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Der bekannteste und vielleicht bedeutenste Roman der Weltliteratur ist ein Fragment. Im Sommer 1914 begann Franz Kafka mit der Arbeit, machte rasche Fortschritte, schloß aber die Arbeit bereits im Januar 1915 ab und überließ das Manuskript im unvollendeten Zustand, in einer Mappe, als ungeordnete Sammlung von einzelnen Kapiteln. Sein langjähriger Freund Max Brod veröffentlichte den Roman ein Jahr nach Kafkas Tod im Jahr 1925 in seiner bis heute befolgten Sortierung der Kapitel. "Jemand mußte Josef K. verwechselt haben, denn ohne daß er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens…mehr

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Produktbeschreibung
Der bekannteste und vielleicht bedeutenste Roman der Weltliteratur ist ein Fragment. Im Sommer 1914 begann Franz Kafka mit der Arbeit, machte rasche Fortschritte, schloß aber die Arbeit bereits im Januar 1915 ab und überließ das Manuskript im unvollendeten Zustand, in einer Mappe, als ungeordnete Sammlung von einzelnen Kapiteln. Sein langjähriger Freund Max Brod veröffentlichte den Roman ein Jahr nach Kafkas Tod im Jahr 1925 in seiner bis heute befolgten Sortierung der Kapitel.
"Jemand mußte Josef K. verwechselt haben, denn ohne daß er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet." Mit den wohl auch berühmtesten Eingangsworten beginnt die Erzählung mit der geheimnisvollen Verhaftung des 30-jährigen Bank-Prokuristen Josef K. durch rätselhafte Herren in Gestalt zweier Wächter und eines Aufsehers. Josef K. ist - so erfährt er schließlich - wohl verhaftet, kann aber sein Leben weiterführen ohne in seiner "gewöhnlichen Lebensweise (...) gehindert" zu sein. So gerät Josef K., der bis dahin das liderliche Leben eines Typus der Moderne, eines 'Rechners' geführt hat, von nun immer mehr in eine Leidenschaft, das 'Gericht' selbst zu suchen. In einem Gebäude das er aufsucht stellt er etwa fest, dass er eigentlich hinter jeder Tür das Gericht auffinden werde. Auf weiteren Station, nach vergeblichen Hilfe-Stellungen durch Advokaten und Frauenbekanntschaften, gibt ihm ein Künstler den Hinweis, dass ja "alles das Gericht" sei. Im zentralen Dom-Kapitel erhält Josef K. im Gespräch mit dem Geistlichen und durch dessen Erzählung der TÜRHÜTERLEGENDE weitere Hinweise. In gewisser Weise zeigt sich bei Josef K. eine Entwicklung. Im Nachlasskapitel "Fahrt zur Mutter" schließlich deutet sich eine Besinnung und Selbstermächtigung an. In der ausgesonderten Erzählung EIN TRAUM, eine Versöhnung mit dem Tod. Die Hinrichtung Josef K. s im Schlusskapitel - Kafka hatte dieses Kapitel neben dem Eingangs-Kapitel zuerst verfasst - lässt den Erfolg einer Umwendung und Neuorientierung Josef K. s offen.
Autorenporträt
Franz Kafka wurde am 3. Juli 1883 in Prag geboren. Seine Mutter Julie Löwy stammte aus einer bürgerlich-gebildeten jüdischen Unternehmerfamilie, der Vater, Hermann Kafka, aus eher einfachen ländlichen Verhältnissen einer jüdischen Handwerkerfamilie. In der Familie wurde deutsch gesprochen, in dem von den Eltern begründeten Geschäft für Galanteriewaren im Prager Stadtzentrum zumeist tschechisch. Franz Kafka, als erstes Kind und Bruder dreier Schwestern ¿ zwei weitere Brüder starben schon im Säuglingsalter ¿ besuchte das Altstädter Gymnasium und schloss ein Jura-Studium an der Prager Deutschen Universität mit seiner Promotion ab. Später arbeitete er im Brotberuf als Jurist in einer Versicherungsanstalt. Schon während der Studienzeit, im Jahr 1904, arbeitet Kafka an ersten Prosatexten. Nach Jahren der Unsicherheit und Skepsis erreicht er, besonders auch im Zuge der nächtlichen Niederschrift von "Das Urteil", Zutrauen in sein als eigenste Aufgabe wahrgenommenes Schreiben. Noch im gleichen Jahr entstehen zwei Fassungen von "Der Veschollene" und "Die Verwandlung", 1914 das wohl berühmteste Romanfragment der Welt, "Der Process", in den Jahren darauf weitere Kurzprosa. Im Sommer 1917 erhält Kafka die Diagnose einer Lungenturberkulose. "Im Schutze der Krankheit", wie er schreibt, ergeben sich grundlegende Veränderungen seiner Lebenssituation: Die Beurlaubung vom verhassten Brotberuf, die Aufkündigung der Verlobung mit Felice Bauer (im Dezember desselben Jahres) und die Möglichkeit, der Enge der elterlichen Wohnung zu entkommen. Kafka bezieht ein kleines Zimmer auf dem Bauernhof seiner Schwester Ottla in Zürau, einem etwa 100 Kilometer nordwestlich von Prag gelegenen böhmischen Dorf. Hier widmet er sich der Vergewisserung über den Hintergrund und Zusammenhang seiner Arbeit. In zwei Oktavheften notiert er bildhaft-reflexive Sentenzen, die sogenannten "Zürauer Aphorismen", die, in einem Verweiszusammenhang und Beziehungsgeflecht zu den Prosatexten, Briefsentenzen und Tagebucheintragungen die Form einer beispiellosen poetischen Philosophie erkennen lassen. Nach der Verlobung und gescheiterten Eheschliessung mit Julie Wohryzek und einer unglücklichen Liebe zu Milena Jesenska findet Kafka, elf Monate vor seinem Tod, mit Dora Diamant ¿ sie lernen sich im Sommer 1923 im Ostseebad Müritz kennen ¿ eine ihm zugewandte Lebensgefährtin und "Komplizin" (Reiner Stach). Die aus der besonderen Athmosphäre des osteuropäischen chassidischen Judentums stammende Dora Diamant ist ¿ neben der Schwester Ottla und den Freunden Max Brod, Felix Weltsch und Oscar Baum ¿ eine Partnerin, bei der Kafka rückhaltlose Akzeptanz und Gemeinsamkeit in der weiteren Perspektive seiner Aufgabe findet. Nach einer baldigen Verschlechterung des Gesundheistzustandes Ende 1923 begleitet Dora Diamant Kafka in wechselnde Sanatorien im Umkreis von Wien. Im Sanatorium Dr. Hugo Hoffmann in Kierling bei Klosterneuburg pflegt sie, gemeinsam mit dem befreundeten Arzt Robert Klopstock, Kafka, der rapide an Gewicht verliert und kaum mehr Sprechen und Trinken kann, bis zum Tod am 3. Juni 1924.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.03.2024

