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Der Autor untersucht in diesem Buch historische Wandlungsformen des Krieges im Spiegel klassischer und aktueller Kriegstheoretiker - von Thukydides und Niccolo Machiavelli über Carl von Clausewitz, Friedrich Engels, Carl Schmitt und Mao Tse-tung bis hin zu Samuel Huntington und Hans Magnus Enzensberger.

Produktbeschreibung
Der Autor untersucht in diesem Buch historische Wandlungsformen des Krieges im Spiegel klassischer und aktueller Kriegstheoretiker - von Thukydides und Niccolo Machiavelli über Carl von Clausewitz, Friedrich Engels, Carl Schmitt und Mao Tse-tung bis hin zu Samuel Huntington und Hans Magnus Enzensberger.
Autorenporträt
Herfried Münkler, geb. 1951 in Friedberg/Hessen; Studium der Politikwissenschaft, Germanistik und Philosophie in Frankfurt am Main; 1981 Promotion zum Dr. phil., 1987 Habilitation. Seit 1992 Professur für Theorie der Politik an der Humboldt-Universität zu Berlin; Mitglied der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.10.2002

Der Krieg ist ein Chamäleon
Aufmarschpläne: Herfried Münkler spielt im aufgeräumten Sandkasten der Kriegsgeschichte
Die Klassenrevolution, versprach Karl Marx, werde das Ende aller Kriege bringen. Es war ein Satz, der Friedrich Engels ratlos ließ. Engels war ein Experte der Kriegsgeschichte und besonders fasziniert von der Technologie der Waffenproduktion. In Herfried Münklers Sammlung von nachdenklichen und anregenden Essays über das Wesen des Kriegs ist ein Kapitel Engels gewidmet: Engels habe die militärische Entwicklung mit der Industrialisierung in Verbindung gebracht und deshalb gerätselt, wie der Krieg dem ewigen Frieden weichen solle. Die Tatsache, dass modernisierte Staaten nicht nur Massenarmeen ausheben, sondern sie auch ausrüsten konnten, bewog Engels, die Zukunft des Kriegs in höchst düsteren Farben zu malen.
Engels’ Prophezeiungen traten ein – zumindest was Europa und die Periode bis 1945 betraf. Aber auch durch die zwei Weltkriege verlor der Krieg nicht jeden Zweck. Krieg konnte, wie Lenin und nach ihm Frantz Fanon erkannten, als Hebamme der Revolution fungieren. Münkler nennt das in der zentralen Argumentation seines Buchs die existentielle Interpretation des Kriegs. Deren Themen entwickelt er anhand seiner Ansichten über Johann Gottlieb Fichte. Fichte begrüßte den nationalen Befreiungskrieg von 1813 nicht nur, weil er gegen Napoleon ging und er sich davon eine Demokratisierung Preußens versprach, sondern auch, weil dieser Krieg Denken und Handeln verbinden würde. Der Krieg war eine so intensive Erfahrung, dass er den latenten Helden im Individuum freisetzte und der Existenz einen transzendenten Sinn verlieh. Mit anderen Worten: Der Krieg hatte seine eigene Logik.
Eine Art Ehrenliberaler
Münkler wendet diese Idee des existentiellen Kriegs auf Carl von Clausewitz an. Im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts ist Clausewitz eine Art Ehren-Liberaler geworden. Seine Formulierung des Verhältnisses zwischen Krieg und Politik legte nahe, dass der Gebrauch des Kriegs der Rationalität unterlag. Der Zweck des Kriegs war seinem Wesen äußerlich. Münkler nennt das die instrumentelle Auffassung vom Krieg. Sie half dabei, die Idee der nuklearen Abschreckung zu entwickeln.
