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Kaspar Krone ist der berühmteste Clown Europas - und er hat ein phänomenales Gehör. Als eines Tages das Mädchen KlaraMaria - von der eine eigenartige Stille ausgeht - verschwindet, ahnt er, dass etwas Entsetzliches geschehen wird, wenn er sie nicht sucht und befreit. Autojagden, Fensterstürze, eine Flucht durch das Kopenhagener Kanalisationssystem und eine Naturkatastrophe: Peter Høeg ist ein Meister der Spannungsliteratur. Doch er erzählt auch von der Suche nach Weisheit und dem Sinn des Lebens - und von der großen Liebe.

Produktbeschreibung
Kaspar Krone ist der berühmteste Clown Europas - und er hat ein phänomenales Gehör. Als eines Tages das Mädchen KlaraMaria - von der eine eigenartige Stille ausgeht - verschwindet, ahnt er, dass etwas Entsetzliches geschehen wird, wenn er sie nicht sucht und befreit. Autojagden, Fensterstürze, eine Flucht durch das Kopenhagener Kanalisationssystem und eine Naturkatastrophe: Peter Høeg ist ein Meister der Spannungsliteratur. Doch er erzählt auch von der Suche nach Weisheit und dem Sinn des Lebens - und von der großen Liebe.
Autorenporträt
Peter Høeg, 1957 in Kopenhagen geboren, ist mit dem Roman Fräulein Smillas Gespür für Schnee (Hanser 1994) zum internationalen Bestsellerautor geworden. Bei Hanser liegen außerdem vor: Vorstellung vom zwanzigsten Jahrhundert (Roman, 1992), Der Plan von der Abschaffung des Dunkels (Roman, 1995), Die Liebe und ihre Bedingungen in der Nacht des 19. März 1929 (Erzählungen, 1996), Die Frau und der Affe (Roman, 1997), Das stille Mädchen (Roman, 2007), Die Kinder der Elefantenhüter (Roman, 2010), Der Susan-Effekt (Roman, 2015) und Durch deine Augen (Roman, 2019). Peter Høeg lebt in der Nähe von Kopenhagen.

Peter Urban-Halle arbeitet auch als Kritiker und Herausgeber. Er übersetzte u.a. Naja Marie Aidt, Georg Brandes, Leif Davidsen, Jens Christian Grøndahl und Per Højholt. Zuletzt erhielt er den Förderpreis des Europäischen übersetzerpreises Offenburg 2010.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.03.2007