Wie erfrischend es doch ist, mit einem vollkommenen Narren zu reden!

Was ist das für eine Justiz, in deren Mühlen Josef K. gerät? Und welchen Anteil hat der Beschuldigte am Fortgang seines Verfahrens? Der Kafka-Biograph Reiner Stach legt mit "Der Process" den ersten Band einer kommentierten Werkausgabe vor.

Von Tilman Spreckelsen

Als Franz Kafka Mitte August 1914, zwei Wochen nach Beginn des Ersten Weltkriegs und einen Monat nach dem Ende seiner Verlobung mit Felice Bauer, die Arbeit an "Der Process" begann, steckte der Einunddreißigjährige zunächst in zwei Kapiteln den Rahmen der Geschichte ab, die seinen Weltruhm wesentlich begründen sollte: Das eine schildert, wie der Bankangestellte Josef K. an seinem dreißigsten Geburtstag Besuch von zwei Männern bekommt, die ihn für "verhaftet" erklären, ohne ihn allerdings zu verhören oder in Gewahrsam zu nehmen. Das andere jener beiden zuerst geschriebenen Kapitel beschreibt dann das Ende jenes Mannes am Vorabend seines einunddreißigsten Geburtstages. Wieder kommen zwei Männer zu ihm, sie führen ihn aus der Wohnung und durch belebte Straßen zu einem verlassenen Steinbruch. Dort stößt ihm einer der beiden ein Messer ins Herz. K. wehrt sich nicht. Seine letzten Worte gelten dem eigenen Sterben: "Wie ein Hund!"

