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Tod eines Schwarzafrikaners auf dem Campo Santo Stefano. Ein Streit unter Immigranten? Oder steckt mehr hinter der Ermordung eines Illegalen? Brunetti hakt trotz Warnungen von höchster Stelle nach und entdeckt Verbindungen, die weit über Venedig hinausreichen.

Produktbeschreibung
Tod eines Schwarzafrikaners auf dem Campo Santo Stefano. Ein Streit unter Immigranten? Oder steckt mehr hinter der Ermordung eines Illegalen? Brunetti hakt trotz Warnungen von höchster Stelle nach und entdeckt Verbindungen, die weit über Venedig hinausreichen.
Autorenporträt
Donna Leon, geboren 1942 in New Jersey, arbeitete als Reiseleiterin in Rom und als Werbetexterin in London sowie als Lehrerin und Dozentin im Iran, in China und Saudi-Arabien. Die ¿Brunetti¿-Romane machten sie weltberühmt. Donna Leon lebte viele Jahre in Italien und wohnt heute in der Schweiz. In Venedig ist sie nach wie vor häufig zu Gast.
Rezensionen
»Donna Leon hat mit ihrem Commissario Brunetti eine ebenso sympathische wie intelligente und humane Figur erfunden, ein ebenbürtiges italienisches Pendant zum französischen Kollegen Maigret.«