Zwei Ohren für ein Halleluja
In Peter Høegs neuem Eso-Thriller wird viel gebetet und geprügelt – schade nur, dass „Das stille Mädchen” fast ohne Zwischentöne auskommen muss Von Jutta Person
Der kurze Satz ist der Rambo der Grammatik: Subjekt, Verb, Objekt, das schreit nach Intensität und Wichtigkeit, jeder Nebensatz wird da zur Bedeutungsbremse. Kurze Sätze versprühen die Aura der konzentrierten Wahrheit, weil man sich lügnerische Lakoniker nicht so recht vorstellen kann. Interessant wird es, wenn dieser Intensitäts-Kniff auf einer langen Strecke eingesetzt wird, wenn also ein sehr dickes Buch – wie der neue Roman von Peter Høeg – fast ausschließlich aus kurzen Sätzen besteht. Auf 450 Seiten klingt das meist so: „Er lehnte sich zurück. Betete. Im stillen. Synchron mit dem Herzschlag. Herr, erbarme dich meiner. Er begegnete seiner Erschöpfung. Und der Angst um das Kind. Dem Hunger. Dem Alkohol. Dem Koffein. Dem Schmerz wegen des Sturzes.”
„Das stille Mädchen” ist ein Buch, in dem viel gehorcht, gebetet und geprügelt wird. Und gottseidank auch gekalauert: Der Held Kasper Krone ist nicht nur ein Clown mit übersinnlichen Fähigkeiten, sondern auch ein abgezockter Egoist, Trickser und Spieler, der seine Umgebung und sich selbst gern aufs Korn nimmt. Kasper Krone besitzt das absolute Gehör: Er klinkt sich per Lauschangriff in die klanglichen „Systeme” der anderen Menschen ein, erfasst das Temperament, hört Sorgen und Nöte, kurz: den Grundton jeder Existenz. Diese Gabe hat er zu Geld gemacht, denn er arbeitet mit schwierigen Kindern, indem er sich in ihre Dissonanzen hineinhört. Die Stadt Kopenhagen nimmt er vor allem als Geräuschtapete wahr, in der bestimmte Stadtteile nach Luxus oder nach „semipermanentem Altersheim” klingen; dadurch gelingen ihm allein mit einem Telefonanruf und dessen Hintergrundgeräuschen die spektakulärsten Ortungen.
Seine Gabe kann der Clown gut gebrauchen, denn ab Seite sieben überstürzen sich die Ereignisse. Ein Mädchen wird entführt, das ebenfalls mit außergewöhnlichen Fähigkeiten brilliert: KlaraMaria strahlt vollkommene Harmonie aus, eine Art übernatürlicher Stille, kann aber noch einiges mehr. Ihre Spezialbegabung hat etwas mit dem Erdbeben zu tun, das die Innenstadt von Kopenhagen unter Wasser gesetzt hat. Zufällig arbeitet Kaspers Ex-Geliebte, die Seismologin Stine, an der Aufklärung dieses rätselhaften Bebens, ebenso zufällig werden ihr Kinderzeichnungen mit Lageplänen der Absenkungen zugeschickt. Die Kombination von Kind und Wissenschaftlerin erinnert an Høegs Bestseller „Fräulein Smillas Gespür für Schnee” – nur ist das besondere Gespür diesmal im Gehörgang angesiedelt, und auch die Tonart hat sich verschoben: hin zum Kurzsatz-Stakkato, das die Spannungskurve permanent am Abfallen hindern soll.
Aus Entführung, Naturkatastrophe und unglücklicher Liebe biegt der Däne Peter Høeg ein Koordinatensystem für seine überbordende Ohren-Saga zurecht: Alle Erscheinungen werden dem Hören untergeordnet, so dass die Welt als Geräuschkulisse aus Glockentönen und Bach-Reminiszenzen erscheint und Menschen in E-Dur und h-moll gestimmt sind – ein Roman in Dolby-Surround-Qualität, der aber mit seinem eigenen Medium, der Sprache, auffallend wenig anfangen kann. Bevölkert wird er von einer nicht enden wollenden Freak-Parade: einer afrikanischen Kampfsportnonne, einer Äbtissin, die schwarze Spitzenwäsche trägt, einem beinamputierten Ex-Stuntman, Klosterschwestern, die aussehen wie „die Lichtwesen bei Kübler-Ross” und einem kriminellen Immobilienhai mit einem Loch im Klangkörper.