Erst nachdem Kafka auf diese Weise Anfang und Ende der Romanhandlung zu Papier gebracht hatte, schrieb er eine Reihe weiterer Kapitel über die Erlebnisse K.s im Verlauf jenes Jahres (bevor er dann im Januar 1915 die Arbeit am "Process" abbrach). Ihr Inhalt: K. nimmt Kontakt zu einem Anwalt auf und entlässt ihn wieder aus seinen Diensten, er lernt einen Maler kennen, dem eine intime Kenntnis der zuständigen Richter nachgesagt wird, seine zuvor glänzende Stellung als Prokurist der Bank nimmt Schaden, als sich die Nachricht von dem Verfahren gegen ihn verbreitet, und als er einmal einen italienischen Geschäftspartner der Bank durch den Dom seiner Stadt führen soll, trifft er dort statt des Gastes einen Geistlichen an, den "Gefängniskaplan", der ihm die später so berühmte Parabel "Vor dem Gesetz" erzählt.

Aus diesem Material stellte Kafkas Freund Max Brod eine Romanfassung zusammen, die im April 1925 erschien, zehn Monate nach dem Tod ihres Autors. Als Brod nochmals zehn Jahre später eine neue Ausgabe des Romans herausbrachte, ergänzte er den Text um eine Reihe von zuvor von ihm ausgeschiedenen Kapiteln. 1990 erschien im Rahmen der Kritischen Kafka-Ausgabe bei S. Fischer eine Edition, die partiell zu einer anderen Anordnung der Kapitel fand, während wiederum sieben Jahre später die Historisch-Kritische Ausgabe von Roland Reuß und Peter Staengle im Verlag Stroemfeld auf die Herstellung einer Reihenfolge insofern ganz verzichtete, als sie die Kapitel in jeweils einzelnen Heften publizierte.

In diesem Frühjahr nun bildet eine weitere Edition von "Der Process" den Auftakt zu einer kommentierten Kafka-Ausgabe, die von dem renommierten Kafka-Biographen Reiner Stach bei Wallstein erscheint - im selben Verlag, der nach dem Konkurs von Stroemfeld dessen Historisch-Kritische Ausgabe fortgeführt hatte. Deren Herausgeber empfanden die Ankündigung der Stach-Ausgabe als Affront (F.A.Z. vom 23. September 2023) und suchten sich einen neuen Verlag, der, wie jüngst bekannt wurde, jetzt in Vittorio Klostermann gefunden wurde.

Nun ist der Herausgeber Stach ersichtlich nicht angetreten, um den vorhandenen Textfassungen eine weitere, völlig neue an die Seite zu stellen. Gegenüber der Ausgabe von S. Fischer ändert er die Reihenfolge der Kapitel geringfügig. Im Text selbst hält er sich zwar weitgehend an die Schreibweise im Manuskript, greift aber doch etwa in die Zeichensetzung ein, wo Kafkas Schreibungen "den Lesefluss erheblich behindern oder das Verständnis erschweren". Das wird man bedauern, falls man Satzzeichen in Manuskripten unabhängig von der Grammatik auch als vom Autor gesetzte Zäsuren im Text ansieht.

Dem Text mit den zugehörigen, aber nicht in die Kapitelfolge integrierten Fragmenten folgt ein mehr als hundert Seiten langer Apparat mit Stellenkommentar, Literaturverzeichnis und Nachwort - der Versuch also, angesichts des Ozeans der Kafka-Rezeption Schwerpunkte zu setzen, die eine Lektüre erleichtern und im Idealfall den Weg zur Vertiefung ebnen.