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.06.2006

Ich bin nur eine Zuschauerin
Ein Besuch bei der Bestseller-Autorin Donna Leon in Venedig
Dort hinten, die kleine weißhaarige Person, die gestikulierend auf den Buchhändler einredet, das muss sie sein. Noch kennen wir sie nicht. Aber in Venedig stolpert man zwangsläufig übereinander, selbst an diesen ersten Frühsommertagen voller Touristen, die wie biblische Plagen in die Serenissima einfallen. Wir hören noch ein bisschen zu, was sich die beiden zu erzählen haben. Der Gesundheitsminister der Region im Gefängnis! Der betrügerische Juwelier von San Marco aufgeflogen! Jetzt können wir uns einschalten und begreifen auch gleich, dass die sich bandwurmartig durch den Tag ziehenden Gespräche, der Klatsch mit Nachbarn, Bekannten und Geschäftsleuten ein Grund für den Wohnort unserer Gastgeberin sind. Donna Leon, 1942 in New Jersey geboren und seit einem Vierteljahrhundert in Venedig beheimatet, ist eine der auflagenstärksten Krimiautorinnen im deutschen Sprachraum, und auf neue Ideen stößt sie Tag für Tag auf dem Platz vor ihrem Haus. Ihre Commissario-Brunetti-Serie erscheint in 20 Ländern und wurde für das ZDF verfilmt. Aber der allgemeinen venezianischen Tratschsucht zum Trotz weiß das hier kaum jemand. Gerade ist der jüngste Brunetti-Fall „Blutige Steine” auf deutsch erschienen, Nummer 14. Auf die Veröffentlichung ihrer Reihe in Italien hat sie bewusst verzichtet.
„Ich möchte ein normales Leben führen. Wenn man berühmt wird, ist das häufig nicht mehr möglich, Berühmtheiten werden einfach anders behandelt. Mir selbst geht es mit Opernsängern so, die in meinen Augen wahre Götter sind. Im Umgang mit ihnen bin ich anfangs nie entspannt, weil ich das, was sie tun, einfach so sehr bewundere. Und das ist keine gute Basis für eine gesunde, gleichwertige Beziehung. Aus diesem Grund möchte ich an einem Ort leben, wo mir diese Form von Aufmerksamkeit nicht entgegengebracht wird”, erklärt die Under-Cover-Bestseller-Autorin ihre Strategie und lotst uns in ihre Wohnung, wo es so aussieht, wie man es sich bei ihrem Helden zu Hause vorgestellt hat: ein oberstes Stockwerk mit freigelegten Deckenbalken, alten Möbeln, Gemälden an den Wänden. Vielleicht genau die richtige Kulisse, um über Giftmüll, Menschenhandel, Kunstraub und die in Italien gern unter den Tisch gekehrte faschistische Vergangenheit zu schreiben. Dass die Lektüre ihrer Romane doch auch für Italiener aufschlussreich wäre, lässt sie nicht gelten: „Es gibt so viele italienische Schriftsteller, die über diese Dinge schreiben. Und sie verstehen das System viel besser als ich, denn sie sind selbst betroffen. Ich bin bloß eine Zuschauerin. Jemand wie Andrea Camilleri hat einen viel direkteren Zugang”.
Die Bescheidenheit ist nicht gespielt. Eher verwundert nimmt Donna Leon ihren kommerziellen Erfolg zur Kenntnis, so einfach hatte sie sich nach Jahrzehnten als Lehrerin das Geldverdienen nicht vorgestellt, und bis jetzt amüsiert es sie, die Brunetti-Serie fortzuspinnen. In ihrem jüngsten Band geht es um einen senegalesischen Taschenhändler, der plötzlich ermordet auf der Straße liegt und, wie Brunetti bald herausfindet, mit einer zwielichtigen politischen Mission seines Heimatlandes betraut war. Dass Leons freundlicher Kommissar vor allem in Deutschland eine riesige Anhängerschaft hat, mag mit der geschickten Kombination uritalienischer Tugenden und amerikanischer Eigenschaften zusammenhängen, die dem deutschen Italiener-Ideal sehr nahe kommt.
Brunetti ist nämlich gleichzeitig attraktiv, geduldig und unkompliziert, er ist ein liebevoller Ehemann und Vater, besitzt ein ausgeprägtes Berufsethos, hat tadellose Manieren und eine Schwäche für griechische Klassiker. Abgründe sind bei ihm im Unterschied zu Camilleris Montalbano nicht zu bemerken; er ist pragmatischer und viel optimistischer. Brunetti, seine Frau Paola und die beiden Kinder sind für deutsche Leser so etwas wie die italienische Ersatzfamilie. Und dann noch das viele Essen! „Komisch, nur den Deutschen fällt auf, wie viel in meinen Büchern gegessen wird. Italiener würden so etwas nie bemerken. ,Okay, sie haben Mittag gegessen, blättern wir weiter, was passiert dann?‘ Aber die Deutschen staunen: ,Wow, sie essen erst Nudeln und danach auch noch ein Kotelett!‘”
Als Ausländerin gelingt es Leon, Italien denjenigen zu erschließen, die mit dem Land weniger vertraut sind: Ihre Bücher sind kleine soziologische und kulturgeschichtliche Italien-Leitfäden. Genau wie Brunetti besitzt sie das richtige Maß an Pragmatismus: „Die bürokratischen Details der polizeilichen Ermittlungsarbeit finde ich todlangweilig, das schreibe ich aus anderen Krimis ab. Mich interessiert, warum jemand gute oder böse Taten begeht und wie er das rechtfertigt”.
Die ehemalige Lehrerin, die an amerikanischen Militärstützpunkten in Italien, an Schulen und Universitäten in Iran und in Saudi Arabien unterrichtete, erfand Brunetti eher aus einer Sektlaune heraus, gemeinsam mit dem Dirigenten Gabriele Ferro in der Garderobe von La Fenice. „Ein berühmter österreichischer Dirigent war gerade verstorben, und wir malten uns aus, was passiert wäre, wenn man ihn ermordet hätte”, erklärt die Autorin. „Wie wäre das vonstatten gegangen, und wer hätte Grund gehabt, es zu tun?” Wellauer heißt der Tote in Brunettis erstem Fall, und er teilt mehr als eine Eigenschaft mit Herbert von Karajan.
Praktischerweise entdeckte die Jane-Austen- und Patricia-Highsmith-Verehrerin dann auch noch, dass Krimis ein eher leichtes Metier sind, zumindest für sie: „Als Studentin hatte ich keinen Fernseher, und nach fünfzig Seiten Henry James las ich zur Erholung immer einen Krimi. Die Plots waren in meine DNA eingesickert. So ähnlich, wie wenn man seiner Mutter fünfzehn Jahre lang beim Kochen zuschaut. Man fängt selber an zu kochen und weiß automatisch, wie es geht.” Der Imitatio-Effekt also, und damit kam Donna Leon sehr weit: Ihr Debüt brachte ihr einen Verlagsvertrag in den USA ein, bis nach vier Bänden Diogenes die Weltrechte erwarb. Aber man darf sich von Leons Nonchalance nicht täuschen lassen, denn sie ist hoch professionell: immerhin bringt sie pro Jahr einen Brunetti-Fall zu Papier. „Ich bin schon auf Seite hundert in meinem sechzehnten Fall, aber ich habe noch keine Ahnung, wer der Mörder ist. Irgendwo in meinem Inneren spinnen sich die Fäden langsam fort, oft auch, wenn ich einkaufen gehe oder einen Kaffee trinke”. Es hilft nichts, wir müssen wieder raus und zuhören, was die Leute so reden.MAIKE ALBATH
DONNA LEON: Blutige Steine. Aus dem Amerikanischen von Christa E. Seibicke. Diogenes Verlag, Zürich 2006. 365 Seiten, 19,90 Euro.
Venezianische Blicke: Nur wer den Klatsch der Stadt kennt, findet den Mörder
Foto: Regina Schmeken
Donna Leon
Foto: Jerry Bauer
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