Dieses James-Bond-hafte Reich des Bösen, die bunte Palette von Artisten, Gaunern und Lädierten – das hat durchaus Unterhaltungswert. Spannung erzeugt der Thriller dabei weniger durch den Plot (der ist einfach viel zu unübersichtlich) als durch das irrwitzige Personal – und dadurch, dass jede Spielkarte und jeder Lottoschein mit einer Bedeutung aufgeladen sind, die sich dem Leser immer erst etliche Seiten später erschließt. Zur 007-Unterwelt kommen die Slapstick-Szenen, die von fern an die Spaghettiwestern der siebziger Jahre erinnern: Kasper Krone erleidet einen Bauchschuss und eine Schädelfraktur, knallt den Leibwächter des Wirtschaftskriminellen an die Wand und hetzt danach verblutend durch die Stadt, um einen dubiosen Professor zu verhören.
Schade nur, dass Peter Høeg dieses Knochenknacker-Ballett mit immer mehr Esoterik auflädt. Seit seinem letzten Roman „Die Frau und der Affe” sind zehn Jahre vergangen, in denen Høeg vollständig von der Bildfläche verschwunden war. Das hat die Gerüchteküche über den „Smilla”-Autor angekurbelt. Høeg hatte sich mit seiner Familie in ein Dorf in der Nähe von Kopenhagen zurückgezogen, um dort, wie er jetzt erklärt, an diesem neuen Roman zu arbeiten und zu meditieren.
Vor zwei Jahren hatte ihn eine schwedische Journalistin auf Jütland ausfindig gemacht – bei dem dänischen New-Age-Guru Jes Bertelsen, in dessen Kosmos C. G. Jung, Kierkegaard und Buddha eine wichtige Rolle spielen (siehe SZ vom 25.8. 2005). In Bertelsens Bildungsstätte „Vækstcentret” (Wachstumszentrum) verriet Peter Høeg der Journalistin erstmals etwas von seinem neuen Projekt, und seither steht der Roman unter Esoterik-Verdacht. Dass bei einem Schriftsteller wie Høeg Privatleben und Weltanschauung öffentliches Interesse erregen, ist nicht erstaunlich. Aber auch ohne biografisches Hintergrundwissen lässt „Das stille Mädchen” die Meditationsglöckchen einfach zu aufdringlich klingeln.
Religiöse Inbrunst und Weisheiten aus Kindermund paaren sich gegen Ende des Romans auf eine Weise, die einem den Spaß an der eigentlich sympathischen Durchgeknalltheit der Figuren verdirbt. Je schneller die Schlüsselbeine brechen, je rasanter sich die Reise durchs Kopenhagener Kanalsystem gestaltet, desto mehr kommen göttliche Kräfte zum Einsatz. „Gott Herrin, lass diesen Mann in die Hände tüchtiger Schönheitschirurgen fallen”, betet Kasper Krone, bevor er zuschlägt. Man könnte das für eine Hommage an den Gewalt-Klassiker „Pulp Fiction” halten – auch dort wird das biblische Buch Ezechiel bemüht, um all die Blutspritzer komisch aufzuladen. Aber Kasper Krone und sein Autor meinen es ernst, selbst wenn sie scherzen: „Er betete, er wollte ein Zeichen. Nichts kam. Vielleicht war es mit Gott der Herrin wie mit Mobiltelefonen. Der Empfang ist nicht immer der beste.” Die Kalauer sind womöglich nur dazu da, den Verdacht der Einfalt von der Figur fernzuhalten.
Auch „Gott die Herrin” ist kein Spaß, sondern Teil einer metaphysisch aufgepumpten Suche nach dem Wesen des Weiblichen – was an Jung und Kierkegaard erinnert, die reichlich eingestreut werden. Die Kopenhagener Sintflut und Kaspers Retter-Performance, die im übrigen an einem Osterwochenende stattfindet, geben den Rahmen ab für diesen Erlösungs-Rundumschlag. Ein guter Thriller muss nicht die Welt retten, er muss auch kein Sprachkunstwerk sein. Peter Høegs neuer Roman aber fuchtelt auf jeder Seite mit einer Mission, an der sich schon viele verhoben haben: die Menschheit befrieden, die innere Stille finden, die großen Gegensätze versöhnen. „Das schnellste Ross ins Himmelreich ist das Leiden”, zitiert der Clown den verehrten Meister Eckhart. Bei all seinen Pferdestärken ist „Das stille Mädchen” ein Roman, dem irgendwann die Motive durchgegangen sind.
Peter Høeg
Das stille Mädchen.
Roman. Aus dem Dänischen von Peter Urban-Halle. Carl Hanser Verlag, München 2007. 462 Seiten, 24,90 Euro.
Peter Høeg Foto: Birch/picture-alliance/dpa
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.01.2007