Stachs Mittel hierzu ist ein "Glossar" getaufter Abschnitt im Apparat, der vier Begriffe vorstellt, mit deren Hilfe ein Zugang zum Verständnis des Romans ermöglicht werden soll. Das "einsinnige Erzählen" erläutert die überwiegend eingenommene Perspektive, die der von K. entspricht und gleich im berühmten ersten Satz des Romans ihre Grenzen offenbart, denn ob sich K. tatsächlich nicht "etwas Böses" zuschulden kommen ließ, ist eine endlos diskutierte Frage. Das "Erzählersignal", das die Leser auf solche Brüche hinweist, ist der zweite im Glossar vorgestellte Begriff, die "Spiegelfunktion des Gerichts" - das mögliche Reagieren der Behörde auf Impulse K.s - ist der dritte, und das "Traummotiv", das auf die Handlungselemente jenseits einer realistischen Erwartung verweist, der vierte.

Dabei ist es kaum Stachs Ehrgeiz, völlig neue Ansätze zur Erläuterung des Romans zu liefern. Was er aber anbringt, ist gut begründet, schon gar wo es im Biographischen wurzelt wie die von Kafka offenbar als Tribunal empfundene Aussprache mit seiner damaligen Verlobten Felice Bauer am 12. Juli 1914 im Askanischen Hof in Berlin. Stach zieht von hier aus eine Linie zum Verhältnis, das zwischen K. und einem Fräulein Bürstner besteht, seiner Zimmernachbarin in der Pension, abgekürzt wie die Verlobte mit "F. B.", und auch der Nachname der dritten in der realen Dreieckskonstellation, Grete Bloch, findet leicht verwandelt in den Roman Eingang.

Stach wird nicht müde, immerfort auf die Entsprechung zwischen K. und dem Verhalten der mit dem Gericht über ihn irgendwie befassten Personen zu verweisen, als wechselseitige Aktion und Reaktion, sodass in dieser Lesart alles, was K. widerfährt, auf seine Zustimmung angewiesen ist. An solchen Stellen wird manches angeführt, was der Leser, einmal auf die Spur gebracht, sicherlich auch allein entschlüsselt hätte. Hilfreicher sind da die Erläuterungen zu den Realien, gerade wo sie das Justizwesen der Zeit betreffen und das so Unheimliche der Romanhandlung klar herausstellen, die ja gerade keinen vertrauten Gerichtsapparat schildert, eigenen Regeln zu folgen scheint, auch wenn diejenigen, die ihr Leben in diesen Strukturen verbringen, all ihrem Gerede zum Trotz im Grunde ebenso ratlos erscheinen wie K.

Der promovierte Jurist Kafka kannte allerdings auch die andere Seite. In einer Tagebuchnotiz aus dem Februar 1912 hält er fest, wie ihn ein verzweifelter Bankbeamter namens Oskar Reichmann anhält und um juristischen Rat bittet: Man habe einen seiner Texte dreist kopiert und, ohne seinen Namen zu nennen, in die Zeitung gesetzt. Er habe daraufhin alle Beteiligten aufgesucht und sich beschwert, ihm sei aber nicht geholfen worden. Kafka lässt sich Reichmanns Manuskript und den Zeitungstext zeigen und stellt fest, dass es kaum Ähnlichkeiten gibt. In seiner eigenen Wahrnehmung ist Reichmann, ähnlich wie K., zweifellos das Opfer einer undurchdringlichen Maschinerie.

Kafka aber hält fest, er sei mit der Erfahrung nach Hause gegangen, "wie erfrischend es ist, mit einem vollkommenen Narren zu reden". Es folgt ein Nachsatz, der fast wie ein Schreibimpuls klingt: "Ich habe fast nicht gelacht, sondern war nur ganz aufgeweckt."

Franz Kafka: "Der Process". Roman.

