereon geht mit Hund Kirie an die Luft und vertreibt sich den Abend in irgendeiner Kneipe. Dass die Nazis nach dem Reichstagsbrand immer mehr die Oberhand gewinnen, die Verfassung praktisch außer Kraft gesetzt wurde, wird in der Dienststelle zuerst Oberkommissar Böhm zum Verhängnis. Der neue Polizeipräsident - ein Nazi - versetzt Sozialdemokrat Böhm in die Pampa und Gereon Rath erbt den Fall des toten Obdachlosen. Der scheint zunächst zwar tragisch, ist aber Alltag in der Mordkommission, ein unspektakulärer Fall. Doch dann sterben weitere Männer auf genau diese Weise, mit einem spitzen Gegenstand durch die Nase ins Gehirn, und ein gewisser Leutnant a. D. Achim Graf von Roddeck meldet sich bei Gereon Rath mit einer seltsamen Geschichte.

Hängen all die Morde mit der "Operation Alberich" zusammen?

Von Roddek glaubt, in Gefahr zu sein und stellt die Verbindung zwischen den Toten her. Sie alle waren Kameraden im Ersten Weltkrieg und sie alle waren an der "Operation Alberich" beteiligt. Der Befehl lautete damals: alles in Nordfrankreich vernichten, was dem Feind nützen könnte. Sprengen, abfackeln, zerstören. Durch besondere Grausamkeit soll sich einer hervorgetan haben: Hauptmann Benjamin Engel, genannt der Todesengel. Als bei einem Einsatz, der Zerstörung eines Gebäudes, ein ziemlich großer Goldschatz in einem versteckten Keller gefunden wird, lässt der Hauptmann das Gold im Wald vergraben, hinter einem riesigen Findling. "Kein Wort zu niemandem", zischt er und knallt eiskalt zwei Jugendliche ab, die zufällig die Aktion im Wald kreuzen. Auch den Rekruten Wegener, einen jungen Burschen, erschießt er, weil der darauf besteht, diesen Vorfall zu melden. Alle, welche die Goldaktion und den Krieg überlebten und davon wussten, werden nun nach und nach ins Jenseits befördert. Und das, obwohl der eiskalte Hauptmann bei einer Explosion ums Leben gekommen zu sein schien. Seine Leiche wurde zwar nie gefunden, aber alle waren sich sicher, dass er so etwas nicht hätte überleben können.

Berlin nach dem Reichstagsbrand: die Nazis übernehmen das Ruder

Gereon Rath hört sich die Geschichte des Leutnants an - dieser hat ein Buch darüber geschrieben, das kurz vor der Veröffentlichung steht -, und für ihn klingt das alles irgendwie überspannt. Doch er wird sowieso erst einmal von dem Fall abgezogen und muss zu den Politischen: helfen, Kommunisten zu verhören. Seit dem Reichstagsbrand und der erstarkten NSDAP wird brutal Hatz auf Andersdenkende gemacht. Damit hat auch Kriminalkommissaranwärterin Charly zu tun. Sie hasst es, irgendwelche Jugendliche zu verhören und wegen Schmierereien an Hauswänden wie Schwerverbrecher behandeln zu müssen. Und die Nazis mag sie sowieso ganz und gar nicht. Da kommt es ihr gelegen, dass sie im Mordfall des Obdachlosen vom Nollendorfplatz ein Mädchen befragen soll. Hannah Singer heißt es und scheint nicht ganz richtig im Kopf zu sein. Hannah soll eine Obdachlosenunterkunft, in der auch sie mit ihrem Vater gelebt hat, angezündet haben. Es gab viele Tote, sie überlebte und spricht seitdem nicht mehr. Doch der Besuch bei Hannah eskaliert - sie scheint den Toten zu kennen und rastet aus. Am nächsten Tag hat sie es geschafft, auszubrechen und sie hat Angst, Todesangst. Ihr Verfolger ist ihr auf den Fersen. Ist es Hauptmann Engel, der die Explosion überlebt hat oder steckt da eine ganz andere Geschichte dahinter?