Der Verschollene kehrt zurück

Peter Høeg wurde berühmt durch den Roman "Fräulein Smillas Gespür für Schnee". Doch dann wurde es plötzlich sehr still um den dänischen Schriftsteller. Niemand wusste, wo er war, wie es ihm ging - und ob er jemals wieder ein Buch schreiben würde. Nach zehn Jahren ist er jetzt wieder aufgetaucht. Die Bilanz dieser Zeit zieht er im Roman "Das stille Mädchen", der in der kommenden Woche erscheint.

Von Felicitas von Lovenberg

Zehn Jahre sind eine lange Zeit. Zehn Jahre sind in modernen Biographien beinahe ein ganzer Lebensabschnitt. In zehn Jahren wechselt mancher häufiger den Ehepartner als jemals Auto, Beruf oder Wohnort, verändern sich Gesellschaften: So muss es jedenfalls erscheinen, wenn man die Lebenszeit ausschließlich der Maxime unterwirft, jeden Moment zur Maximierung von Gewinn, Ansehen und Lust zu nutzen.

In einer anderen Zeitrechnung aber, die Lebensqualität in der Vertiefung von Erkenntnis, Wahrhaftigkeit und Zuneigung ansiedelt, sind zehn Jahre nur ein Wimpernschlag. Was bedeuten sie schon angesichts der Tausenden von Jahren, in denen die Menschheit im Nachdenken über sich selbst nicht weitergekommen ist? Was sind zehn Jahre vor der Zeitlosigkeit großer Kunst? Wie schnell vergehen sie, wenn man seinen Kindern beim Wachsen zuschaut? Und wenn man sich mit den ewigen Fragen beschäftigt, haben zehn Jahre nicht einmal die Länge einer Kaffeepause.

Peter Høeg hat es gewagt, auszuscheren aus dem Literaturgeschäft, aus den Rummel um seine Person, dem gefeierten Autor des Weltbestsellers "Fräulein Smillas Gespür für Schnee". Zehn Jahre lang war er verschwunden; selbst sein dänischer Verleger soll nicht gewusst haben, wo er sich aufhielt. Als man sein Fehlen bemerkte, was einige Zeit dauerte, nämlich ungefähr zwei Jahre, so lang, wie er früher für das nächste Buch gebraucht hatte, verdichtete sich das Rätseln immer mehr, bis schließlich ein handfester Skandal daraus wurde. Dieser wiederum wurde von einer Journalistin, die Høeg im vergangenen Sommer aufspürte, einerseits beendet - der Star der dänischen Literatur war gefunden -, andererseits neu entfacht. Denn zwischen den Zeilen vermittelte ihr Artikel den Eindruck, der Mann sei nicht mehr ganz bei Trost: Er habe kein Telefon, lebe zurückgezogen in Nørre Snede, einer sektenähnlichen Ökokommune auf Jütland, und habe aufgehört zu schreiben.

Die Angaben zu seiner Biographie waren schon immer widersprüchlich. Er selbst bekundete, eine glückliche Kopenhagener Kindheit verlebt zu haben, doch dann machten Rezensenten im Roman "Der Plan von der Abschaffung des Dunkels" (1995) in der Verstörtheit des geprügelten Schulkinds allenthalben autobiographische Züge aus. Aktualisierte lexikalische Einträge vermerken, er habe sich im Rückzugsjahr 1996 auch von seiner Frau und den beiden Töchtern getrennt; Høeg indes bezeichnet solche Behauptungen im Gespräch als Blödsinn. Seine Entscheidungen dürften oft auf Verwunderung gestoßen sein. Als junger Mann führte Peter Høeg ein Nomadenleben, trat als Schauspieler und Ballerino auf europäischen und afrikanischen Bühnen auf, was irgendwie zu seinem Aussehen passt, einer eigenwilligen Mischung aus Michail Baryschnikow und Bruce Chatwin.