Herausgegeben und kommentiert von Reiner Stach. Wallstein Verlag, Göttingen 2024. 397 S., geb., 34,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Das Rad, beziehungsweise Franz Kafkas berühmten Roman, erfindet diese von Reiner Stach herausgegebene und kommentierte neue Fassung nicht neu, meint Rezensent Tilman Spreckelsen, aber sie ermöglicht einen guten Einstieg ins Werk. Textlich orientiert sie sich weitgehend an der S. Fischer-Ausgabe, lesen wir, dass die Interpunktion auf Lesbarkeit hin angepasst wurde, gefällt dem Rezensenten nicht unbedingt. Auf seinen Zuspruch stößt hingegen der umfangreiche Kommentarteil, der unter anderem ein Glossar enthält, das einige zum Werkverständnis hilfreiche Begriffe anführt. Besonders hilfreich sind Passagen im Kommentar, so Spreckelsen, die auf Biografisches oder historische Bezüge hinweisen. So erfahren die Leser etwa, nennt er als Beispiel, dass ein Konflikt Kafkas mit seiner Verlobten Felice Bauer verschlüsselt Niederschlag im Buch findet.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Stach bleibt nah am Text und vermeidet theoretische Höhenflüge. Er distanziert sich damit von ausschließlich psychoanalytischen, gesellschaftspolitischen und religiös-mythischen Auslegungen« (Helmut Böttiger, Deutschlandfunk Kultur, 22.02.2024) »Der Biograf Stach gilt als bester Kafka-Kenner unserer Zeit. Jetzt bietet er kluge Handreichungen zu den Hauptwerken Kafkas an. Betreutes Lesen at its best.« (Marc Reichwein, Welt, 19.03.2024) »Hundert Jahre nach seinem Tod ist Franz Kafka gegenwärtiger denn je.« (Paul Ingendaay, Frankfurter Allgemeine Bücher-Podcast, 24.02.2024)