Clausewitzforscher tun sich schwer mit dieser Charakterisierung des Mannes und seiner Schriften. Erstens ist „Vom Kriege” ein sehr dickes Buch, worin das meiste gar nichts mit der „instrumentellen” Auffassung vom Krieg zu tun hat. Zweitens war Clausewitz Preuße und Soldat, ein Mann, dessen Hass auf die Franzosen und dessen nationalistische Ader schlecht zu dem Bild eines modernen Liberalen passten. Münklers neuer Ansatz besteht darin, Clausewitz im Licht seiner Bekenntnisdenkschrift von 1812 zu deuten, in der er sich dafür entschied, lieber Russland als Preußen zu dienen. Damit verwarf Clausewitz das rationale Kalkül des Königs, dass Widerstand gegen Napoleon aussichtslos sei, zugunsten einer emotionalen Reaktion im Geiste Fichtes. Es war ein existentieller Krieg.
Erst nach der Niederlage Napoleons 1815 mäßigte sich Clausewitz. Münkler sieht in dem Verfasser des Buchs „Vom Kriege” einen konservativeren Denker, befreit von den Leidenschaften der Jugend und bereit, die Last des Kriegs eher den Staatsmännern und ihren Kalkülen aufzuerlegen als dem Volk in seinem Wankelmut. Höhepunkt dieser inneren Entwicklung war die Denkschrift von 1827, worin Clausewitz die Absicht äußerte, den gesamten Text von „Vom Kriege” unter instrumentellen Gesichtspunkten umzuschreiben. Er starb jedoch, be-vor er diese Aufgabe abschließen konnte.
Münkler weist darauf hin, dass die existentielle Interpretation des Kriegs ihn nicht automatisch jedes politischen Zwecks beraubt. Genau dies war denn auch Fichtes eigentliche Idee, und es war auch die Schlussfolgerung der Marxisten und noch mehr der Nationalsozialisten.
Hitler legte das Schwergewicht auf das Volk, das dritte Element in Clausewitz’ „Dreieinigkeit” aus Volk, Generalität und Regierung. Sowohl er als auch Stalin sahen im Krieg selbst das Mittel, um ihren neuen Staat zu formen. Mit anderen Worten: Krieg ist nicht unbedingt ein Instrument der Politik, sondern kann auch selbst Politik in Reinkultur sein.
Kriegstheoretiker, die mit der nuklearen Abschreckung befasst waren, haben die Formulierung Clausewitz’ über das Verhältnis zwischen Krieg und Politik zu häufig in dem Sinne interpretiert, dass Politik den Krieg zu begrenzen vermöge; für Clausewitz aber, der die Auswirkung der Französischen Revolution auf die Kriegführung aus eigener Erfahrung kannte, lag es näher, Politik als Motor einer Radikalisierung und Extremisierung des Kriegs zu sehen.
Für Clausewitz war der Guerrillakrieg in Spanien der existentielle Krieg schlechthin. Aber große Ideen bringen nicht zwangsläufig große Folgen hervor. Münkler beschreibt, was er Partisanenkrieg nennt, als einen lokalen Verteidigungskrieg. Im 19. Jahrhundert wurde so einer Invasion widerstanden, der Partisanenkrieg war an ein bestimmtes Territorium gebunden. Die Unterstützung der Bevölkerung war notwendig.
Anstatt wie in der klassischen napoleonischen Strategie räumlich und zeitlich ihre Kräfte zu konzentrieren, zerstreuten sich die Partisanen und suchten den Konflikt in die Länge zu ziehen. Ihr Ziel war häufiger gegenrevolutionär – Widerstand gegen die Modernisierung – als revolutionär. Münkler geht noch weiter. Er nennt den Partisanenkrieg ein Chamäleon. Jene, die wie Mao den Partisanenkrieg zur Herbeiführung einer revolutionären Veränderung befürworteten, erwarteten, dass der Partisan im letzten Stadium des Konflikts diese Kriegsführung werde aufgeben müssen: Sie ist eine Form des Kampfes, die letzten Endes ihre eigene Identität negieren muss.
Bodenkrieg und Lufthoheit
Dasselbe gilt am anderen Ende des Spektrums der Partisanenkriegsführung. Auch der Terrorismus bedeutet ein Abgehen vom Partisanenkrieg im eigentlichen Sinne. Seine Attraktivität für den Partisanen beruht darin, dass er nicht von der Unterstützung durch die lokale Bevölkerung abhängig und von den Beschränkungen der Territorialität befreit ist. Mit anderen Worten: Der Terrorist kann offensiv kämpfen und seine Kräfte zeitlich und räumlich konzentrieren.
