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Wer war Anna Magdalena Bach? Unüberschaubar groß ist die Literatur über ihren Ehemann Johann Sebastian. Doch mit Anna Magdalena, jener Frau, die am längsten, bis zu seinem Lebensende, an der Seite des Köthener Hofkapellmeisters und Leipziger Thomaskantors war, hat man sich bisher vergleichsweise selten und noch weniger faktennah beschäftigt.Der Autor Eberhard Spree begibt sich in seinem Buch auf die nachweisbaren Spuren der "Frau Capellmeisterin Bach" und beleuchtet ihren Lebensweg: von der Geburt bis zur beruflichen Station als Sängerin am Köthener Hof, ihre Zeit in und mit der Familie Bach…mehr

Produktbeschreibung
Wer war Anna Magdalena Bach? Unüberschaubar groß ist die Literatur über ihren Ehemann Johann Sebastian. Doch mit Anna Magdalena, jener Frau, die am längsten, bis zu seinem Lebensende, an der Seite des Köthener Hofkapellmeisters und Leipziger Thomaskantors war, hat man sich bisher vergleichsweise selten und noch weniger faktennah beschäftigt.Der Autor Eberhard Spree begibt sich in seinem Buch auf die nachweisbaren Spuren der "Frau Capellmeisterin Bach" und beleuchtet ihren Lebensweg: von der Geburt bis zur beruflichen Station als Sängerin am Köthener Hof, ihre Zeit in und mit der Familie Bach in Köthen und Leipzig, schließlich auch die letzten zehn Jahre ihres Lebens nach dem Tod des Thomaskantors.Spree geht dabei akribisch vor und beschreibt ausschließlich auf der Grundlage der vorhandenen Quellen, wie die Lebensumstände, die Arbeitsbedingungen, die Möglichkeiten und Grenzen Anna Magdalena Bachs gewesen sind. Er entwirft gleichzeitig ein faszinierendes Bild der Zeitumstände, des gesellschaftlichen und alltäglichen Umfeldes, in denen die Familie Bach lebte. Interessantestes Ergebnis seines Buches ist: Anna Magdalena Bach war mehr als nur Ehefrau und Mutter, sie war auch Geschäftspartnerin ihres Mannes und bis in die Leipziger Zeit hinein aktive Sängerin auf höchstem künstlerischem Niveau.Das Buch erscheint im 300. Jahr nach der Eheschließung Johann Sebastian Bachs mit Anna Magdalena Wilcke am 3. Dezember 1721. Es setzt die intensive Beschäftigung des Autors mit Anna Magdalena Bach, die bereits im Buch "Die verwitwete Frau Capellmeisterin Bach" - dort im wesentlichen über die Jahre nach dem Tod ihres Mannes - ihren Niederschlag gefunden hatte, in Richtung auf ein komplettes Lebens- und Zeitbild fort.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.11.2021

Diese Frau war alles andere als hilflos und verzweifelt
Von wegen Haushaltslieschen und Dienstmagd: Eberhard Spree sichtet historische Quellen und legt eine erhellende Biographie über Anna Magdalena Bach vor

Wenn Johann Sebastian Bach - wie Claude Debussy einmal meinte - der liebe Gott der Musik ist: Wer oder was ist dann seine Frau? Die Unmöglichkeit, diese Frage sinnvoll zu beantworten, löst eine beinahe religiöse Scham aus. Denn musikhistorischer Monotheismus kann kaum besser beschrieben werden als mit Blick auf die Forschung zu Johann Sebastian Bach. An der Deutung seines Lebens und Werkes entlang entwickelte sich die deutsche Musikwissenschaft im neunzehnten Jahrhundert als genuin protestantische Disziplin. Darin spielten Frauen traditionell kaum eine Rolle, und Männerbildern haftete nicht selten etwas Übermenschlich-Monumentales an. Der zu große Schatten Bachs verdunkelte nicht nur das Interesse an seinem Umfeld, sondern sorgte auch dafür, dass seine hochbegabten Komponisten-Söhne zu lange im Halbschatten blieben. Das ist mittlerweile weitgehend überwunden, aber zu den Frauen um Bach gibt es noch eine Menge Nachholbedarf.

Dies gilt vor allem für Anna Magdalena Wilcke, Sängerin, Cembalistin und zweite Frau Bachs, mit der er beinahe dreißig Jahre lang verheiratet war. Sie übernimmt 1721 den Haushalt mit vier Kindern aus erster Ehe und bringt in den folgenden zwanzig Jahren selbst neun Kinder zur Welt. Ihre kräftezehrenden Pflichten, als "Frau Capellmeisterin Bach" dem Meister den Rücken von alltäglichen Banalitäten freizuhalten, kann man sich heute kaum noch vorstellen. Entsprechend groß ist die Versuchung mancher Autoren, fehlende Quellen zu ihrem Privatleben durch umso mehr Fantasie zu ersetzen und mit dem Tod Bachs im Jahre 1750 die Lichter über der Familie ganz erlöschen zu lassen. So kann man allerorten lesen, dass Anna Magdalena Bach nach dem Verlust ihres Lebenssinns als einsame Witwe verzweifelt und verarmt zurückgeblieben sei. Tatsache ist: Sie überlebt ihren Mann um kaum zehn Jahre. Aber was war sie denn nun? Ein fleißiges Haushaltslieschen, eine brave Dienstmagd des erhabenen Meisters oder gar eine ehemalige Prostituierte, wie David Yearsley 2019 sensationslüstern spekulierte? Oder war sie eine Musikerin auf Augenhöhe, eine gleichberechtigte Partnerin ihres Mannes in der Leipziger Oberschicht der Gutverdienenden und nicht zuletzt eine mit allen Wassern gewaschene Managerin eines Großhaushalts zu Bachs Lebzeiten und auch danach?