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 26.11.2004

Hörbuch
Ohne Pause
Reine Erwartung: Ein Hörstück nach Kafka
„Ein Hörstück nach Franz Kafka” heißt es vorsichtig einschränkend auf dem Cover. Dabei ist der Text der Romanvorlage dem Wortlaut nach kaum verändert, nur radikal gekürzt worden. Der Grund, warum die Verfasserschaft Kafkas eingeschränkt ist, wird jedoch gleich zu Beginn der Aufnahme ohrenfällig. Es ist die Diktion dieser Hörfassung des „Prozesses”, die dem Hörer das Original, so wie er es kennt oder zu kennen meint, ausredet - um ihn so vielleicht wieder näher daran heranzuführen.
Etwas Eigenartiges geht da vor sich. Ohne dass Philipp Hochmair nur einmal seine Stimme verstellt, ohne dass er sie auch nur besonders modulierte, entsteht der Eindruck, man habe es mit einem Theaterstück zu tun, als spräche Kafkas Erzähler leibhaftig zu einem. Obwohl Hochmairs Stimme verhalten bleibt und nie laut wird, meint man, die Anwesenheit eines Körpers geradezu überdeutlich zu spüren.
Dadurch wird die Trennung zwischen Erzähler und Hauptfigur durchlässig. Fast scheinen sie dieselbe Person. Eine rätselhafte Illusion. Obwohl im Text klar voneinander abgegrenzt, verschmelzen ihre Identitäten im Hörstück. Nicht als gelesener, sondern als inszenierter, aufgeführter, erstaunlich anschaulich gemachter Bericht tritt der „Prozess” bei Hochmair vor einen.
Josef K.s Erheiterung, seine Unsicherheit und Verzweiflung berühren einen ganz unmittelbar. Die in der Lesefassung nicht selten unerbittlicheStimme des Erzählers klingt hier gedämpft und fast flüsternd. Hochmairs Organ ist dazu besonders geeignet, es klingt zwar jung und beinahe überfein, doch zugleich ist es dehnbar und zäh. Aus seinem Mund vermögen sich die Wörter und Sätze selbst bei langsamstem Sprechtempo in die Gehörgänge zu schleichen und dort festzusetzen. Pausen gibt es nicht, nur gespannte Erwartung.
Das Sounddesign und die Komposition der Textstellen tun ihr Übriges, um diesen „Prozess” vom üblichen Lesungshörbuch, das eigentlich ein Ablesungshörbuch ist, wie vom veralteten dialogischen Hörspiel zu unterscheiden. Allgemein geht der Trend bei engagierten Produktionen in Richtung auf Hörstücke, die monologisch angelegt sind. Hochmair und Regisseurin Andrea Gerk haben, damit kein Gefühl von Monotonie aufkommt, einen sehr subtilen und schwer gangbaren Weg gewählt. Doch es geling ihnen, mit ihrer - nach Goethes „Werther” - zweiten Arbeit zu Produktionen des Sprechtheaters Zürich, zu manchen Intermedium-Aufnahmen oder zu Arbeiten des Regisseurs Norbert Schaeffer aufzuschließen. Gespannte Erwartung also auch, was die Zukunft hier noch bringen wird.
TOBIAS LEHMKUHL
FRANZ KAFKA: Der Prozess. Sprecher: Philipp Hochmair, Regie: Andrea Gerk. herzrasen, Berlin 2004. 2 CD, 101 Minuten, 16,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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"Das Hörspiel setzt sich radikal mit Kafkas Schreib-'Process' auseinander und wird zu einer gewaltigen Sprechoper"
Deutschlandradio (Cornelia Jentzsch) Das Programm des onomato Hörbuchverlags liest sich wie ein ideengeschichtlicher Abriss. Wie situiert sich der Mensch in der Welt, was ist Bewusstsein, wie ist sein Verhältnis zur Religiosität und zur Schöpfung - das alles sind mehr oder weniger zentrale Fragen aller Texte. Thüringer Allgemeine Und wer sich Zeit für die von Axel Grube, Gründer, Inhaber und einziger Sprecher des kleinen, aber feinen Onomato-Verlages zusammengestellten Werkporträts zu Nietzsche oder Dostojewski nimmt, hat Teil an einer wohl individuellen, aber gerade dadurch interessanten und originären Sicht des Geistes. Marbacher Forum (Max Lorenzen) "Zarathustra" Was Axel Grube mithin liefert, ist weitaus mehr als eine Lesung. Er bereitet den Boden für eine Neuinterpretation der Nietzscheschen Schriften mit. Wer seinen "Zarathustra" hört, begibt sich auf eine intensive Reflexionsreise. Die neun wichtigsten Hörbuchverlage (Wolfgang Schneider in der FAZ) Schon in der Aufmachung unterscheiden sich Onomato-Hörbücher von der Konkurenz - wie edle Hör-Oblaten sind die CDs eingelegt in die Boxen aus rauhem Karton mit Verschlussfädchen. Verleger Axel Grube will mit dem Hörbuch anknüpfen ans Älteste, die "mündliche Überlieferung". Er weiß: Die großen Stilisten waren "Laut-Leser". Im Gegensatz zum üblichen Vertrauen auf bekannte Stimmen definiert er, was eine Qualitätslesung ausmacht: Die Sprecher müssen lange mit den Texten umgehen und die Gehalte oder Motive selbst "durchleben", damit die Schwingungen des Ungesag- ten mitkingen. Dem Anspruch wird vor allem Axel Grube gerecht, wie er mit Lesungen von Nietzsche und Heine bewiesen hat. Literaturen, Jan Bürger Unprätentiös und doch pointiert trägt Axel Grube eine gelungene Auswahl aus Rilkes Briefen und dem Wunderwerk "Malte Laurids Brigge" vor (...) Und dabei wird deutlich: Nicht nur Rilkes Lyrik, sondern auch die vertrackte Prosa seiner durchtriebenen Religionskritik wurzelt im gesprochenen Wort. Laut gelesen, wirkt das Verschachtelte seiner Sätze ganz einleuchtend, rhythmisch. Hessischer Rundfunk Nietzsche Anthologie Seine Klasse fördert das Verstehen von der schriftstellerischen Meisterschaft Nietzsches von dessen an französischer Schule geübten Klarheit des Stils. Dafür öffnet Grube die Sinne. Durch akribisches Erkunden der spachlichen Feinheiten in gekonnter Betonung und Pausensetzung, durch den weich-federnden Rhythmus der Stimmführung, der der Musikalität dieser Sprache zu ihrem Recht verhilft. Hinzukommt eine Sprechhaltung, die davon absieht, die Kraft der Worte durch Dramatisierung zu überzeichnen.…mehr