Das müssen Gereon Rath und Charly nun herausfinden. Hilfe bekommen sie unter anderem auch von Fritze, einem obdachlosen Jungen, so pfiffig und mit allen Wassern gewaschen, dass Charly ihn sofort ins Herz schließt, oder dem Unterweltkönig Johann Marlow. Der bittet Gereon um Hilfe, als einer seiner Jungs von der SA verhaftet wird. Der Fall indes wird immer undurchsichtiger und Gereon wird bald die Hilfe vonMarlow benötigen ...

Alles zum Krimi des Monats
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Wie einen alten Bekannten begrüßt Peter Körte den Helden aus den Krimis von Volker Kutscher. So auch diesmal, wenn Kutscher seinen Berliner Kommissar Gereon Rath mit dem Aufstieg der Nationalsozialisten 1932 konfrontiert. Das Klima der Weimarer Republik vermag der Autor dem Rezensenten wie schon in den Vorgängerromanen mit der Sachkenntnis des Historikers und der dramaturgischen Kompetenz und der stringenten Figurenregie des erfahrenen Erzählers zu vermitteln. Was den Plot betrifft, möchte Körte nicht zu viel verraten, nur, dass Kutscher komplex, aber nicht kompliziert vorgeht, und dass sein Kommissar sicher kein Nazi wird.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.12.2014

Im Minenfeld der Politik
Kurzer Dienstweg: Volker Kutschers "Märzgefallene"

Über die Jahre werden manche Romanfiguren einem so vertraut wie entfernte Familienangehörige, und wenn dieser Zustand einmal eingetreten ist, dann spielt es auch keine Rolle mehr, ob diese fiktiven Verwandten nun sonderlich sympathisch sind oder nicht. Hauptsache, sie überraschen einen immer wieder aufs Neue und haben eine gute Geschichte zu erzählen, so dass man sich auf jedes Wiedersehen freut.

Gereon Rath, der junge Kommissar, der 1929 aus Köln zur Berliner Mordkommission kam, ist eine solche Bekanntschaft. Man ist gerne mit ihm nach Masuren gereist, hat ihn einen Mord im Stummfilmstudio aufklären oder einen jüdischen Gangster aus Amerika verfolgen sehen. Wir haben Rath durch dunkle Nächte begleitet, aus denen noch dunklere Geheimnisse rühren, die nicht einmal seine Verlobte kennt, und wir waren und sind erstaunt über seine politische Blindheit, die ihn bislang den Aufstieg der Nazis mit Desinteresse zur Kenntnis nehmen ließ.

Umso gespannter muss man sein, wohin Raths Erfinder Volker Kutscher seinen Helden bei dessen fünftem Auftritt schickt, nachdem er in der "Akte Vaterland" den "Preußenschlag" im Juli 1932 erlebte. Rath darf in dem neuen Roman "Märzgefallene" anfangs noch Karneval in Köln feiern, wo auch schon die Hakenkreuzfahnen flattern, aber noch im Februar 1933 ist seine Weltsicht nicht erschüttert, obwohl immer mehr Kollegen und Freunde längst begriffen haben, dass die Nazis auch in der Polizei keinen Stein auf dem anderen lassen werden.

Der Untergang der Weimarer Republik ist so gut wie besiegelt. Die Nazis haben sich an die Macht gedrängt, die bürgerlichen Politiker und Industriellen haben sie ihnen, mit ihren illusionären Einrahmungsphantasien, überlassen. Kurz vorm Reichstagsbrand, kurz vor Raths Hochzeit mit seiner Verlobten Charlotte "Charly" Ritter, an die man kaum noch geglaubt hat, setzt der Roman ein.

