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Für die meisten Deutschen ist der Antikommunismus nicht 'die Grundtorheit unserer Epoche', wie Thomas Mann es schon 1943 formulierte, sondern eine Tugend. Wolfgang Wippermann erzählt die Geschichte und gegenwärtige Renaissance dieses Phänomens und macht klar: Den einen Antikommunismus gibt es nicht. Vielmehr variiert die Ideologie je nach Zeit und Raum ihres Aufkommens - und mit den politischen Absichten, die dahinterstecken. Seine neueste Streitschrift erweist sich als gewohnt kritisch, aber nicht apologetisch.

Produktbeschreibung
Für die meisten Deutschen ist der Antikommunismus nicht 'die Grundtorheit unserer Epoche', wie Thomas Mann es schon 1943 formulierte, sondern eine Tugend. Wolfgang Wippermann erzählt die Geschichte und gegenwärtige Renaissance dieses Phänomens und macht klar: Den einen Antikommunismus gibt es nicht. Vielmehr variiert die Ideologie je nach Zeit und Raum ihres Aufkommens - und mit den politischen Absichten, die dahinterstecken. Seine neueste Streitschrift erweist sich als gewohnt kritisch, aber nicht apologetisch.
Autorenporträt
Wolfgang Wippermann, geboren 1945, ist Professor em. und lehrte Neuere Geschichte an der FU Berlin. Einem breitem Publikum bekannt ist der gefragte Historiker durch Wortmeldungen in den Medien. Bei Rotbuch erschienen zuletzt 'Dämonisierung durch Vergleich' (2009) und 'Denken statt denkmalen' (2010).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.04.2012

Böse Brut
Wolfgang Wippermann analysiert
den Antikommunismus
Der Erste war wohl Wilhelm Johann Carl Eduard Stieber. Er witterte schon 1851 „Communisten-Verschwörungen“ und versuchte Karl Marx in seinem Londoner Exil auf den Zahn zu fühlen. Getarnt, versteht sich – nicht in seiner wirklichen Funktion als Königlich-Preußischer Polizei-Director, sondern als vermeintlicher „Zeitungsredakteur Schmidt“. Aufgrund seiner Recherchen kam es 1852 in Köln zu einem Prozess gegen zwölf Mitglieder des „Bundes der Kommunisten“. Die von Stieber vermutete Verschwörung konnte jedoch den Angeklagten nicht nachgewiesen werden.
Der Wahn, der Stieber trieb, ist das Thema von Wolfgang Wippermann. Der emeritierte Berliner Geschichtsprofessor, einer der härtesten Kritiker der Totalitarismus-Theorie (die Faschismus und Bolschewismus weitgehend gleichsetzt), hat eine knappe und gut lesbare „Ideologiegeschichte des Antikommunismus“ geschrieben, die mit Sieber beginnt und mit Reagans Kampf gegen das „Reich des Bösen“ endet. Seitdem ist das Thema etwas in den Hintergrund getreten und hat einer neuen Ideologie, dem Antiislamismus, den Platz der angeblichen Weltgefahr Nummer eins abgetreten.
„Heilige Hetzjagd“ hat Wippermann seine Streitschrift genannt. Dies ist ein Zitat aus dem Kommunistischen Manifest von 1848, in dem es eingangs heißt: „Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst des Kommunismus. Alle Mächte des alten Europa haben sich zu einer heiligen Hetzjagd gegen dies Gespenst verbündet.“ Der Fortgang der Geschichte hat das Gespenst allerdings konkrete Formen annehmen lassen. Es entstand in Paris 1871 die kurzlebige und fürchterlich zusammengeschossene Pariser Kommune, in der Friedrich Engels etwas überschwänglich schon das Vorbild der angestrebten „Diktatur des Proletariats“ sah.
Es kam 1917 zur russischen Oktoberrevolution und schließlich nach dem Zweiten Weltkrieg zu zahlreichen Staaten des „real existierenden Sozialismus“.
Anschauungsmaterial für den Antikommunismus gibt es genug. Für Wippermann steht dahinter allerdings ein großer Irrtum. Denn für ihn waren diese Staaten keineswegs kommunistisch oder auch nur auf dem Weg zu einer solchen Gesellschaftsform: „Denn weder Stalinismus noch Maoismus hatten mit dem, was sich Marx und Engels unter Kommunismus vorgestellt haben, auch nur das Geringste zu tun.“ Der Kommunismus bleibt deshalb für Wippermann eine „durchaus anzustrebende Utopie“, während die Ideologie des Antikommunismus „abzulehnen“ sei.
Insoweit damit gemeint ist, dass mit dem Schreckgespenst „Kommunismus“ jegliche Veränderungen zu einer sozialeren und gerechteren Gesellschaft diskreditiert wurden oder gar der angeblich „jüdische Bolschewismus“ im Visier war, ist ihm da voll zuzustimmen. Andererseits sind im Namen des Kommunismus zahllose Verbrechen verübt worden. Letzteres stellt Wippermann nicht in Abrede. Er will keine Apologetik des Kommunismus vorlegen. Gegen „berechtigte Kritik“, sagt er, habe er nichts. Ihm geht es um das Tarnmäntelchen, auf dem Antikommunismus draufsteht, unter dem sich aber Privilegien der Reichen, die Relativierung der faschistischen Gräueltaten oder auch nur die egoistischen Interessen des Westens im Kalten Krieg verbergen.
Dafür bringt Wippermann viele prägnante Beispiele nicht nur aus der deutschen Geschichte, sondern auch aus den USA, aus Frankreich, Italien, Polen, Spanien, aus Chile, Indonesien, Iran und Südafrika. RALF HUSEMANN
WOLFGANG WIPPERMANN: Heilige Hetzjagd. Eine Ideologiegeschichte des Antikommunismus. Rotbuch Verlag, Berlin 2012. 160 Seiten, 9,95 Euro.
Der Antikommunismus ist
eine Ideologie, die nicht selten
handfeste Interessen kaschiert.
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