Münkler führt aus, dass Terrorismus eine wirksame politisch- militärische Strategie sei. Als internationales Verbrechen will er ihn nicht abstempeln. Münkler stimmt jedoch jenen nicht zu, die zu dem Schluss kommen, dass der von Armeen ausgetragene Krieg zwischen Nationalstaaten daher erledigt sei.
Paradoxerweise aber bewirkten diese Anschläge (die ihrerseits das existentielle Verständnis des Kriegs widerspiegelten) ein Wiedererstarken der instrumentellen Auffassung vom Krieg, nicht etwa deren weitere Schwächung.
All jene, die da argumentierten, dass Guerrillas und Terroristen an die Stelle von organisierten Armeen treten würden, taten das, weil sie den Niedergang des Nationalstaats voraussagten. Staaten, denen die Standardattribute der Staatlichkeit abgingen, seien erfahrungsgemäß anfällig gegen Angriffe von Terroristen. Aber am 11. September 2001 trafen Terroristen den stärksten Staat der Welt, was die Verankerung in der Demokratie und das Bewusstsein von der Notwendigkeit der Selbstverteidigung betraf. Die Reaktion der USA, die einen „Krieg” gegen den Terror erklärten, war im Wesentlichen die eines souveränen Staates. Entsprechend haben sie ihre Feinde in anderen souveränen Staaten ausgemacht, zuerst Afghanistan und dann Irak.
Die USA haben also das Paradigma des Westfälischen Friedens von 1648 nicht etwa aufgegeben, sie haben es bekräftigt. Herfried Münkler äußert sich skeptisch, was die Vorstellung betrifft, Staaten würden heutzutage den Krieg nicht mehr zur Verfolgung ihres nationalen Eigeninteresses nutzen. Sie intervenieren militärisch nicht dort, wo es nur Ungerechtigkeit zu bekämpfen gilt, sondern wo auch ihre eigenen Interessen auf dem Spiel stehen. Der Kosovokrieg war für Münkler die Ausnahme, die die Regel bestätigt.
Münklers Sorge ist nicht, dass der Nationalstaat die Ziele des Kriegs bestimmt, sondern dass er über dessen Mittel gebietet. Er übertreibt vielleicht das Ausmaß, in welchem Staaten das Geschäft von Bodenoperationen durch den Einsatz von Söldnern privatisiert haben, aber er muss sich mit Recht fragen, ob Luftüberlegenheit ausreichen wird, um den westlichen Staaten die Behauptung ihres Monopols auf den Einsatz bewaffneter Kräfte zu erlauben. HEW STRACHAN
HERFRIED MÜNKLER: Über den Krieg: Stationen der Kriegsgeschichte im Spiegel ihrer theoretischen Reflexion. Velbrück Wissenschaft, Weilerswist- Metternich 2002. 256 Seiten, 29 Euro.
Deutsch von Olga Anders.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Wenn die Praktiker des Krieges das Kommando übernehmen, hat es die Theorie schwer, weiß Rezensent Jan Engelmann. Dann nämlich besorgen professionelle PR-Berater das Wahrnehmungsmanagement, im Fernsehen schlägt die Stunde von Peter Scholl-Latour und seinen philosophischen Bannerträgern, und Carl Schmitt avanciert wieder zum wichtigsten Stichwortgeber eines Diskurses, der das Politische mit der Entscheidung zwischen Freund und Feind gleichsetzt. Zur Freude Engelmanns erinnert Herfried Münkler in seiner "überaus lohnenswerten" Aufsatzsammlung "Über den Krieg" nun daran, dass Schmitt die moralische Entwertung eines Kriegsgegners streng verurteilte. Im Falle einer "absoluten Feindschaft", referiert der Rezensent den Autor, sah Schmitt die wichtigste Spielregel des Krieges verletzt, die dem "iustus hostis" eine eigene Würde und Position auf Augenhöhe zugesteht. "Für einen Präventivschlag gegen eine 'Achse des Bösen'", resümiert Engelmann, "hätte Schmitt demnach nicht viel übrig gehabt."

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