Rath geht einem Fall nach, der tief in die Schützengräben des Ersten Weltkriegs zurückführt. Die von der Kommunistenjagd besessene und dabei von der SA "unterstützte" Berliner Polizeispitze interessiert das nicht, weil es scheinbar nur um eine verrückte Halbwüchsige und um einen ermordeten Obdachlosen am Nollendorfplatz geht. Und weil Rath der Dienstweg wie immer zu umständlich ist, nimmt er eine Abkürzung, die ihn direkt in ein politisches Minenfeld führt. Veteranen aus dem Ersten Weltkrieg tauchen als Leichen auf, ein ehemaliger Offizier, der sich nach einem Intermezzo als Eintänzer nun als stramm nationaler Buchautor versucht, macht dem Kommissar Schwierigkeiten.

Kutscher-Lesern möchte man gar nicht mehr verraten. Für Einsteiger muss man aber dringend hinzufügen, dass Volker Kutscher wieder einen Plot konstruiert hat, der Komplexität nicht mit Kompliziertheit verwechselt. Seine Figurenregie, wenn man das in einem Roman so nennen will, ist umsichtig und stringent. Und dass der Germanist und Historiker Kutscher sich im Berlin von damals so gut auskennt, als sei er dort zu Besuch gewesen, versteht sich mittlerweile fast von selbst. Die Qualität seiner historischen Erfindungen und Konjekturen erkennt man paradoxerweise daran, dass die Nahtstellen zwischen Fiktion und Zeitgeschichte kaum zu erkennen sind.

Und deshalb hofft man natürlich, dass Kutscher bei seiner Ankündigung bleibt, Rath bis zu den Olympischen Spielen 1936 ermitteln zu lassen. Einen Nationalsozialisten werde er aus dem politischen Indifferenten nicht machen, hat Kutscher in einem Interview bereits erklärt. Das könnte er nun auch weder Rath noch uns Lesern zumuten. Denn es wäre, abgesehen von allem anderen, einfach sterbenslangweilig.

PETER KÖRTE

Volker Kutscher: "Märzgefallene". Gereon Raths fünfter Fall. Roman.

Kiepenheuer & Witsch Verlag, Köln 2014. 608 S., geb., 19,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Volker Kutscher erzählt eine spannende, schlüssige Kriminalstory vor dem Hintergrund einer kurzen, äußerst dynamischen und dabei politisch höchst aufgeladenen Zeitspanne.« Hamburger Lokalradio 20150201
Ermittlerporträt
Ermittlersteckbrief Gereon Rath

Er kann unkollegial sein, trinkt zu viel und pflegt privaten Umgang mit dem Unterweltkönig von Berlin: Kriminalkommissar Gereon Rath ist kein Gutmensch, und es scheint lange so, als wäre er auch ziemlich beziehungsunfähig. Doch in Band 5, "Märzgefallene", steht die Hochzeit mit Charly an. Mit Gereon Rath hat Volker Kutscher eine Hauptfigur geschaffen, die sympathisch-unsympathisch ist. Mal kriegt er uns, mal finden wir ihn ziemlich daneben - aber spannend ist sein Leben immer. Raths ausgeprägter Gerechtigkeitssinn sorgt dafür, dass er immer mal wieder Grenzen überschreitet - aber er ist ein vortrefflicher Kriminaler. Was seine Nochverlobte Charly auf die Palme bringt: Er will von den politischen Dingen, die um ihn herum im Berlin der 1920er- und 1930er-Jahre brodeln, nichts wissen. Er kann seinen Chef, einen Sozi, nicht leiden, weil er glaubt, er sitze nur auf dem Posten, weil er das richtige Parteibuch habe. Mit den Nazis kann er zwar auch nicht viel anfangen, versucht aber dennoch, sich zu arrangieren und sich irgendwie durchzumogeln, auch als sie in "Märzgefallene" 1933 im Polizeipräsidium Einzug halten und z. B. Oberkommissar Böhm sofort abservieren. Gereon Rath scheut die Auseinandersetzung - egal ob politisch, privat oder beruflich; wie gut, dass Charly eindeutiger Stellung bezieht. Die Kommissaranwärterin ist ziemlich keck, sehr emanzipiert, kann die Nationalsozialisten nicht ausstehen und versteht einfach nicht, warum Gereon sich denen gegenüber so lau verhält.