Eberhard Spree, Kontrabassist im Leipziger Gewandhausorchester und seit seiner Studie über die Verteilung des Nachlasses von Johann Sebastian Bach von 2019 als Experte für Anna Magdalena Bach bekannt (F.A.Z. vom 5. August 2019), ist abermals in die Archive getaucht, um das Licht über dieser großen Unbekannten noch etwas heller zu stellen. Sein neues Buch dehnt die Perspektive über die Nachlassakten auf das Leben von Anna Magdalena Bach aus und zieht zahlreiche historische Quellen heran, um ihr Wirken und ihren Lebensstandard einschätzen zu können.

Zwar ändert sich de facto nichts an den persönlichen Aktenstücken, in denen die Witwe 1750 als "Allmos. Frau" bezeichnet wird, die offenlegen, dass sie einen kleineren Teil vom Vermögen ihres Mannes als die Kinder und Stiefkinder erhielt, und die zeigen, dass der Rat der Stadt Leipzig ihr "wegen ihrer Dürfftigkeit" vierzig Reichsthaler für einige Exemplare der "Kunst der Fuge" bezahlte. Spree kann indes nachweisen, dass diese Bedürftigkeit nur aus heutiger Warte dramatisch klingt: Ganz abgesehen davon, dass der rechtliche Rahmen für ein Alleinerbe an eine Frau Mitte des achtzehnten Jahrhunderts nicht gegeben war, verkleinerte sich ihr Erbanteil ebenso durch ihre kuratorisch motivierte Entscheidung, Nachlassgegenstände von den Kindern und Stiefkindern zu erwerben, wie durch die finanzielle Unterstützung der hoch verschuldeten Schwester: Zwei Entscheidungen, die, so kann Spree plausibel machen, von finanzieller Potenz, aber auch von großem Familiensinn zeugen.

Überdies setzt Anna Magdalena Bach die nicht unerheblichen jährlichen Investitionen in eine Silbermine fort, die der Gatte seit 1741 getätigt hatte, wohl in der Hoffnung, aus diesem Bergbauprojekt einmal Vorteile zu ziehen. Durch vergleichende Studien kann Spree zeigen, dass "Almosenfrau" lediglich meinte, städtische Unterstützung zu erhalten, worauf alle Witwen unabhängig von ihrem Einkommen Anspruch hatten. Und "Dürfftigkeit" kann Spree schließlich als zeitgenössische Bezeichnung für Witwen ermitteln, die nicht wegen ihrer Armut, sondern ihres Verlustes wegen das Mitleid der Gesellschaft verdienten. Entsprechend musste die Stadt Leipzig auch keineswegs für Anna Magdalena Bachs Begräbnis aufkommen.

Sie war deswegen noch lange keine reiche Frau und keine reiche Witwe. Vergleiche zu Einkommenshöhen, Mietpreisen und Tätigkeitsfeldern anderer Thomaskantoren-Ehefrauen und Leipziger Witwen des achtzehnten Jahrhunderts helfen allerdings zu verstehen, wie vielseitig Frauen und später Witwen in wirtschaftliche Belange eingebunden waren und Verantwortungen übernahmen, die weit über Haushalts- und Personalführung sowie die Kindererziehung hinausreichten.

Bachs Witwe war über all dies hinaus vermutlich als Vermieterin von Wohnraum an Gäste vor allem zur Leipziger Messe, im Musikalienhandel und als Notenkopistin tätig, sie verwaltete und führte eine große Familie, hatte einen vergleichsweise hohen Lebensstandard und eine abgesicherte Existenz, auch nach dem Tod ihres Mannes. Man muss das Lebensmodell der Anna Magdalena Bach deswegen nicht überhöhen und sie als moderne Unternehmerin bezeichnen. Hilf- und mittellos war Anna Magdalena Bach aber keineswegs und vermutlich auch weniger einsam und verzweifelt, als man es sich oft vorstellte.

Dass Sprees Darstellung etwas spröde daherkommt, macht der Autor durch die vorsichtige Argumentation wieder wett, die allein die Quellen sprechen lässt. Und wo diese nichts zu sagen haben, schweigt auch er sich aus und hält sich mit Spekulationen zurück. Sein Buch ist daher eine leise Sensation, aber wie auch in der Musik sind es oft die leisen Töne, die am meisten bewegen. CHRISTIANE WIESENFELDT

Eberhard Spree: "Die Frau Capellmeisterin Anna Magdalena Bach". Ein Zeitbild.

Kamprad Verlag, Altenburg 2021. 320 S., Abb., geb., 29,80 Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensentin Christiane Wiesenfeldt hält das Buch des Musikers Eberhard Spree über Bachs zweite Frau für eine stille Sensation. Ohne Spekulationen, etwas spröde zwar, aber dicht an den vielfältigen Quellen und Nachlassakten entwickelt der Autor laut Rezensentin das Bild einer durchaus patenten Frau und Witwe, die sich durch die Verwaltung des Erbes ihres Mannes kleine Vorteile zu sichern suchte, also nicht auf Almosen angewiesen war, wie manche Biografen meinten. Der Autor kann seiner Studie über den Nachlass von J. S. Bach damit eine neue spannende Arbeit zur Familie Bach hinzufügen, findet Wiesenfeldt.

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