Nicht alle seine Bücher wurden von Kritik und Publikum so geliebt wie "Fräulein Smilla". Als 1996 die aberwitzige Liebesgeschichte und Gesellschaftssatire "Die Frau und der Affe" erschien, raunte man bereits von Ökokitsch und befürchtete, Peter Høeg mutiere allein schon, was die schiere Zahl der moralischen Merksätze angehe, zu einem modernen Saint-Exupéry. Dazu schien zu passen, dass er seine Bücher zunächst mit der Hand statt mit dem Computer schreibt, dass er sich in Interviews konsumskeptisch äußerte und dass er mit den Erlösen aus dem Buch eine Stiftung namens Lowle gründete, die Frauen und Kindern in Tibet und Afrika zugute kommt. Dass er mehr als eine kreative Schaffenspause einlegte, fiel erst auf, als man von ihm, der zuvor innerhalb von zehn Jahren fünf Bücher veröffentlicht hatte, auffällig lange nichts hörte - bis ihn jene Journalistin auf Jütland heimsuchte. Ihr erzählte Høeg, dass er an einem Roman arbeite, und bat sie um Stillschweigen. Statt dessen schrieb sie im letzten Sommer einen Artikel, in dem Høeg wie ein Esoterikjünger in den Fängen von Jes Bertelsen, dem "dänischen Guru des New Age", vulgo Sphärenklingler, erschien. So wurde der mystische Nebel um den Schriftsteller immer dichter.

Dass Peter Høeg im Mai dieses Jahres fünfzig wird, sieht man ihm nicht an. Als wir uns in München begegnen, scheint es vielmehr, als sei er auch, was den Alterungsprozess angeht, zehn Jahre aus der Zeit gefallen. Deutschland ist nach Dänemark und zusammen mit Holland das zweite Land, in dem der Roman "Das stille Mädchen" erscheint. Hier hat er ein besonders großes Publikum; 2,2 Millionen Mal hat sich allein "Fräulein Smillas Gespür für Schnee" verkauft. Dementsprechend plant der Hanser Verlag nun eine Startauflage von hunderttausend Exemplaren. Auf den Autor selbst wird das Publikum jedoch verzichten müssen: Høeg macht keine Lesereisen, und als wir uns treffen, sagt er, dass er keine weiteren Interviews geben will. Er ist konzentriert, überlegt, präzise, spricht leise und in fließendem Deutsch, das er mit der weichen Melodie der skandinavischen Sprachen unterlegt.

Es wäre leicht, vieles von dem, was Høeg sagt, als esoterischen Kitsch abzutun - zu leicht. Denn hinter der modernen Manie, alles, was die Grenzen von Verstand und Bewusstsein überschreitet, mit abgebrühter Ironie und cooler Skepsis grundsätzlich erst einmal zu belächeln, verbirgt sich oft nicht nur ein Mangel an Höflichkeit und Respekt, sondern auch ein Mangel an Haltung: eine eigene existentielle Verunsicherung. Die Gretchenfrage nach dem Glauben berührt das Persönlichste des Menschen, und in einer zweistündigen Begegnung ist ihr nicht gerecht zu werden. Ganz vermeiden lässt sie sich nun nicht, denn Høeg hat die spirituelle Suche in den Mittelpunkt seines neuen Romans gestellt.