Wie kam der kölsche Jung Gereon Rath nach Berlin?

Wie der gebürtige kölsche Jung Gereon Rath nach Berlin kam, ist eine andere Geschichte. Nach einem abgebrochenen Jurastudium entschließt er sich 1922 für eine Laufbahn bei der Kriminalpolizei - eine Familientradition. Auch sein Bruder Anno - er ist im Ersten Weltkrieg gefallen - war bei der Kripo und natürlich Gereons Vater, Kriminaldirektor Engelbert Rath. Er ist eng mit Konrad Adenauer befreundet, dem damaligen Kölner Oberbürgermeister und späteren ersten Bundeskanzler der BRD. Und Engelbert Rath ist, wie Adenauer, in der Zentrumspartei politisch aktiv, katholisch und versteht es bestens, nach den Regeln des kölschen Klüngels zu taktieren. Gereon kann mit all dem so wenig anfangen wie mit den strengen Konventionen seiner Familie. Er trinkt definitiv zu viel und seine Liebschaften sind oft genug einem wenig zurechnungsfähigen Zustand geschuldet. Er ist ein Grenzgänger, kann ein Ekel sein und dennoch scheint er als hervorragender Kriminalkommissar seinen Platz bei der Kölner Mordkommission gefunden zu haben. Doch dann bringt ein tödlicher Schuss aus seiner Dienstwaffe ihn in Köln in Verruf und die gesammelte Presse gegen ihn auf. Dem Einfluss seines Vaters hat er es zu verdanken, dass er zur Berliner Polizei wechseln kann.

In Berlin: Kommissar Rath und die legendäre Inspektion A am Alexanderplatz

Dass sich Gereon anfangs schwertut, sich vom katholisch-prallen Köln auf das knurrig-protestantische Berlin einzustellen, versteht sich. Doch die Großstadt fasziniert den damals Dreißigjährigen mehr und mehr, und natürlich gibt es noch einen entscheidenden Vorteil: Er ist weit weg von seiner Familie, deren Ansprüchen und seinem Vater. Nach einem Zwischenstopp in der Sitte erarbeitet sich Gereon in der Inspektion A am Alexanderplatz schnell einen guten Ruf. Sie gilt wegen Kriminalrat Ernst Gennat, dem Guru der Kriminalisten, als legendär. Davon wollen sich sogar Prominente wie Edgar Wallace selbst ein Bild machen und besuchen die Inspektion A. Naturgemäß findet das auch die Presse wunderbar und beobachtet die Ermittler manches Mal genauer, als es ihnen lieb ist. Gereon pflegt z. B. zu dem Journalisten Berthold Weinert eine Verbindung, die ihm ab und an wichtige Informationen, ihn aber oft genug auch in Teufels Küche bringt, weil Weinert eben fast nichts für sich behalten kann.

Wie gut, dass noch niemand herausgefunden hat, dass Gereon Rath eine ganz besondere Freundschaft zu Johann Marlow pflegt. Marlow, auch "Dr. M." genannt, betreibt illegale Spielhöllen, Nachtlokale und handelt mit Rauschgift. Der Unterweltkönig kauft auch Polizisten, doch Gereon Rath steht nicht auf seiner Lohnliste ... Was den Alkohol und die Frauen angeht, naja ... Gereon hat sich zwar nun, wo er Charly, also Charlotte Ritter, heiraten will, vorgenommen, ein solideres Leben zu führen, doch es gibt definitiv Ausrutscher - und das, obwohl er sich eigentlich treu bleiben wollte ... Er ist eben keine so treue Seele wie sein Hund Kirie. Die Bouvier-Hündin scheint manchmal zu lächeln, wenn sie ihn ansieht - ob sie über ihn lächelt oder ihn anlächelt, bleibt aber ihr Geheimnis ...