"Das stille Mädchen" erzählt die Geschichte des berühmten Clowns Kaspar Krone, der eine einzigartige Gabe besitzt: Er nimmt seelische Schwingungen als Klang wahr, kann hören, auf welchen Grundton ein Mensch gestimmt ist. Als Musiktherapeut betreut er die neunjährige KlaraMaria, von der eine völlige seelische Stille ausgeht, die ihn ebenso fasziniert wie beunruhigt. Als das Mädchen entführt wird, macht er sich auf eine halsbrecherische Suche nach ihr. Unterwegs begegnen ihm Menschen, die ebenfalls ungewöhnliche Fähigkeiten haben: eine Afrikanerin mit übermenschlichen Kräften; eine madonnenhafte Blaue Dame; die Geologin Stine, Kaspar Krones große Liebe, die er nicht vergessen kann. Auf seiner Jagd nach den Kidnappern des stillen Mädchens deckt Krone die Machenschaften eines verbrecherischen Immobilienkonsortiums auf, versinken Teile Kopenhagens im Meer, und eine Gruppe von Kindern um KlaraMaria vernimmt, was die Welt im Innersten erschüttert. Kaspar Krone verliert seinen Vater und gewinnt eine Tochter.

Die Spannungselemente der Handlung dienen Høeg jedoch lediglich als Folie, um über Musik, die Liebe zwischen Mann und Frau, Kindern und Eltern, über Verlust und Vergebung und das Mysterium Gott nachzudenken. Sein Clown ist ein Schmerzensmann, dem die Masken nicht helfen, wenn es um jene Sehnsucht nach dem Überschreiten der Grenzen des Verhaltens, Erlebens und Denkens geht. Høeg, angeregt von der Lektüre der Mystiker wie Meister Eckhart bis hin zu Kierkegaard, hat keine Antwort auf dieses theologische wie philosophische Urthema, aber seine Figuren stehen für die unterschiedlichen Ansätze der großen Weltreligionen.

In Dänemark ging man hart ins Gericht mit Høeg, als das Buch vor einigen Monaten herauskam. Høeg erklärt die Ablehnung damit, dass der Roman mit der Frage nach Transzendenz im protestantischen Dänemark ein Tabu berührt habe. Im Gespräch ist er darum bemüht, jegliche Vergleiche zwischen dem Sinnsucher Kaspar Krone und ihm abzuwehren. Das Buch sei Ergebnis des Bemühens, einer tieferen Wahrheit so nah wie möglich zu kommen. Auch wenn das, literarisch betrachtet, nicht immer gutgeht, hat man hier doch endlich wieder einen Autor, der sich an die großen Themen heranwagt.

Er ist sich durchaus bewusst, ein Risiko eingangen zu sein: Wie ein Bergführer, sagt er, der selbst nicht immer den Weg kennt. Das Ziel liegt jedenfalls himmelwärts, die Route ist steil und beschwerlich. Falls sich herausstellen sollte, dass die Menschen nicht mit ihm gehen wollten, sagt Peter Høeg, falls die Leser das Buch in Scharen ablehnen, dann müsse er sich neu besinnen. Doch da ein Roman eine sehr langsam gestellte Frage sei, dauere es naturgemäß auch Jahre, bis eine klare Antwort zu vernehmen sei. Vorerst scheint er froh zu sein, darauf zu warten.

Das Gespräch mit Peter Høeg finden Sie auf Seite 6.

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Zehn Jahre Funkstille - und dann? Jochen Hieber ist tief enttäuscht über den neuen Roman von Peter Hoeg, Bestsellerstatus hin oder her. Den guten Verkauf des Buches schreibt er der Lesertreue zu, doch um Himmels willen nicht der Güte des Textes. Vieles ist schief gegangen, Hieber zählt auf: Unglaubwürdigkeit, Unlogik (selbst für die Gattung Thriller), Behauptungen statt Beschreibungen, Konstruktionsschwächen. Richtig haarig aber wird's für Hieber, wenn der Autor seine privaten Steckenpferde reitet. Mystik und Spiritualität, Musik und das Ewigweibliche lässt er als Schreibimpulse nicht gelten, wenn sie zu Lasten einer schlüssigen Handlung gehen. Und wer Meister Eckhart oder Verdi ins Spiel bringt, findet Hieber, der sollte schon wissen, worüber er schreibt, nicht bloß fühlen.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Das stille Mädchen" von Peter Hoeg, hervorragend nüchtern-ironisch gelesen von Max Volkert Martens (...)."